Europarecht

Zulässigkeit eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Widerruf der Aussetzung der Vollziehung einer Abschiebungsanordnung (Dublin-Verfahren)

Aktenzeichen  M 10 S 20.50407

Datum:
14.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22613
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 4, Abs. 5, Abs. 7 S. 2, § 123
Dublin III-VO Art. 5, Art. 9, Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1, Abs. 2, Art. 17 Abs. 1
AsylG § 34a Abs. 2 S. 2, § 77 Abs. 2
GG Art. 6
EMRK Art. 8
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Hinsichtlich einer analogen Anwendung des § 34a Abs. 2 S. 1 AsylG (Wochenfrist) auf den Zeitpunkt des Widerrufs der Aussetzung der Vollziehung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regelung des § 80 Abs. 7 VwGO ist auf einen Einstellungsbeschluss nicht anwendbar. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist bei einem Widerruf der Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die drohende Überstellung nach Portugal im Rahmen des sogenannten „Dublin-Verfahrens“.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste zuletzt am 19. Dezember 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte am 20. Februar 2020 ein Asylgesuch, von dem die Antragsgegnerin am gleichen Tag durch behördliche Mitteilung Kenntnis erhielt. Der förmliche Asylantrag wurde am 24. April 2020 gestellt.
Im Reisepass des Antragstellers befand sich ein Aufkleber mit der Überschrift „Visto“ (Bl. 7 Behördenakte). Dieses von der portugiesischen Botschaft in Ankara ausgestellte „Visto“ war vom 8. September 2019 bis 6. September 2020 für Portugal gültig. Nach einem Aktenvermerk in der Behördenakte vom 27. April 2020 (Bl. 63 Behördenakte) handelt es sich hierbei nicht um ein Visum, sondern einen nationalen vorübergehenden Aufenthaltstitel. Eine Abfrage über das VIS-Portal habe keinen Treffer ergeben. Unter dem 30. April 2020 richtete die Antragsgegnerin ein Aufnahmegesuch an Portugal, das am selben Tag dort einging. Mit Schreiben vom 4. Mai 2020, das die Antragsgegnerin am gleichen Tag erhielt, erklärten die portugiesischen Behörden die Übernahme des Antragstellers.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2020, zugestellt am 15. Mai 2020, wurde der Antrag auf Asyl als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen, die Abschiebung nach Portugal angeordnet und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2020, das am gleichen Tag bei dem Verwaltungsgericht München einging, hat der Antragsteller Klage gegen diesen Bescheid erhoben (Az. M 10 K 20.50271) und gleichzeitig nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (Az. M 10 S 20.50272). Das Eilverfahren M 10 S 20.50272 ist aufgrund der behördlichen Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO wegen der Corona-Pandemie übereinstimmend für erledigt erklärt und mit Beschluss vom 24. Juni 2020 eingestellt worden. Nach dem Widerruf der Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 9. Juli 2020, als Einschreiben zur Post gegeben am gleichen Tag, beantragt der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 16. Juli 2020, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am 17. Juli 2020,
1. die aufschiebende Wirkung der Klage im Eilverfahren anzuordnen.
2. der Antragsgegnerin im Wege einer Zwischenverfügung aufzugeben, bis zu einer Entscheidung über den Eilantrag von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.
Zur Begründung wird im Kern vorgetragen, Deutschland sei für die Bearbeitung des Asylverfahrens des Antragstellers nach Art. 9 Dublin III-VO zuständig. Die afghanische Ehefrau des Antragstellers lebe in Deutschland und sei hier als Flüchtling anerkannt. Im Übrigen bestünden erhebliche Zweifel, dass die Abschiebung derzeit durchgeführt werden könne.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das erste Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO sei eingestellt worden; ein weiterer Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen denselben Bescheid sei gesetzlich nicht vorgesehen. Ein derartiger Antrag wäre überdies nach § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) verfristet. Für das Anlaufen einer erneuten Frist zur Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO bestehe keine rechtliche Grundlage. Es sei dem Antragsteller unbenommen, einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen.
