Handels- und Gesellschaftsrecht

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Aktenzeichen  3 U 3687/20

Datum:
15.6.2021
Fundstelle:
MD – 2021, 799
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB §§ 133, 157, 398
ZPO §§ 592, 593, 595

 

Leitsatz

1. Bei einer Sicherungsabtretung von gewerblichen Schutzrechten kann die Auslegung der Vereinbarung ergeben, dass der Sicherungsnehmer gegenüber dem Lizenznehmer des Sicherungsgebers die Lizenzansprüche aus dem übertragenen Schutzrecht geltend machen kann.
2. Es spricht viel dafür, dass „andere Tatsachen“ i.S.v. § 595 Abs. 2 ZPO nur solche Tatsachen sind, auf die der Beklagte seine Einreden oder Einwendungen stützt.

Verfahrensgang

10 O 1693/20 2020-10-29 Vor LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.10.2020, Az. 10 O 1693/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 59.051,47 € festgesetzt.

Gründe

A.
I.
Am 29.04.2014 trafen B… B… (im Folgenden: Lizenzgeber) und M… E… (im Folgenden: Kläger) eine Abtretungsvereinbarung mit u.a. folgenden Regelungen (Anlage K 3):
1. Herr B… B… tritt zur Absicherung von Honoraransprüchen in Höhe von 75.000,00 € sämtliche Rechte an den in Anlage 1) bezeichneten Schutz-, Marken- und Bildrechten sowie an dem in den technischen Zeichnungen verkörpertem Knowhow an Herrn M… E… ab.
2. Herr M… E… nimmt die Abtretung an.
3. Herr B… B… bleibt nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durch Herrn M… E… berechtigt, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung die in Anlage 1) bezeichneten Rechte und das Knowhow an Dritte zu lizenzieren. Die Zustimmung kann nur aus wichtigem Grund verweigert werden. […] Am 17.06.2015 schlossen der Lizenzgeber und der Kläger einen Nachtrag zum Abtretungsvertrag mit auszugsweise folgendem Inhalt (Anlage BK 2):
1. Mit Vereinbarung vom 29.4.2014 hat Herr B… B… sämtliche Rechte an ihm zustehenden Schutz-, Marken- und Bildrechten sowie an Knowhow (technische Zeichnungen) an Herrn M… E… abgetreten. In Ergänzung dieser Abtretung vereinbaren die Parteien folgendes:
2. Herr B… B… beabsichtigt bezüglich der abgetretenen Rechte einen Lizenzvertrag mit der g… GmbH abzuschließen. […]
3. Herr B… B… und Herr M… E… stellen klar, dass die von Herrn B… B… seit Abschluss der Abtretungsvereinbarung getätigten Weiterentwicklungen, das hierdurch gewonnene technische Knowhow, sowie zwischenzeitlich erworbene und/oder eingetragene Schutz-, Marken- und Bildrechte, wie sie Gegenstand des Lizenzvertrages sein werden/sind, sowie deren Fortentwicklungen von der Abtretungsvereinbarung umfasst werden. Dies ist so auch im Lizenzvertrag niedergelegt und dort offengelegt. Zum Umfang wird auf die Anlage verwiesen, welche die ursprüngliche Anlage 1) der Abtretungsvereinbarung vom 29.04.2014 ersetzt.
4. Der Inhalt des Lizenzvertrages ist Herrn M… E… bekannt. Herr M… E… wird dem Lizenzvertrag in der jetzt vorliegenden Form zustimmen und diesen genehmigen.
Am 19.06.2015 schlossen die Beklagte und der Lizenzgeber einen Lizenzvertrag mit auszugsweise folgendem Inhalt (Anlage K 1):
Präambel
… Der Lizenzgeber hat die Schutzrechte samt Knowhow (Schutzgegenstände/Rechte dieses Vertrages gemäß nachfolgender §§ 1, 2 – zukünftig nur Schutzrechte samt/oder und Knowhow genannt) an Herrn M… E… sicherungshalber abgetreten, er ist jedoch berechtigt, diese in eigenem Namen und auf eigene Rechnung unbefristet zu lizenzieren, auch in Form einer ausschließlichen Lizenz. Herr E… wird in einer gesonderten schriftlichen Erklärung diesem Lizenzvertrag zustimmen. […]
§ 3 (Lizenzgewährung/sachlicher Inhalt der Lizenz)
Der Lizenzgeber gewährt dem Lizenznehmer hiermit mit ausdrücklicher Zustimmung und Genehmigung des Sicherungsnehmers eine Lizenz nach Maßgabe der Regelungen dieses Vertrages.[…]
§ 11 Zahlung für Überlassung von Unterlagen und Informationen (Knowhow)
Der Lizenznehmer ist verpflichtet, an den Lizenzgeber innerhalb von 4 Wochen nach Inkrafttreten des Vertrages […] insgesamt einen Betrag von 100.000,00 € zu bezahlen. Die Parteien dieser Vereinbarung sind sich darüber einig, dass dieser Betrag mit Erfüllungswirkung an die Rechtsanwälte B… bezahlt wird.
