Familienrecht

Prozesskostenhilfe für Klage auf Gewährung von Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts

Aktenzeichen  Au 3 K 20.734

Datum:
27.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21154
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 1, § 113 Abs. 5, § 166 Abs. 1 S. 1, § 188 S. 2
ZPO § 114, § 123
SGB VIII § 18 Abs. 3

 

Leitsatz

1.  In gerichtskostenfreien Verfahren ohne Anwaltszwang kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht in Betracht, wenn weder ein Rechtsanwalt beauftragt noch ein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts gestellt worden ist (BVerwG BeckRS 9998, 27186; OVG Münster BeckRS 2018, 3778 Rn. 8 mwN). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts gem. § 18 Abs. 3 S. 3 SGB VIII kann nur auf der Grundlage und im Rahmen der familienrechtlich festgelegten Umgangsregelungen stattfinden (vgl. OVG Münster BeckRS 2019, 12587 Rn. 7); sie haben dementsprechend bei einem Umgangsausschluss mit nicht konkret absehbarer Wiedereinräumung auszuscheiden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ihre auf Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts im häuslichen Umfeld gerichtete Klage.
1. Die Antragstellerin ist Mutter der Kinder … (geb. …2009), … (geb. …2011) und … (geb. …2013) … Die elterliche Sorge steht der Antragstellerin und ihrem geschiedenen Ehemann, dem Kindsvater, gemeinsam zu. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheits- und Schulfürsorge liegen beim Kindsvater. Die Kinder leben beim Vater und dessen Lebenspartnerin.
Die Antragstellerin und der Kindsvater führten seit dem Jahr 2015 vor dem Familiengericht eine Vielzahl von Verfahren wegen elterlicher Sorge, Umgangsrecht und Herausgabe der Kinder. Nachdem die Antragstellerin in den Herbst- und Weihnachtsferien 2017 entgegen den Festlegungen des Familiengerichts die Kinder bei einem Umgang bei ihr „einbehalten“ hatte, fanden fortan keine Umgänge im häuslichen Umfeld der Antragstellerin mehr statt.
Seit Februar 2018 erhielt die Antragstellerin Unterstützung durch das Jugendamt des Antragsgegners in Form von begleiteten Umgängen in den Räumlichkeiten der Caritas … im Umfang von drei Stunden in der Woche.
Im Rahmen einer Anhörung vor dem Oberlandesgericht … im Verfahren … trafen die Antragstellerin und der Kindsvater am 5. Juli 2019 eine Vereinbarung, wonach sie sich einig seien, dass begleitete Umgänge auch in der Wohnung der Kindsmutter stattfinden könnten.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2020 stellte die Antragstellerin beim Jugendamt des Antragsgegners einen „Antrag auf Umgangspflegschaft gemäß § 18 SGB VIII“. Mit Schreiben vom 27. Februar 2020 stellte die sie klar, dass es ihr nicht um eine Umgangspflegschaft nach Familienrecht, sondern um eine Umgangsbegleitung nach § 18 SGB VIII gehe. Um eine normale Mutter-Kind-Beziehung zu ihren Kindern aufbauen zu können, sei es notwendig, dass die Kinder pädagogisch begleitet würden, wenn sie erste Umgangstermine in der Wohnung der Antragstellerin wahrnehmen sollten. Die Kinder seien einerseits verunsichert, andererseits brauche die Antragstellerin selbst Begleitung, damit sie ein gutes Verhältnis zu den Kindern aufbauen könne. Seit fast zwei Jahren fänden begleitete Umgänge in den Räumlichkeiten der Caritas statt und daher sei der nächste Schritt eine vorübergehende Begleitung und Unterstützung des Umgangs durch eine Fachkraft bei der Antragstellerin zu Hause. Leider sehe sich die Caritas nicht in der Lage, diese Leistung mit eigenen Fachkräften zu erbringen. Sie beantrage daher ausdrücklich eine Hilfestellung nach § 18 VIII in Form einer pädagogischen Fachkraft, die sich mit den Kindern vertraut mache und anschließend in einem Zeitraum von ca. zehn Wochen wöchentlich für die Begleitung beim Umgang in der Wohnung der Antragstellerin zur Verfügung stehe.
