Europarecht

Weiterleitung eines Rechtshilfeersuchens

Aktenzeichen  101 VA 130/20

Datum:
6.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31524
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGGVG § 23, § 24 Abs. 1
HBÜ Art. 1, Art. 2, Art. 9, Art. 11, Art. 23
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3
AusfG HBÜ § 14

 

Leitsatz

1. Zur Antragsbefugnis (§ 24 Abs. 1 EGGVG ) von Zeugen und Dritten, die sich gegen die Bewilligung von Rechtshilfe nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 18. März 1970 (HBÜ) wenden. (Rn. 18 – 23)
2. Die Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens durch die Zentrale Behörde (Art. 2 HBÜ ) unterliegt nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle (Rn. 30)
1. Die Beweisaufnahme im Rahmen einer pretrial discovery nach us-amerikanischem Recht dient der Verwendung in einem gerichtlichen Verfahren, so dass Art. 1 Abs. 2 HBÜ der Bewilligung der Beweisaufnahme nicht entgegensteht (so auch OLG Düsseldorf BeckRS 2006, 14190).  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Entscheidung über Rechtshilfeersuchen steht der Justizverwaltung ein weiter Ermessensspielraum zu, wobei auch Zweckmäßigkeitserwägungen Berücksichtigung finden können, die sich aus der Pflege der auswärtigen Beziehungen ergeben (so auch OLG Celle BeckRS 2007, 12334). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1) und zu 2) wird als unzulässig verworfen.
II. Der Antrag des Antragstellers zu 3) wird als unbegründet zurückgewiesen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Das Bezirksgericht der Vereinigten Staaten für den Bezirk Delaware hat am 3. Juli 2019 um Rechtshilfe nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 18. März 1970 (im Folgenden: HBÜ) ersucht. Der ersuchte Beweis, die gerichtliche Vernehmung des Antragstellers zu 3) als Zeuge, soll in einem bei dem ersuchenden Gericht anhängigen Zivilprozess A. / D. verwendet werden.
In dem Ersuchen wird ausgeführt, nach dem Vorbringen der Klagepartei A. habe die beklagte Partei D. ein Produkt hergestellt, das A. nicht direkt erworben habe. Eine Niederlassung von D. habe das Produkt vielmehr an die E. India Ltd. (Anmerkung des Senats: nach einer Umfirmierung die jetzige Antragstellerin zu 2]) verkauft, die eine Niederlassung der E. AG (im folgenden: E.; Anmerkung des Senats: nach einer Umfirmierung die jetzige Antragstellerin zu 1]) sei. Bei der E. sei das Produkt zur Herstellung von Kondensatoren verwendet worden, die an A. verkauft worden seien und in den elektrischen Trommeltrocknern von A. angeblich Brände verursacht hätten. A. behaupte, D. sei für die Brände in den Trommeltrocknern verantwortlich. D. ersuche einen Beweis betreffend die Verwendung seines Produkts bei der Herstellung der Kondensatoren. Ein solcher Beweis umfasse die Ausführung der E.-Kondensatoren sowie Informationen über die Tests, die die E. India Ltd. an den Kondensatoren und/oder ihren Bauteilen ausgeführt habe.
Der Antragsteller zu 3) wird in dem Ersuchen als stellvertretender Unternehmensleiter der Antragstellerin zu 1) bezeichnet.
Im Anhang A ersucht das Bezirksgericht, den Zeugen auf der Grundlage seines Wissens für den Zeitraum von 2005 bis 2013 folgendermaßen zu befragen:
1. Wie ist der „obere Kunststoffteil“ des Kondensators E. [Anmerkung des Senats: wird näher bezeichnet] ausgeführt?
2. Wie sah der Prozess bei E. für die Auswahl von Materialien zur Verwendung in dem „oberen Kunststoffteil“ des Kondensators E. aus?
3. Warum wählte E. [das näher bezeichnete Produkt] zur Verwendung in dem oberen Kunststoffteil des Kondensators E.? Wurden irgendwelche anderen Materialien in Betracht gezogen? Wenn dies der Fall war, welche Materialien?
4. War A. in irgendeiner Weise an der Auswahl [des näher bezeichneten Produkts] zur Verwendung im „oberen Kunststoffteil“ des Kondensators E. beteiligt? Wenn dies der Fall ist, inwiefern war A. beteiligt?
5. Welche technischen Informationen hat E. A. betreffend die Kondensatoren E. (und ihrer Bauteile) gegeben?
6. Hat E. A. irgendwelche technischen Informationen betreffend den „oberen Kunststoffteil“ des Kondensators E. gegeben? Wenn dies der Fall war, welche technischen Informationen wurden gegeben?
7. Welche Informationen oder welchen Hinweis hat E. A. betreffend die Sicherheit oder Tauglichkeit zur Verwendung der Kondensatoren E. (und ihrer Bauteile) in den elektrischen Trocknern von A. gegeben?
8. Welches waren die Vertragsbedingungen, einschließlich Kaufaufträge, zwischen E. und A. betreffend den Verkauf der Kondensatoren E.?