Ebenfalls am 19.06.2015 genehmigte der Kläger den abgeschlossenen Lizenzvertrag und stimmte den dortigen Regelungen als Sicherungsnehmer zu (Anlage K 2).
Am 20.12.2015 erstellte der Lizenzgeber gegenüber der Beklagten eine Rechnung in Höhe von netto 7.500,00 €, brutto 8.925,00 € (Anlage BK 4) mit folgender Angabe:
Die Einnahmen aus Lizenz sind an Herrn RA E… abgetreten. Die Zahlung kann schuldbefreiend ausschließlich auf unten genanntes Konto bezahlt werden: Konto RA B… […] Diese Rechnung beglich die Beklagte am 28.12.2015 durch Überweisung auf die in der Abtretungsanzeige genannte Bankverbindung der B… Rechtsanwälte (Anlage Q 6).
Am 02.08.2019 schlossen die Beklagte (im dortigen Verfahren die Klägerin) und der Lizenzgeber (im dortigen Verfahren der Beklagte) vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. 4 HK O 4791/18) einen gerichtlichen Vergleich mit u.a. folgenden Regelungen (Anlage K 4):
II.
Die Klägerin übermittelt dem Beklagten bis 31.08.2019 detaillierte Lizenzabrechnungen […] für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 30.06.2019. Die Klägerin verpflichtet sich, die sich aus den Abrechnungen zusätzlich zu dem Betrag gemäß III. ergebenden Beträge auf das unten genannte Konto an den Beklagten nach Rechnungsstellung zu bezahlen.
III.
Die Klägerin verpflichtet sich an den Beklagten einen Betrag in Höhe von 18.836,74 € netto (14.868,87 € + 3.967,87 € […]) zzgl. 19% Umsatzsteuer, soweit der Beklagte umsatzsteuerpflichtig ist und es sich insgesamt um einen umsatzsteuerpflichtigen Vorgang handelt, zu bezahlen, vorbehaltlich auf Dritte übergegangene Ansprüche. Die Zahlung erfolgt auf das Konto der Kanzlei B… […].
Am 05.08.2019 erstellte der Lizenzgeber gegenüber der Beklagten eine Rechnung in Höhe von netto 18.836,74 €, brutto 22.415,72 € (Anlage BK 5) unter Angabe der Abtretungsanzeige wie aus der Rechnung vom 20.12.2015. Diese Rechnung beglich die Beklagte am 23.08.2019 durch Überweisung des Betrags auf die in der Abtretungsanzeige genannte Bankverbindung der B… Rechtsanwälte (Anlage Q 6).
Die gegenwärtige vom Kläger verfolgte Forderung geht auf eine Abrechnung der Beklagten zurück, die mit Anwaltsschreiben vom 28.08.2019 gegenüber dem Kläger, der im Verfahren 4 HK O 4791/18 der Prozessbevollmächtigte des Lizenzgebers gewesen war, Auskunft erteilte (Anlage K 5 und K 6). Auf der Basis dieser Abrechnungen erstellte der Lizenzgeber gegenüber der Beklagten am 05.09.2019 die Rechnung in Höhe von netto 49.623,09 €, brutto 59.051,47 € (Anlage K 7). Auch in dieser Rechnung ist die gleiche Abtretungsanzeige wie in der Rechnung vom 20.12.2015 enthalten.
II.
Am 29.10.2020 erließ das Landgericht Nürnberg-Fürth im Urkundsprozess folgendes Vorbehaltsurteil:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 59.051,47 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.09.2019 zu zahlen.
Dagegen wendet sich die Beklagte in ihrer Berufung. Sie beantragt,
Das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.10.2020 zu dem gerichtlichen Az: 10 O 1693/20 wird aufgehoben und die Klage, welche im Urkundenprozess erhoben wurde, insgesamt abgewiesen.
