Familienrecht

Verletzung des Willkürverbots durch Ablehnung von Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehefrau ohne verständliche Prüfung eines Prozesskostenvorschussanspruchs

Aktenzeichen  Vf. 42-VI/15

Datum:
29.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 48653
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1360a Abs. 4
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 1 S. 1
BV Art. 118 Abs. 1
SGG § 73a

 

Leitsatz

1. Aufhebung eines sozialgerichtlichen Beschlusses, durch den die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehefrau des Beschwerdeführers (vgl. § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB) abgelehnt wurde, wegen Verletzung des Willkürverbots, weil es an einer angemessenen Begründung fehlt. (amtlicher Leitsatz)
2 Die Annahme eines nach § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzenden Vermögens in Gestalt eines Prozess-kostenvorschussanspruchs nach § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB gegen den Ehegatten des um PKH Nachsuchenden erfordert – zur Vermeidung einer Willkürentscheidung wegen Begründungsmangels – eine eigenständige und umfassende Berechnung des unterhaltsrechtlich maßgebenden Einkommens des Ehegatten und deren aus sich heraus verständliche Darlegung in dem PKH-Ablehnungsbeschluss. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 2 KR 374/13 2015-04-07 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

1. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 7. April 2015 Az. S 2 KR 374/13 verstößt gegen Art. 118 Abs. 1 BV. Er wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht München zurückverwiesen.
2. Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.

