Familienrecht

Rückforderung von Kindergeld

Aktenzeichen  7 K 830/20

Datum:
9.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32252
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 110

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig ist, ob die Klägerin fristgerecht Einspruch gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung erhoben hat.
Mit Bescheid vom 22.11.2019 wurde die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind …, geb. … 1997, ab dem Monat Oktober 2017 aufgehoben. Zugleich wurde das für diesen Zeitraum bereits ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 4.476 € zurückgefordert. Die Aufhebung der Festsetzung wurde damit begründet, dass die Studienbescheinigungen ab dem Wintersemester 2017/18 nicht vorgelegt worden seien und daher nicht festgestellt werden könne, ob ein Anspruch auf Kindergeld bestehe.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2020 übersandte die Klägerin verschiedene Unterlagen, unter anderem die Studienbescheinigung ab dem Wintersemester 2017/18. Gleichzeitig entschuldigte sich für ihre verspätete Reaktion und begründete die Einlegung eines fristgerechten Einspruchs damit, dass sie aufgrund eines Arbeitsunfalls am 19.11.2019, bei dem sie sich unter anderem die rechte Hand gebrochen habe, nicht in der Lage gewesen sei, auf das Schreiben der Beklagten zu antworten. Darüber hinaus habe die Tochter nach einer Operation infolge einer akuten Entzündung der Weisheitszähne im Zeitraum vom 27.12.2019 bis 14.1.2020 intensiv von ihr betreut werden müssen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 19.11.2019 bis 12.1.2020 legte sie dem Schreiben bei, ebenso eine ärztliche Bescheinigung für eine Behandlung der Tochter am 7.1.2020 und eine Krankheitsbescheinigung der Tochter für den Zeitraum 11.1.2020 bis 14.1.2020.
Der Einspruch wurde als unzulässig verworfen (Einspruchsentscheidung vom 24.3.2020).
Dagegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin beantragt,
die Aufhebung des Kindergeldaufhebungsbescheids vom 22.11.2019 und der Einspruchsentscheidung vom 24.3.2020.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 24.3.2020, die Akten und eingereichten Schriftsätze sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Die Beklagte hat den von der Klägerin gegen den Kindergeldaufhebungsbescheid vom 22.11.2019 eingelegten Einspruch zu Recht als unzulässig abgewiesen. Unstreitig wurde der Einspruch nicht innerhalb der vierwöchigen Einspruchsfrist nach § 355 AO erhoben. Gründe, nach denen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren ist, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Nach § 110 Abs. 1 AO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Schuldmaßstab ist nicht die im Rechtsverkehr erforderliche (§ 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch), sondern diejenige Sorgfalt, die den Betroffenen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des einzelnen Falles und seiner persönlichen Verhältnisse zugemutet werden kann. Bereits bei leichter Fahrlässigkeit ist ein Wiedereinsetzungsantrag regelmäßig abzulehnen. Im Streitfall hat die Klägerin die Fristversäumnis lediglich mit einem Arbeitsunfall am 19.11.2019, bei dem sie sich unter anderem die rechte Hand gebrochen habe sowie mit dem Umstand, dass ihre Tochter nach einer Operation infolge einer akuten Entzündung der Weisheitszähne im Zeitraum vom 27.12.2019 bis 14.1.2020 intensiv von ihr habe betreut werden müssen, entschuldigt. Eine eigene Krankheit ist jedoch nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn dem Kranken wegen seines Zustandes nicht zuzumuten war, die Frist durch eigenes Handeln oder durch das Handeln eines Dritten zu wahren. Dies bedeutet, dass die Krankheit plötzlich und in einer Schwere auftreten muss, die es dem Steuerpflichtigen auch nicht mehr zumutbar ermöglicht, einen Dritten mit der Interessenwahrnehmung zu beauftragen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor, da eine Fraktur der rechten Hand infolge eines Arbeitsunfalls nicht dazu führt, dass ihr die Einlegung des Einspruchs nicht mehr zumutbar war. Da der Aufhebungsbescheid bereits am 22.11.2019 erlassen wurde und damit nur wenige Tage nach dem Arbeitsunfall am 19.11.2019, hätte die Klägerin noch nahezu einen ganzen Monat Zeit gehabt, einen fristgemäßen Einspruch einzulegen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ihre Tochter S. vom 27.12.2019 bis 14.1.2020 wegen einer Entzündung der Weisheitszähne erkrankt war. Zwar erscheint es glaubhaft, dass sie sich um die in ihrem Haushalt lebende Tochter kümmerte. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass sie die bereits 22-jährige und ein Studium der Rechtswissenschaften absolvierende Tochter so intensiv betreuen musste, dass es ihr nicht mehr zuzumuten war, ihren sonstigen Verpflichtungen nachzukommen. Auch die geltend gemachte psychische Belastung der Klägerin, verursacht u.a. durch den Arbeitsunfall und die streitgegenständliche Zahlungsaufforderung der Beklagten, ist nicht ausreichend, um die Fristversäumnis zu entschuldigen.
Billigkeitsgesichtspunkte können in dem vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden Über einen eventuell gestellten Stundungsantrag nach § 222 AO ist in dem vorliegenden Verfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids geht, nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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