Zur Begründung führt die Beklagte u.a. aus, dass das Landgericht Nürnberg-Fürth zu Unrecht von einer Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen sei. Es fehle an der Bestimmtheit der Abtretung, da die Anlage 1) zur Abtretungsurkunde (zunächst) nicht vorgelegt worden sei. Die nunmehr vorgelegte Anlage trage das Datum 15.05.2015 und könne sich daher nicht auf die Abtretungsvereinbarung vom 29.04.2004 beziehen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine Sicherungsabtretung handele. Abgetreten seien nur die Schutzrechte samt Knowhow, jedoch gerade nicht die hier ausschließlich und allein streitgegenständlichen Lizenzansprüche. Schließlich habe das Erstgericht verkannt, dass weder Originalurkunden noch beglaubigte Abschriften mit der Anspruchsbegründung vorgelegt worden seien, sodass auch deswegen eine zusprechende Entscheidung im Urkundenprozess von vornherein nicht ergehen hätte dürfen.
Der Kläger verteidigt das Ersturteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Zur Begründung führt er u.a. aus, dass er berechtigt sei, die streitgegenständliche Lizenzgebühr geltend zu machen.
Mit Schriftsatz vom 28.04.2021 legte der Kläger die Anlage 1) zum streitgegenständlichen Lizenzvertrag in ausgedruckter Form vor (Anlagenkonvolut BK 3.1-3.6). In der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2021 trug der Kläger dazu vor, dass zwar zutreffend sei, dass die Anlage 1) der Anlage 1) vom 15.05.2015 datiere. Im Zeitpunkt der Abtretung vom 29.04.2014 habe die entsprechende Anlage jedoch ein anderes Datum und einen reduzierten Inhalt gehabt. Der jetzige Gesamtinhalt der Anlage 1) beziehe sich auf den Nachtrag zum Abtretungsvertrag vom 17.06.2015. In der nunmehr vorgelegten Anlage 1) sei der Inhalt der zum 29.04.2014 existierenden Anlage 1) enthalten.
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz der Beklagten vom 09.06.2021 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Denn das Landgericht ging zu Recht davon aus, dass die Urkundsklage zulässig und begründet ist.
I.
Die besonderen Statthaftigkeitsvoraussetzungen des Urkundenprozesses sind gegeben.
1. Die rechtzeitige Erklärung des Klägers, dass er im Urkundenprozess klagt (§ 593 Abs. 1 ZPO), liegt vor. Denn nach § 593 Abs. 1 ZPO muss (erst) die Klage die Erklärung enthalten, dass im Urkundenprozess geklagt werde. Zwar wird, wenn der Antragsteller bereits im Mahnverfahren einen Urkundenmahnbescheid erwirkt und dagegen Widerspruch erhoben wird, die Streitsache automatisch gemäß § 703a Abs. 2 Nr. 1 ZPO im Urkundenprozess anhängig. Daraus folgt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass bei einem „normalen“ Mahnbescheid eine Bindungswirkung dahingehend eintreten würde, dass in der Klageschrift keine Erklärung nach § 593 Abs. 1 ZPO erfolgen kann.
Darüber hinaus würde der Senat einen Wechsel vom ordentlichen Verfahren in den Urkundenprozess als sachdienlich gemäß § 263 ZPO analog ansehen (vgl. BGH, Urteil vom 06.06.1977 – III ZR 116/75, NJW 1977, 1883, juris-Rn. 20). Denn es sind noch keine Prozesshandlungen vorgenommen oder gerichtliche Maßnahmen durchgeführt worden, die im Urkundenprozess unstatthaft sind (vgl. Kratz, in BeckOK ZPO, 40. Ed. 01.03.2021, § 593 ZPO Rn. 3).
2. Der Kläger tritt für die anspruchsbegründenden Tatsachen den Beweis durch Urkunden an (§ 592 S. 1 ZPO) und hat diese gemäß § 595 Abs. 3 ZPO vorgelegt.
a) Die Zulässigkeit des Urkundenprozesses setzt nach § 592 S. 1 ZPO voraus, dass sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Die Urkunden, aus denen sich der Anspruch ergibt, müssen im Original oder in beglaubigter Abschrift vorgelegt werden (§ 593 Abs. 2 ZPO). Unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen bedürfen jedoch auch im Urkundenverfahren keines Beweises und somit auch keiner Urkundenvorlage (BGH, Urteil vom 22.10.2014 – VIII ZR 41/14, NJW 2015, 475 Rn. 14). Darüber hinaus reicht die Vorlage einer Kopie aus, wenn die Echtheit und die Übereinstimmung mit dem Original unstreitig sind (OLG München, Urteil vom 21.11.2019 – 23 U 4170/18, juris-Rn. 36).
