Familienrecht

Erkrankung, Insolvenzverfahren, Beschwerde, Betreuung, Attest, Restschuldbefreiung, Wohnung, Heizung, Anordnung, Gutachten, Verfahren, Aufenthaltsbestimmung, Ausschluss, Vollmacht, psychische Erkrankung, gutachterliche Stellungnahme, Vermeidung von Wiederholungen

Aktenzeichen  6 T 1572/19, 6 T 2542/21

Datum:
15.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 55601
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

XVII 374/17 2019-02-22 AGEBERSBERG AG Ebersberg

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Betroffenen vom 19.03.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Betreuungsgerichts Ebersberg vom 22.02.2019 dahingehend abgeändert, dass der Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung entfällt.
II. Im Übrigen werden die Beschwerden der Betroffenen vom 19.03.2019 und vom 27.05.2021 gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts – Betreuungsgerichts Ebersberg vom 22.02.2019 und 19.04.2021 zurückgewiesen.

Gründe

I.
1. Unter dem 14.10.2017 regte der Sohn von Frau M., Herr P., für seine Mutter eine Betreuung an. Er trug vor, dass seine Mutter seit langem eine dringend (insb. im Hinblick auf Undichtigkeit und Schimmelbildung) notwendige Renovierung ihrer Erdgeschosswohnung mit Hauptbad im Keller mit der Begründung verweigere, die Handwerker würden Abhöreinrichtungen anbringen. Er legte E-Mails der Betroffenen vor, in der diese u.a. vorbringt, mit Mikrowellenstrahlung gefoltert zu werden. Herr P. berichtete auch, dass Frau M2. eine problematische Alu-Konstruktion um ihr Bett herum aufgebaut hatte, um sich vor angeblichen Strahlen zu schützen. Die Ermittlungen der Betreuungsstelle bestätigten diese wahnhaften Vorstellungen, vgl. Bericht vom 24.11.2017.
Die Betroffene erteilte am 08.03.2017 der in Österreich lebenden Frau A1. F. eine Vollmacht unter der Bedingung, dass keine psychiatrische Erkrankung bei ihr diagnostiziert wird und unter ausdrücklichem Ausschluss der Befugnis zur psychiatrischen Behandlung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 43 verwiesen. Eine im Wesentlichen inhaltsgleiche notarielle Vollmacht ließ die Betroffene am 30.07.2019 erstellen. Insoweit wird auf Bl. 194 ff. Bezug genommen.
Unter dem 10.12.2017 kam der Sachverständige Dr. G. zu dem Ergebnis, dass bei der Betroffenen eine wahnhafte Störung vorliege. Von einer Betreuung sei allerdings abzusehen, da die Betroffene „nicht betreubar“ sei.
Mit Beschluss vom 15.12.2017 stellte das Betreuungsgericht daraufhin das Verfahren ein.
Hiergegen wandte sich Herr P. mit seiner Beschwerde vom 16.01.2017. Das Gericht bestellte daraufhin mit Beschluss vom 24.01.2018 einen Verfahrenspfleger und erholte ein weiteres Gutachten. Die Betroffene verweigerte die Untersuchung, weshalb sie zu einem Anhörungstermin am 05.07.2018 vorgeführt wurde. In Anwesenheit der Sachverständigen übergab sie 4 Atteste zu ihrer angeblichen Geschäftsfähigkeit.
Auf der Grundlage der in der Akte befindlichen zahlreichen Schreiben, des übrigen Akteninhaltes, der Angaben der Auskunftspersonen Frau M3. von der Betreuungsstelle und des Sohnes der Betroffenen sowie aufgrund des bei der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindruckes erstattete die gerichtsbekannt sehr erfahrene Sachverständige N. C. unter dem 20.10.2018 ein Gutachten. Sie kam darin zu dem Ergebnis, dass eine psychische Erkrankung in Gestalt einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vorliege, die die Anordnung einer Betreuung notwendig mache.
Bei dem Anhörungstermin am 23.01.2019 erschien die Betroffene nicht. Sie ließ über einen Verfahrensbevollmächtigten, der sich mit Schreiben vom 12.12.2018 bestellt hatte, mitteilen, dass die Betreuungsanordnung wegen der von ihr wirksam erteilten Vorsorgevollmacht nicht erforderlich und sie geschäftsfähig sei.
Mit Beschluss vom 22.02.2019 ordnete das Betreuungsgericht eine Betreuung in den Aufgabenkreisen Vermögenssorge Gesundheitsfürsorge Aufenthaltsbestimmung Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern Wohnungsangelegenheiten Postkontrolle in den übertragenen Aufgabenkreisen an.