Mit Schriftsatz vom 7. August 2020 erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers, der gestellte Eilantrag solle vom Gericht, soweit erforderlich, ausgelegt werden. Ein Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO sei jedoch unzulässig. Wegen der Erledigung des ursprünglichen Eilantrags sei kein Beschluss über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangen, so dass dieser auch nicht geändert werden könne und ein solcher Antrag damit gegenstandslos wäre. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei hier – jedenfalls analog – passender, weil die Antragsgegnerin durch die zunächst erfolgte Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung und den dann ausgesprochenen Widerruf eine Situation herbeigeführt habe, die der in § 34a Abs. 2 AsylG geschilderten Situation entspreche. Es werde darauf hingewiesen, dass der Antrag – unabhängig davon, ob er als Antrag nach § 80 Abs. 5, § 80 Abs. 7 oder § 123 VwGO ausgelegt werde – die Wirkung des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG haben müsse. Die Abschiebung dürfe demgemäß derzeit bis zur Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag nicht vollzogen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die am 3. August 2020 vorgelegte aktuelle Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Nach Auslegung des erkennbaren Rechtsschutzbegehrens (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO) möchte der Antragsteller im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes erreichen, dass die ihm nach Widerruf der Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung drohende Abschiebung nach Portugal bis zur Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt wird.
Dabei kann letztlich offenbleiben, welcher Rechtsbehelf im vorliegenden Fall des Widerrufs der Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO, die zur Einstellung des vorangegangenen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO aufgrund von Hauptsacheerledigung geführt hat, zur Erreichung des genannten Rechtsschutzziels statthaft ist.
Der gestellte Antrag gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage dürfte unzulässig sein. Er ist zwar (wieder) statthaft, da in der Hauptsache eine Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung anhängig ist (Az. M 10 K 20.50271) und diese seit dem Widerruf der Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO wieder sofort vollziehbar ist (vgl. § 75 AsylG). Aber der am 17. Juli 2020 (erneut) erhobene Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO gegen die am 15. Mai 2020 bekannt gegebene Abschiebungsanordnung wahrt nicht die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG (zur Verfristung s. auch: VG Arnsberg, B.v. 28.4.2020 – 9 L 148/20.A – MILO S. 5, 9).
In Betracht kommt jedoch eine analoge Anwendung des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG insoweit, als für den Beginn der Wochenfrist auf die Bekanntgabe nicht der Abschiebungsanordnung, sondern des Widerrufs der Aussetzung der Vollziehung, also den Wiedereintritt der Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung, abgestellt werden könnte. Dann würde der am 17. Juli 2020 gestellte Eilantrag die Wochenfrist einhalten, da der Widerruf der Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 9. Juli 2020 nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz am 12. Juli 2020 als zugestellt gilt. Eine Analogie würde allerdings eine vergleichbare Interessenlage, die hier wohl gegeben sein dürfte, sowie eine planwidrige Regelungslücke voraussetzen. Letzteres erscheint problematisch, da zum einen die im Interesse der Beschleunigung der Asylverfahren bestehende strikte gesetzliche Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG unterlaufen würde. Zum anderen dürfte eine Regelungslücke nicht gegeben sein, da ein Antrag nach § 123 VwGO zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes möglich und ausreichend erscheint. Dem dürfte auch § 123 Abs. 5 VwGO nicht entgegenstehen, da der Antrag nach § 123 VwGO wohl nicht gegenüber einer analogen Anwendung von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO subsidiär sein dürfte.
Die grundsätzlich mögliche Umdeutung des gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO ist nicht zielführend, da dieser unzulässig wäre. Ein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO ist nach seinem Wortlaut nur statthaft, wenn ein Beschluss über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangen ist. Der vorliegend im vorangegangenen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangene Einstellungsbeschluss nach Hauptsacheerledigung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist nicht als ein solcher Beschluss anzusehen, da es sich hierbei um eine Entscheidung über das Verfahren, nicht aber über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nach Sachprüfung handelt (zur Unanwendbarkeit des § 80 Abs. 7 VwGO auf einen Einstellungsbeschluss nach Hauptsacheerledigung: BayVGH v. 21.2.1994 – 6 AS 94.128 – BayVBl. 1994, 442; VG Arnsberg, a.a.O., S. 6; Schoch in ders./Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 80 Rn. 557).
In der vorliegenden Konstellation des Widerrufs der Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung ist jedenfalls ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft; eine entsprechende Umdeutung des gestellten Antrags ist zulässig.