2. Mit Bescheid vom 9. April 2020 lehnte das Jugendamt des Beklagten den Antrag ab. Kinder, Jugendliche und Eltern hätten nach § 18 Abs. 3 SGB VIII einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts. Diesem komme das Kreisjugendamt bereits seit längerer Zeit in Form einer Beratung im Fachdienst Sorgerechtsfragen sowie durch Finanzierung von begleiteten Umgangskontakten in den Räumlichkeiten der Caritas nach. Die Ausübung der Beratung liege im Ermessen des Kreisjugendamts. Dieses sehe eine Ausübung des Umgangsrechts in den Räumlichkeiten der Caritas als angemessen an. Eine Begleitung in der Wohnung der Antragstellerin werde daher abgelehnt.
3. Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 22. April 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Augsburg am 28. April 2020, Klage mit dem Antrag,
das Landratsamt unter Aufhebung des Bescheids vom 9. April 2020 zu verpflichten, der Klägerin die mit Schreiben vom 14. Februar 2020 beantragte Leistung nach § 18 SGB VIII zu bewilligen.
Seit Februar 2018 erhalte sie Unterstützung durch den Antragsgegner in Form von begleitetem Umgang in den Räumlichkeiten der Caritas … drei Stunden in der Woche. § 18 SGB VIII verpflichte den Jugendhilfeträger bei der Ausübung eines Umgangsrechts zu beraten und zu unterstützen. Diese Unterstützung müsse einzelfallbezogen gewährt werden, da jede Familie unterschiedliche Unterstützung benötige. Ziel einer Hilfestellung müsse die Wiederherstellung von Normalität zwischen Kindern und Eltern sein. In ihrem Fall hätten die Kinder Angst, alleine mit ihr in ihre Wohnung zu kommen. Es müsse Ziel einer Hilfebestellung durch das Jugendamt sein, diese Angst der Kinder überwinden zu helfen. Lösung hierfür könne nur eine zeitlich begrenzte fachliche Begleitung der Kinder zu Umgängen im Wohnumfeld der Antragstellerin sein. Das Kreisjugendamt habe hier keine Ermessensentscheidung getroffen und die Entscheidung sei nicht am Wohl der Kinder orientiert.
Viele der Probleme der Familie seien nur deshalb entstanden, weil sich das Jugendamt weigere, eine an den Bedürfnissen der Familie ausgerichtete Hilfe zu leisten. Die Begleitung von zwei Umgängen im Haushalt der Antragstellerin durch die Verfahrensbeiständin der familiengerichtlichen Verfahren sei nur eine Notlösung gewesen. Es könne nicht angehen, dass eine Person ehrenamtlich und aus Mitleid den Umgang begleite, wenn gleichzeitig ein Anspruch gegenüber dem Jugendhilfeträger für die gleiche Leistung bestehe.
4. Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Das Jugendamt habe aufgrund des Gerichtsbeschlusses vom 20. Februar 2018 eine Umgangsbegleitung installiert. Sie finde in der Regel freitagnachmittags für drei Stunden in den Räumlichkeiten der Caritas statt. Die Caritas … und das Kreisjugendamt hätten schon während der familiengerichtlichen Verhandlung dem Richter mitgeteilt, dass begleitete Umgänge nur in den Räumlichkeiten der Caritas stattfinden könnten. Eine Ausweitung der Umgänge auf Elternräume sei grundsätzlich nicht vorgesehen. Aus Sicht des Jugendamtes bestehe keine Notwendigkeit für die Begleitung des Umgangs in den Räumlichkeiten der Kindsmutter. Allein der Wunsch des betreuenden Elternteils, dass zur Sicherheit ein Dritter beim Umgang anwesend sei, sei nicht ausreichend. Dem Jugendamt erschließe sich aktuell nicht, warum weiterhin begleitete Umgänge stattfinden sollten. Aus seiner Sicht könne grundsätzlich eine Vertrauensperson aus dem Umfeld der Eltern oder der Kinder den Umgang in den Räumlichkeiten der Mutter begleiten.
Am 14. Mai 2020 habe eine Sitzung im Amtsgericht … stattgefunden, in dem eine Zwischenvereinbarung getroffen worden sei, nach der ein Umgang grundsätzlich in den Wohnräumen der Antragstellerin stattfinden könne. Die ersten zwei Umgangskontakte würden durch die Verfahrensbeiständin begleitet. Nach Auskunft der Verfahrensbeiständin hätten die Umgänge bei der Antragstellerin gut funktioniert. Die Kinder hätten nun keine Probleme mehr, die Mutter ohne Begleitung zu sehen. Auch der Kindsvater sei mit den Umgängen einverstanden. Das Jugendamt stimme grundsätzlich einem Umgang in den Räumlichkeiten der Antragstellerin zu. Es stelle jedoch in Frage, ob dieser Umgang begleitet stattfinden müsse.