9. Welche Informationen hat E. A. betreffend die Verwendungen von Kondensatoren von E. gegeben?
10. Welche Informationen hat A. E. betreffend die Anforderungen an Kondensatoren (und ihrer Bauteile), die für A. hergestellt werden sollten, gegeben?
11. Welche Prüfungen hat E. (oder irgendeine andere Stelle, die im Auftrag von E. gehandelt hat) an den Kondensatoren E. (und ihren Bauteilen) ausgeführt? Wie häufig wurden die Kondensatoren E. (und ihre Bauteile) getestet? Welche Eigenschaften wurden getestet? Was waren die Ergebnisse dieser Tests?
12. Welche Informationen oder welchen Hinweis hat E. A. betreffend das Testen der Kondensatoren E. (und ihrer Bauteile) und die Notwendigkeit, dass A. ihre eigenen Tests an den Kondensatoren (und ihren Bauteilen) oder A.´s eigenen Produkt durchführen muss, gegeben?
13. Welche Informationen hat A. E. betreffend A.´s eigene Tests der Kondensatoren E. (und ihrer Bauteile) oder von A.´s eigenem Produkt gegeben?
14. Hat E. A. bei der Untersuchung der Ursache von angeblichen Bränden von A.´s Trocknern geholfen oder dabei mitgewirkt? Welche Informationen oder welche Unterstützung hat E. A. diesbezüglich zur Verfügung gestellt?
15. Hat A. jemals Ansprüche (entweder offiziell oder inoffiziell) gegenüber E. geltend gemacht, die sich aus den angeblichen Trocknerbränden bei A. ergaben? Wenn dies der Fall ist, haben E. und A eine Vereinbarung oder Regelung von Ansprüchen, die A. gegen E. geltend gemacht hat, getroffen? Falls eine Vereinbarung getroffen wurde, welcher Art war die Vereinbarung und was waren die Bedingungen?
Dieses Ersuchen ist mit Schreiben vom 8. Januar 2020 dem Amtsgericht München zur Erledigung vorgelegt worden. Dort war eine Erledigung des Ersuchens jedoch nicht möglich, da der zu vernehmende Zeuge nicht mehr bei der Antragstellerin zu 1) tätig war.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2020 ist das Ersuchen erneut vorgelegt und die Anschrift des Zeugen im Bezirk des Landgerichts Kempten mitgeteilt worden. Der Präsident des Oberlandesgerichts München hat das Rechtshilfeersuchen mit Schreiben vom 11. August 2020 zur weiteren Veranlassung an den Präsidenten des Landgerichts Kempten weitergeleitet. Mit Schreiben vom 24. August 2020 hat der Präsident des Landgerichts Kempten mitgeteilt, dass das Rechtshilfeersuchen an die Prüfungsstelle für Auslandsrechtshilfe beim Landgericht München II abgegeben worden sei, da der Zeuge laut aktueller Melderegisterauskunft im Bezirk des Amtsgerichts Starnberg wohnhaft sei.
Mit Schreiben vom 8. September 2020 ist der Antragsteller zu 3) vom Amtsgericht Starnberg zum Termin am 11. November 2020 als Zeuge geladen worden.
Der an das Oberlandesgericht München adressierte Antrag zur Überprüfung der Zulässigkeit des Rechtshilfeersuchens nach §§ 23 ff. EGGVG vom 12. Oktober 2020 ist von den Antragstellern am 13. Oktober 2020 dem Bayerischen Obersten Landesgericht übermittelt worden. Vom Oberlandesgericht München ist der Antrag am 15. Oktober 2020 an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben worden und dort am gleichen Tag eingegangen.
Die Antragsteller beantragen,
1.Die Bewilligung des Antragsgegners des Rechtshilfeersuchens nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970, die der Ladung zur Zeugenvernehmung des Antragstellers zu 3) vom 8. September 2020 durch das Amtsgericht Starnberg, Az. 01 AR 71/20, zugrunde liegt, wird aufgehoben.
2.Das Amtsgericht Starnberg wird angewiesen, die Ladung zur Zeugenvernehmung des Antragstellers zu 3) vom 8. September 2020 durch das Amtsgericht Starnberg, Az. 01 AR 71/20 aufzuheben.
3.Soweit den Anträgen zu 1. und 2. nicht vollständig entsprochen werden kann, hilfsweise, die Bewilligung des Antragsgegners des Rechtshilfeersuchens nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970, die der Ladung zur Zeugenvernehmung des Antragstellers zu 3) vom 8. September 2020 durch das Amtsgericht Starnberg, Az. 01 AR 71/20, zugrunde liegt, wird aufgehoben und der Antragsgegner verpflichtet, über die Bewilligung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Für den Fall, dass vor dem 4. November 2020 keine Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtshilfeersuchens getroffen wurde, beantragen die Antragsteller einstweilen anzuordnen:
4. Die Bewilligung/Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens durch die nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970, die der Ladung zur Zeugenvernehmung des Antragstellers zu 3) vom 8. September 2020 durch das Amtsgericht Starnberg, Az. 01 AR 71/20, zugrunde liegt, wird einstweilen ausgesetzt und das Amtsgericht Starnberg in der Sache Az. 01 AR 71/20 angewiesen, die Ladung zur Zeugenvernehmung vom 8. September 2020 an den Antragsteller zu 3) aufzuheben und die Zeugenvernehmung einstweilen auszusetzen.
