Familienrecht

Verfassungsbeschwerde gegen zivilgerichtliche Entscheidung u.a. mangels Erhebung einer Anhörungsrüge und Substantiierungsmängeln unzulässig

Aktenzeichen  Vf. 45-VI-15

Datum:
15.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 44489
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 6
ZPO § 321a
BV Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 101
VerfGHG Art. 51 Abs. 1 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1 Ob das Unterlassen einer Anhörungsrüge wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zu deren Unzulässigkeit insgesamt führt, kann weiterhin offenbleiben (Fortführung von BayVerfGH BeckRS 2013, 58969). (redaktioneller Leitsatz)
2 Ob sich aus Art. 101 iVm Art. 3 Abs. 1 S. 1 GG ein verfassungsbeschwerdefähiger Grundrechtsanspruch auf ein faires Verfahren ergibt, kann weiterhin offenbleiben (Fortführung von BayVerfGH BeckRS 2014, 58355). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 U 234/14 2015-04-21 Endurteil OLGBAMBERG LG Würzburg

Gründe

Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs
Vf. 45-VI-15
vom 15. Februar 2016
Stichwort:
Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen ein zivilgerichtliches Berufungsurteil, durch das der Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Wegfalls des Verfügungsgrundes versagt wurde.

erlässt in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
der A GmbH, in W.,
gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 21. April 2015 Az. 5 U 234/14
Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. P. & K., in K.,
durch die Richterinnen und Richter Küspert, Kersten, Koch, Hilzinger, Schaudig, Dr. Weiß M., Schmidt, König-Rothemund, Mader ohne mündliche Verhandlung in der nichtöffentlichen Sitzung vom 15. Februar 2016 folgende Entscheidung:
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.
Gründe:
I. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 21. April 2015 Az. 5 U 234/14.
Die Beschwerdeführerin, eine GmbH, hatte mit Antragsschrift vom 14. August 2014 vor dem Landgericht Würzburg im Wege der einstweiligen Verfügung Unterlassungsansprüche wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegen die ehemalige Ehefrau ihres Geschäftsführers geltend gemacht, über die das Landgericht am 25. September 2014 mündlich verhandelte. Nachdem das Landgericht mit Urteil vom 27. Oktober 2014, zugestellt am 31. Oktober 2014, die Ansprüche teilweise abgewiesen hatte, legte die Beschwerdeführerin am 17. November 2014 Berufung zum Oberlandesgericht Bamberg ein. Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2014 beantragte sie „wegen urlaubsbedingter Abwesenheit des alleinigen Sachbearbeiters“ die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 30. Januar 2015. Nachdem die Verlängerung bewilligt worden war, reichte die Beschwerdeführerin die Berufungsbegründung am 27. Januar 2015 ein. Das Oberlandesgericht bestimmte Termin auf den 21. April 2015.
In der Berufungserwiderung rügte die Gegenseite das Fehlen eines Verfügungsgrundes, weil die Beschwerdeführerin hingenommen habe, dass das Gericht erster Instanz eine mündliche Verhandlung erst sechs Wochen nach Stellung des Antrags anberaumte; sie habe ferner, statt das Berufungsverfahren voranzutreiben, eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen vollen Monat beantragt und fast vollständig ausgeschöpft. Die Beschwerdeführerin widersprach dieser Rechtsansicht.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung, in der laut Protokoll die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, wies das Oberlandesgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 21. April 2015 die Berufung der Beschwerdeführerin zurück, weil durch das Verhalten ihres Prozessbevollmächtigten in der Berufungsinstanz der Verfügungsgrund entfallen sei. Während die Berufung noch deutlich vor dem Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden sei, habe die Beschwerdeführerin Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt und nach deren Bewilligung die Berufungsbegründung erst am 27. Januar 2015 eingereicht. Damit habe sie gezeigt, dass es ihr mit der Rechtsverfolgung nicht eilig und folglich die Angelegenheit nicht dringlich sei. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes habe der Antragsteller nämlich alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu erreichen. Werde der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung in erster Instanz abgelehnt, müsse auch das Berufungsverfahren vom Antragsteller beschleunigt betrieben werden. Dabei dürfe er zwar die gesetzlichen Fristen ausschöpfen, aber nicht ohne zwingende Gründe um deren erhebliche Verlängerung nachsuchen und diese dann nahezu voll ausschöpfen. Durch dieses Vorgehen gebe er zu erkennen, dass ihm die Verfolgung seiner Ansprüche nicht oder nicht mehr dringlich sei. Das gelte auch im vorliegenden Fall, da als Grund für die Fristverlängerung nur eine urlaubsbedingte Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten genannt und keine besonders schwierige Einarbeitung zu leisten gewesen sei. Eine Verpflichtung, bei der Verlängerung der Frist auf die möglichen Folgen hinzuweisen, habe nicht bestanden.