Gründe

I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 7. April 2015 Az. S 2 KR 374/13, durch den ein Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung von Krankengeld abgelehnt wurde.
1. Mit Bescheid vom 14. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2013 lehnte die AOK Bayern, Direktion Ingolstadt, es ab, dem Beschwerdeführer für die Zeit ab dem 14. Januar 2013 Krankengeld zu gewähren. Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers mit am 27. März 2013 eingegangenem Schriftsatz Klage zum Sozialgericht München und beantragte, den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und die AOK zu verpflichten, ihm über den 13. Januar 2013 hinaus Krankengeld zu gewähren, solange Arbeitsunfähigkeit bestehe und festgestellt werde. Am 25. Juni 2013 wurde die Klagebegründung beim Sozialgericht eingereicht.
2. Mit am 10. Juli 2013 eingegangenem Schriftsatz beantragte der Bevollmächtigte, dem Beschwerdeführer für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren. Diesen Antrag lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 11. September 2013 ab. Der Beschwerdeführer verfüge über ein monatliches Bruttoeinkommen von 807 €; hiervon seien nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO i. V. m. der Prozesskostenhilfebekanntmachung 442 € abzusetzen. Monatlich seien 365 € einzusetzen; gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO habe der Beschwerdeführer Monatsraten von 135 € aufzubringen. Die Rechtsanwaltsvergütung belaufe sich auf voraussichtlich 892,50 €. Nach § 73 a SGG i. V. m. § 115 Abs. 3 ZPO werde Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht überstiegen. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben.
3. Mit am 5. Februar 2014 beim Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz machte der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers geltend, die ablehnende Entscheidung vom 11. September 2013 beruhe auf mehreren offensichtlichen Fehlern. Das angesetzte Bruttoeinkommen des Beschwerdeführers sei ebenso wenig nachvollziehbar wie die Berechnung zu den vier Monatsraten. Zwar sei in einer Auskunft des Sozialgerichts vom 9. Oktober 2013 der Fehler beim zugrunde gelegten Einkommen des Beschwerdeführers bestätigt worden. Zugleich sei aber die Auffassung vertreten worden, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers über ein einzusetzendes Einkommen von 508,90 € verfüge. Auch diese Begründung sei falsch, da nicht das Familieneinkommen maßgeblich sei. Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehegatten richte sich nach § 1360 a Abs. 4 BGB und setze einen Selbstbehalt von 1.100 € voraus. Es sei eindeutig, dass das Einkommen der Ehefrau für einen solchen Anspruch nicht ausreiche und deshalb nicht zu berücksichtigen sei.
Im selben Schriftsatz stellte der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers einen erneuten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe; eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und weitere Unterlagen waren beigefügt. Auf Anfragen des Sozialgerichts vom 24. Februar und 14. April 2014 ergänzte der Beschwerdeführer seine Angaben; weitere Unterlagen wurden vorgelegt.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 7. April 2015, dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers zugestellt am 10. April 2015, lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe erneut ab. Die Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse habe ergeben, dass der Beschwerdeführer in der Lage sei, die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen. Ferner wurde auf eine als Anlage beigefügte Berechnung verwiesen, die folgenden Wortlaut hat:
[7] 4. Gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 7. April 2015 erhob der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers am 13. April 2015 Gegenvorstellung sowie am 20. April 2015 eine Anhörungsrüge. Es bleibe im Dunkeln, ob das Gericht eine Berechnung auf der Grundlage eines „Familieneinkommens“ durchgeführt oder aber das Einkommen der Ehefrau des Beschwerdeführers zugrunde gelegt habe. Vor Ablehnung des Antrags hätte das Gericht dem Beschwerdeführer u. a. zu einem Anspruch gegen die Ehegattin auf Prozesskostenvorschuss nach § 1360 a Abs. 4 BGB Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Zudem hätte es den umfangreichen Sachvortrag in den Schriftsätzen vom 4. Februar, 10. April und 2. Juni 2014 berücksichtigen müssen.