Teilweise wird vertreten, dass ein Antrag nach § 123 VwGO auch vor Eintritt der Bestandskraft der Abschiebungsanordnung ausnahmsweise statthaft sein kann, wenn in der Hauptsache zwar fristgemäß eine Anfechtungsklage erhoben worden ist, der Kläger jedoch nicht innerhalb der Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 VwGO einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt hat. Um die gesetzliche Frist für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht zu unterlaufen und wegen des zwischen § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 Abs. 1 VwGO bestehenden Konkurrenzverhältnisses nach § 123 Abs. 5 VwGO ist dies jedoch an enge Voraussetzungen geknüpft. Der Antragsteller muss sich auf nach Ablauf der Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingetretene oder ihm ohne Verschulden erst später bekannt gewordene Veränderungen der Sach- oder Rechtslage berufen, die für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bedeutsam sein können. Da in dieser Konstellation andere einstweilige Rechtsschutzmöglichkeiten nicht einschlägig sind, muss dem Betroffenen der Weg eröffnet sein, im Hinblick auf die mangels rechtzeitiger Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO vollziehbare, wenngleich noch nicht bestandskräftige Abschiebungsanordnung effektiven Rechtsschutz über § 123 VwGO zu erlangen (vgl. hierzu: Pietzsch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 25. Ed. 1.3.2020, § 34a AsylG Rn. 33b; so im Ergebnis auch: Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 10; aA: VG Berlin, B.v. 3.5.2019 – 3 L 47.19A – juris Rn. 15, 18).
Dieser Gedanke dürfte jedenfalls in der vorliegenden Konstellation ebenso gelten. Für eine Anwendbarkeit des § 123 VwGO spricht im konkreten Fall, dass der Antragsteller hier zunächst fristgerecht einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und sich damit im vorgesehenen Rechtsschutzsystem bewegt hat, dieser Antrag sich jedoch wegen äußerer Umstände (Corona-Pandemie), auf die er keinen Einfluss hatte, erledigt hat. Auch die nunmehr wieder eingetretene Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung liegt außerhalb des Verantwortungsbereichs des Antragstellers. In dieser Situation, in der, wie geschildert, ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mangels Fristwahrung und ein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO mangels Statthaftigkeit nicht zulässig erscheint, muss es dem Antragsteller wegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz eröffnet sein, effektiven Rechtsschutz über § 123 VwGO zu erreichen (vgl. hierzu auch: VG Arnsberg, a.a.O., S. 7, das sich für eine Anwendbarkeit des § 123 VwGO ausspricht, diese Frage aber letztlich offenlässt).
Die Frage, ob in der vorliegenden Konstellation § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG analog oder § 123 VwGO Anwendung findet, kann jedoch letztlich offenbleiben. Von Verfassungs wegen ist es im Ergebnis unerheblich, auf welchem Weg Eilrechtsschutz gewährt wird (BVerfG, B.v. 8.11.2017 – 2 BvR 809/17 – BeckRS 2017, 134050 Rn. 13 zum vorläufigen Rechtsschutz im Asylfolgeverfahren). Wesentliche Vor- oder Nachteile sind weder mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO noch mit einem Verfahren nach § 123 VwGO verbunden. Insbesondere ist der Prüfungsmaßstab in Fällen wie dem vorliegenden identisch (hierzu sogleich).
2. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig. Dies gilt auch, wenn man den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO unter analoger Anwendung von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG für einschlägig erachtet.
3. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Prüfungsmaßstab ist hierbei die Frage der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung. Dies gilt nicht nur im Rahmen des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG analog, sondern auch im Rahmen des Antrags nach § 123 VwGO. Die hier vorliegende besondere Konstellation, dass der Antragsteller zunächst fristgerecht Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO im Rahmen des vorgesehenen Rechtsschutzsystems sucht, dieser sich aber dann aufgrund von äußeren Umständen, auf die er keinen Einfluss hat, erledigt, darf nicht dazu führen, dass eine Rechtsschutzverkürzung eintritt. Demgemäß erscheint es folgerichtig, vorliegend nicht nur Duldungsgründe bzw. Abschiebungshindernisse, sondern umfänglich die voraussichtliche Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung zu prüfen (in diese Richtung auch: Pietzsch, a.a.O.).
Die Abschiebungsanordnung erweist sich im vorliegenden Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig, da der Asylantrag mit Bescheid vom 5. Mai 2020 zutreffend nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG als unzulässig abgelehnt worden ist.
a) Der Bescheid vom 5. Mai 2020 ist nach summarischer Prüfung formell rechtmäßig. Die Nichtdurchführung des persönlichen Gesprächs nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO führt voraussichtlich nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids.
Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO führt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern. Dieses Gespräch soll gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO auch das richtige Verständnis der dem Antragsteller nach Art. 4 Dublin III-VO bereitgestellten Informationen ermöglichen.
Dieses grundsätzlich zwingend erforderliche persönliche Gespräch hat im vorliegenden Fall nach Aktenlage nicht stattgefunden. Der Antragsteller ist schriftlich befragt worden, indem ihm die standardisierten Fragebögen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats sowie zur Prüfung von Abschiebungshindernissen im Dublin-Verfahren auf Deutsch und auf Dari, das der Antragsteller beherrscht (Bl. 24 Behördenakte), übermittelt worden sind, der Antragsteller diese auf Dari ausgefüllt und zurückgesandt hat (Bl. 47 ff. und 83 ff. Behördenakte).
Auf das persönliche Gespräch durfte auch nicht nach Art. 5 Abs. 2 Dublin III-VO verzichtet werden, da der Antragsteller nicht flüchtig war (Buchstabe a). Die schriftliche Befragung rechtfertigt auch nicht die Annahme des Verzichtsgrundes nach Buchstabe b), da der Antragsteller nicht die in Art. 4 Dublin III-VO genannten Informationen erhalten hat. Zwar ist dem Antragsteller das Merkblatt zum Dublin-Verfahren D1265 auf Deutsch und auf Dari übermittelt worden. Dieses weist aber nicht den gleichen Informationsgehalt wie das gemeinsame Merkblatt der Kommission auf, das die Mitgliedstaaten zu verwenden haben, vgl. Art. 4 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Dublin III-VO i.V.m. Anhang X der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 (ABl. EU, L 39/30, 8.2.2014). Denn im ausgehändigten Merkblatt fehlen insbesondere Informationen über mögliche Rechtsbehelfe im Dublin-Verfahren, die Rechte des Antragstellers während des Aufenthalts sowie ausführliche Angaben, wie im gemeinsamen Merkblatt vorgesehen, welche Informationen die Behörden zur Prüfung des Antrags benötigen.
Die Anhörung ist damit im konkreten Fall fehlerhaft durchgeführt worden. Die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Anhörung sind in der Dublin III-VO nicht ausdrücklich geregelt. Teils wird vertreten, dass ein formeller Fehler generell zur Rechtswidrigkeit des Dublin-Bescheids führe (vgl. VG Berlin, B.v. 13.3.2019 – 31 L 154.19 A – BeckRS 2019, 14903 Rn. 8). Andere Gerichte verweisen demgegenüber auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Verletzung des unionsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie zum Verstoß gegen Verfahrensvorschriften und wenden § 46 VwVfG an (vgl. VG Cottbus, B.v. 11.10.2016 – 5 L 387/16.A – juris Rn. 9 ff.; VG Düsseldorf, B.v. 18.2.2019 – 22 L 3335/18.A – BeckRS 2019, 2152). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine Verletzung des unionsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör nur dann von verfahrensrechtlicher Relevanz, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. nur: EuGH, U.v. 10.9.2013 – C-383/13 – juris Rn. 38 m.w.N.). Ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften des Unionsrechts bewirkt nur dann keine Rechtsverletzung, wenn nach den Umständen des konkreten Falls nachweislich die Möglichkeit besteht, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre (vgl. nur: EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-72/12 – juris Rn. 57). Dass die Dublin III-VO über diese allgemeine Fehlerfolge beim Gehörsverstoß hinausgehe und die bloß ab-strakte Rüge eines Verstoßes gegen Art. 5 Dublin III-VO für die Aufhebbarkeit genügen lasse, finde weder in den Erwägungsgründen noch im Wortlaut eine Stütze. Die Vorschrift des Art. 5 Dublin III-VO solle in erster Linie das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats unterstützen (vgl. VG Cottbus, a.a.O., Rn. 10).
