Familienrecht

Kein Beschwerderecht der Verwaltungsbehörde bei fehlender Anhörung des Antragstellers – Vornamensänderung

Aktenzeichen  16 WF 367/17

Datum:
26.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 145993
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
NamÄndG § 2, § 11
FamFG § 59

 

Leitsatz

Hinsichtlich der familiengerichtlichen Anhörung eines Antragstellers im Verfahren über die Änderung eines Vornamens nach §§ 11, 2 NamÄndG steht der zuständigen Verwaltungsbehörde kein Beschwerderecht nach § 59 FamFG zu. (Rn. 9 – 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

552 F 1160/17 RE 2017-02-22 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 22.2.2017 wird verworfen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Mit Schriftsatz vom 2.2.2017 übersandte die Landeshauptstadt München, Kreisverwaltungsreferat, einen von der gesetzlichen Vertreterin des noch minderjährigen Betroffenen C. A. gestellten Antrag auf Familiennamensänderung (richtig: Vornamensänderung) an das Amtsgericht – Familiengericht – München und bat das Familiengericht unter Hinweis auf § 2 NamÄndG bzw. Nr. 7 NamÄndVwG um Anhörung des betroffenen Minderjährigen.
Mit Verfügung vom 8.2.2017 wies das Amtsgericht darauf hin, dass eine familiengerichtliche Genehmigung für die vorliegend beabsichtigte Namensänderung nicht erforderlich und eine gerichtliche Anhörung außerhalb eines Genehmigungsverfahrens nicht geboten sei. Die Entscheidung über die beabsichtigte Namensänderung obliege daher allein der Verwaltungsbehörde.
Nachdem die Landeshauptstadt München, Kreisverwaltungsreferat, auf einer familiengerichtlichen Anhörung bestand, erließ das Amtsgericht München am 22.2.2017 einen Beschluss dahingehend, dass eine Anhörung des Betroffenen zu der beabsichtigten Namensänderung unterbleibt und vertrat dabei den Standpunkt, dass eine verfahrensrechtlich normierte Anhörungspflicht immer auch eine Entscheidungsbefugnis des anhörenden Gerichts voraussetze, also einzig und allein der Entscheidungsfindung des anhörenden Gerichts diene.
Gegen die der Landeshauptstadt München, Kreisverwaltungsreferat, am 1.3.2017 zugestellte Entscheidung wendet sich diese mit ihrer Beschwerde vom 6.3.2017, beim Amtsgericht München eingegangen am gleichen Tag. Zur Begründung wird auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 3.6.2013 (StAZ 2014, 114) Bezug genommen, in dem eine teleologische Reduktion des § 2 NamÄndG abgelehnt und eine Anhörungspflicht des Familiengerichts auch bei einer Fallkonstellation, wie sie hier in Frage steht, bejaht wird.
Nach Anhörung des Betroffenen, seiner gesetzlichen Vertreterin und des Jugendamts wies der Senat mit Verfügung vom 11.4.2017 darauf hin, dass Bedenken hinsichtlich der Beschwerdebefugnis der Landeshauptstadt München bestehen und räumte eine Frist zur Stellungnahme ein. Nach zweimaliger Fristverlängerung führte die Landeshauptstadt München in der Stellungnahme vom 24.5.2017 aus, dass sich die gesetzliche Vertreterin des Betroffenen in Abstimmung der nun abzugebenden Stellungnahme habe beraten lassen. Im Einvernehmen mit ihr sei die Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss ausschließlich durch die Namensänderungsbehörde eingelegt worden. Hintergrund sei die Entscheidung des OLG München vom 3.6.2013 (StAZ 2014, 114) gewesen, in der die Beschwerdebefugnis der Namensänderungsbehörde nicht in Frage gestellt worden sei. Gleichwohl sei es auch ein Anliegen der Beteiligten, dass eine Anhörung erfolge und das Namensänderungsverfahren sodann abschließend bearbeitet werden könne. Das Interesse ergebe sich aus der eindeutigen gesetzlichen Anforderung des § 2 Abs. 2, 1. Halbsatz NamÄndG. Das Fehlen der normierten Anhörungspflicht sei dem Unterlassen der „Mitwirkung einer anderen Behörde § i.S.v. § 44 Abs. 3 Nr. 4 VwVfG“ gleichzusetzen und würde demnach bei Erlass eines die Namensänderung herbeiführenden Bescheids zu einem fehlerhaften Verwaltungsakt führen. Soweit gleichwohl die Beschwerdebefugnis der Namensänderungsbehörde abgelehnt würde, beantrage der Bevollmächtigte der Beteiligten, Herr Dr. B. K., hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.
Mit Schriftsatz vom 3.7.2017 wandte sich Dr. B. K. an den Senat, schilderte das Schicksal der Familie und insbesondere das Trauma des Betroffenen, für den sich eine Namensänderung positiv auswirken würde.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen.
Dabei kann die Frage dahinstehen, ob es sich bei der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 22.2.2017 um eine Endentscheidung im Sinn von § 58 FamFG handelt, da eine Beschwerdeberechtigung der Beschwerdeführerin gemäß § 59 FamFG nicht gegeben ist.