II. 1. Gegen das am 4. Mai 2015 an ihre Prozessbevollmächtigten zugestellte Urteil hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30. Juni 2015, vollständig eingegangen am 2. Juli 2015, Verfassungsbeschwerde erhoben.
Die Beschwerdeführerin rügt Verstöße gegen das Grundrecht auf Eigentum (Art. 103 Abs. 1, Art. 159 BV), das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV), das rechtliche Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) und „das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 a BV)“.
Die Begründung des Gerichts sei völlig überraschend, da das Gericht im Zeitraum von der Fristverlängerung am 4. Dezember 2014 bis zur mündlichen Verhandlung keinerlei Hinweis gegeben habe, dass das Verfahren seiner Meinung nach nicht ausreichend beschleunigt behandelt werde.
Das Gericht beziehe sich auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Dresden und Düsseldorf. Die erste sei ein Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO und nicht in Rechtskraft erwachsen, die zweite betreffe die Sondervorschrift des § 885 Abs. 1 BGB. Das Gericht erstrecke unzulässigerweise diese Auffassung auf alle Verfahren der einstweiligen Verfügung. Es berücksichtige auch nicht, dass durch das eigene Verhalten des Gerichts, das in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine mündliche Verhandlung erst drei Monate nach Vorliegen der Berufungsbegründung terminiert habe, eine größere Verzögerung entstanden sei als durch die 27 Tage, für die Fristverlängerung in Anspruch genommen worden sei.
Das Oberlandesgericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen. Wenn das Gericht einem Verfahrensbeteiligten eine Fristverlängerung gewähre, könne dieser darauf vertrauen, dass ihm bei einer innerhalb der verlängerten Frist vorgenommenen Handlung keine Verzögerung vorgeworfen werde. Das Gericht hätte die in seinem Ermessen stehende Fristverlängerung ablehnen oder nur teilweise bewilligen oder einen Hinweis auf den drohenden Rechtsverlust geben können. Durch sein Verhalten habe es die Gefahr des Rechtsverlusts erst begründet. Das gelte erst recht, da auch der Gegenseite Fristverlängerung zur Begründung der von ihr eingelegten Berufung gewährt worden sei. Jedenfalls hätte das Gericht darauf hinweisen müssen, dass nach seiner Auffassung mit Ablauf einer bestimmten Zeit die Dringlichkeit entfalle. Der erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2015 erfolgte Hinweis sei überraschend gewesen.
Das Gericht hätte der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht noch die Kosten der unnötigen mündlichen Verhandlung auferlegen dürfen.
Die Erhebung einer Anhörungsrüge sei offensichtlich aussichtslos gewesen, nachdem die Frage einer Hinweispflicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen und ausdrücklich im Urteil behandelt worden sei. Im Übrigen sei nicht durch den Verstoß gegen die Hinweispflicht weiterer Sachvortrag verhindert worden, so dass schwerpunktmäßig der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Grundsatz des fairen Verfahrens betroffen sei.
Mit weiterem Schriftsatz vom 28. Juli 2015, eingegangen am selben Tag, wird die Verfassungsbeschwerde zudem „in Ausweitung und unter Subsumtion unter das letztlich tragende Rechtsstaatsprinzip“ auch auf eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV) gestützt.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde mangels substanziierter Grundrechtsrügen und wegen Nichterschöpfung des Rechtswegs für unzulässig.
III. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Hinsichtlich einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg nicht erschöpft, weil sie gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg keine Anhörungsrüge nach § 321 a ZPO erhoben hat.
a) Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gibt den Beteiligten einen Anspruch darauf, dass das Gericht ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht, soweit es aus verfahrens- oder materiellrechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 16.5.2011 VerfGHE 64, 52/58; vom 17.11.2015 – Vf. 12-VI-15 – juris Rn. 25). Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt auch vor, wenn das Gericht einen vor seiner Entscheidung überhaupt nicht erörterten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und dadurch dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Parteien nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen konnten (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 21.2.1997 VerfGHE 50, 9/13 f.; vom 27.5.2011 – Vf. 127-VI-10 – juris Rn. 15; vom 17.2.2011 VerfGHE 64, 35/42).