Die Antragsteller sind der Ansicht, die Bewilligung des Rechtshilfeersuchens verstoße für die Fragen 4 bis 15 bzw. 2 bis 15 gegen Art. 23 HBÜ i. V. m. § 14 Abs. 2 AusfG HBÜ. Die Vorbehaltsregelung in Art. 23 HBÜ sei nicht auf Ersuchen zur Dokumentenvorlage beschränkt, sondern erfasse ihrem Sinn und Zweck nach auch solche Ersuchen, mit denen Fragen zur Existenz und zum Inhalt bisher unbekannter Dokumente gestellt werden sollen. Die Fragen entsprächen insgesamt nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f) HBÜ und zielten nicht auf die Bezeugung von benannten Tatsachen ab, sondern auf die Ermittlung unbekannter, neuer Tatsachen. Sie stellten zudem insgesamt eine unzulässige Ausforschung dar. Bei den Fragen 1 bis 4 und 6 sei unklar, was mit dem „oberen Kunststoffteil“ des Kondensators gemeint sei. Bei den Fragen 5 bis 7, 9 bis 10 und 12 bis 14 werde jeweils nach Informationen bzw. technischen Informationen gefragt, ohne dass die Fragen erkennen ließen, welche Art von Informationen gemeint sei. Bei Frage 8 sei unklar, welche Vertragsbedingungen welchen Vertrages oder welcher „Kaufaufträge“ gemeint sein sollen. Bei Frage 11 sei unklar, was mit Prüfung oder Test gemeint sei, bei Frage 14, welche Trockner wann und wie angeblich gebrannt haben sollen und über welche Untersuchung der Zeuge aus eigener Wahrnehmung berichten solle. Bei Frage 15 fehle jede Tatsachengrundlage, zu der der Zeuge befragt und zu der er aus eigener Wahrnehmung berichten könne. Schon der Bezugspunkt der Frage, die „angeblichen Brände“, bleibe offen, ebenso welche Vereinbarungen gemeint seien und was unter einer Regelung oder Bedingung zu verstehen sei.
Außerdem werde sich der Zeuge auf ein Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht berufen, denn aus dem Anstellungs- bzw. Beraterverhältnis sei er gemäß § 23 GeschGehG zur Geheimhaltung verpflichtet.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12. Oktober 2020 als unbegründet zu verwerfen.
Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen des Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom 22. Oktober 2020 Bezug. Danach stehe der Vorbehalt des Art. 23 HBÜ i. V. m. § 14 AusfG HBÜ der erteilten Bewilligung des Ersuchens nicht entgegen. In dem Rechtshilfeersuchen sei ausschließlich die Befragung des Zeugen anhand des beigefügten Fragenkatalogs erbeten, nicht jedoch um die Vorlage von Dokumenten ersucht worden. Das Rechtshilfeersuchen sei inhaltlich nach Art und Gegenstand der Rechtssache und den nach Art. 3 HBÜ erforderlichen Angaben geprüft worden. Es enthalte eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c] HBÜ). Die beigefügten Fragen seien nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. f) HBÜ im Rahmen der Bewilligungsentscheidung auf hinreichende Plausibilität geprüft worden. In dem Ersuchen werde der dem amerikanischen Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt so beschrieben, dass der vernehmende Richter das Beweisthema erkennen und auf dieser Grundlage eine sachgerechte Befragung unter Beachtung der prozessualen Vorgaben (insbesondere §§ 396, 397 ZPO) vornehmen könne. Die zentrale Behörde sei für die Weiterleitung und Prüfung des Ersuchens zuständig. Ob einzelne Fragen aus dem umfangreichen Fragenkatalog als Ausforschung oder als neben der Sache liegend zu beurteilen seien, müsse dem zuständigen Amtsgericht und damit der richterlichen Entscheidung im Einzelfall vorbehalten bleiben. Der Fragenkatalog sei auch unter Berücksichtigung des Ausforschungsverbots geprüft und für bewilligungsfähig erachtet worden. Das Ausforschungsverbot nach deutschem Recht bestehe allein zum Schutz des Beweisgegners, nicht aber im Interesse von Zeugen, die durch Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte genügend geschützt seien. Da gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. a) HBÜ das deutsche Rechtshilfegericht die Aussageverweigerungsrechte und – verbote des deutschen Rechts beachten müsse, dürfe die zentrale Behörde die Erledigung des Rechtshilfeersuchens unter Hinweis auf das Ausforschungsverbot nicht von vornherein ablehnen. Es seien auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar gewesen, dass dem Antragsteller zu 3) ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe und er sich hierauf berufen werde.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Nur der Antrag des Antragstellers zu 3) ist zulässig.