Nach § 59 Abs. 1 FamFG setzt die Beschwerde voraus, dass der Beschwerdeführer durch den Beschluss in eigenen Rechten beeinträchtigt ist, sofern nicht eine besondere Vorschrift des FamFG oder eines anderen Gesetzes die Beschwerdeberechtigung einer Behörde i.S.v. § 59 Abs. 3 FamFG besonders regelt. § 59 FamFG bezweckt die sachgerechte Eingrenzung des Personenkreises, der die Überprüfung einer Entscheidung durch das Beschwerdegericht mit dem Ziel einer Änderung verlangen kann. Die von § 59 Abs. 1 FamFG geforderte Beeinträchtigung in eigenen Rechten erfordert dabei eine unmittelbare materielle Beschwer. Soweit hingegen besondere behördliche Beschwerderechte vorgesehen sind (etwa in § 53 Abs. 2 PStG), dienen diese den von der Behörde zu wahrenden öffentlichen Interessen und sind unabhängig von jeder Beschwer. Sie stehen der Behörde selbst dann zu, wenn entsprechend ihrem Antrag entschieden wurde und die Beschwerde allein dem Zweck dienen soll, über die der Entscheidung zugrundeliegende Streitfrage eine obergerichtliche Entscheidung herbeizuführen. (Bornhofen in Gaaz/Bornhofen, Personenstandsgesetz, 3. Aufl. 2014, § 53 Rn. 8).
Eine solche Beeinträchtigung in eigenen Rechten im Sinn von § 59 Abs. 1 FamFG ist bezogen auf die Namensänderungsbehörde durch die Entscheidung des Familiengerichts vom 22.2.2017 nicht erfolgt. Eine bloße Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Erfüllung der der Behörde übertragenen öffentlichen Aufgaben genügt insoweit nicht (Schulte-Bunert/Weinreich/ Unger/Roßmann, FamFG, 5. Aufl., § 59 Rn 42).
Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, das Unterbleiben der Anhörung würde zu einem fehlerhaften Verwaltungsakt führen, da das Unterbleiben der Anhörung der unterlassenen Mitwirkung einer anderen Behörde gleichzustellen ist, vermag auch dies an der fehlenden Beschwerdeberechtigung nichts zu ändern. Hinsichtlich § 44 Abs. 3 Nr. 4 VwVfG ist zunächst darauf hinzuweisen, dass § 44 VwVfG die Fälle der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts regelt. Gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG ist von einer Nichtigkeit nur dann auszugehen, wenn der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Die Nichtigkeit einer Namensänderung tritt aber weder dadurch ein, dass eine nach § 2 Abs. 2 NamÄndG vorgeschriebene Anhörung unterblieben ist noch dadurch, dass der Name ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes geändert wurde (Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, 2. Aufl., 2015, Rn. V-888). Auch das Unterbleiben der nach einer Rechtsvorschrift erforderlichen Mitwirkung einer anderen Behörde führt gemäß § 44 Abs. 3 Nr. 4 VwVfG nicht zur Nichtigkeit. Unabhängig davon, ob es sich bei der Anhörung durch das Familiengericht im Namensänderungsverfahren gemäß § 2 Abs. 2 NÄG überhaupt um eine Mitwirkung in diesem Sinn handelt, ist es der Beschwerdeführerin unbenommen, einen nach ihrer Ansicht fehlerhaften Verwaltungsakt nicht zu erlassen, eine Entscheidung, gegen die dann der Verwaltungsrechtsweg eröffnet wäre (siehe etwa BVerwG, Beschluss vom 9.10.1985, FamRZ 1986, 54, zur Anhörung Minderjähriger in Verfahren der Namensänderung).
Bei dieser Sachlage hält der Senat an seiner bereits im Hinweis vom 11.4.2017 mitgeteilten Rechtsauffassung fest. Mangels Beschwerdeberechtigung war die Beschwerde der Landeshauptstadt München gegen den Beschluss des Familiengerichts München vom 22.2.2017 zu verwerfen.
Ein Anlass für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 17 FamFG zugunsten des Betroffenen C. A. oder seiner gesetzlichen Vertreterin bestand bereits aus formalen Gründen nicht, da die Beteiligten weder eine Wiedereinsetzung beantragt noch die versäumte Rechtshandlung fristgerecht nachgeholt haben (§ 18 Abs. 3 FamFG). Die bloße Übermittlung des Wiedereinsetzungsantrags eines nicht bestellten Verfahrensbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin genügt insoweit nicht. Soweit Dr. K. sich mit Schreiben vom 3.7.2017 selbst an das Beschwerdegericht wendet, fehlt es – unabhängig von der Frage der Vertretungsbefugnis – an jeglichem Antrag. Ob im Hinblick auf die Entscheidung des OLG München vom 3.6.2013 (StAZ 2014, 114), in der die Beschwerdeberechtigung nicht näher thematisiert wurde, eine Wiedereinsetzung zu gewähren gewesen wäre, kann daher gleichfalls dahinstehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Im Fall einer erfolglosen Beschwerde ist das Ermessen des Beschwerdegerichts gebunden. Gründe für eine Abweichung von der in dieser Vorschrift vorgesehenen Kostenentscheidung sind nicht ersichtlich.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 40, 42 Abs. 2, 3 FamGKG.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Hinsichtlich der Beschwerdeberechtigung der Namensänderungsbehörde liegen voneinander abweichende Oberlandesgerichtsentscheidungen vor, so dass zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist.

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