Europarecht

Widerruf von Zuweisungen auf dem Betriebsgelände, Großmarkthalle, Widerruf wegen Begehung einer Straftat durch den Geschäftsführer, Begehung einer strafbaren Handlung in einem schwerwiegenden Fall

Aktenzeichen  M 7 K 19.6512

Datum:
5.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54715
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 21
Markthallen-Satzung der Landeshauptstadt München § 5 Abs. 4 S. 2
Markthallen-Satzung der Landeshauptstadt München § 5 Abs. 4 S. 1 Nr. 9 Buchst. a

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist im Anfechtungsantrag zulässig, aber unbegründet. Auch in den Verpflichtungsanträgen hat sie keinen Erfolg.
Soweit sich die Klage gegen den Widerruf der streitgegenständlichen Zuweisungen wendet, ist sie als Anfechtungsklage zulässig. Das klägerische Begehren ist darauf gerichtet, die widerrufenen Zuweisungsflächen zurückzuerhalten. Da die streitgegenständlichen Zuweisungen teils unbefristet (in Nr. 1 des Bescheids widerrufene Zuweisungen), teils bis zum 31. Dezember 2021 befristet (in Nrn. 2 und 3 des Bescheids widerrufene Zuweisungen) erteilt sind, wäre dem klägerische Begehren mit der im Wege der Anfechtungsklage zu verfolgenden Aufhebung des angefochtenen Widerrufsbescheids umfassend Genüge getan. Denn bei Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids würden die streitgegenständlichen Zuweisungen der Klägerin unverändert fortbestehen. Der darüber hinausgehende Verpflichtungsantrag auf Wiedererteilung der streitgegenständlichen Zuweisungen ist somit nicht erforderlich und daher vorliegend unstatthaft. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der LKW-Stellplätze Nrn. … bis …, die der Klägerin ursprünglich nur bis zum 31. Dezember 2018 befristet zugewiesen waren. Denn durch die unwidersprochene Fortsetzung der Nutzung und Bezahlung der Stellplätze über den 31. Dezember 2018 hinaus ist dieses Zuweisungsverhältnis in ein unbefristetes Zuweisungsverhältnis – von den Markthallen in Nr. 1 des Bescheids a.E. als „eine im Übrigen erfolgte Zuweisung“ bezeichnet – übergegangen (vgl. auch Rechtsgedanken von § 545 Satz 1 BGB). Im Übrigen geht die Klage auch nicht ins Leere, soweit die Klägerin geltend macht, es würden mittlerweile andere als die streitgegenständlichen Stellplätze auf Veranlassung der Markthallen genutzt. Denn ungeachtet der tatsächlichen Nutzung der streitgegenständlichen Stellplätze durch die Klägerin bildet deren formelle Zuweisung jedenfalls den rechtlichen Anknüpfungspunkt für den – im hiesigen Verfahren verfolgten – Anspruch der Klägerin auf Wiedereinräumung des Nutzungsrechts für diese (oder ggf. auch andere ersatzweise zur Verfügung gestellte) Stellplatzflächen. Die insoweit durch die Zuweisung vermittelte Rechtsposition wurde hier unabhängig von einer etwaigen früheren Nutzungsaufgabe erst durch den mit streitgegenständlichem Bescheid ausgesprochenen Widerruf formell entzogen.
Der Anfechtungsantrag ist jedoch unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 16. Dezember 2019 ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen.
Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere wurde das Anhörungserfordernis nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG entgegen den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten nicht verletzt. Der Geschäftsführer der Klägerin wurde mit Schreiben vom 7. Oktober 2019, zugestellt am 14. Oktober 2019, zum beabsichtigten Widerruf der streitgegenständlichen Zuweisungen angehört. Weiter wurde diesem in der Folge Gelegenheit zur mündlichen Stellungnahme bei einem auf dessen Wunsch anberaumten persönlichen Termin mit den Markthallen am … Oktober 2019 gegeben, an dem auch der zwischenzeitlich mandatierte Klägerbevollmächtigte teilnahm. Mit Schreiben an die Beklagte vom 13. November 2019 gab der Klägerbevollmächtigte in der Folge eine schriftliche Stellungnahme für die Klägerin zum beabsichtigen Widerruf ab. Am … Dezember 2019 wurde dem Geschäftsführer der Klägerin auf wiederholte Bitte des Klägerbevollmächtigten hin nochmals Gelegenheit zur mündlichen Stellungnahme in einem persönlichen Termin gewährt. Im Nachgang nahm der Klägerbevollmächtigte mit E-Mail vom … Dezember 2019 erneut Stellung. Der Klägerin wurde mithin zweifellos mehrfach Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass bereits vor dem mündlichen Anhörungstermin vom 16. Dezember 2019 die Entscheidung zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids durch die Beklagte gefallen gewesen sei, der Termin inhaltslos verlaufen sei und die Argumente der Klägerin nicht gehört worden seien, vermag dies die Annahme einer ordnungsgemäßen Anhörung schon nicht in Zweifel zu ziehen. Denn die Markthallen haben ausweislich der Bescheidsgründe auch das klägerische Vorbringen im persönlichen Termin am … Dezember 2019 sowie die am Folgetag eingegangene ergänzende Stellungnahme des Klägerbevollmächtigten für ihre Entscheidung berücksichtigt, deren beider Inhalt explizit in den streitgegenständlichen Bescheid Eingang gefunden hat (vgl. Ausführungen auf S. 5, 6, 14, 15 des Bescheids). Im Hinblick darauf, dass der auf den 16. Dezember 2019 datierte Bescheid noch am Folgetag eingegangenes Vorbringen berücksichtigt, hat die Beklagte unter Verweis auf Bl. 18 der Behördenakte glaubhaft dargelegt, dass der auf den 16. Dezember 2019 vordatierte Bescheidsentwurf erst am 19. Dezember 2019 zur Unterschrift gebracht wurde.
Der streitgegenständliche Bescheid ist auch in materiellrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Widerruf der streitgegenständlichen Zuweisungsflächen (Nrn. 1, 2 und 3 des Bescheids) ist auf der Grundlage von § 5 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 9 Buchst. a Alt. 2 Markthallen-Satzung vorliegend zurecht erfolgt. Ermessensfehler sind im Rahmen des gerichtlichen Überprüfungsrahmens (§ 114 Satz 1 VwGO) nicht gegeben.
Nach § 1 Abs. 1 Markthallen-Satzung betreibt die Beklagte die Markthallen, zu denen unter anderem das Betriebsgelände Großmarkthalle gehört, als öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 21 GO. Gemäß Art. 21 Abs. 1 GO bemisst sich das Recht zur Benutzung der öffentlichen Einrichtung „nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften“, hier insbesondere nach den in der Markthallen-Satzung festgelegten Zulassungsund Benutzungsregelungen. Im Satzungswege kann auch der Kreis der zur Benutzung der öffentlichen Einrichtung Anspruchsberechtigten festgelegt werden. Eine solche Festlegung hat die Beklagte getroffen, indem sie in § 3 Markthallen-Satzung nicht nur die Kunden, sondern auch die Gewerbetreibenden – etwa Zuweisungsnehmer im Sinne von § 3 Nr. 1 Markthallen-Satzung – als Benutzer der öffentlichen Einrichtung „Markthallen“ definiert hat. § 5 Markthallen-Satzung regelt die Möglichkeiten der Beendigung einer einmal erteilten Zuweisung unter anderem in Form von zwingenden und fakultativen Widerrufsgründen. Flankierend hierzu sieht § 6 Nr. 3 MarkthallenSatzung die Pflicht zur Räumung und Übergabe der zugewiesenen Objekte nach erfolgtem Widerruf der Zuweisung vor. Gemäß § 5 Abs. 4 Markthallen-Satzung, der durch verschiedene Regelbeispiele ausgeformt und konkretisiert wird, kann die Zuweisung jederzeit aus wichtigem Grund widerrufen werden, sofern der vorübergehende Ausschluss nach § 16 Markthallen-Satzung keine ausreichende Gewähr für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthallen bietet (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 4 CS 17.2083 – juris Rn. 14 f.).