Mit Beschluss vom 30. September 2015 wies das Sozialgericht die Gegenvorstellung zurück; die Anhörungsrüge wurde abgewiesen. Der Urkundsbeamte und das Gericht hätten sich mit dem Vorbringen des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und das Ehegatteneinkommen bei der Berechnung der Prozesskostenhilfe korrekterweise angerechnet. Die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland vom 1. Januar 2013 sähen einen Ehegattenunterhaltsanspruch vor. Nr. 21.4 schreibe vor, dass im Rahmen des Unterhaltsanspruchs für Prozesskosten grundsätzlich der Mindestselbstbehalt (= Eigenbedarf) des verpflichteten Ehegatten zu berücksichtigen sei. Dieser betrage in der Regel 1.100 €. Hierin seien die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 400 € enthalten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei zu Recht abgelehnt worden.
5. Mit Urteil vom 1. Oktober 2015 wies das Sozialgericht die Klage ab; die Berufung wurde nicht zugelassen.
II.
1. a) Mit der am 10. Juni 2015 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers, dass dessen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe willkürlich falsch behandelt worden sei.
Maßgebend sei das Einkommen der Partei, nicht das Familieneinkommen. Würde das Einkommen des anderen Ehegatten mit berücksichtigt, so liefe dies darauf hinaus, dass dieser auch für Prozesskostenhilfe in nicht persönlichen Angelegenheiten aufkommen müsste, die er nach § 1360 a Abs. 4 BGB gerade nicht zu bezahlen brauche.
Der Beschwerdeführer habe im fraglichen Zeitraum monatlich 582,30 € Krankengeld bezogen. Nach Abzug der Hausratversicherung von 25 €, des Anteils an den Unterkunftskosten von 130,27 € und des Unterhaltsfreibetrags für den vom Beschwerdeführer mit versorgten Enkel von 147 € verbleibe, wie gegenüber dem Sozialgericht dargestellt worden sei, ein Restbetrag von 280,03 €, der deutlich unter dem Freibetrag von 442 € liege.
Es sei auch dargelegt worden, dass sich kein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen die Ehefrau ergebe. Von 2.050 € Einnahmen (Bruttoeinkommen im Dezember 2013: 1.682 €, Kindergeld: 368 €) seien die Vorsteuer (76 €), die Sozialversicherungsbeiträge (337 €), die Mietzahlung (164 €), die Kreditrate (376,80 €) und der Freibetrag für die mit versorgten Enkel (147 €) abzuziehen, so dass ein Rest von 949,20 € verbleibe, der unter dem unterhaltsrechtlichen Freibetrag von 1.100 € liege.
Vor diesem Hintergrund sei offensichtlich, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe habe. Das Sozialgericht habe die angegriffene Entscheidung in völliger Verkennung der Rechtslage getroffen. Zu bedenken sei dabei, dass dieser Verfahrensweise ein weiterer Prozesskostenhilfeantrag vorausgegangen sei, über den das Gericht ebenfalls fehlerhaft entschieden habe. Zudem seien zwischen der Einreichung des zweiten Antrags und der Entscheidung über 14 Monate vergangen. Auch dies mache deutlich, dass seitens des Gerichts keine Bereitschaft bestanden habe, den Antrag ordnungsgemäß zu prüfen und zu bearbeiten.
b) Mit am 12. Oktober 2015 eingegangenem Schriftsatz nimmt der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers u. a. zur Entscheidung des Sozialgerichts vom 30. September 2015 über die Gegenvorstellung und die Anhörungsrüge Stellung. Das Gericht führe dort weder aus, wie es zum Ergebnis komme, dass ein Selbstbehalt der Ehefrau von 1.100 € gewahrt sei, noch nehme es eine konkrete Berechnung vor. Aufgrund des geleisteten Naturalunterhalts stehe dem Beschwerdeführer kein Barbetrag zur Verfügung, den er zur Finanzierung der Prozesskosten einsetzen könnte.
c) Im Schriftsatz vom 27. Oktober 2015, der am selben Tag eingegangen ist, rügt der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers die Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör. Er habe wiederholt und mit ausführlicher Begründung gegenüber dem Sozialgericht geltend gemacht, dass das Einkommen der Ehefrau des Beschwerdeführers bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Prozesskostenhilfeverfahren außer Betracht zu bleiben habe. Auf diesen Kernvortrag sei das Gericht nicht eingegangen. Es sei auch nicht erkennbar, wie das Sozialgericht seine Berechnung vorgenommen habe.
2. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration ist der Auffassung, eine Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nicht erhoben worden. Im Hinblick auf den geltend gemachten Verstoß gegen das Willkürverbot sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Ablehnung von Prozesskostenhilfe mangels Vorliegens der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen im Ergebnis rechtlich vertretbar sei.
3. Einer Anhörung der AOK Bayern im Verfassungsbeschwerdeverfahren bedarf es nicht. Die AOK Bayern ist zwar Beklagte im sozialgerichtlichen (Hauptsache-) Verfahren. Gegenstand der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen sozialgerichtlichen Entscheidung ist jedoch die Versagung von Prozesskostenhilfe aus wirtschaftlichen Gründen. Hieraus ergibt sich für den beklagten Sozialversicherungsträger keine unmittelbare rechtliche Begünstigung (vgl. Goetze in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 94 Rn. 15 f.).