Auf die dortige ausführliche weitere Darstellung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Gegen diesen am 27.02.2019 zugestellten Beschluss wandte sich die Betroffene mit ihrer Beschwerde vom 19.03.2019. Sie bestreitet das Vorliegen einer psychischen Erkrankung. Die sachverständigen Feststellungen seien unzureichend. Darüber hinaus fehle es am konkreten Betreuungsbedarf. Sie könne sich selbst hinreichend um ihre Angelegenheiten kümmern. Außerdem sei sie zur freien Willensbestimmung in der Lage. Sie verweist auf die von ihr mit der Beschwerde vorgelegten ärztliche Atteste, in denen jeweils eine vollständig erhaltene Geschäftsfähigkeit festgestellt wurde, erklärte aber zugleich, vgl. Schriftsatz vom 13.5.2019, an einer Begutachtung nicht mitzuwirken.
Das Beschwerdegericht hat verschiedene ergänzende Stellungnahmen eingeholt, auf die verwiesen wird.
Frau M2. wurde vom Betreuungsgericht am 14.07.2020 in Gegenwart des Sachverständigen Dr. R1. zur Frage der Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes angehört. Dabei wurde ihr auch Gelegenheit gegeben, sich zur Anordnung der Betreuung zu äußern. Auf den Beschluss der Kammer vom 9.9.2019, mit der das Betreuungsgericht um Durchführung der Anhörung im Rechtshilfewege ersucht wurde, und auf das vom Betreuungsgericht geführte Anhörungsprotokoll wird Bezug genommen.
Das Beschwerdegericht hat im Hinblick auf die mit der Beschwerde vorgelegten Atteste eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme der Sachverständigen C. erholt, die diese unter dem 19.3.2021 abgab. Auf Bl. 478 ff der Akte wird verwiesen. Die Betroffene hatte insoweit ihre am 16.9.2020 zunächst abgegebene Erklärung, die die Atteste ausstellenden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, mit Schreiben vom 24.09.2020 widerrufen (Bl.473).
2. Unter dem 19.02.2021 beantragte die Betroffene, ihre Betreuerin zu entlassen. Sie trug in diesem Zusammenhang vor, dass sich ihr Sohn unberechtigt Zutritt zu ihrer Wohnung habe verschaffen wollen. Es bestehe keine Verpflichtung der Betroffenen, den von ihm in diesem Zusammenhang beauftragten Schlüsseldienst zu bezahlen. Die Betreuerin führte aus, dass der Zutritt nötig gewesen sei, um dringend durchzuführende Sanierungsarbeiten vorzubereiten und dass der Schlüsseldienstmitarbeiter die Betroffene zu einer freiwilligen Türöffnung habe motivieren können.
Die Betroffene verfolgt hilfsweise das Ziel, die Betreuerin anzuweisen, in diesem Zusammenhang erbrachte Zahlungen zurückzufordern und die ausstehende Restforderung des Schlüsseldienstes nicht zu begleichen.
Die Betroffene rügte außerdem, dass die Betreuerin eine Zahnarztrechnung nicht beglichen habe.
Mit Beschluss vom 19.04.2021 lehnte das Betreuungsgericht den Antrag, die Betreuerin zu entlassen bzw. ihr hilfsweise Weisungen zu erteilen, ab. Das Verfahren wegen Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts wurde zugleich eingestellt.
Gegen diesen am 27.04.2021 zugestellten Beschluss legte die Betroffene am 27.05.2021 Beschwerde ein. Sie begründet dies weiterhin damit, dass die Betreuerin pflichtwidrig gehandelt habe, indem sie die Kosten für die Beauftragung des Schlüsseldienstes vom Konto der Betroffenen beglich.
Die Betreuerin steht auf dem Standpunkt, dass die Kosten für den Schlüsseldienst von der Betreuten zu tragen sind. Die Maßnahme habe dazu gedient, die Wohnung wieder bewohnbar zu machen. Die Zahnarztrechnung habe sie zu begleichen versucht, es sei jedoch ein Rückläufer gekommen, vermutlich wegen mangelnder Kontodeckung.
Der zum damaligen Zeitpunkt noch bestellte Verfahrenspfleger nahm unter dem 13.06.2021 Stellung. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Zuletzt rügte die Betroffene mit Schreiben vom 01.10.2021, dass die Betreuerin neben der Zahnarztrechnung über € 283,82 auch die Rechnung für ein Handy über 269,- € sowie einen Anwaltsvorschuss in Höhe von € 300,- für eine Aufsichtsbeschwerde pflichtwidrig nicht beglichen/angewiesen habe.
Die Betroffene sollte von der Kammer am 11.10.2021 angehört werden. Zu dem Termin ist sie nicht erschienen.
Am 18.10.2021 sollte sie an ihrem Wohnort vom Berichterstatter der Kammer angehört werden. Auch dies verlief ohne Erfolg.
Ergänzend wird auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache geringfügigen Erfolg. Das Betreuungsgericht hat zu Recht Betreuung angeordnet. Diese kann lediglich im Bereich der Aufenthaltsbestimmung entfallen.
1. Die Betroffene leidet zur Überzeugung der Kammer an einer betreuungsrechtlich relevanten Erkrankung in Gestalt einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis.