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2017 (BVerfG, B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – juris Rn. 20) offengelassen, jedoch ausgeführt, dass manches dafür spreche, dass das persönliche Gespräch für die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids beachtlich sei. Denn in einem solchen Gespräch könnten sowohl die Voraussetzungen für vorrangige Zuständigkeitsgründe nach Art. 8 ff. Dublin III-VO als auch für eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Dublin III-VO geklärt werden. Es sei klärungsbedürftig, ob die in Art. 5 Abs. 2 Dublin III-VO enthaltene Normierung von Fallgruppen, in denen von dem Gespräch abgesehen werden dürfe, eine spezielle und insoweit abschließende Regelung des Verfahrens darstelle, die ein Rückgriff auf § 46 VwVfG verbiete.
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat dagegen in einer Entscheidung vom 22. Mai 2019 (B.v. 22.5.2019 – 11 A 330/19.A – juris m.w.N.) diese Fragestellung unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH als geklärt angesehen. Es führt hierzu mit überzeugender Argumentation aus, dass Mängel bei der Durchführung des persönlichen Gesprächs im Dublin-Verfahren nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit der nachfolgenden Verwaltungsentscheidung führen, sondern nur dann, wenn sie sich auf den Inhalt der Entscheidung ausgewirkt haben. Um die praktische Wirksamkeit der zu seinen Gunsten ergangenen unionsrechtlichen Bestimmungen sicherzustellen, dürfe dem Antragsteller die Beweislast für diesen Kausalzusammenhang jedoch nicht aufgebürdet werden. Umgekehrt dürfe die praktische Wirksamkeit der Dublin III-VO, durch die ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem verwirklicht und in diesem Zusammenhang vor allem eine wirksame Rückkehr- und Rückübernahmepolitik gewährleistet werden solle, nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass Fehler, die das Ergebnis der Entscheidung nicht beeinflusst hätten, zu ihrer Rechtswidrigkeit führten mit der Folge der Begründung der Zuständigkeit eines Mitgliedstaats, der nach den Zuständigkeitsregeln der Verordnung nicht zuständig sei. Es sei daher im Einzelfall Sache des Gerichts, unter Berücksichtigung der Schwere des geltend gemachten Fehlers und des gesamten Akteninhalts zu beurteilen, ob die angegriffene Entscheidung ohne den vom Antragsteller vorgetragenen Fehler nicht anders ausgefallen wäre (vgl. auch: VG München, B.v. 19.2.2020 – M 11 S 20.50051 – juris Rn. 17 ff.; so zur Verletzung von Informationspflichten auch: VGH Baden-Württemberg, U.v. 12.12.2018 – A 11 S 1923/17 – juris Rn. 261 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser unionsrechtlichen Maßgaben zur Verletzung rechtlichen Gehörs und von Verfahrensrechten spricht nach summarischer Prüfung im Eilverfahren vieles dafür, dass im konkreten Fall der Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung eines persönlichen Gesprächs nach Art. 5 Dublin III-VO die Entscheidung im Ergebnis nicht beeinflusst hat und daher nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids vom 5. Mai 2015 führt, wobei an dieser Stelle dahinstehen kann, ob dieses Ergebnis (auch) aus § 46 VwVfG abgeleitet werden kann.
Zwar scheint die Antragsgegnerin im Rahmen der Corona-Pandemie häufig oder gar immer schriftliche Befragungen durchzuführen, so dass möglicherweise ein systematischer Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung eines persönlichen Gesprächs vorliegt. Letztlich ist aber unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, ob sich der gemachte Verfahrensfehler entscheidungserheblich ausgewirkt hat, so dass der etwaige Einwand des systematischen Verstoßes nicht pauschal verfängt.
Im konkreten Fall hat sich die fehlende persönliche Anhörung bei summarischer Prüfung nicht auf das Ergebnis ausgewirkt. Der Antragsteller hat im Rahmen der schriftlichen Befragung angegeben, eine Ehefrau in Deutschland zu haben. Die Antragsgegnerin hat im angefochtenen Bescheid die geltend gemachte Ehe des Antragstellers berücksichtigt. Auch im Klage- und im Eilverfahren sind keine anderen Umstände vorgetragen worden, die nicht bereits im Rahmen der schriftlichen Befragung angegeben worden sind. Hinzu kommt, dass die Befragung im Rahmen des persönlichen Gesprächs nach Art. 5 Dublin III-VO aufgrund vorgefertigter Fragebögen ohnehin im Wesentlichen standardisiert abläuft. Im Rahmen der schriftlichen Befragung hat der Antragsteller im Wesentlichen genau dieselben Fragen gestellt bekommen, die ihm auch im Rahmen des persönlichen Gesprächs gestellt worden wären. Die Fragebögen waren auch in der Heimatsprache des Antragstellers abgefasst und es war ihm möglich, die Fragen in dieser Sprache zu beantworten. Anders als im Rahmen der Anhörung nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG besteht im Rahmen der Dublin-Anhörung auch weniger Anlass zu einzelfallbezogenen (Nach-)Fragen, die im Übrigen auch bei schriftlicher Befragung nach Auswertung der ausgefüllten Fragebögen noch nachträglich schriftlich gestellt werden könnten.