5. Am 11. März 2021 erging im Verfahren … durch das Amtsgericht … – Abteilung für Familiensachen – ein Beschluss, mit dem der Antrag auf Einrichtung einer Umgangspflegschaft und auf weitere Regelung des Umgangs der Antragstellerin mit den Kindern zurückgewiesen und der Umgang der Antragstellerin mit den Kindern, … und … für die Dauer von zwei Jahren ausgeschlossen wurde. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass es zwar in Folge der Zwischenvereinbarung vom 14. Mai 2020 einen kurzzeitigen Lichtblick im Verhalten der Eltern gegeben habe. Alle drei Kinder hätten kein Problem mehr gehabt, die Mutter auch ohne Begleitung zu sehen. Inzwischen aber verweigerten die Kinder wiederum jeglichen Umgang. Alle drei hätten gegenüber dem Gericht kategorisch jeglichen Umgang mit der Mutter abgelehnt. Dieser Kindeswille sei zu beachten und gegenüber den Wünschen der Eltern vorrangig.
6. Für das Klageverfahren hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22. April 2020 Prozesskostenhilfe beantragt. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist nicht beantragt.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist schon deshalb abzulehnen, weil es insoweit am Rechtschutzbedürfnis fehlt. Das streitgegenständliche Verfahren, das zum Sachgebiet der Jugendhilfe gehört, ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei und unterliegt nach § 67 Abs. 1 VwGO keinem Anwaltszwang. Wegen der in § 188 S. 2 VwGO niedergelegten Gerichtskostenfreiheit können dem die Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten in einem solchen Fall regelmäßig nur eigene Aufwendungen wie Porti und Telefongebühren entstehen. Von ihnen wird die mittellose Partei auch durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht befreit. Auch auf die Erstattung der dem Gegner entstandenen Kosten hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen Einfluss (§ 123 ZPO). In gerichtskostenfreien Verfahren ohne Anwaltszwang kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Rechtsschutzbedürfnisses daher nicht in Betracht, wenn – wie hier – weder ein Rechtsanwalt beauftragt noch ein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts gestellt worden ist (BVerwG B.v. 17.2.1989 – 5 ER 612/89 – NVwZ-RR 1989, 665/666; OVG NW, B.v. 16.3.2018 – 4 D 10/18 – juris Rn. 11 m.w.N.).
2. Im Übrigen fehlt es der beabsichtigten Rechtsverfolgung an der erforderlichen Erfolgsaussicht.
a) Nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
b) Hieran fehlt es vorliegend. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat vorliegend keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die Verpflichtungsklage der Antragstellerin voraussichtlich abzulehnen sein wird, weil der Antragstellerin – wenn nicht schon das Rechtsschutzbedürfnis fehlt – jedenfalls der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Der Antragstellerin steht derzeit – und auf absehbare Zeit in der Zukunft – der geltend gemachte Anspruch nach § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII auf Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts in ihrem häuslichen Umfeld nicht zu. Ob bzw. welche konkreten Beratungs- und/oder Unterstützungsleistungen gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII in Betracht kommen, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls ab. Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII kann nur auf der Grundlage und im Rahmen der familienrechtlich festgelegten Umgangsregelungen stattfinden (vgl. OVG NW, B.v. 17.01.2019 – 12 A 396/18 – juris Rn. 8). Da mit Beschluss des Amtsgerichts … – Abteilung für Familiensachen – vom 11. März 2021 der Umgang der Kindsmutter mit den Kindern, … und … für die Dauer von 2 Jahren ausgeschlossen wurde, fehlt es schon an einem Umgangsrecht, das Voraussetzung für die Gewährung von Unterstützungsleistungen nach § 18 Abs. 3 SGB VIII ist. Ob der Antragstellerin nach Ablauf dieser Zeit wieder ein Umgangsrecht zustehen wird, ist derzeit nicht absehbar.


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