Im vorliegenden Fall durfte die Klagepartei sich mit der Vorlage von unbeglaubigten Fotokopien und Abschriften der Urkunden begnügen. Denn die Existenz der unter Ziffer A.I. dargestellten Verträge ist unstreitig. Auch werden die Echtheit und die Übereinstimmung mit dem Original von der Beklagten nicht bestritten. Nur die daraus resultierenden Rechtsfolgen stehen im Streit.
b) Auch der vom Kläger mit Schriftsatz vom 28.04.2021 vorgelegte Ausdruck der Anlage 1) zum Abtretungsvertrag stellt eine Urkunde i.S.v. § 592 S. 1 ZPO dar.
Elektronische Dokumente sind keine Urkunden, sondern Augenscheinsobjekte, wie sich aus § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO und insbesondere § 371a ZPO ergibt. Der Ausdruck elektronischer Dokumente hingegen ist als Beweismittel im Urkundenprozess anerkannt (OLG München, Hinweisbeschluss vom 20.03.2012 – 7 U 3199/11; OLG München, Urteil vom 21.11.2019 – 23 U 4170/18, Rn. 38). Das gesteigerte Fälschungsrisiko derartiger Dokumente ist lediglich bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (Voit, in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 592 Rn. 12). Nur wenn die Echtheit des Ausdrucks bestritten wird und es auf die Vorlage der elektronischen Fassung ankommt, kann dieser Augenscheinsbeweis im Urkundenprozess nicht angetreten werden und die Klage ist nach § 597 Abs. 2 ZPO abzuweisen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 13.03.2006 – 5 W 162/06, MDR 2006, 888).
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Anlage 1) zum Lizenzvertrag um eine CD-ROM. Deren Ausdruck kann ein Beweismittel im Urkundenverfahren sein. Die Echtheit des Ausdrucks ist nicht bestritten. Der Kläger hat die Urkunde auch gemäß § 420 ZPO vorgelegt, indem er das Konvolut dem Gericht übersandte. Im Termin vom 25.06.2021 sind die Ausdrucke daraufhin zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
II.
Die Klage ist auch begründet.
1. Die Auslegung der vorgelegten Urkunden ergibt zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger aufgrund der erfolgten Abtretung für den geltend gemachten Lizenzgebührenanspruch aktivlegitimiert ist.
a) Die Voraussetzungen des § 592 ZPO sind bereits dann erfüllt, wenn der Inhalt der vorgelegten Urkunden für das Gericht ausreicht, um im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO den von dem Kläger behaupteten Sachverhalt feststellen zu können (BGH, Urteil vom 13.02.2006 – II ZR 62/04, NJW-RR 2006, 760 Rn. 16). Die Urkunde muss nicht den Anspruch bzw. die anspruchsbegründenden Tatsachen unmittelbar belegen; vielmehr reicht es aus, dass mit der Urkunde eine Indiztatsache bewiesen wird, die den Schluss auf die anspruchsbegründende Tatsache zulässt (BGH, Urteil vom 22.03.1995 – VIII ZR 191/93, NJW 1995, 1683, juris-Rn. 22). Gleiches gilt, wenn erst durch Auslegung der Anspruch aus der Urkunde zu entnehmen ist (OLG Köln, Beschluss vom 10.06.2014 – I-11 U 74/14, MDR 2014, 1022, juris-Rn. 4).
Bei der Auslegung von einzelvertraglichen Vereinbarungen ist nach §§ 133, 157 BGB der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei seiner Willenserforschung sind aber auch der mit der Absprache verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (BGH, Urteil vom 08.04.2020 – XII ZR 120/18, NJW-RR 2020, 656, Rn. 15).
Zu ermitteln ist der objektive Sinn der Bestimmungen. Dabei ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass eine vertragliche Bestimmung nach dem Willen der Parteien einen bestimmten, rechtserheblichen Inhalt haben soll. Deshalb ist einer möglichen Auslegung der Vorzug zu geben, bei welcher der Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung ansonsten als ganz oder teilweise sinnlos erweisen würde (BGH, Urteil vom 07.03.2005 – II ZR 194/03, NJW 2005, 2618, juris-Rn. 21).
Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinn verstanden, so geht der wirkliche Wille des Erklärenden dem Wortlaut vor, und eine abweichende Auslegung kommt nicht in Frage (BGH, Urteil vom 07.12.2001 – V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, juris-Rn. 14). Weiter gilt das Gebot der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung und der Berücksichtigung des durch die Parteien beabsichtigten Zwecks des Vertrags (BGH, Urteil vom 17.03.2011 – I ZR 93/09, GRUR 2011, 946, Rn. 18 – KD).
b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ergibt die Auslegung unter Berücksichtigung der vorliegend maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, dass der Kläger den Lizenzgebührenanspruch geltend machen kann.
aa) Der Wortlaut der Vereinbarungen spricht dafür, dass Gegenstand der Abtretung auch die Ansprüche des Lizenzgebers auf die vertraglich vereinbarte Vergütung waren.
Der Wortlaut der Abtretungsvereinbarung vom 29.04.2014 zwischen dem Lizenzgeber und dem Kläger bezieht sich auf „sämtliche Rechte an den in Anlage 1) bezeichneten Schutz-, Marken- und Bildrechten sowie an dem in den technischen Zeichnungen verkörpertem Knowhow“. Zu diesen Rechten an den Schutzrechten zählt auch das Recht des Lizenzgebers (oder der Anspruch) auf die vertraglich vereinbarte Vergütung (vgl. § 32 Abs. 1 S. 1 UrhG). Denn die Zahlung der Lizenzgebühr stellt die Hauptleistungspflicht des Lizenznehmer (Pahlow, in BeckOGK, 01.05.2021, § 581 BGB Rn. 306; Hacker, in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl. 2021, § 30 Rn. 67) und damit das „Hauptrecht“ des Lizenzgebers an dem Schutzrecht dar.
Dafür, dass (auch) dem Kläger als Sicherungsnehmer die streitgegenständlichen Erträge aus den übertragenen Schutzrechten zustehen sollen, spricht darüber hinaus der Wortlaut des Nachtrags zum Abtretungsvertrag vom 17.06.2015, in welchem ausdrücklich der beabsichtigte Lizenzvertrag bezüglich der abgetretenen Rechte zwischen dem Lizenzgeber und der Beklagten genannt wird. Zum einen wird darin ausgeführt, dass sich die Abtretung auf „sämtliche Rechte an ihm zustehenden Schutz-, Marken- und Bildrechten sowie an Knowhow“ beziehen würde, somit auch auf die Rechte an der Lizenzgebühr. Zum anderen ergeben die Ausführungen, wonach dem Kläger – also dem Sicherungsnehmer – der Inhalt des beabsichtigten Lizenzvertrages bekannt sei und er diesem in der jetzt vorliegenden Form zustimmen und diesen genehmigen werde, vor allem dann Sinn, wenn Gegenstand der Abtretung auch das Recht des Sicherungsnehmers umfassen sollte, Lizenzerlöse zu verlangen.
Im Lizenzvertrag vom 19.06.2015 zwischen der Beklagten und dem Lizenzgeber wird in der Präambel des Lizenzvertrags auf die sicherungshalber erfolgte Abtretung der Schutzrechte samt Knowhow an den Kläger sowie die Möglichkeit, dass der Lizenzgeber in eigenem Namen und auf eigene Rechnung unbefristet lizenziert, ausdrücklich hingewiesen. Außerdem erfolgt ein Hinweis darauf, dass der Kläger in einer gesonderten schriftlichen Erklärung diesem Lizenzvertrag zustimmen werde. Auch in § 3 ist geregelt, dass der Lizenzgeber dem Lizenznehmer „mit ausdrücklicher Zustimmung und Genehmigung des Sicherungsnehmers eine Lizenz nach Maßgabe der Regelungen dieses Vertrages“ gewährt. Darüber hinaus ist hinsichtlich der einzigen sofort fälligen Zahlung in § 11 des Vertrags geregelt, dass die Parteien dieser Vereinbarung sich darüber einig sind, dass dieser Betrag mit Erfüllungswirkung an die Rechtsanwälte B… bezahlt wird. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger am gleichen Tag die Genehmigung für diesen Vertrag erteilte und dabei Bezug auf seine Stellung als Sicherungsnehmer nahm.
bb) Gegen die Aktivlegitimation des Klägers spricht im vorliegenden Fall nicht, dass die Abtretung der Schutzrechte und sonstigen Rechte „zur Absicherung von Honoraransprüchen in Höhe von 75.000,00 €“ erfolgte. Denn auch bei einer Sicherungsabtretung kann im Einzelfall vereinbart sein, dass der Sicherungsnehmer die Erträge aus dem übertragenen Schutzrecht geltend machen kann.