b) Nach summarischer Prüfung ist der angegriffene Bescheid vom 5. Mai 2020 auch materiell rechtmäßig.
aa) Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers ist Deutschland nicht nach Art. 9 Dublin III-VO wegen eines in Deutschland lebenden Familienangehörigen, der Begünstigter internationalen Schutzes ist, zuständig.
Zwar lebt nach Angaben des Antragstellers dessen afghanische Ehefrau, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, in Deutschland. Aber unabhängig davon, ob diese Frau als Ehegattin und damit Familienangehörige des Antragstellers im Sinne von Art. 2 Buchstabe g) 1. Spiegelstrich i.V.m. Art. 9 Dublin III-VO anzusehen ist, liegen die Voraussetzungen des Art. 9 Dublin III-VO jedenfalls schon deswegen nicht vor, weil die Ehe nach dem Sachvortrag des Antragstellers im für die Beurteilung der Zuständigkeitskriterien nach Art. 8 ff. Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO (vgl. hierzu: VG München, B.v. 6.3.2019 – M 11 S 19.50075 – BeckRS 2019, 9110 Rn. 17) noch nicht geschlossen war. Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO ist für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO gilt ein Antrag auf internationalen Schutz als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formular oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Dies war nach Aktenlage vorliegend am 20. Februar 2020 der Fall, da die Antragsgegnerin an diesem Tag aufgrund behördlicher Mitteilung Kenntnis vom Asylgesuch des Antragstellers erhielt.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob der Antragsteller in Deutschland eine Ehefrau hatte, ist damit der 20. Februar 2020. Ein Familienverhältnis, das erst nach diesem Zeitpunkt entsteht, ist für Art. 9 Dublin III-VO irrelevant (VG München, B.v. 6.3.2019, a.a.O.). Zu diesem Stichtag war der Antragsteller jedoch noch nicht verheiratet, da die Eheschließung nach der von ihm vorgelegten Heiratsurkunde erst am 1. März 2020 erfolgt ist.
bb) Unabhängig davon, ob es sich bei dem im Reisepass des Antragstellers eingetragenen „Visto“ um einen portugiesischen Aufenthaltstitel oder ein portugiesisches Visum handelt, ist Portugal nach Art. 12 Abs. 1 oder Abs. 2 Dublin III-VO zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens. Der Antragsteller war im maßgeblichen Zeitpunkt am 20. Februar 2020 (Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO) im Besitz eines (vom 8.9.2019 bis 6.9.2020) gültigen Aufenthaltstitels oder Visums. Die Antragsgegnerin hat das Aufnahmegesuch an Portugal am 30. April 2020 und damit innerhalb der nach Art. 18 Abs. 1a, Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO geltenden Frist von drei Monaten ab Stellung des Asylantrags gestellt. Die portugiesischen Behörden erklärten die Übernahme des Antragstellers am 4. Mai 2020 und somit innerhalb von zwei Monaten nach Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO.
cc) Die Abschiebung nach Portugal kann auch durchgeführt werden (vgl. § 34a Abs. 1 AsylG); die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Portugal infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre. Diesbezüglich wird auf die ausführliche Begründung im angefochtenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG), die die derzeitige Situation für Asylbewerber in Portugal sowie die aktuelle Rechtsprechung, nach der systemische Mängel verneint werden, detailliert wiedergibt (vgl. hierzu jüngst auch: VG München, B.v. 18.3.2020 – M 11 S 20.50072; B.v. 6.11.2019 – M 10 S 19.50918).