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Satzungsbestimmung, die eine Berufsausübungsregelung im Sinn des Art. 12 GG darstellt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Als Ausfluss der verfassungsrechtlich verbürgerten Selbstverwaltungsgarantie sind die Gemeinden grundsätzlich dazu befugt, den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen im Wege von Benutzungsbedingungen auszugestalten und den Benutzungsanspruch beispielsweise durch zeitliche Befristungen, Kapazitätsbegrenzungen oder inhaltliche Vorgaben zu beschränken. Hierzu gehört auch das Recht, in der Benutzungssatzung Beendigungstatbestände für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung vorzusehen, etwa – wie hier – bestimmte Widerrufsgründe für die Standplatzzuweisung bei Unzuverlässigkeit, bei Nichteinhaltung der Benutzungsbedingungen oder bei einrichtungsbezogenen Verstößen von einem gewissen Gewicht zu normieren. Damit wird zugleich den Vorgaben des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG – Rechnung getragen, der den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte vorsieht, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Als Rechtsvorschriften in diesem Sinn sind auch satzungsrechtliche Regelungen anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 4 CS 17.2083 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a Markthallen-Satzung, kann die Zuweisung jederzeit aus wichtigem Grund widerrufen werden, insbesondere wenn der Zuweisungsnehmer, dessen Vertreter oder Beauftragter im Satzungsgebiet eine strafbare Handlung begangen hat, die in das Führungszeugnis aufgenommen wurde, oder in einem schwerwiegenden Fall oder wiederholt inner- oder außerhalb der Markthallen eine strafbare Handlung begangen hat, sofern der Ausschluss nach § 16 keine ausreichende Gewähr für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthallen bietet. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Markthallen-Satzung kann von den Markthallen vom Satzungsgebiet der Markthallen insbesondere ausgeschlossen werden, wer im Satzungsgebiet eine strafbare Handlung begangen hat oder in den hinreichenden Verdacht gerät, dort eine strafbare Handlung begangen zu haben. Nach § 16 Abs. 2 Markthallen-Satzung kann so auch verfahren werden, wenn der Betroffene in einem schwerwiegenden Fall oder wiederholt außerhalb der Markthallen eine strafbare Handlung begangen hat oder diesbezüglich in den hinreichenden Verdacht gerät.
Wird ein in § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a Markthallen-Satzung genannter Verstoß von dem vertretungsberechtigten Organ oder dem Mitglied der juristischen Person oder Personengesellschaft persönlich begangen, so kann nach § 5 Abs. 4 Satz 2 Markthallen-Satzung die Zuweisung gegenüber der juristischen Person oder Personengesellschaft widerrufen werden.
Die Tatbestandsvoraussetzungen der Widerrufsregelung aus wichtigem Grund sind erfüllt. Die Klägerin ist als GmbH nach § 13 Abs. 1 GmbHG juristische Person. Vertretungsberechtigtes Organ der GmbH ist gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ihr Geschäftsführer. Vorliegend hat der Geschäftsführer der Klägerin eine strafbare Handlung in einem schwerwiegenden Fall begangen. Insoweit wird auf die Urteilsgründe der in der Verwaltungsstreitsache M 7 K 19.6510 mit Urteil ebenfalls vom 5. Mai 2021 ergangenen Entscheidung (dort Rn. 28 ff.) Bezug genommen.
Damit lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 5 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 9 Buchst. a Alt. 2 Markthallen-Satzung im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung vor. Der Widerrufstatbestand ist vorliegend zudem auch in der Eigenschaft des Geschäftsführers der Klägerin als deren Alleingesellschafter – als Mitglied der juristischen Person – erfüllt.
Zutreffend haben die Markthallen zudem auch angenommen, dass im vorliegenden Einzelfall ein Ausschluss des geschäftsführenden Alleingesellschafters nach § 16 Abs. 2 Markthallen-Satzung keine ausreichende Gewähr für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthallen bietet (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 MarkthallenSatzung a.E.). Auch insoweit wird auf die Urteilsgründe der in der Verwaltungsstreitsache M 7 K 19.6510 mit Urteil ebenfalls vom 5. Mai 2021 ergangenen Entscheidung (dort Rn. 36) Bezug genommen.
Bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen liegt die Entscheidung über den Widerruf („kann“) im pflichtgemäßen Ermessen der Markthallen. Hinsichtlich dieser Ermessensentscheidung legt § 114 Satz 1 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang fest. Das Gericht hat danach nur zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat und ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat. Es darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat, wozu auch in Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO nachgeschobene Erwägungen zählen (vgl. BVerwG, U.v. 11.5.2016 – 10 C 8/15 – juris Rn. 13).
Danach stellt sich der Widerruf der Zuweisung vorliegend nicht als ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig dar. Die Markthallen haben insbesondere erkannt, dass ihnen hinsichtlich des Widerrufs Ermessen zukommt und dieses durch entsprechende Erwägungen ausgefüllt. Die Markthallen haben das ihnen eingeräumte Ermessen auch rechtsfehlerfrei ausgeübt. Sie haben die Tatsache, dass es sich um einen erheblichen Eingriff in die Existenzgrundlage der Klägerin – und damit auch ihrer Mitarbeiter – handelt, die seit über … Jahren in den Markthallen tätig war, mit dem Interesse der Allgemeinheit daran, dem Ruf des Markts und damit den Interessen anderer Händler auf dem Markt sowie der Markthallen bzw. der Stadtverwaltung als Marktbetreiber abgewogen und festgestellt, dass vorliegend das Interesse an einem möglichst ungestörten Ablauf des Marktbetriebs – insbesondere auch das Vertrauen in die Rechtssicherheit auf dem Markt – höher zu bewerten sei als das persönliche, wirtschaftliche Interesse des Klägerin an der weiteren Nutzung der Einrichtung zum Einkommenserwerb. Dabei wurde zutreffend zu Grunde gelegt, dass die Klägerin ihrem Gewerbe des Obst- und Gemüsegroßhandels auch außerhalb des Betriebsgeländes Großmarkthalle nachgehen kann. Dass Gericht verkennt nicht, dass das Betriebsgelände Großmarkthalle eine herausgehobene Stellung innerhalb des Münchener Obst- und Gemüsegroßhandels einnimmt. Gleichwohl kommt der Widerruf der Zuweisung vorliegend nicht – wie der Klägerbevollmächtigte meint – einer Gewerbeuntersagung oder einem faktischen Berufsverbot annähernd gleich. Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin die erforderlichen Gewerbeflächen – samt Stellplätzen – für ihren Obst- und Gemüsegroßhandel nicht auch andernorts im Stadtgebiet mit zumutbarem Aufwand finden und anmieten könnte. Die Behauptung, der Widerruf bewirke zwingend die sofortige Insolvenzanmeldung erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht. Insbesondere wurde dem Vortrag der Beklagten, wonach in der Praxis vielfach andere Händler – auch ehemalige Großmarkthallenhändler – für Obst und Gemüse mit eigenen bzw. angemieteten Gewerbehallen im Großraum München vertreten seien, klägerseits nicht substantiiert entgegengetreten. Soweit klägerseits die besondere Bedeutung des Sichthandels für das klägerische Geschäftsmodell hervorgehoben wird, ist schon nicht erkennbar, inwieweit eine persönliche Auswahl und Besichtigung der Waren vor Ort nicht auch an anderer Verkaufsstelle möglich sein sollte. Soweit darauf verwiesen wird, dass die für die Klägerin maßgebliche Kundschaft allein in der Großmarkthalle anzutreffen sei, liegen ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kunden der Klägerin ihren Marktstand zur Besichtigung und persönlichen Auswahl der Waren – ggf. nach Einleitung entsprechender Marketingmaßnahmen – nicht auch an einer neuen Ausstellungslokalität aufsuchen würden. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin nach eigenen Angaben seit 2015 den einzigen Biostand in der Großmarkthalle betreibt und damit überhaupt eine der wenigen Lieferanten für Bioprodukte ist. Nichts anderes gilt auch in Bezug auf die Lieferanten der Klägerin, die ebenfalls nach eigenen Angaben über ein umfassendes, eingefahrenes und loyales Netz von qualifizierten Biolieferanten verfügt.