b) Die von der Beschwerdeführerin gerügte Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht betrifft den Schutzbereich dieses in Art. 91 Abs. 1 BV enthaltenen Verbots von Überraschungsentscheidungen. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Rüge gerade darauf, dass die Begründung für den Wegfall der Dringlichkeit für sie überraschend gewesen sei, da das Gericht weder bei Gewährung der Fristverlängerung noch danach bis zur mündlichen Verhandlung auf den drohenden Rechtsnachteil hingewiesen habe.
c) Die Beschwerdeführerin kann sich nicht darauf berufen, eine Anhörungsrüge sei im Hinblick darauf offensichtlich aussichtslos gewesen, dass die Rechtsauffassung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erörtert worden und weiterer Sachvortrag nicht mehr in Betracht gekommen sei.
Die Bestimmung des § 321 a ZPO erfasst alle Fälle der Verletzung des rechtlichen Gehörs und damit auch Überraschungsentscheidungen (Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 321 a Rn. 10). Das gilt zunächst in den Fällen, in denen durch den unterbliebenen Hinweis des Gerichts Sachvortrag verhindert worden ist. Auch in einer Situation wie im vorliegenden Fall wäre denkbar, dass die betroffene Partei darlegt, sie habe entweder das Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung betrieben oder welche Vorkehrungen sie getroffen hätte, um bei Kenntnis der Rechtsauffassung des Gerichts eine Fristverlängerung zu vermeiden oder zumindest nicht auszuschöpfen. Selbst wenn man aber davon ausgeht, die Beschwerdeführerin habe in der mündlichen Verhandlung alle relevanten Tatsachen vorgetragen, folgt aus der Tatsache, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung und im Urteil die Notwendigkeit eines Hinweises verneint hat, nicht, dass deswegen auf eine Anhörungsrüge verzichtet werden kann. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Argumentation der Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde, auch das Gericht habe das Verfahren nicht mit der gebotenen Beschleunigung behandelt und sich zudem zu Unrecht auf eine Rechtsprechung zu § 885 Abs. 1 BGB gestützt. Beide Aspekte hätte die Beschwerdeführerin auch im Rahmen einer Anhörungsrüge dafür anführen können, dass sie mit der Verneinung eines Verfügungsgrundes durch das Gericht nicht habe rechnen müssen. § 321 a ZPO behält damit auch unter den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Umständen seine Appellfunktion an das Gericht, zur Vermeidung einer Verfassungsbeschwerde die eigene Auffassung zu überprüfen, und dient dem Zweck, die Verfassungsgerichte zu entlasten, indem Verletzungen des rechtlichen Gehörs durch die Fachgerichtsbarkeit behoben werden können (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 321 a Rn. 1).
2. Ob das Unterlassen der Anhörungsrüge wegen des Grundsatzes der Subsidiarität darüber hinaus zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde insgesamt, also auch wegen sonstiger Grundrechtsrügen führt (so BVerfG vom 25.4.2005 NJW 2005, 3059; VerfGH Sachsen vom 28.2.2007 – Vf. 122-IV-07 – juris Rn. 8; vgl. dazu Heinrichsmeier, NVwZ 2010, 228), hat der Verfassungsgerichtshof bisher ausdrücklich offengelassen (VerfGH vom 28.2.2011 BayVBl 2011, 530/531; vom 15.9.2011 – Vf. 137-VI-10 – juris Rn. 17; vom 5.10.2011 – Vf. 134-VI-10 – juris Rn. 12; vom 30.5.2012 BayVBl 2013, 738). Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung, da die Verfassungsbeschwerde im Übrigen ebenfalls unzulässig ist.
a) Das gilt zunächst insoweit, als die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) rügt. Das Rechtsstaatsprinzip verbürgt keine subjektiven verfassungsmäßigen Rechte, sondern beinhaltet objektives Verfassungsrecht. Eine Verfassungsbeschwerde kann deshalb hierauf nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 6.2.2004 VerfGHE 57, 7/10; vom 25.11.2014 BayVBl 2015, 321 Rn. 19).
b) Ob sich das Recht auf ein faires Verfahren, wie es in Art. 6 EMRK positivrechtlich normiert ist und wie es das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip herleitet (BVerfG vom 26.5.1981 BVerfGE 57, 250/274 f.), als ein verfassungsbeschwerdefähiger Grundrechtsanspruch auch aus Art. 101 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV ergibt, hat der Verfassungsgerichtshof bisher offengelassen (vgl. VerfGH vom 25.6.2010 VerfGHE 63, 83/105; vom 29.1.2014 BayVBl 2014, 448 Rn. 44; vom 17.11.2014 BayVBl 2015, 154 Rn. 51). Die Frage ist auch hier nicht zu klären, da im vorliegenden Fall die Rüge einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dieselben Aspekte umfasst, aus denen eine Überraschungsentscheidung hergeleitet wird, die ihrerseits den Schutzbereich des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) betrifft. Die obigen Ausführungen zur unterbliebenen Rechtswegerschöpfung kommen daher mit Bezug auf ein Grundrecht auf faires Verfahren in gleicher Weise zum Tragen.
c) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) rügt, ist die Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Substanziierung unzulässig.
Zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gehört nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG, dass die behauptete Verletzung verfassungsmäßiger Rechte im Einzelnen dargelegt wird. Der Beschwerdeführer darf sich nicht damit begnügen, irgendeine ein verfassungsmäßiges Recht verbürgende Norm der Bayerischen Verfassung anzuführen und als verletzt zu bezeichnen. Es muss vielmehr – mindestens in groben Umrissen – zu erkennen sein, inwiefern durch eine Maßnahme oder Entscheidung ein solches Recht verletzt sein soll. Auf der Grundlage des Vortrags in der Verfassungsbeschwerde muss die behauptete Grundrechtsverletzung zumindest möglich erscheinen (vgl. VerfGH vom 11.5.2004 VerfGHE 57, 39/42 f.; vom 14.9.2009 BayVBl 2010, 250/251; vom 1.3.2012 – Vf. 33-VI-11 – juris Rn. 18; vom 3.5.2012 – Vf. 58-VI-11 – juris Rn. 48). Die bloße Behauptung, eine gerichtliche Entscheidung sei unrichtig oder fehlerhaft, genügt den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde dagegen nicht (vgl. VerfGH vom 14.2.2006 VerfGHE 59, 47/51 m. w. N.; vom 3.11.2010 BayVBl 2011, 575; vom 1.3.2012 – Vf. 33-VI-11 – juris Rn. 18; vom 3.5.2012 – Vf. 58-VI-11 – juris Rn. 48). Diesem Maßstab wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Sie benennt zwar Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV als verletzt, legt jedoch nicht dar, worin sie eine solche Verletzung sieht.
d) Gleiches gilt mit Blick auf die Rüge einer Verletzung des Eigentumsgrundrechts (Art. 103 Abs. 1 BV). Dieses ist im Übrigen im Rahmen der vorliegenden Verfassungsbeschwerde kein tauglicher Prüfungsmaßstab.
Gegenüber der Anwendung von Bundesrecht, das – wie hier die vom Oberlandesgericht Bamberg angewendeten Bestimmungen der Zivilprozessordnung – wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung darauf, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat. In verfahrensrechtlicher Hinsicht überprüft der Verfassungsgerichtshof Entscheidungen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, auch daraufhin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das, wie z. B. der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV und das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV, mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 21.3.1997 VerfGHE 50, 60/62; vom 26.6.2013 VerfGHE 66, 94/96 ff. m. w. N.; vom 9.1.2015 – Vf. 1-VI-14 – juris Rn. 17; vom 13.4.2015 – Vf. 66-VI-14 – juris Rn. 11). Am Maßstab des materiellen Eigentumsgrundrechts kann die angegriffene Entscheidung daher nicht geprüft werden.
e) Die erst mit Schriftsatz vom 28. Juli 2015 erhobene Rüge einer Verletzung des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV) ist wegen Verfristung unzulässig.
Die notwendige Begründung der Verfassungsbeschwerde hat innerhalb der zweimonatigen Beschwerdefrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG zu erfolgen. Danach kann der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde zwar noch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ergänzen. Er kann sie aber nicht mit einem neuen selbstständigen Sachvortrag begründen und auch nicht die Rüge eines Verstoßes gegen ein verfassungsmäßiges Recht nachschieben, das er nicht fristgerecht als verletzt bezeichnet hatte (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 9.2.1994 VerfGHE 47, 47/50; vom 9.6.2015 – Vf. 77-VI-14 – juris Rn. 22). Da die angegriffene Entscheidung den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 4. Mai 2015 zugestellt wurde, lief die Verfassungsbeschwerdefrist am 6. Juli 2015, einem Montag, ab (§ 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB i. V. m. Art. 17 Abs. 1 VfGHG).
Abgesehen davon fehlt es auch insoweit an einer hinreichenden Substanziierung. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs könnte bei einer gerichtlichen Entscheidung ein Verstoß gegen das Willkürverbot nur dann festgestellt werden, wenn die Entscheidung bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich wäre und sich der Schluss aufdrängte, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Entscheidung dürfte unter keinem Gesichtspunkt vertretbar sein; sie müsste schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, eindeutig unangemessen sein. Selbst eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet deshalb für sich allein noch keinen Verstoß gegen das Willkürverbot als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 8.12.2000 VerfGHE 53, 187/193; vom 11.3.2003 VerfGHE 56, 22/25; vom 13.1.2005 VerfGHE 58, 37/41; vom 10.9.2014 – Vf. 105-VI-13 – juris Rn. 31). Die Beschwerdeführerin legt jedoch nicht nachvollziehbar dar, weshalb sie die vom Oberlandesgericht unter Verweis auf zwei Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte vertretene Ansicht zum Vorliegen eines Verfügungsgrundes oder zum Bestehen einer Hinweispflicht nicht nur für falsch, sondern für willkürlich hält.
IV. Es ist angemessen, der Beschwerdeführerin eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).


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