a) Der sich gegen die Bewilligung der Rechtshilfe richtende Antrag ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG statthaft (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. April 2011, 1 VA 2/10, juris Rn. 16; Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 23 EGGVG, Rn. 15; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Rn. 2498; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 23 EGGVG Rn. 7). Gegenstand des Antrags vom 12. Oktober 2020 ist die in dem Schreiben des Oberlandesgerichts München vom 11. August 2020 (Az. 9341 a E – VIII – 2783/2020), mit dem das mit Schreiben vom 17. Juli 2020 erneut überreichte Rechtshilfeersuchen weitergeleitet wurde, liegende Bewilligungsentscheidung der Zentralen Behörde im Sinne des Art. 2 HBÜ, also eine Verfügung zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts (vgl. Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, § 23 Rn. 4). Die Antragsteller gehen zutreffend davon aus, dass die Weiterleitung des Schreibens des Oberlandesgerichts München durch das Landgericht München II an das Amtsgericht Starnberg keine eigenständige Entscheidung darstellt. Weiterhin teilt der Senat die Auffassung der Antragsteller, dass der Ladung durch das Amtsgericht Starnberg das Rechtshilfeersuchen vom 17. Juli 2020 zugrunde liegt. Die Bewilligungsentscheidung des Oberlandesgerichts München vom 8. Januar 2020 (Az. 9341 a E – X – 4991/2019) ist somit nicht Gegenstand dieses Verfahrens nach §§ 23 ff. EGGVG.
b) Der Antrag ist form- und fristgemäß bei dem nach § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG zuständigen Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangen. Die angefochtene Bewilligungsentscheidung ist den Antragstellern weder zugestellt noch schriftlich bekannt gegeben worden, so dass die Frist des § 26 EGGVG nicht angelaufen ist. Der Antragsteller zu 3) hat von dem Amtsgericht Starnberg nur die Ladung zum Termin am 11. November 2020 erhalten, nicht dagegen mit Bekanntgabewillen der zentralen Behörde (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Mai 2013, 20 VA 4/13, juris Rn. 19) deren Bewilligungsentscheidung vom 11. August 2020.
c) Nach § 24 Abs. 1 EGGVG ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme in seinen Rechten verletzt zu sein.
aa) Die angegriffene Bewilligungsentscheidung ist Grundlage der Vernehmung des Antragstellers zu 3), der geltend macht, dadurch in seiner Handlungsfreiheit verletzt zu werden, weil das Rechtshilfeersuchen wegen des Vorbehalts nach Art. 23 HBÜ nicht erledigt werden dürfe und nicht den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 3 HBÜ genüge. Insoweit ist sein Vorbringen hinreichend konkretisiert. Es kann offenbleiben, ob hierfür eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist (vgl. Lückemann in Zöller, ZPO, § 24 EGGVG Rn. 1; Mayer in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 24 EGGVG Rn. 1) oder ob lediglich ein Sachverhalt vorgetragen werden muss, der eine Rechtsverletzung möglich erscheinen lässt (vgl. Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, § 24 EGGVG Rn. 2; Köhnlein in BeckOK GVG, 8. Ed. Stand: 1. August 2020, § 24 EGGVG Rn. 3; offenlassend: BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018, IV AR [VZ] 1/18, juris Rn. 11; BVerfG, Beschluss vom 5. April 2012, 2 BvR 211/12, NStZ-RR 2013, 187 [juris Rn. 14]). Die Bestimmtheitsanforderungen an das Beweisthema (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c], Abs. 2 Buchst. f] HBÜ) dienen auch dazu, die Beweisperson vor einem übermäßigen Eindringen in ihre Freiheitssphäre zu schützen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juni 2006, I-3 VA 2/06, juris Rn. 33; v. 28. Dezember 2011, I-3 VA 2/11, juris Rn. 35; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2475; Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 60. EL August 2020, HBÜ Art. 3 Rn. 1).
Mit der Rüge, die Fragen stellten insgesamt eine unzulässige Ausforschung dar, zeigt der Antragsteller zu 3) dagegen eine mögliche Verletzung seiner rechtlich geschützten Individualinteressen nicht auf. Es bedarf keiner Entscheidung, ob ein über die sich aus Art. 3 HBÜ ergebenden Bestimmtheits- und Spezifikationsanforderungen an die erbetene Information hinausgehendes „Ausforschungsverbot“ ein zum ordre public gehörender tragender rechtsstaatlicher Grundsatz des deutschen Rechts ist (offenlassend: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juni 2006, I-3 VA 2/06, juris Rn. 26; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. April 2011, 1 VA 2/10, juris Rn. 31; verneinend: Schlosser in Schlosser/Hess, EUZivilprozessrecht, HBÜ Art. 23 Rn. 4), denn jedenfalls kann sich der am Rechtsstreit nicht beteiligte Antragsteller zu 3) darauf nicht berufen.
Das Ausforschungsverbot, dessen Umfang im Einzelnen streitig ist, besteht allein zum Schutz des Beweisgegners (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Dezember 2017, 6 VA 12/17, juris Rn. 15; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. April 2011, 1 VA 2/10, juris Rn. 31; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juni 2006, I-3 VA 2/06, juris Rn. 27).