Die Kammer kann sich dabei auf die gutachterliche Einschätzung der gerichtsbekannt sehr erfahrenen Sachverständigen C. stützen. Deren Stellungnahme ist überzeugend, auch wenn die Betroffene selbst an der Begutachtung nicht weiter mitwirkte. Denn der Sachverständigen standen aufgrund der erhobenen Fremdanamnese und dem gesamten Akteninhalt in Zusammenschau mit dem kurzen persönlichen Eindruck genügend Anknüpfungstatsachen zur Verfügung, um eine verlässliche und überzeugende Diagnose zu stellen. Auch für die Kammer kommen die krankheitstypischen Wahnvorstellungen (“Mindcontrol durch Strahlung“) in den zahlreichen von der Betroffenen verfassten bzw. vorgelegten Schreiben bis zuletzt hinreichend deutlich zum Ausdruck. Im Übrigen hat auch zuvor der Sachverständige Dr. G. die Diagnose einer betreuungsrechtlich relevanten Erkrankung gestellt. Weitere Erkenntnismöglichkeiten standen im Rahmen der Amtsermittlung zunächst nicht zur Verfügung. Die Betroffene hatte auf den Vorschlag der Kammer mitteilen lassen, dass sie sich bei einer erneuten Untersuchung nicht äußern würde, so dass die Anordnung eines weiteren Gutachtens keinen Sinn ergäbe, da keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten wären. Eine Unterbringung zu diesem Zweck wäre aus den gleichen Gründen sinnlos und nicht verhältnismäßig.
Zudem konnte die Betroffene am 14.07.2020 im Auftrag des Amtsgerichts zur Klärung der Notwendigkeit eines Einwilligungsvorbehalts durch den Sachverständigen Dr. R1. nochmals fachpsychiatrisch untersucht werden. Sie hat an der Untersuchung allerdings wiederum nicht mitgewirkt.
Dr. R1. hat in seinem Gutachten ebenfalls nachvollziehbar dargestellt, dass mit Sicherheit eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis im Sinne einer paranoiden Schizophrenie vorliegt. Der Sachverständige hat dies überzeugend auf fremdanamnestische Angaben und die eigenen schriftlichen Äußerungen der Betroffenen gestützt.
Die von der Betroffenen vorgelegten Atteste gebieten keine andere Einschätzung. Die diesbezügliche Bewertung der Sachverständigen C. ist für die Kammer in jeder Hinsicht nachvollziehbar.
Im Einzelnen:
Das Attest vom 31.12.2016 geht auf eine einmalige Untersuchung zurück. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Attest. Die vorliegend besonders bedeutsamen fremdannamnestischen Befunde sind nicht erwähnt. Es ist nur von einer „berichteten Fremdanamnese“ die Rede. Die neuropsychologische Testung war nach der nachvollziehbaren Stellungnahme der Sachverständigen zur Diagnostik der hier vorliegenden Erkrankung wenig geeignet, da der Schwerpunkt dieser Testung das Erkennen kognitiver Einbußen ist. Aus Sicht der Kammer erscheint zudem bemerkenswert, dass in dem Attest die von der Betroffenen selbst regelmäßig geäußerten wahnhaften Wahrnehmungen keine Erwähnung finden. Das Attest ist darüberhinaus über 5 Jahre alt.
Das Attest vom 07.03.2017 ist derart schlicht gehalten, dass es nicht geeignet ist, die fundierten Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen zu erschüttern. Darüber hinaus liegt auch aus Sicht der Kammer der Schwerpunkt des Attestes beim Erkennen kognitiver Störungen im Hinblick auf Einschränkungen der Testier-/Geschäftsfähigkeit. Im Übrigen beruht es offenbar lediglich auf einer einmaligen Vorstellung.
Die Atteste vom 03.04. und 16.4.2018 lassen differenziertere psychopathologische Kriterien noch weniger erkennen.
So verhält es sich auch mit dem Attest vom 08.02.2019. Auch hier ist keine zureichende Fremdanamnese erkennbar und der Schwerpunkt liegt auf einer neurologischen Untersuchung bzw. kognitiven Testung, wiederum offenkundig vor dem Hintergrund der Prüfung der Geschäftsfähigkeit.
Das Attest vom 01.03.2019 ist ebenfalls sehr allgemein gehalten. Wiederum scheint der Schwerpunkt eher auf dem Ausschluss einer neurologischen Störung gelegen zu haben, da letztlich eine vollständig erhaltene Geschäftsfähigkeit attestiert wurde. Welche „anamnestische Untersuchung“ stattgefunden haben soll, ist nicht erkennbar. Mit den eigenen Schreiben der Betroffenen und den darin zum Ausdruck kommenden Wahnsymptomen setzt sich das Attest nicht auseinander. Die Schlussfolgerung, dass es sich um das Ergebnis einer lediglich einmaligen Untersuchung handelt, scheint angesichts des Wortlautes auch für die Kammer mehr als naheliegend.