III.
1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Sie hat mit der Rüge einer Verletzung des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV) Erfolg.
a) Willkürlich im Sinn des Art. 118 Abs. 1 BV ist eine gerichtliche Entscheidung nur dann, wenn sie bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet allein noch keinen Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV. Die Entscheidung darf unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar erscheinen; sie muss schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, eindeutig unangemessen sein (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 23.8.2006 VerfGHE 59, 200/203 f.; vom 18.5.2015 -Vf. 101 -VI-13 – juris Rn. 16). Das Willkürverbot kann auch verletzt sein, wenn eine gerichtliche Entscheidung – abgesehen von den Fällen, in denen die Fachgerichte durch Gesetz von einer Begründung freigestellt sind – nicht oder nicht angemessen begründet wird. Ob eine Entscheidungsbegründung angemessen ist, ist abhängig von den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des Einzelfalls; deshalb kann nicht abstrakt bestimmt werden, wann insoweit den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt ist. Wenn das Fachgericht von dem eindeutigen Wortlaut oder von der höchstrichterlichen Auslegung einer Norm abweicht, verlangt das Willkürverbot im Hinblick auf die Gebundenheit des Richters an Recht und Gesetz, dass das Gericht sich mit der Rechtslage auseinandersetzt und seine eigene Auffassung begründet (VerfGH vom 23.6.2003 VerfGHE 56, 112/115; vom 12.2.2008 VerfGHE 61, 25/33).
b) Nach diesem Maßstab hält der angegriffene Beschluss der verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
Das Sozialgericht hat im angegriffenen Beschluss die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführer sei in der Lage, die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen. Zur Begründung verweist es auf eine als Anlage beigefügte Berechnung zu den Einkommensverhältnissen der Ehefrau des Beschwerdeführers.
aa) Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung – wovon das Sozialgericht hier ausgegangen ist – hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist hierbei nicht nur nach den Mitteln zu bemessen, die der Rechtsuchende selbst besitzt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch nach solchen, die er sich erst bei Dritten beschaffen muss. Hierzu gehört auch der unterhaltsrechtliche Anspruch auf Gewährung eines Prozesskostenvorschusses nach § 1360 a Abs. 4 BGB (LSG Rheinland-Pfalz vom 9.6.2011 FamRZ 2011, 1969; Sächsisches LSG vom 14.5.2012 – L 3 AS 1139/11 B – juris Rn. 3). Diese Vorschrift gewährt einem Ehegatten, der nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, einen Anspruch auf Vorschuss gegen den anderen Ehegatten, soweit dies der Billigkeit entspricht.
Die Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Person kann dabei zunächst anhand einer prozesskostenhilferechtlichen Vergleichsberechnung ermittelt werden. Danach scheidet ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss jedenfalls dann aus, wenn die unterhaltspflichtige Person selbst Anspruch auf Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung hätte. Könnte der unterhaltspflichtigen Person Prozesskostenhilfe nur gegen Ratenzahlung bewilligt werden, ist streitig, ob sie von der Pflicht zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses frei ist (BSG vom 7.2.1994 DVBl 1994, 1249) oder ob sie ihn in Raten zu erbringen hat (BGH vom 4.8.2004 FamRZ 2004, 1633/1634 f.; vgl. auch Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1360 a Rn. 12 m. w. N.).
Scheidet ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss nicht bereits aufgrund der prozesskostenhilferechtlichen Vergleichsberechnung aus, ist eine Prüfung vorzunehmen, die sich nach Unterhaltsrecht richtet. Eine Vorschusspflicht gegenüber dem Ehegatten ist nur dann gegeben, wenn der eigene angemessene Selbstbehalt des Verpflichteten sichergestellt ist (vgl. BGH FamRZ 2004, 1633/1634). Orientierungshilfen für die Berechnung des unterhaltsrechtlich maßgebenden Einkommens sind in den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland (Stand 1. Januar 2013) enthalten. Nach Nr. 21.4 dieser Leitlinien beträgt der Selbstbehalt (= Eigenbedarf) gegenüber Ehegatten grundsätzlich 1.100 €; hierin sind Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 400 € enthalten. Darüber hinaus finden sich in den Leitlinien beispielsweise auch Erläuterungen zur Berücksichtigung von Aufwendungspauschalen (Nr. 1.4).
