Europarecht

Zum Prüfungsumfang bei einer Betriebserlaubnis für eine Einrichtung nach § 45 SGB VIII

Aktenzeichen  M 18 K 16.1465

Datum:
22.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153532
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII § 45

 

Leitsatz

1 Der Prüfungsumfang der Erlaubnisbehörde erstreckt sich nur darauf, ob die Mindestvoraussetzungen für die Sicherstellung des Kindeswohls erfüllt sind. Es ist der Behörde daher verboten, durch großzügigere Standards eine bessere bis hin zu einer optimalen Betreuung der Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Träger der Einrichtung hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer über den Mindeststandard hinausgehenden Personalausstattung. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die auf eine Änderung der Betriebserlaubnis hinsichtlich der Personalausstattung gerichtete Klage ist unzulässig.
Der Klägerin fehlt das Rechtschutzinteresse für eine Entscheidung durch das Gericht, da eine solche nicht erforderlich ist. Die Klägerin ist durch die Festlegung der Personalausstattung in den Bescheiden zur Erteilung der Betriebserlaubnis für die Einrichtungen … … und … nicht gehindert, die Einrichtungen mit der jeweils gewünschten Personalstärke zu betreiben.
Grundlage für die Erteilung einer Betriebserlaubnis ist § 45 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift bedarf der Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten – abgesehen von wenigen, in § 45 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 – 3 SGB VIII aufgeführten Ausnahmen – für den Betrieb der Einrichtung der Erlaubnis (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Die Erlaubnis ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der Regelung zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Ist dies der Fall, besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung; die die Erlaubnis erteilende Behörde hat keinen Ermessensspielraum (Frankfurter Kommentar, SGB VIII, § 45, Rn. 24).
Von der Erfüllung der Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung ist unter anderem dann auszugehen, wenn die personellen Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt sind (§ 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII). Die Tätigkeit der Erlaubnisbehörde dient der Abwehr von Gefahren für die untergebrachten Kinder und Jugendlichen; Prüfungsmaßstab ist allein das Kindeswohl. Anhand dieses Maßstabes und der zur Erläuterung im Gesetz vorgegebenen Kriterien (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 – 3 SGB VIII) hat die Heimaufsicht die vorgelegte Konzeption des Einrichtungsträgers zu prüfen. Zu einer Änderung bzw. Anpassung des Konzeptes ist sie nicht befugt; dies wäre ein unzulässiger Eingriff in die Organisationseinheit des Trägers (vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2016 – 12 CE 16.1172, Rn. 32).
Der Prüfungsumfang der Erlaubnisbehörde erstreckt sich nur darauf, ob die Mindestvoraussetzungen für die Sicherstellung des Kindeswohls erfüllt sind, nicht mehr. Es ist der Behörde auch verboten, durch großzügigere Standards eine bessere bis hin zu einer optimalen Betreuung der Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen. So hat auch die Aufnahme zu Aussagen zur Personalausstattung der Einrichtung nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – der das Gericht folgt – nur die Funktion der Festlegung eines Mindeststandards, mit dem das Kindeswohl (noch) gewährleistet ist.
Daraus folgt, dass der in der Betriebserlaubnis festgesetzte Standard nicht notwendigerweise identisch ist mit dem in einer zwischen dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe und dem freien Träger ausgehandelten Entgelt- und Leistungsvereinbarung. In dieser wird das Leistungsangebot des Trägers bezüglich Art, Umfang, Inhalt und Qualität im Hinblick auf das zwischen den Parteien gewünschte pädagogisch-fachliche Ziel festgeschrieben, das über den Mindeststandard hinausgehende Leistungen enthalten kann und häufig auch wird. Die Schutzfunktion der Heimaufsicht ist damit von den Entgeltverhandlungen zwischen dem Träger und dem zuständigen Jugendhilfeträger zu trennen (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 35).
Damit legen auch die von der Regierung von O. in den Betriebserlaubnissen in Ziff. II bzw. III Nr. 3.2 getroffenen Aussagen zur Personalausstattung für den Gruppendienst nur die Mindestausstattung und damit die Personaluntergrenze fest, mit der für das von der Klägerin vorgelegte Konzept das Kindeswohl sichergestellt ist. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Festsetzung einer über den Mindeststandard hinausgehenden Personalausstattung weil ein niedrigerer Mindeststandard einen geringeren Eingriff in die Rechte der Klägerin durch die Vorgaben der Erlaubnisbehörde bedeutet; sie ist durch die Festlegung der Personalstärke in der Betriebserlaubnis aber auch nicht gehindert, entsprechend ihren Wünschen mehr Personal einzustellen und die Finanzierung über die Leistungs- und Entgeltvereinbarung, die gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 3 SBB VIII auch die erforderliche sächliche und personelle Ausstattung behandelt – zu erreichen.
Die Aussagen in der Betriebserlaubnis zur Personalausstattung haben jedoch grundsätzlich keine Präjudizwirkung für die Leistungs- und Entgeltvereinbarung bzw. ein möglicherweise folgendes Schiedsstellenverfahren. Alle über den Mindeststandard hinausgehenden Leistungen räumlicher, sächlicher und personeller Art sind jedoch nicht im Rahmen der Betriebserlaubnis, sondern auf der Ebene der Leistungs- und Entgeltvereinbarungen geltend zu machen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO als unzulässig abzuweisen.
Das Verfahren ist gemäß § 188 VwGO gerichtskostenfrei.


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