Das Attest vom 13.03.2020 schließlich ist wiederum sehr knapp gehalten, lässt konkrete Anknüpfungstatsachen nicht erkennen und legt ersichtlich den Schwerpunkt wiederum nur auf den Ausschluss einer neurokognitiven Störung im Hinblick auf die Testier-/Geschäftsfähigkeit.
Aufgrund der verweigerten Entbindung von der Schweigepflicht war es nicht möglich, genauere Informationen über die den Attesten zugrunde liegende jeweilige Untersuchungssituation zu erlangen.
2. Die Betreuung ist auch erforderlich.
Die Betroffene kann in den Aufgabenkreisen ihre Angelegenheiten nicht zureichend besorgen und es besteht auch (weiterhin) konkreter Betreuungsbedarf. Hiervon ausgenommen ist lediglich der Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung.
a. Hinsichtlich der krankheitsbedingten Unfähigkeit zur Besorgung ihrer Angelegenheiten kann sich die Kammer auf die gutachterlichen Feststellungen der Sachverständigen C. stützen. Sie beschreibt einen pathologischen, von jeglichem Realitätsbezug völlig entkoppelten Mechanismus der Überzeugungsbildung, aufgrunddessen es der Betroffenen nicht mehr gelingt, entscheidungserhebliche Sachverhalte realitätsadäquat zu vergegenwärtigen.
Der konkrete Betreuungsbedarf besteht auch fort:
Die Betreuerin hat im Schreiben vom 22.5.2019 auf Bitten der Kammer den konkreten Betreuungsbedarf in den angeordneten Aufgabenkreisen dargestellt. Darüberhinaus hat sie aktuelle Angaben in der Anhörung von 11.10.2021 gemacht.
Daraus ergibt sich eindeutig, dass die Betroffene Probleme hat, sich ihre bescheidenen finanziellen Mittel einzuteilen. Auch der damals noch bestellte Verfahrenspfleger hat unter dem 15.11.2019 die dargestellten finanziellen Schwierigkeiten nachvollziehen können. Beim Amtsgericht München ist des Weiteren ein Insolvenzverfahren unter dem Aktenzeichen 1506/IK 3548/17 anhängig. Dort läuft aktuell das Verfahren zur Restschuldbefreiung.
Frau M2. ließ zwar vortragen, dass sie verantwortlich mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln umgehe. Gleichwohl geht die Kammer davon aus, dass die Betreuung auch im Bereich der Vermögenssorge weiterhin erforderlich ist. Nach der letzten Stellungnahme der Betreuerin vom 27.5.2021 könne die Betroffene Zahlungsverpflichtungen „ohne streitbares Prüfen und Klagen“ nicht annehmen. Dies allein würde eine Betreuung nicht ohne Weiteres erfordern. Frau A2. -Pf.hat aber weiter ausgeführt, dass – wie in der Vergangenheit – weiterhin regelmäßig Zahlungen durch sie geregelt werden müssten, um das Entstehen von Schulden und Mahnverfahren zu verhindern. Das Konto der Betroffenen ist als reines Habenkonto zu führen, da es ansonsten aufgrund nicht sachgerechter Verfügungen immer wieder zu negativen Kontoständen käme, was angesichts des laufenden Restschuldbefreiungsverfahrens und der angespannten finanziellen Situation nicht zu verantworten wäre.
Der Sachverständige Dr. R1. ist darüberhinaus auch zu dem Ergebnis gelangt, dass Frau M2. geschäftsunfähig ist, so dass sie auch deshalb weitgehende Unterstützung in den angeordneten Aufgabenkreisen benötigt. Er konnte sich insoweit auf fremndanamnestische Angaben, vor allem aber auch auf die Schreiben der Betroffenen stützen. Diese zeigen ein ausgeprägtes Wahngebilde sowie Beinflussungsideen und Körperwahrnehmungsstörungen. Die Betroffene verharrt, so Dr. R1., in ihrem engen Weltbild wahnhaft, und es besteht keinerlei Realitätsbezug mehr. Die Wahnvorstellungen wurden auch beim letzten Anhörungsversuch vor Ort offenbar. Auf das am Klingelschild angebrachte Schreiben (siehe Anhörungsvermerk vom 18.10.2021) wird verwiesen. Deshalb geht auch die Kammer davon aus, dass Frau M2. nicht mehr in der Lage ist, entscheidungsrelevant Tatsachen zu erkennen und eine das Für und Wider abwägende Entscheidung zu treffen. Die von der Betroffenen vorgelegten Atteste verneinen zwar kognitive Defizite, erwähnen aber die ganz offenkundig zu Tage tretende Wahnsymptomatik überhaupt nicht und setzen sich dementsprechend auch nicht mit ihr auseinander. Ihre Aussagekraft im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit ist daher aus Sicht der Kammer gering.
