Familienrecht

Beschwerde, Insolvenzverwalter, Auslegung, Erinnerung, Verfahren, Kostenansatz, Aufwendungen, Beschwerdewert, Schriftsatz, Stellungnahme, Wahl, Wirkung, Neufassung, Nichtabhilfebeschluss, weitere Beschwerde

Aktenzeichen  44 T 785/21

Datum:
1.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 51595
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1 IN 30/12 2021-04-20 Bes AGMEMMINGEN AG Memmingen

Tenor

1. Die Beschwerde des Insolvenzverwalters vom 12.05.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Memmingen – Abteilung für Insolvenzsachen – vom 20.04.2021 (Az. 1 IN 30/12) wird als unbegründet z u r ü c k g e w i e s e n.
2. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Memmingen setzte im Rahmen des Kostenansatzes vom 10.03.2021 (Bl. IV des Kostenheftes) Kosten des Insolvenzverfahrens nach Nr. 2310, 2320 KV GKG an und berechnete 3,0 Gerichtsgebühren aus einer Masse von 2.807.418,00 € in Höhe von 30.018,00 €. Dabei berechnete das Amtsgericht Memmingen die Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens (§ 58 GKG) unter Verweis auf das OLG München (Beschluss vom 08.08.2012, 11 W 832/12) ohne Abzug der Kosten der Betriebsfortführung.
Gegen diesen Kostenansatz legte der Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 13.04.2021, beim Amtsgericht Memmingen eingegangen am 14.04.2021 (Bl. 347/348 d. A.), Erinnerung ein und führte aus, dass sich andere Oberlandesgerichte – soweit ersichtlich – der Auffassung des OLG München, wonach die Masse ohne Abzug der Kosten der Betriebsfortführung zu berechnen sei (sog. Bruttoansatz), nicht angeschlossen hätten. Diese Streitfrage sei durch die Änderung des § 58 GKG mit Wirkung zum 01.01.2021 dahingehend entschieden, dass im Fall der Unternehmensfortführung die erzielten Einnahmen nur insoweit berücksichtigt würden, als sie die betrieblichen Aufwendungen übersteigen (Reinerlös, sog. Nettoansatz). Zwar sei die Neufassung des § 58 GKG für das vorliegende Verfahren ausweislich der Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 3 GKG nicht anwendbar, aber aus der Begründung des Referentenentwurfs ergebe sich, dass die Neufassung des § 58 Abs. 1 S. 1 GKG eine Klarstellung des Gesetzes sei. Dies habe zur Folge, dass auch im Bezirk des Oberlandesgerichts München unabhängig von der Fälligkeit der Gebühren auf den Nettoerlös abzustellen sei.
Der Kostenbeamte des Amtsgerichts Memmingen entschied mit Beschluss vom 15.04.2021 (Bl. 356 d. A.), der Erinnerung nicht abzuhelfen und die Sache dem Rechtspfleger zur Entscheidung vorzulegen. Zur Begründung führte der Kostenbeamte aus, dass die Neufassung des § 58 GKG auf das vorliegende Verfahren gemäß § 71 Abs. 3 GKG nicht anwendbar sei. Ergänzend verwies der Kostenbeamte auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Memmingen vom 24.02.2021 (Az. A-0134-21, Bl. 338/339 d. A.), wonach die Neuregelung des § 58 Abs. 1 GKG in dem vorliegenden Verfahren gemäß § 71 Abs. 3 GKG nicht zum Tragen komme.
Die Rechtspflegerin wies die Erinnerung mit Beschluss vom 15.04.2021 (Bl. 358/360 d. A.) zurück und führte aus, dass die angesprochene Rechtsprechung des OLG München weiter gelte, wenn die Gebühr vor dem Inkrafttreten der Neuregelung fällig geworden sei. Die Gesetzesbegründung zu der Änderung könne nur zur Auslegung der neuen Regelung, nicht aber zur Auslegung der vorhergehenden Regelung herangezogen werden. Vielmehr zeige die Tatsache, dass eine Gesetzesänderung erfolgt sei, dass auch der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass nach dem alten Recht der Bruttoansatz zu wählen sei. Der erforderliche Beschwerdewert sei erreicht, da bei Wahl des Nettoansatzes von einer Masse von 288.557,00 € auszugehen und lediglich Kosten in Höhe von insgesamt 9.670,80 € einzufordern gewesen wäre anstelle von insgesamt 33.970,80 € (inklusive Veröffentlichungs- und Sachverständigenkosten).