Die Rechte des Antragstellers zu 3) als Zeuge werden durch die nach Art. 9, 11 HBÜ vom ersuchten Gericht zu beachtenden gesetzlich vorgesehenen Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte genügend geschützt (OLG Karlsruhe a. a. O.; OLG Saarbrücken, a. a. O.; OLG Düsseldorf, a. a. O.). Die Zentrale Behörde darf die Erledigung des Rechtshilfeersuchens unter Hinweis auf das Ausforschungsverbot nicht von vornherein ablehnen (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2490).
bb) Soweit die Antragstellerinnen zu 1) und 2) geltend machen, durch die Bewilligung bzw. Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens in ihren Rechten betroffen zu sein, insbesondere seien ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie ihre Geschäfts- und Vertragsbeziehungen zu D. und A. Gegenstand der Vernehmung des Antragstellers zu 3), ist eine mögliche Verletzung eigener Rechte nicht aufgezeigt. Die Bewilligung von Rechtshilfe durch Zeugenvernehmung bewirkt keine unmittelbare Betroffenheit in den durch Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützten Grundrechten. Die Betätigungsfreiheit der Antragstellerin zu 1) ist allenfalls reflexhaft berührt. Die Antragstellerin zu 2) kann sich als juristische Person mit Sitz in einem Drittstaat ohnehin nicht auf materielle Grundrechte berufen (BVerfG, Urt. v. 26. Februar 2020, 2 BvR 2347/15, BVerfGE 153, 182 Rn. 186 ff.). Die Bewilligung von Rechtshilfe kann jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation auch keine Verletzung von Betriebsoder Geschäftsgeheimnissen (§ 2 Nr. 1 GeschGehG) bewirken. Die Antragstellerinnen zu 1) und 2) sind nicht Partei des ausländischen Gerichtsverfahrens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Schutz ihrer Rechte vor Wettbewerbern betroffen ist. Ihre Rechte werden durch die Verschwiegenheitspflicht und das Zeugnisverweigerungsrecht des Antragstellers zu 3) geschützt. Ohne Erfolg berufen sich die Antragstellerinnen zu 1) und 2) darauf, Art. 3 HBÜ sei auch eine Schutznorm zu Gunsten des „Beweismittelinhabers“, nämlich vor ungerechtfertigtem Zwang zur Preisgabe (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Dezember 2011, I-3 VA 2/11, juris Rn. 35), denn sie sind nicht „Inhaber“ des zu vernehmenden Zeugen. Der mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung dargelegte Sachverhalt lässt auch sonst keine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerinnen zu 1) oder 2) erkennen.
2. Der Antrag des Antragstellers zu 3) ist unbegründet. Dies gilt sowohl für die Hauptanträge zu 1. und 2. als auch für den Hilfsantrag zu 3. a) Der Einwand, die Bewilligung des Rechtshilfeersuchens verstoße für die Fragen 2 bzw. 4 bis 15 gegen Art. 23 HBÜ i. V. m. § 14 AusfG HBÜ, da die Vorbehaltsregelung nicht auf Ersuchen zur Dokumentenvorlage beschränkt sei, sondern ihrem Sinn und Zweck nach auch solche Ersuchen einer Zeugenvernehmung mit Fragen zur Existenz und zum Inhalt bisher unbekannter Dokumente erfasse, greift nicht durch.
Das Rechtshilfeersuchen hat kein Verfahren des „pretrial discovery of documents“ zum Gegenstand (Art. 23 HBÜ i. V. m. § 14 AusfG HBÜ).
Andere nicht unter Art. 23 HBÜ fallende Formen von pretrial discovery dürfen angesichts des Wortlauts des Vorbehalts nicht pauschal unter Hinweis auf das deutsche Ausforschungsverbot nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. b) HBÜ abgelehnt werden (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2490). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass jedenfalls ein auf Zeugenvernehmung über den Inhalt bestimmt bezeichneter Urkunden gerichtetes Ersuchen in einem pretrialdiscovery-Verfahren nicht zu beanstanden ist (OLG Celle, Beschluss vom 6. Juli 2007, 16 VA 5/07, juris Rn. 24; OLG München, Beschluss vom 27. November 1980, 9 VA 4/80, JZ 1981, 540; zustimmend Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2489). Es bedarf hier keiner grundsätzlichen Entscheidung über die Grenzen zulässiger Rechtshilfe bei der Durchführung von pretrialdiscovery-Verfahren unter Abwägung der erledigungsfreundlichen Auslegungsregel des effet utile einerseits und der erledigungsfeindlichen Regel des in dubio pro mitius andererseits (vgl. Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, HBÜ f] Einleitung Rn. 26). Eine offensichtliche missbräuchliche Umgehung liegt nicht vor. Zum Schutz vor Ausforschung von geheimen Informationen durch Zeugenvernehmung über den Inhalt und die Umstände des Entstehens der Urkunde greifen die Zeugnis- und Aussageverweigerungsrechte des Art. 11 HBÜ i. V. m. § 383 Nr. 6, § 384 Nr. 3 ZPO für die zu vernehmenden Personen (Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, HBewÜ Art. 23 Rn. 7; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2490); zudem beschränken die Bestimmtheitsanforderungen des Art. 3 HBÜ die Möglichkeit, Rechtshilfeersuchen zur Ausforschung von Beweisen anzubringen (Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, HBewÜ Art. 23 Rn. 7; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2015, HBÜ Art. 23 Rn. 4).