Zwar wäre es durchaus denkbar, dass Geschäftsunfähigkeit lediglich im Bereich der bloßen Wohnungsangelegenheiten vorliegt, in deren Zusammenhang die Wahnproblematik am deutlichsten zutage tritt. Die Kammer teilt insoweit aber die Einschätzung des Sachverständigen, dass sich die Geschäftsunfähigkeit nicht hierauf beschränkt. Eine Geschäftsunfähigkeit ist vielmehr auch für den Bereich der Vermögensangelegenheiten anzunehmen. Der Sachverständige R1. verweist insoweit nachvollziehbar darauf, dass sich die paranoiden Gedankeninhalte auch in diesem Bereich auswirken, was sich vor allem an der nicht nachvollziehbaren Zurückweisung von Rentenleistungen zeige. Dies überzeugt. Der Einwand der Beschwerde, diese Zurückweisung gehe glaublich nicht auf eine Entscheidung der Betroffenen zurück, teilt die Kammer nicht. Die Betreuerin hat im Schreiben vom 21.10.2019 ausgeführt, dass Frau M2. in der Bankfiliale dadurch auffiel, dass sie „energisch forderte“, die Rentenzahlungseingänge an die Versicherung zurück zu überweisen. Sie lehne die Gutschriften ab. Monate später habe sie dann (sogar) die Schließung dieses Kontos verlangt.
Die von Frau M2. bewohnte Wohnung muss dringend instandgesetzt werden. Es bestehen Feuchtigkeitsschäden im Innenraum, aber auch am Fundament des Hauses. Mangels Heizung und Warmwasserversorgung ist die Wohnung nur sehr eingeschränkt bewohnbar. Nach Angaben der Betreuerin ist auch Schimmelbefall festzustellen.
Während der Sanierungsphase benötigt die Betroffene Unterstützung. Sie selbst lässt regelmäßig die Handwerker nicht ins Haus. Die Arbeiten konnten zum Teil nur durch das Erwirken einer einstweiligen Verfügung und die Einschaltung eines Schlüsseldienstes in Angriff genommen werden und sind noch nicht abgeschlossen.
Ein ambulantes Versorgungsnetzwerk ist längerfristig einzurichten, um der offenkundig krankheitsuneinsichtigen Betroffenen die notwendige medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Die Betreuerin hat ausgeführt, dass angesichts der weiterhin desolaten Wohnsituation zumindest eine regelmäßige Kontrolle des Vitalzustandes der Betroffenen notwendig ist.
Da Frau M2. mit ihrer Betreuerin nicht zusammenarbeitet, kann Letztere ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn sie auch über die Möglichkeit der Postkontrolle verfügt.
Die Betreuerin muss im Hinblick auf das Vorhandensein von zwei Renten und die Möglichkeit des Wohngeldbezuges auch regelmäßig mit den entsprechenden Stellen kommunizieren.
Bei der kaum kooperativen Betroffenen war zwar auch zu befürchten, dass während der Sanierungsphase ihr Aufenthalt gegen ihren Willen bestimmt werden muss. Die Betreuerin hatte im Schriftsatz vom 19.04.2020 bereits konkret die Notwendigkeit einer Unterbringung ins Auge gefasst. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 273 f., Bl. 415 ff. und Bl. 437 f. der Akte verwiesen.
Frau A3. hat zuletzt am 11.10.2021 jedoch mitgeteilt, dass die Sanierungsarbeiten wohl so durchgeführt werden könnten, dass Frau M2. in dem Anwesen auch währenddessen weiterhin wohnen könnte. Es ist daher nicht notwendig, für die weiteren Sanierungsarbeiten ihren Aufenthalt gegen ihren Willen zu bestimmen. Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte (etwa eine anstehende Unterbringung) die einen entsprechenden konkreten Bedarf für die Übertragung dieses Aufgabenkreises begründen würden.
b. Eine die Betreuung nicht erforderlich machende „Unbetreubarkeit“ liegt nicht vor. Bei der Annahme einer solchen Unbetreubarkeit ist nämlich, nach der Rechtspechung des BGH, Zurückhaltung geboten, zumal die fehlende Bereitschaft, vertrauensvoll mit dem Betreuer zusammenzuarbeiten, Ausdruck der Erkrankung des Betroffenen sein kann. Gerade in diesem Fall kommt die Aufhebung einer Betreuung nur dann in Betracht, wenn es gegenüber den sich für den Betroffenen aus der Krankheit oder Behinderung ergebenden Nachteilen unverhältnismäßig erscheint, die Betreuung aufrechtzuerhalten. Besteht objektiv ein Betreuungsbedarf, ist daher bei fehlender Kooperationsbereitschaft des Betroffenen entscheidend, ob durch die Betreuung eine Verbesserung der Situation des Betroffenen erreicht werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit ein Betreuer durch rechtliche Entscheidungen einen für den Betroffenen positiven Einfluss nehmen könnte (BGH, NJW-RR 2017, 1474 = FamRZ 2018, 54 Rn. 13 mwN).