Der Zuweisungswiderruf erweist sich auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil eine fortdauernde Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den Markthallen durch ein Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin nicht zu befürchten wäre. Denn es ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon auszugehen, dass dieser sein marktschädigendes Verhalten nicht auch in der Zukunft fortsetzt. Auch insoweit wird auf die Urteilsgründe der in der Verwaltungsstreitsache M 7 K 19.6510 mit Urteil ebenfalls vom 5. Mai 2021 ergangenen Entscheidung (dort Rn. 39 ff.) Bezug genommen.
Zutreffend haben die Markthallen schließlich auch angenommen, dass vorliegend kein gegenüber dem Widerruf der streitgegenständlichen Zuweisungen milderes, gleich geeignetes Mittel zur Verfügung stand. Insbesondere stellt ein zeitweiser Marktausschluss des Geschäftsführers der Klägerin nach § 16 Abs. 2 Markthallen-Satzung im vorliegenden Einzelfall kein solches milderes Mittel dar, da ein Ausschluss – wie ausgeführt – bereits keine ausreichende Gewähr dafür bietet, die Sicherheit und Ordnung in den Markthallen aufrecht zu erhalten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass im Interesse des guten Rufs des Betriebsgeländes Großmarkthalle, wegen der – wie auch die Markthallen im Bescheid ausgeführt haben – damit verbundenen Abschreckungswirkung gerade der Widerruf der Zuweisung dazu geeignet ist, andere Händler von entsprechenden schwerwiegenden Straftaten abzuhalten. Eine entsprechende drastische Wirkung hat ein befristeter Ausschluss nicht. Im Falle der Klägerin ist ein Ausschluss ihres Geschäftsführers daher nicht ein gleichgeeignetes Mittel, das anstelle eines Widerrufs nach § 5 Abs. 4 Markthallen-Satzung in Betracht kommt. Die Markthallen haben insoweit zu Recht angenommen, dass bei dem vom Geschäftsführer der Klägerin begangenen Verstoß eine andere Sanktion keine ausreichende Gewähr für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthallen bietet. Vor diesem Hintergrund ist auch die Feststellung im streitgegenständlichen Bescheid, dass weitere mildere Mittel wie ein Bußgeld oder eine Abmahnung in diesem Fall erst recht nicht in Frage kämen, nicht zu beanstanden. Der Einwand des Klägerbevollmächtigten, die Behörde hätte sich mit möglichen milderen Mitteln überhaupt nicht auseinandergesetzt, geht hier fehl. Schließlich stellt vorliegend auch der angestrebte Geschäftsführerwechsel bei der Klägerin kein milderes Mittel dar. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, wurde der Behörde klägerseits lediglich mitgeteilt, dass ein solcher Geschäftsführerwechsel angedacht, jedoch nicht kurzfristig durchführbar sei. Vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Verfehlungen des Geschäftsführers der Klägerin und dem damit einhergehenden massiven Vertrauensverlust war den Markhallen ein Zuwarten bis zur Bestellung eines anderen Geschäftsführers in nicht weiter bestimmter Zukunft auch nicht zumutbar. Hinzu kommt, dass auch der angestrebte Geschäftsführerwechsel keinen Einfluss auf die Funktion des derzeitigen Geschäftsführers als Alleingesellschafter der Klägerin hat, sodass – wie aufgezeigt – der Widerrufstatbestand in dessen Person weiter erfüllt wäre. Vor diesem Hintergrund teilt das Gericht die Einschätzung der Beklagten, wonach der derzeitige Geschäftsführer der Klägerin in seiner Funktion als Geschäftsführer und Alleingesellschafter die Geschicke der juristischen Person der Klägerin – und damit auch diese selbst – ganz maßgeblich und ausschließlich bestimmt. Daher erscheint der Widerruf der Zuweisungen der Klägerin auch insoweit nicht als ungerechtfertigt, als sie selbst nicht die für den Widerruf strafbaren Handlungen begangen hat. Denn die Zurechnung der Handlungen ihres geschäftsführenden Alleingesellschafters erscheint gerade in der vorliegenden Konstellation einer sog. Ein M. GmbH unter selbstorganschaftlicher Geschäftsführung aufgrund der gegebenen tatsächlichen Personenidentität nicht unbillig. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich die steuerstrafrechtlichen Verfehlungen formal lediglich auf die Einzelfirma des Geschäftsführers der Klägerin bezogen haben. Denn das mit den vom Geschäftsführer der Klägerin begangenen Straftaten verbundene Unwerturteil trifft diesen – wie ausgeführt – unmittelbar in der Sphäre seiner gewerblichen Markttätigkeit und gerade nicht nur als vom Marktgeschehen losgelöste Privatperson. Die gewerbliche Markttätigkeit des Geschäftsführers der Klägerin in den Markthallen, die auch seine Tätigkeit als Einzelkaufmann unter eigenem Namen firmierend sowie für die Firma seiner Mutter umfasst, ist aufgrund der gegebenen Personenidentität zwischen der hinter der Einzelfirma sowie hinter der GmbH stehenden natürlichen Person untrennbar mit der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin verbunden.