Die von dem Antragsteller zu 3) zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Mai 2013 (20 VA 4/13) stützt die von ihm vertretene Ansicht nicht. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat vielmehr ausgeführt, es verbleibe bei der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 1 AusfG HBÜ, wonach Rechtshilfeersuchen, die ein Verfahren nach Art. 23 HBÜ zum Gegenstand haben, nicht zu erledigen seien, auch wenn der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der ZPO-Reform im Jahre 2002 mit § 142 ZPO die Möglichkeit einer gerichtlichen Anordnung zur Vorlage von Urkunden auch durch nicht am Verfahren beteiligte Dritte eingeführt habe (juris, Rn. 23).
Die Beweisaufnahme im Rahmen einer pretrial discovery nach USamerikanischem Recht dient der Verwendung in einem gerichtlichen Verfahren, so dass auch Art. 1 Abs. 2 HBÜ der Bewilligung der Beweisaufnahme nicht entgegensteht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juni 2006, I-3 VA 2/06, juris Rn. 30).
b) Soweit der Antragsteller zu 3) im Antrag vom 12. Oktober 2020 ein umfassendes Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht beansprucht, konnte dies von der Zentralen Behörde bei ihrer Bewilligungsentscheidung vom 11. August 2020 nicht berücksichtigt werden. Ob sie das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts im Rahmen der Feststellung der Zulässigkeit des Ersuchens hätte prüfen dürfen (bejahend: OLG Hamburg, Beschl. vom 3. Mai 2002, 2 Va 4/01, RIW 2002, 717 [718]; im Grundsatz zustimmend wohl auch: OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. April 2011, 1 VA 2/10, juris Rn. 26 f.; offenlassend: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Dezember 2011, I-3 VA 2/11, juris Rn. 31; gegen eine Vermischung der Zuständigkeiten: Gottwald in Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Internationale Beweisaufnahmen, Kap. III Rn. 9.63), bedarf keiner Entscheidung. Die Argumentation der Antragsteller, das Zeugnisverweigerungsrecht könne nicht ungeprüft bleiben, denn jedenfalls jetzt habe sich der Antragsteller zu 3) darauf berufen, übersieht, dass maßgebender Zeitpunkt für die Entscheidung zur Rechtswidrigkeit beim Anfechtungsantrag grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Justizverwaltungsakts ist (Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, EGGVG § 28 Rn. 7). Jedenfalls mit dem Eingang der Sache bei dem Rechtshilfegericht endete die Befugnis der Zentralen Behörde, die Erledigung des Ersuchens im Hinblick auf ein Zeugnisverweigerungsrecht abzulehnen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt liegt die Entscheidung hierüber ausschließlich in der eigenverantwortlichen Zuständigkeit des Rechtshilfegerichts (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Dezember 2017, 6 VA 12/17, juris Rn. 14). Befindet sich das Ersuchen beim Rechtshilfegericht, so erfolgt eine eigenverantwortliche gerichtliche Überprüfung der Rechtshilfevoraussetzungen (Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, HBÜ Art. 5 Rn. 2).
c) Die Zentrale Behörde kann ein Gesuch zwar auch ablehnen, weil es nicht den formalen Anforderungen von Art. 3, 4 HBÜ entspricht (Schlosser in Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, HBÜ Art. 12 Rn. 4). Die Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens durch die Zentrale Behörde unterliegt jedoch nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Bei der Entscheidung über Rechtshilfeersuchen steht der Justizverwaltung ein weiter Ermessensspielraum zu (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Dezember 2011, I-3 VA 2/11, juris Rn. 38), wobei auch Zweckmäßigkeitserwägungen Berücksichtigung finden können, die sich aus der Pflege der auswärtigen Beziehungen ergeben (OLG Celle, Beschluss vom 6. Juli 2007, 16 VA 5/07, juris Rn. 17; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 3637; Lückemann in Zöller, ZPO, § 23 EGGVG, Rn. 15). Der Senat hat die angefochtene Bewilligung der Rechtshilfe daher nur auf Ermessensfehler im Hinblick auf konkrete Individualrechte der Antragsteller zu überprüfen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Dezember 2017, 6 VA 12/17, juris Rn. 10 m. w. N.; Knöfel, IPRax 2009, 46 [48]).