Es ist die Aufgabe des Betreuungsgerichts, auch bei schwierigen Betroffenenpersönlichkeiten durch den die Betreuung anordnenden Beschluss geeignete Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche rechtliche Betreuung zu schaffen. Deshalb muss das Betreuungsgericht bei der Betreuerauswahl Bedacht darauf nehmen, dass für Betroffene mit schwieriger Persönlichkeit ein Betreuer bestellt wird, der dieser Herausforderung mit Sachkunde und Erfahrung begegnen kann. Die Kammer ist überzeugt, dass Frau M2. mit Frau A3. eine sehr einfühlsame und überdurchschnittlich engagierte Betreuerin an die Seite gestellt wurde. Gegebenenfalls mag zu einem späteren Zeitpunkt auch ein Betreuerwechsel erforderlich werden, um eine Person zu bestellen, die Zugang zum Betroffenen findet (Senat, NJW-RR 2017, 1474 = FamRZ 2018, 54 Rn. 14 mwN, im Einzelnen: BGH, NJW 2019, 1153, beck-online), falls die Betroffene eine glaubhafte Bereitschaft an den Tag legen würde, mit dieser Person zusammenzuarbeiten. Derzeit sind hierfür keine Anhaltspunkte ersichtlich, da die Beschwerdeführerin die Betreuung als solche als „Verbrechen“ empfindet.
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Betreuung derzeit somit unzweifelhaft erforderlich. Da die Betreuerin bislang kaum Gelegenheit hatte, Zugang zu der Betroffenen zu finden, kann auch zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht verlässlich gesagt werden, ob die Betreuung tatsächlich in einigen Bereichen aufgrund der bisherigen Verweigerungshaltung der Betroffenen dauerhaft nicht den gewünschten Erfolg haben wird. Darüberhinaus kann eine Betreuung auch für Personen, die diese Maßnahme vehement ablehnen, eine wichtige Unterstützung zumindest in den Angelegenheiten bieten, in denen der Betreuer nicht persönlich mit der betroffenen Person zusammenarbeiten muss. Im Übrigen muss der Betreuer u.U. auch Entscheidungen gegen den erklärten Willen der Betroffenen durchsetzen, wenn dies insbesondere zur Abwehr schwerer Gefahren für die Gesundheit erforderlich sein sollte. Dies gilt hier vor allem im Hinblick auf die Wohnverhältnisse.
Frau A3. hat seit Bestehen der Betreuung zudem erfolgreich einen Antrag auf Lastenzuschuss bei Wohnen im Nießbrauch gestellt. Auch hat sie klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die finanziellen Mittel der Betroffenen, notfalls mittels Errichtung eines Einwilligungsvorbehaltes, einteilen muss. Dies ist ihr zuletzt auch erfolgreich gelungen. Im Übrigen besteht nach Niederlegung des Mandates im November 2020 keine anwaltliche Vertretung der Betroffenen im Insolvenzverfahren. Die Betreuerin ist somit dort geeigneter Ansprechpartner für das Gericht.
Frau A3. selbst bezeichnet die Betreuung bislang als positiv. Diese Einschätzung wird von der Kammer geteilt. Die Betreuerin konnte die finanziellen Verhältnisse ordnen, Leistungen in Form von Wohngeld für die Betroffene erlangen und die Sanierung der Wohnung derart in die Wege leiten, dass Frau M2. voraussichtlich (auch während der Sanierung) in ihrer Wohnung bleiben kann.
c. Auch die vorgelegten Vollmachten sind nicht geeignet, die Betreuung entbehrlich zu machen.
Zum einen ist von ihrer Unwirksamkeit aufgrund Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen als Vollmachtgeberin auszugehen. Unabhängig davon wurden die Vollmachten unter der Bedingung erteilt, dass bei der Betroffenen keine psychiatrische Untersuchung durchgeführt und keine psychiatrische Diagnose erstellt wird. Genau dies ist aber – wie das Betreuungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hatte – der Fall. Vollmachten wie die vorliegende sind nicht im Sinne von § 1896 Abs. 2 letzter Hs. BGB geeignet, die Angelegenheiten der Betroffenen ebenso gut wie durch einen Betreuer zu erledigen.
Sonstige Maßnahmen, die eine Betreuung entbehrlich machen könnten, sind nicht ersichtlich.
3. Die Betreuung wurde zu Recht auch gegen den Willen der Beschwerdeführerin angeordnet.
Die Betroffene ist zur Bildung des notwendigen freien Willens nicht in der Lage. Dies hat die Sachverständige C. für die Kammer nachvollziehbar festgestellt. Die Sachverständige konnte bizarre Wahnideen bei der krankheitsuneinsichtigen Betroffenen feststellen, insbesondere in Bezug auf die Beeinträchtigung durch Strahlungen. Die Betroffene versucht, sich mit ebenfalls bizarren Maßnahmen, wie der Verwendung von Alufolien, zu schützen. Daraus ergibt sich, auch für die Kammer nachvollziehbar, eine völlige Entkopplung von jeglichem Realitätsbezug, welche zu einem Verlust der Kritik- und Urteilsfähigkeit führt.