dd) Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig machen, liegen ebenso wenig vor wie inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Auch insoweit wird zunächst auf die zutreffende Begründung des Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
(1) Abschiebungsverbote sind insbesondere auch nicht wegen der Corona-Pandemie anzunehmen. Ein Abschiebungsverbot wegen einer drohenden (etwaig höheren) Ansteckungsgefahr nach Rückkehr nach Portugal und/oder wegen eines höheren Gesundheitsrisikos infolge schlechterer medizinischer Versorgung in Portugal gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (analog) ist nicht anzunehmen. Jedenfalls bei einem – wie hier – jungen, gesunden Mann ohne bekannte einschlägige Vorerkrankungen sind die relativ hohen Anforderungen hierfür nicht erfüllt. Die Angaben der World Health Organization (WHO) zugrunde gelegt (vgl. https://covid19.who.int/ – abgerufen am 14.8.2020), dürfte das Ansteckungsrisiko in Portugal bei 53.223 registrierten Fällen und 1.764 Toten (Stand: 14.8.2020) – auch unter Berücksichtigung einer entsprechenden Dunkelziffer wegen (etwaiger) geringerer Testquote – jedenfalls nicht höher als in Deutschland (219.964 registrierte Fälle und 9.211 Tote laut WHO) sein.
Sofern derzeit durch die Pandemie Reisebeschränkungen nach Portugal bestehen sollten, wäre deswegen keine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 10 ZB 20.666 – juris Rn. 19). Jedenfalls könnte hieraus allenfalls ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG folgen, das von der Ausländerbehörde, nicht aber in diesem Verfahren zu berücksichtigen wäre.
(2) Aus der familiären Situation des Antragstellers ergibt sich auch nicht die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO oder ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Vorliegend gebieten weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK, von der Abschiebung des Antragstellers nach Portugal abzusehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu und zum Folgenden nur: BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – NvWZ 2013, 1207) gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten.
Im Rahmen eines Dublin-Verfahrens ist zu berücksichtigen, dass ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland daran besteht, sich an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu beteiligen, das eine anhand von einheitlichen Zuständigkeitskriterien erfolgende Verteilung von Asylbewerbern vorsieht, hierbei familiäre Belange berücksichtigt und darüber hinaus ein rechtsmissbräuchliches Verhalten wie Scheinehen oder ein sog. „asylum-shopping“ verhindern soll. Kommt es einem Ausländer darauf an, ein Asylverfahren zu durchlaufen, so muss er angesichts des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems grundsätzlich in Kauf nehmen, dass das Asylverfahren in einem (zuständigen) anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchgeführt wird. Dies ist jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn die Trennung der Ehegatten bzw. Familie nur vorübergehend ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 29.4.2015 – A 11 S 57/15 – juris Rn. 45; VG Minden, U.v. 17.8.2015 – 10 K 536/15.A – juris Rn. 29; VG Düsseldorf, B.v. 20.1.2014 – 13 L 2363/13.A – juris Rn. 19 ff.; vgl. zur Zumutbarkeit der zeitweiligen Trennung zum Zweck der Nachholung eines erforderlichen Visumsverfahrens: BVerfG, B.v. 4.12.2007 – 2 BvR 2341/06 – juris Rn. 6; BVerwG, U.v. 4.9.2012 – 10 C 12/12 – juris Rn. 27). Eine vorübergehende Trennung bis zum Abschluss eines laufenden Asylverfahrens dürfte dabei regelmäßig nur dann unzumutbar sein, wenn im Einzelfall weitere besondere Umstände vorliegen (vgl. VG München, B.v. 6.3.2019 – M 11 S 19.50075 – juris Rn. 25 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.5.2020, a.a.O., Rn. 15 zur Nachholung des Visumsverfahrens).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist es dem Antragsteller vorliegend zuzumuten, sein Asylverfahren in Portugal zu betreiben und den dortigen Ausgang abzuwarten. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Antragsteller und seine Ehefrau tatsächlich in familiärer Lebensgemeinschaft leben oder gelebt haben. Die Ehe besteht erst seit 1. März 2020; seitdem leben die Ehegatten nach Aktenlage an verschiedenen Orten in Deutschland. Der Antragsteller ist auch erst am 19. Dezember 2019 eingereist, wohingegen seine Ehefrau schon länger in Deutschland zu leben scheint, da ihr die Flüchtlingseigenschaft bereits am 23. November 2018 zuerkannt worden ist (Bl. 71 Behördenakte). Da auch keine Kinder betroffen sind, ist es den Eheleuten zumutbar, den Kontakt – wie offenbar derzeit und in der Vergangenheit auch – über Telefon oder Internet aufrechtzuerhalten.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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