bb) Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage wird die Begründung des angegriffenen Beschlusses den dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.
(1) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Berücksichtigung des Einkommens der Ehefrau des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Frage, ob diesem Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, anhand der angegriffenen Entscheidung ihrem Grundsatz nach nachvollziehbar ist. Das Einkommen der Ehefrau kann im vorliegenden Fall nur im Rahmen einer möglichen Vorschusspflicht nach § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB von Bedeutung sein. Eine solche Verpflichtung des Ehegatten setzt u. a. voraus, dass der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit betrifft. Zwar zählen zu den persönlichen Angelegenheiten neben den die Person berührenden nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten auch auf vermögensrechtliche Leistungen gerichtete Ansprüche insbesondere dann, wenn sie ihre Wurzeln in der Lebensgemeinschaft der Ehegatten haben, die auch die wirtschaftliche Existenz der Ehegatten umgreift (BGH vom 25.11.2009 NJW 2010, 372/373; LSG Rheinland-Pfalz FamRZ 2011, 1969; Brudermüller in Palandt, BGB, § 1360 a Rn. 14 m. w. N.). Dies dürfte im Hinblick auf den Anspruch eines Ehegatten auf Krankengeld der Fall sein. Der angegriffene Beschluss nimmt zu der grundlegenden Frage der Anwendbarkeit des § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB jedoch keine Stellung. Im Beschluss vom 30. September 2015, in dem über die Gegenvorstellung und die Anhörungsrüge entschieden wurde, wird lediglich ausgeführt, die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland sähen einen Ehegattenunterhaltsanspruch vor, ohne dies näher zu begründen. Allerdings finden sich in einem in den Akten des Prozesskostenhilfeverfahrens enthaltenen Vermerk des Kostenbeamten vom 13. April 2015 zur „Gegendarstellung“ (richtig: Gegenvorstellung) Ausführungen zum familienrechtlichen Kostenvorschuss nach § 1360 a Abs. 4 BGB. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit diese Darlegungen in die richterliche Entscheidungsfindung eingeflossen sind.
(2) Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob bereits dieser Mangel der Begründung verfassungsrechtliche Relevanz hat, da die angegriffene Entscheidung unter einem weiteren Aspekt gegen Art. 118 Abs. 1 BV verstößt. Sie enthält keine nachvollziehbare, aus sich heraus verständliche Berechnung des unterhaltsrechtlich maßgebenden Einkommens der Ehefrau des Beschwerdeführers. Es wird nicht deutlich, inwiefern der Selbstbehalt von 1.100 €, auf den erstmals in der Entscheidung über die Gegenvorstellung und die Anhörungsrüge hingewiesen wird, auf der Grundlage der Berechnung, die der angegriffenen Entscheidung beigefügt war, gewahrt sein soll. Zwar kommt das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration in seiner Stellungnahme anhand einer von ihm vorgenommenen detaillierten Berechnung zu dem Ergebnis, dass die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe zu Recht erfolgt sei. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Verfassungsbeschwerde der Erfolg zu versagen wäre, zumal das Sozialgericht im Gegensatz zum Staatsministerium beispielsweise davon ausgegangen ist, dass die Kreditraten berücksichtigungswürdig sind (vgl. Nr. 10.4 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien). Es wäre Aufgabe des Sozialgerichts gewesen, eine eigenständige und umfassende Berechnung des unterhaltsrechtlich maßgebenden Einkommens der Ehefrau des Beschwerdeführers vorzunehmen und diese in einer nachvollziehbar begründeten Entscheidung darzulegen. Dabei wäre u. a. auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Beschwerdeführer möglicherweise einen Anspruch auf laufenden Unterhalt gegenüber seiner Ehefrau hat.
2. Auf die weitere Rüge einer Verletzung des Art. 91 Abs. 1 BV kommt es damit nicht mehr an.
3. Durch die Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 7. April 2015 wird dessen Beschluss vom 30. September 2015 über die Gegenvorstellung und die Anhörungsrüge gegenstandslos; eine gesonderte Entscheidung darüber ist nicht geboten (vgl. VerfGH vom 12.5.2010 VerfGHE 63, 62/70; vom 14.7.2014 BayVBl 2015, 102/103; vom 18.5.2015 – Vf. 101-VI-13 – juris Rn. 25).
IV.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten (Art. 27 Abs. 4 Satz 1 VfGHG). Einer Entscheidung gemäß Art. 28 Abs. 1 VfGHG über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren bedurfte es daher nicht.


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