Der Sachverständige Dr. R1. hat unter dem 10.08.2020 ebenfalls nachvollziehbar festgestellt, dass die Beschwerdeführerin krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, ihren Willen frei zu bilden, wenn auch nur im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Einwilligungsvorbehaltes.
Die von der Betreuten vorgelegten Atteste sind nicht geeignet, die überzeugende Einschätzung der Sachverständigen zu widerlegen. Sie äußern sich zum einen ausdrücklich nur zur Frage der Geschäftsunfähigkeit, nicht jedoch zur Frage der Fähigkeit, einen freien Willen in Bezug auf die Notwendigkeit einer Betreuung zu bilden. Vor allem aber handelt es sich lediglich um kurze Atteste, die insbesondere nicht erkennen lassen, dass sich die Unterzeichner mit den offen zutage getretenen wahnhaften Störungen auseinandergesetzt hätten. Auf die obigen Ausführungen (Ziff.1) kann verwiesen werden.
4. Die Betreuerauswahl ist nicht zu beanstanden. Frau A3. hat sich als überaus engagierte Betreuerin erwiesen. Alternativen zu dieser berufsmäßigen Betreuung bestehen nicht.
Die von der Betroffenen erteilten Vollmachten lassen zwar auf einen mutmaßlichen Willen schließen, dass im Fall einer Betreuerbestellung vorrangig die Bevollmächtigte Frau F. zur Betreuerin bestellt werden möge. Gleichwohl wäre eine derartige Betreuungsverfügung nicht zu beachten. Die Kammer hat unüberwindbare Zweifel an der Eignung von Frau F.. Diese gründen zunächst schon darin, dass Frau F. in Österreich wohnt. Dies würde eine Betreuung aber nicht von vornherein ausschließen. Entscheidend ist, dass es nicht möglich ist, die Eignung von Frau F. näher zu überprüfen, da sie den Einladungen der Betreuungsstelle, die von der Kammer um diesbezügliche Ermittlungen ersucht wurde, nicht nachgekommen ist. Darüber hinaus ist dem Schreiben der Betreuungsstelle vom 11.07.2019 zu entnehmen, dass Frau F. offenbar die Notwendigkeit einer Unterstützung verneint, da sie angab, Frau M4. sei schließlich seit ihrem achtzehnten Lebensjahr selbständig und versorge sich allein.
Das Beschwerdegericht teilt auch nicht die vorgebrachten Bedenken gegenüber der Betreuerin im Hinblick auf die Kosten des Schlüsseldienstes. Der Verfahrenspfleger hat die Darstellung der Betreuuerin, dass sich die Betroffene im Gespräch mit dem Mitarbeiter des Schlüsseldienstes mit einer freiwilligen Türoffnung und dem Auswechseln des Schlosses einverstanden gezeigt habe, bestätigt. Die Rechtsauffassung, es sei damit ein Vertragsverhältnis mit der Betreuten zustande gekommen bzw. mit deren natürlichen Willen durch die Betreuerin abgeschlossen, ist jedenfalls grundsätzlich vertretbar, die Begleichung der Forderung aus dem Vermögen der Betroffenen somit nicht zu beanstanden. Darüber hinaus war die Betroffene aufgrund einstweiliger Verfügung vom 17.12.2020 ohnehin verpflichtet, Zutritt zu gewähren. Es wäre daher keinesfalls pflichtwidrig, wenn die Betreuerin auf die Erfüllung dieser Verpflichtung hingewirkt hätte.
Hinsichtlich der Probleme bei der Begleichung der Zahnarztrechnung ergibt sich aus der Stellungnahme der Betreuerin vom 19.2.2021, dass diese nicht pflichtwidrig gehandelt hat, sondern es sich um einen Rücklauf wegen mangelnder Kontodeckung handelt. Gleiches gilt für die nicht durchgeführte Vorschusszahlung an eine Anwaltskanzlei zur Durchführung einer Aufsichtsbeschwerde. Die Bezahlung dieses Mandates hätte das Konto ins Soll geführt, wie sich aus den vorliegenden Kontoauszügen ergibt. Die angespannte finanzielle Situation der Betroffenen ist offenkundig.
5. Der vom Betreuungsgericht festgesetzte Überprüfungstermin entspricht der gutachterlichen Empfehlung, die in Anbetracht der nachvollziehbar begründeten Chronifizierung der Erkrankung für das Beschwerdegericht auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nachvollziehbar ist. Selbstverständlich ist die Maßnahme vorzeitig zu beenden oder ihrem Umfang nach einzuschränken, wenn sich der Zustand der Betreuten verbessert oder der Hilfebedarf entfällt.
6. Einer erneuten Anhörung durch das Beschwerdegericht, die durch eine Vorführung erzwungen werden müsste, bedurfte es nicht.