Dieser Kontrolle hält der Bescheid des Oberlandesgerichts München vom 11. August 2020 stand. Ohne Ermessensfehler hat die Zentrale Behörde angenommen, dass das Beweisthema in dem Rechtshilfeersuchen hinreichend bestimmt bezeichnet ist.
aa) Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) HBÜ enthält ein Rechtshilfeersuchen Angaben zu Art und Gegenstand der Rechtssache sowie eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts. Je nach Sachlage enthält es gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. f) HBÜ außerdem entweder die Fragen, welche an die zu vernehmende Person gerichtet, oder die Tatsachen, über die sie vernommen werden soll. Werden – wie hier – Fragen mitgeteilt, dürfen sie nicht allgemein gehalten, d. h. nicht zeitlichgegenständlich unbestimmt sein (Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, HBÜ Art. 3 Rn. 8). Soll eine Zeugenvernehmung durchgeführt werden, so sind die Tatsachen, über die sie vernommen werden soll, so genau zu bezeichnen, dass die Vernehmung sachgerecht durchzuführen ist (Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, HBewÜ Art. 3 Rn. 4). Dabei darf jedoch nicht das hohe Maß an Spezifität vorausgesetzt werden, das bei einem deutschen Beweisbeschluss gegeben ist (Schlosser in Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, HBÜ Art. 3 Rn. 2).
Nach wohl überwiegender Meinung in der Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Dezember 2017, 6 VA 12/17, juris Rn. 18 ff.; OLG Celle, Beschluss vom 6 Juli 2007, 16 VA 5/07, juris Rn. 29 f.) kann sich die Zentrale Behörde aufgrund des ihr eröffneten weiten Ermessensspielraums bei der Behandlung von Rechtshilfeersuchen nach dem HBÜ auf die Prüfung beschränken, ob der Gegenstand der Beweisaufnahme insgesamt, also in der Gesamtschau der Angaben zu Art und Gegenstand der Rechtssache, der gedrängten Darstellung des Sachverhalts sowie gegebenenfalls des übermittelten Fragenkatalogs hinreichend bestimmt ist. Dabei komme es nicht darauf an, ob jede einzelne der vorgesehenen Fragen für sich betrachtet dem Bestimmtheitsgebot genüge. Die Zentrale Behörde könne sich darauf beschränken, den Fragenkatalog an das Rechtshilfegericht zur eigenverantwortlichen Entscheidung darüber weiterzuleiten, ob die Zeugenvernehmung in der begehrten Form, d. h. durch „Abarbeitung“ aller oder einzelner Fragen des Katalogs, zu erfolgen habe. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 28. Dezember 2011, I-3 VA 2/11, juris Rn. 34 und 37) hat allerdings in einem Fall, in dem das Rechtshilfeersuchen wegen ausforschenden Charakters der nachgesuchten Beweisaufnahme unerledigt zurückgereicht worden war, ausgeführt, die Zentrale Behörde könne ihrer Prüfungsverpflichtung im Rahmen der Ermessensentscheidung, ob ein Rechtshilfeersuchen den Anforderungen an die Beweisfrage nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. f) HBÜ genüge, regelmäßig nur in Auseinandersetzung mit jeder einzelnen Beweisfrage nachkommen. Es sah sich jedoch im Hinblick auf den der Zentralen Behörde zustehenden „weiten Ermessensspielraum“ bei der Entscheidung über Rechtshilfeersuchen gehindert, selbst Ausführungen zu den einzelnen (in der Entscheidung nicht wiedergegebenen) Beweisfragen zu machen. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Zentrale Behörde der ersuchenden Behörde nach Art. 5 HBÜ Gelegenheit zur Nachbesserung geben müsste, wenn sie einzelne Fragen als nicht hinreichend bestimmt ansieht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Dezember 2017, 6 VA 12/17, juris Rn. 20).
Die Zentrale Behörde hat somit für die gebotene „Gesamtschau“ alle Fragen in den Blick zu nehmen, die sich gegenseitig ergänzen können. Sie kann das Rechtshilfeersuchen jedoch auch dann weiterleiten, wenn einzelne Fragen zu allgemein formuliert sind. Nach der Rechtsprechung kann sie ihr Ermessen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, im Regelfall auch dahin ausüben, die Entscheidung über die Form der Beweisaufnahme dem Rechtshilfegericht zu überlassen. Dies umfasst auch die Entscheidung darüber, ob die Zeugenvernehmung auf sämtliche der im Katalog vorgesehenen Fragen zu erstrecken ist, oder einzelne Fragen etwa als gänzlich unbestimmt und damit als mit nationalem Recht unvereinbar zurückzuweisen sind (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Dezember 2017, 6 VA 12/17, juris Rn. 19; OLG Celle Beschluss vom 6. Juli 2007, 16 VA 5/07, juris Rn. 30). Dafür spricht auch, dass es erst dann zu Nachfragen kommen sollte, wenn ein Kausalitätszusammenhang zwischen Ersuchensmangel und anfänglicher Unmöglichkeit der Erledigung besteht; fehlt es daran, ist mit der Erledigung zu beginnen (Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Art. 3 Rn. 13, Art. 5 Rn. 1). Die Zentrale Behörde hat darauf zu achten, Entscheidungen, die nach Art. 9 und 11 HBÜ dem Rechtshilferichter obliegen, nicht vorzugreifen (Schlosser in Schlosser/Hess, EUZivilprozessrecht, HBÜ Art. 12 Rn. 3). Durch die Aufgabenteilung zwischen der Zentralen Behörde und dem Rechtshilfegericht wird dem Beschleunigungsgebot der Art. 5, 9 Abs. 3 HBÜ Rechnung getragen (OLG Karlsruhe a. a. O. Rn. 20).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist die der Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens zugrundeliegende Einschätzung, auf der Grundlage der Darstellung des Sachverhalts und des Fragenkatalogs sei dem Rechtshilfegericht eine sachgerechte Durchführung der Zeugenvernehmung möglich, nicht zu beanstanden.
