Handels- und Gesellschaftsrecht

Abfindungsanspruch nach Kündigung einer Beteiligung

Aktenzeichen  15 O 19843/17

Datum:
8.2.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56604
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 39, § 91 f., § 356, § 431, § 1029
HGB § 105 Abs. 3,§ 132, § 161
BGB § 242, § 319 Abs. 1S. 2, § 738 Abs. 1 S. 2, § 739

 

Leitsatz

Ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne enthält in der Regel die stillschweigende Vereinbarung, dass die Begleichung der betroffenen Forderung für die Dauer der Erstattung des Gutachtens weder gerichtlich durchgesetzt noch außergerichtlich verlangt werden kann, mit der Folge, dass die Forderung in diesem Zeitraum noch nicht fällig ist (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2015 – III ZR 41/15).   (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.570,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klage ist zulässig, erweist sich aber teilweise als unbegründet und teilweise als derzeit unbegründet.
Die Schiedsgutachterabrede in § 23 des Gesellschaftsvertrages steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen (vgl. Zöller, 32. Auflage, § 1029 ZPO, Rdnr. 6), es handelt sich um eine Frage der Begründetheit.
Die Rüge der örtlichen Zuständigkeit wurde ausdrücklich nicht aufrechterhalten, so dass sich die örtliche Zuständigkeit des LG München I jedenfalls aus § 39 ZPO ergibt.
I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 500,00 € zu. Beim Ausscheiden eines Direkt-Kommanditisten richten sich die gegenseitigen Ansprüche nach §§ 161, 132, 105 III HGB in Verbindung mit §§ 738 I Satz 2, 739 BGB. Neben dem positiven oder negativen Auseinandersetzungsguthaben ergeben sich keine weiteren Ansprüche. Auch der Gesellschaftsvertrag sieht keinen entsprechenden Anspruch vor.
II. Der von der Klägerin berechnete Anspruch auf Zahlung des negativen Abfindungsguthabens besteht jedenfalls derzeit noch nicht. Die Klägerin hat die Klage verfrüht erhoben, da sie die Höhe des Abfindungsguthabens nicht durch die Vorlage eines Schiedsgutachtens nachgewiesen hat (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2013, Az: III ZR 52/12).
In § 23 des Gesellschaftsvertrages ist unter Ziffer 6 geregelt, dass die Abfindung durch einen von der Wirtschaftsprüferkammer … zu benennenden Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter verbindlich ermittelt wird, wenn über die Höhe der Abfindung zwischen dem Komplementär und dem ausscheidenden Gesellschafter oder Treugeber kein Einvernehmen erzielt werden kann.
Bei dieser Regelung handelt es sich um die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens im engeren Sinne. Bei dieser Vereinbarung hat der Schiedsgutachter für die Klarstellung des Vertragsinhalts maßgebliche Tatsachen zu ermitteln und für die Parteien verbindlich festzustellen (BGH, aaO)
Ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne enthält in der Regel die stillschweigende Vereinbarung, dass die Begleichung der betroffenen Forderung für die Dauer der Erstattung des Gutachtens weder gerichtlich durchgesetzt noch außergerichtlich verlangt werden kann, mit der Folge, dass die Forderung in diesem Zeitraum noch nicht fällig ist (BGH, NJW-RR 2014, 492; BGH, Urteil vom 05.11.2015 – III ZR 41/15).
Entgegen der Auffassung der Klägerin findet die Schiedsgutachtervereinbarung gemäß § 23 des Gesellschaftsvertrages auf den vorliegenden Fall Anwendung. Der Beklagte hat nicht eingewandt, dass grundsätzlich kein Abfindungsanspruch der Klägerin besteht. Er wendet sich allein gegen die von der Klägerin ermittelte Höhe des Anspruches und ist der Auffassung, dass angesichts der in dem Fondsprospekt angespriesenen bankverbürgten Erlössicherung und der hohen Gewinne der vergangenen Jahre die Einlage hätte vollständig geleistet sein müssen und deshalb kein Negativguthaben vorhanden sein dürfte. Diese Einwände betreffen aber allein die Frage der Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens, welche durch die Einholung des Schiedsgutachtens gelöst werden sollte.