Gegen diesen Beschluss legte der Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 12.05.2021 (Bl. 362/364 d. A.) Beschwerde ein und wiederholte zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus der Erinnerungsschrift. Weiter führte der Insolvenzverwalter aus, dass die Gesetzesänderung zeige, dass der Gesetzgeber nicht zu der Rechtsauffassung des OLG München neige. Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Memmingen nahm zu der Beschwerde unter dem 20.05.2021 (Az. A-0134-21, Bl. 366/368 d. A.) Stellung und führte aus, dass die hier in Rede stehenden Gebühren mit Eingang des Eröffnungsantrages bei Gericht bzw. dem Beginn der Durchführung des Verfahrens fällig geworden seien. Die Rechtsprechung des OLG München sei daher auf solche Altfälle weiter anzuwenden. Weiter wies die Bezirksrevisorin darauf hin, dass es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handle und regte an, die weitere Beschwerde zuzulassen.
Das Amtsgericht entschied mit Beschluss vom 25.05.2021 (Bl. 369/370 d. A.), der Beschwerde nicht abzuhelfen und die Akte dem Landgericht Memmingen zur Entscheidung vorzulegen. Zur Begründung nahm das Amtsgericht auf die Ausführungen der Bezirksrevisorin Bezug. Das Beschwerdegericht ließ dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 31.05.2021 (Bl. 373 d. A.) nach, zu dem Nichtabhilfebeschluss Stellung zu nehmen; eine Stellungnahme erfolgte nicht.
Die Sache wurde mit Beschluss vom 30.06.2021 der Kammer zur Entscheidung übertragen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 66 Abs. 2 S. 1 GKG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € deutlich übersteigt. In dem angegriffenen Kostenansatz wurden Verfahrensgebühren in Höhe von 30.018,00 € angesetzt. Bei Wahl des Nettoansatzes wäre nach Berechnung des Amtsgerichts von einer Masse in Höhe von 288.557,00 € auszugehen, sodass sich die Verfahrensgebühren auf lediglich 5.718,00 € belaufen würden. Aus der Differenz ergibt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes in Höhe von 24.300,00 €. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Die Kammer schließt sich aus den dortigen Gründen der Rechtsprechung des OLG München aus den Beschlüssen vom 08.08.2012 (Az. 11 W 832/12) und 25.04.2017 (Az. 11 W 832/12) an. Die Gesetzesänderung zum 01.01.2021 steht dem nicht entgegen, da die in Rede stehenden Verfahrensgebühren bereits lange vor Inkrafttreten der Änderung fällig waren. Die Begründung zu der Gesetzesänderung kann aus den von dem Amtsgericht zutreffend herausgearbeiteten Gründen nicht zur Auslegung der früheren Vorschriften herangezogen werden. Die Tatsache, dass eine Änderung erfolgte und seitens des Gesetzgebers für notwendig erachtet wurde, bestätigt aus Sicht der Kammer vielmehr, dass nach dem alten Recht der Bruttoansatz zu wählen war.
Der Beschwerde war nach alledem der Erfolg zu versagen.
III.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 S. 1 GKG). Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 S. 2 GKG).
Gegen diese Entscheidung war gemäß § 66 Abs. 4 S. 1 GKG die weitere Beschwerde zuzulassen, da die hier in Rede stehende Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Altverfahren hat.


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