Die Rüge des Antragstellers zu 3), die Fragen zielten auf die Ermittlung unbekannter, neuer Tatsachen ab, greift nicht durch. Seine Rechte als Zeuge werden durch die nach Art. 9, 11 HBÜ vom ersuchten Gericht zu beachtenden gesetzlich vorgesehenen Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte genügend geschützt (s. o.). Im Übrigen übersieht der Antragsteller zu 3), dass die beklagte Partei D. betreffend die Verwendung ihres Produkts bei der Herstellung der Kondensatoren, die sie als Schadensursache vermutet, keine nähere Kenntnis haben kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt jedoch keine unzulässige „Ausforschung“ vor, wenn eine Partei mangels Kenntnis von Einzeltatsachen von ihr zunächst nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführt (BGH, Urt. v. 8. Mai 2012, XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159, Rn. 40 m. w. N.; Urt. v. 10. Januar 1995, VI ZR 31/94, juris Rn. 17; OLG Celle, Beschluss vom 6. Juli 2007, 16 VA 5/07, juris Rn. 28; Greger in Zöller, ZPO, vor § 284 Rn. 8c). Dem Einwand, es würden noch nicht einmal vermutete Tatsachen vorgetragen, liegt ein deutsches zivilprozessuales Verständnis zugrunde, das bei der Beurteilung des Beweisersuchens durch die Zentrale Behörde nicht maßgeblich ist. Ob man – wie in Deutschland – den Prozessparteien gestattet, lediglich vermutete Tatsachen fest zu behaupten, um eine Beweisaufnahme zu erreichen, oder ob man – wie häufig im Ausland – danach forschen kann, ob sich etwas zugetragen hat, macht wertungsmäßig keinen Unterschied (Schlosser in Schlosser/Hess, EUZivilprozessrecht, HBÜ Art. 23 Rn. 4). Das Fehlen genauer Behauptungen im Ausgangsprozess ist unerheblich.
Nicht gefolgt werden kann dem Einwand, die gestellten Fragen stünden mit dem geschilderten Sachverhalt nicht in sinnvoller Beziehung. Denn die Fragen beziehen sich auf die Herstellung der Kondensatoren, von der Auswahl der Materialien, der Ausführung, bis zur Prüfung, und auch diesbezügliche Informationen.
Zwar sind die Fragen offen und mit unterschiedlicher Detaildichte formuliert sind. Aus den oben dargelegten Erwägungen überspannt der Antragsteller zu 3) jedoch die Anforderungen an Art. 3 Abs. 2 Buchst. f) HBÜ, wenn er meint, es sei nicht ersichtlich, welche konkreten Tatsachen er aus eigener Wahrnehmung bezeugen solle. Ob der Antragsteller zu 3) weiß, was z. B. mit dem „Oberen Teil des Kondensators“ gemeint ist, zeigt sich erst bei der Beweisaufnahme. Die Einschätzung der Zentralen Behörde, das Ersuchen benenne die Umstände hinreichend, die die Vermutung rechtfertigten, der Zeuge sei anlässlich seiner Tätigkeit als stellvertretender Unternehmensleiter für die Antragstellerin zu 1) mit den aufzuklärenden Fragen über die streitgegenständlichen Kondensatoren befasst gewesen, ist nicht zu beanstanden. Die Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens an das Rechtshilfegericht erfolgte somit ohne Ermessenfehler. Dem Rechtshilfegericht steht die Möglichkeit offen, etwa bestehende Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit einzelner Fragen mit den Parteivertretern zu erörtern und gegebenenfalls auf eine auch noch im Beweisaufnahmetermin mögliche Präzisierung hinzuwirken (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Dezember 2017, 6 VA 12/17, juris Rn. 24)
3. Mit der Entscheidung in der Hauptsache hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt (vgl. zur Aussetzung der Vollziehung in entsprechender Anwendung des § 64 Abs. 3 FamFG: BayObLG, Beschluss vom 5. März 2020, 1 VA 63/19, juris Rn. 41 m. w. N.; Köhnlein in BeckOK GVG, § 28 Rn. 29).
III.
Eine Entscheidung über die Pflicht zur Kostentragung ist nicht erforderlich, weil die Antragsteller schon kraft Gesetzes dazu verpflichtet sind, die gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG).
Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen aus den oben dargelegten Gründen auch im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Dezember 2011, I-3 VA 2/11 nicht vor. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 29 EGGVG. Die grundlegenden Fragen sind durch die Rechtsprechung geklärt.


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