Da sich der Widerruf der Zuweisungen demnach bereits nach § 5 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 9 Buchst. a Alt. 2 Markthallen-Satzung als rechtmäßig erweist, kommt es auf die Ausführungen der Parteien zu § 5 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 9 Buchst. a Alt. 1 Markthallen-Satzung (Widerruf wegen im Satzungsgebiet begangener strafbarer Handlung) und § 5 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 Markthallen-Satzung (Widerruf aus sonstigem wichtigem Grund) nicht mehr entscheidungserheblich an.
Auch gegen die mit dem Widerruf der Zuweisungen verbundene notwendige Anord nung in Nr. 4 des Bescheids (Verpflichtung zur Räumung und Rückgabe der Objekte) bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Folgeentscheidung dient der Umsetzung des Widerrufs der Zuweisung. Sie stellt die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der Nutzungsberechtigung durch Rückgabe des zuweisungsgegenständlichen Objekts sicher und folgt für den Fall des Widerrufs der Zuweisung nach § 5 Abs. 4 MarkthallenSatzung nach Unanfechtbarkeit des Widerrufsbescheids unmittelbar aus § 6 Nr. 3 Markthallen-Satzung. Ebenso sind hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung (Nr. 5), der Kostenentscheidung (Nr. 6) sowie der Kostenfestsetzung (Nr. 7) rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Zustimmung zum angezeigten Geschäftsführerwechsel bei der Klägerin zu verpflichten, ist sie zulässig, aber unbegründet.
Das erst nachträglich erhobene Verpflichtungsbegehren ist zwar nicht bereits deshalb zulässig, da ein Fall der stets zulässigen nachträglichen Klageerweiterung i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO vorliegt. Denn der Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zum angezeigten Geschäftsführerwechsel stellt sich weder als quantitative Erweiterung zur Aufhebung des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids dar noch ist letztere wesensgleiches Minus gegenüber einem solchen Anspruch (vgl. Bacher in BeckOK, ZPO, Stand: 1.7.2021, § 264 Rn. 5). Die Zulässigkeit der nachträglichen Klageänderung ergibt sich jedoch aus § 91 Satz 1 VwGO, da sie sachdienlich ist, denn sie fördert die endgültige Beilegung des Streits und vermeidet einen neuen Prozess (vgl. Wolff in BeckOK, VwGO, Stand: 1.7.2021, § 91 Rn. 27 m.w.N.).
Jedoch besteht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus § 4 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 Markthallen-Satzung auf Erteilung der Zustimmung zum angezeigten Geschäftsführerwechsel nicht, da sie infolge des – wie ausgeführt – rechtmäßigen Widerrufs nicht mehr über Zuweisungen in den Markthallen verfügt. Insbesondere ist auch die im Verfahren M 7 K 20.941 streitgegenständliche Zuweisung der der Klägerin vormals zugewiesenen PKW-Stellplätze Nr. … bis … bereits mit Ablauf des 30. September 2019 erloschen. Ein Anspruch auf Verlängerung bzw. Neuzuweisung besteht nicht. Insoweit wird auf die Urteilsgründe der in der Verwaltungsstreitsache M 7 K 20.941 mit Urteil ebenfalls vom 5. Mai 2021 ergangenen Entscheidung Bezug genommen. Mithin geht der Anspruch auf Zustimmung hier ins Leere, da die Klägerin gar nicht mehr Zuweisungsnehmerin ist.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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