Familienrecht

Beschwerde, Vormundschaft, Ablehnung, Kindschaftssache, FamFG, Erinnerung, Rechtsmittel, Stellungnahme, Anforderungen, Rechnung, Beschwerdebefugnis, Mitarbeiter, Rechtspflegerin, Endentscheidung, berechtigtes Interesse, von Amts wegen, schriftliche Stellungnahme

Aktenzeichen  7 UF 263/21

Datum:
10.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 14156
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

52 F 1853/21 2021-12-14 Bes AGWUERZBURG AG Würzburg

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 14.12.2021 wird aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht Würzburg zurückgegeben.

Gründe

I.
Im Hinblick auf die Schwangerschaft ihrer minderjährigen Tochter beantragte die Beteiligte N. mit Schreiben vom 26.10.2021 die Vormundschaft für ihr Enkelkind, welches voraussichtlich am x.x.2021 zur Welt kommen sollte.
Das Familiengericht erholte eine schriftliche Stellungnahme des zuständigen Jugendamtes.
Mit Beschluss vom 02.12.2021 wurde anschließend das Jugendamt der Stadt W. zum Vormund bestellt für das zum damaligen Zeitpunkt noch nicht geborene Kind.
Der Beteiligten N. wurde dieser Beschluss am 03.12.2021 zugestellt. Mit am 08.12.2021 beim Familiengericht eingegangenem Schreiben erklärte sie, sie wolle dem Beschluss auf Ablehnung der Vormundschaft für ihr Enkelkind widersprechen. Die getroffene Entscheidung könne sie nicht nachvollziehen. Zudem habe sie den Bericht des Jugendamtes nicht erhalten. Der Allgemeine Sozialdienst habe ihr mitgeteilt, dass es aus Sicht des Jugendamtes keinen Grund dafür gebe, die Vormundschaft abzulehnen. Der zuständige Mitarbeiter K. sei von der Entscheidung selbst überrascht gewesen.
Die zuständige Rechtspflegerin half der Beschwerde „der Antragstellerin“ mit Beschluss vom 14.12.2021 nicht ab und legte die Akten dem Senat zur Entscheidung vor.
II.
Das Schreiben der Beteiligten N. vom 08.12.2021 ist, weil ihr gegen den Beschluss vom 02.12.2021 ein Recht zur Beschwerde nach § 59 FamFG nicht zusteht, als Erinnerung gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin auszulegen (BGH FamRZ 2013, 1380 ff).
1) Die zuständige Rechtspflegerin hatte in der vorliegenden Kindschaftssache (§ 151 Nr. 4 FamFG) am 02.12.2021 eine Endentscheidung im Sinn des § 38 FamFG getroffen. Für die Beschwerde gegen diese Entscheidung gelten demnach die §§ 58 ff FamFG.
Die Beschwerdeberechtigung ist in § 59 FamFG geregelt. Nach Abs. 1 steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Gemäß Abs. 2 steht die Beschwerde dem Antragsteller zu, wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist.
a) Ein Fall des § 59 Abs. 2 FamFG ist nicht gegeben. Denn der Beschluss über die Vormundschaft wird nicht auf Antrag, sondern von Amts wegen erlassen (§ 1774 BGB). Der Antrag der Großmutter vom 26.10.2021 ist demnach allein als Anregung (§ 24 Abs. 1 FamFG) zu verstehen.
b) Auch die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 FamFG liegen nicht vor. Die Entscheidung vom 02.12.2021 beeinträchtigt die Großmutter nicht in ihren eigenen Rechten. Dass sie ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung hatte, ändert daran nichts (BGH, a.a.O.).
2) Allerdings sieht § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG die Erinnerung vor, wenn gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden kann. Um verfassungsrechtliche Bedenken auszuräumen, soll einem „beschwerten“ Beteiligten – den Anforderungen aus Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung tragend – die Möglichkeit eröffnet werden, die Entscheidung eines Richters herbeizuführen.
Die Erinnerung ist deshalb immer dann eröffnet, wenn die Entscheidung, hätte sie der Richter erlassen, im konkreten Fall unanfechtbar wäre, was nicht nur zu bejahen ist, wenn ein Rechtsbehelf von vorneherein nicht statthaft ist, sondern auch dann, wenn er zwar an sich statthaft, aber im konkreten Fall nicht eröffnet ist, weil zum Beispiel die Beschwerdesumme nicht erreicht wird, die Anfechtung auf andere als die gesetzlich zugelassenen Anfechtungsgründe gestützt werden soll oder – wie vorliegend – dem Anfechtenden die Beschwerdeberechtigung fehlt (MüKO ZPO / Hamdorf, 6. Auflage, 2020, § 11 RPflG Rn. 2).
Anders als für die Beschwerdebefugnis reicht es für die Erinnerungsbefugnis aus, dass die Großmutter ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung hat (BGH, a.a.O.).
3) Die zuständige Rechtspflegerin wird demnach zu prüfen haben, ob der von der Großmutter eingelegten Erinnerung abzuhelfen ist. Die am 14.12.2021 getroffene Entscheidung setzt sich mit dem Vorbringen im Schreiben vom 08.12.2021 nicht auseinander. Gerügt wird beispielsweise ein Verstoß gegen § 37 Abs. 2 FamFG. Der Bericht des Jugendamtes wurde Grundlage der Entscheidung, obwohl sich die Großmutter hierzu nicht äußern konnte.
Wird eine Abhilfe abgelehnt, muss die Sache dem zuständigen Familienrichter vorgelegt werden.
III.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst (§ 20 FamGKG, 81 Abs. 1 FamFG).
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§ 70 Abs. 2 FamFG).


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