Frau M2. wurde zuletzt am 14.7.2020 vom Amtsgericht persönlich angehört. Dabei wurde sie – im R2.weg – auch zur Frage der Notwendigkeit der Betreuung und ihrer Beschwerde gegen den diesbezüglichen Beschluss vom 22.2.2019 angehört. Die Voraussetzungen für ein Rechtshilfersuchen nach § 278 III FamFG lagen vor, da die Betroffene ohnehin vom Betreuungsgericht wegen der Prüfung eines Einwilligungsvorbehaltes anzuhören war und daher die Gelegenheit für das Ausgangsgericht bestand, die bislang nicht erfolgte Anhörung nachzuholen.
Einer weiteren Anhörung, die offenkundig lediglich im Wege der Vorführung hätte durchgesetzt werden können, bedurfte es im Folgenden nicht:
Zwar mag in der später von der Kammer erholten gutachterlichen Stellungnahme der Sachverständigen C. zu den von der Betroffenen vorgelegten Attesten eine neue Tatsache gesehen werden, die nach der Rechtsprechung des BGH grds. eine erneute Anhörung gebietet. Die Anhörung dient primär dazu, der betroffenen Person rechtliches Gehör zu gewähren. Diese Gelegenheit hatte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin im Folgenden mehrfach gehabt, aber niemals wahrgenommen. Es ist offenkundig, dass sie sich nicht persönlich gegenüber einem Gericht äußern will.
Die Kammer verkennt nicht, dass die persönliche Anhörung auch dazu dient, dass sich das Gericht vor der Entscheidung nach § 278 I S.2 FamFG einen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person verschafft, durch den es in die Lage versetzt wird, das eingeholte Sachverständigengutachten zu würdigen (BGH, NJW 2021, 1881 Rn. 10, beck-online).
Aus Sicht der Kammer ist es angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles ausreichend, dass sich das Amtsgericht am 14.7.2020 einen persönlichen Eindruck von Frau M2. verschafft hat. Entscheidend ist insoweit, dass eine Anhörung durch das Beschwerdegericht nur mit einer Vorführung der Beschwerdeführerin durchsetzbar wäre. Frau M2. will nicht im Wohnumfeld angehört werden, sie erscheint aber auch nicht vor Gericht. Versuchen, sie angekündigt vor Ort anzuhören, entzieht sie sich. Auch ein spontaner Anhörungsversuch, ca. 3 Stunden nach dem letzten Anhörungsversuch, verlief erfolglos. § 278 V FamFG zwingt das Gericht nicht zu einer Vorführung, sondern stellt diese nach dem klaren Wortlaut in das Ermessen des Gerichts. Dieses ist vorliegend ausnahmsweise dahingehend auszuüben, dass eine Vorführung als unverhältnismäßig abzulehnen ist. Der Kammer ist bewusst, dass die Anhörung das zentrale Kernstück des Betreuungsverfahrens darstellt. Vorliegend hat die Betroffene aber mit seltener Hartnäckigkeit zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer Anhörung in keiner Weise mitwirken wird. Sie verweigerte nicht nur gegenüber den Sachverständigen, sondern auch gegenüber dem Betreuungsrichter jegliche Einlassung und beantwortete keine einzige Frage. Die Vorführung zu einer Anhörung durch das Landgericht wäre ein nicht verhältnismäßiger Eingriff in die Rechte von Frau M2.. Der hierdurch gegebenenfalls erreichte Erfolg wäre mit allergrößter Wahrscheinlichkeit äußerst gering. Es ist nach den Erfahrungen der Vergangenheit praktisch ausgeschlossen, dass sich die Betroffene auf irgendeine Weise äußern würde. Der Eindruck, den das Beschwerdegericht von ihr bekäme, würde sich auf das äußere Erscheinungsbild beschränken. Insoweit ist hervorzuheben, dass Frau M2. im Termin vom 14.7.2020 eine Sonnenbrille und eine Maske trug. Vor diesem Hintergrund ist eine Vorführung von Frau M2. aus Sicht des Beschwerdegerichts allenfalls geeignet, sie zu traumatisieren, nicht jedoch, irgendeinen im Verhältnis stehenden Erkenntnisgewinn zu erzielen.
7. Keinen Erfolg hat auch die Beschwerde gegen den Beschluss vom 19.04.2021.
Die Frage, ob während einer noch laufenden Beschwerde gegen die Anordnung einer Betreuung überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 1908b BGB besteht, weil die Betreuerauswahl ohnehin überprüft wird, kann vorliegen dahinstehen. Denn das Rechtsmittel hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg:
Aus den unter Ziff. 4 genannten Gründen hat das Amtsgericht eine Entlassung der Betreuerin zu Recht abgelehnt. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 1908b BGB liegt nicht vor.
Aufgrund der gleichen Erwägungen hat das Betreuungsgericht zu Recht auch keine aufsichtlichen Maßnahmen nach § 1837 II und III BGB getroffen. Die Beschwerde ist auch insoweit erfolglos.
III.
Soweit sich die Beschwerde gegen den Beschluss vom 19.04.2021 wendet, liegen die notwendigen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. BGH Beschluss vom 18.5.2011 – XII ZB 671/10, BeckRS 2011, 15433, beck-online) nicht vor.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.


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