Nach dem Vortrag der Parteien ist auch nicht von einer Undurchführbarkeit der Leistungsbestimmung durch einen Schiedsgutachter auszugehen. Nur in diesem Fall müsste die Bestimmung gemäß § 319 I Satz 2 BGB durch das Gericht erfolgen (vgl. BGH, aaO). Auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts in der Verfügung vom 18.09.2018 (Bl. 45f) erfolgte kein weiterer Vortrag der Parteien. Unstreitig ist deshalb, dass der Beklagte die Einholung eines Musterschiedsgutachtens anbot und nach dem Schreiben der Steuerberaterin vom 12.04.2016 (Anlage K 2) im September 2016 darauf hingewiesen hatte, dass die Berechnung der Klagepartei für ihn nicht nachvollziehbar sei. Am 10.11.2017 begehrte er Auskunft über den Stand der Kapitalkonten, die Anteile an stillen Reserven und am Gewinn sowie über immaterielle Wirtschaftsgüter. Eine Reaktion der Klägerin auf diese Anfrage erfolgte nicht. Da entsprechend der Vereinbarung in § 23 des Gesellschaftsvertrages die Einholung des Schiedsgutachtens durch beide Parteien erfolgen konnte, der Klagepartei im vorliegenden Fall jedoch der Nachweis eines negativen Abfindungsguthabens obliegt, wäre es für die Klagepartei jederzeit möglich gewesen, ein entsprechendes Schiedsgutachten einzuholen. Der Beklagte war hierzu nicht verpflichtet, es bestehen auch keinerlei Mitwirkungspflichten, da sich die für die Erstattung des Gutachtens erforderlichen Unterlagen vollständig bei der Klagepartei befinden.
Aus denselben Gründen ist das Berufen des Beklagten auf die Schiedsgutachterabrede auch nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB anzusehen. Er hatte die Berechnung der Klagepartei bereits frühzeitig als für ihn nicht nachvollziehbar moniert, so dass für die Klagepartei erkennbar war, dass über die Höhe des Abfindungsguthabens keine Einigkeit bestand und die Schiedsgutachtervereinbarung zum Tragen kam.
Auf die weiteren Fragen der Nachvollziehbarkeit des errechneten Abfindungsguthabens sowie des Zinsanspruches kommt es deshalb nicht mehr an.
III. Auch dem Hilfsantrag auf Einräumung einer angemessenen Frist zur Einholung des fehlenden Schiedsgutachtens ist nicht stattzugeben. Die Bestimmung einer Beibringungsfrist gemäß §§ 356, 431 ZPO dient grundsätzlich der zeitlichen Begrenzung der im Rahmen des Verfahrens erforderlichen Beweiserhebung.
Auch der BGH geht in seiner Entscheidung vom 08.06.1988 (Az: VIII ZR 105/87) grundsätzlich davon aus, dass eine Klage verfrüht eingereicht wurde, wenn ein erforderliches Schiedsgutachten nicht eingeholt worden war. Er hält es lediglich im Rahmen einer Ermessensentscheidung des Tatrichters für möglich, entsprechend §§ 356, 431 ZPO eine Frist zur Beibringung eines Schiedsgutachtens zu setzen, nicht aber für verpflichtend. Nachdem der Klagepartei bereits seit dem Jahr 2016 die inhaltlichen Einwände des Beklagten bekannt und genügend Zeit für die Einholung eines Schiedsgutachtens zur Verfügung gestanden hatte, bestand kein Anlass, die Klage nunmehr zu erheben, um anschließend eine Frist zur Einholung des Schiedsgutachtens zu erhalten. Nachdem es sich auch um ein umfangreiches Gutachten handeln dürfte, bei welchem nicht abzusehen ist, in welchem Zeitraum es vorliegen wird, ist dem Beklagten nicht zuzumuten, diesen Zeitraum mit einem laufenden Verfahren abwarten zu müssen. Die mit den Vorschriften der §§ 356, 431 ZPO beabsichtigte zeitliche Begrenzung der Beweiserhebung und Verhinderung der Prozessverschleppung würde in diesem Fall verfehlt werden. Zudem würde eine analoge Anwendung der §§ 356, 431 ZPO dem Zweck der Schiedsgutachtenvereinbarung, einen Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten zu vermeiden, widersprechen.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert war entsprechend der bezifferten Klageforderung gemäß § 3 ZPO festzusetzen.


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