(1) Nach § 413 BGB finden die Vorschriften über die Übertragung von Forderungen auf die Übertragung anderer Rechte entsprechende Anwendung. Ein Hauptanwendungsbereich des § 413 BGB sind die gewerblichen Schutzrechte. Auch eine Sicherungsabtretung richtet sich nach §§ 398, 413 BGB und ermöglicht den Einsatz von geistigem Eigentum als Kreditsicherheit (Lieder, in BeckOGK, 01.04.2021, § 413 BGB Rn. 19). Insbesondere können bspw. Patentrechte (Loth/Hauck, in BeckOK PatR, 20. Ed. 15.04.2021, § 15 PatG Rn. 11), Designrechte (Eichmann/Jestaedt, in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, DesignG 6. Aufl. 2019, § 29 Rn. 6) oder Markenrechte (Taxhet, in BeckOK MarkenR, 25. Ed. 01.04.2021, § 27 MarkenG Rn. 19) nach §§ 398, 413 BGB übertragen werden. Sie können auch Gegenstand von Sicherungsabtretungen sein (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 27 Rn. 13).
(2) Der Sicherungsabtretung ist es nicht wesensfremd, dass sich der Sicherungsnehmer aus dem Abtretungsgegenstand auf andere Weise als durch Verwertung befriedigen kann.
Bei der Sicherungsübereignung sind andere Verwertungsarten als die Veräußerung – wie beispielsweise die Nutzungsziehung – von der Verwertungsbefugnis ohne besondere Vereinbarung nicht umfasst, weshalb Nutzungen gemäß § 100 BGB aus dem Sicherungsgut in der Latenzphase im Zweifel dem Sicherungsgeber zustehen (BGH, Urteil vom 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226, juris-Rn. 27). Neben dem Veräußerungsrecht gehört ein weiteres Recht, etwa das auf die gezogenen Nutzungen, somit nur dann zum Inhalt der Verwertungsbefugnis, wenn die Parteien der Sicherungsabrede dies vereinbart haben (BGH, Urteil vom 26.09.2006 – XI ZR 156/05, NJW 2007, 216, Rn. 19).
Bei der Sicherungsabtretung von Forderungen kann der Zedent zwar weiterhin Zahlung an sich selbst verlangen. Nach seinem Belieben kann er jedoch auch – unter Offenlegung der Zession – Zahlung an den Zessionar begehren (BGH, Urteil vom 17.01.2002 – VII ZR 490/00, NJW 2002, 1568, juris-Rn. 15). Im Außenverhältnis zum Schuldner hat der Sicherungsnehmer alle Gläubigerrechte, weshalb er die Forderung außergerichtlich und gerichtlich einziehen, sich daraus befriedigen sowie in jeder Weise über sie verfügen kann (Busche, in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Einleitung zu §§ 398 ff. Rn. 90, 91). Diese Möglichkeit, sich wegen einer ihm zustehenden Forderung gegen den Sicherungsgeber aus der übertragenen Forderung zu befriedigen, stellt den wesentlichen wirtschaftlichen Zweck der Sicherungsabtretung dar (Busche, a.a.O. Einleitung zu §§ 398 ff. Rn. 65).
Wenn keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wird, ist die Sicherungsübertragung eines gewerblichen Schutzrechts regelmäßig dahin auszulegen, dass der Zedent alle ihm an dem konkreten Schutzrecht zustehenden Rechte sicherungsübereignet. Der Zessionar als der Sicherungsnehmer erlangt im Außenverhältnis die volle Rechtsstellung als Schutzrechtsinhaber (vgl. Fezer, in MarkenR, 4. Aufl. 2009, § 27 MarkenG Rn. 85). Somit kann der Sicherungsnehmer im Außenverhältnis grundsätzlich auch die Bezahlung von Lizenzgebühren geltend machen.
(3) Bei einer Sicherungsübertragung eines Schutzrechts ist sicherzustellen, dass der Sicherungsgeber seine Nutzungsbefugnis nicht verliert. Häufig ist er auf die Nutzung seiner Schutzrechte angewiesen, weil er hiermit die Mittel erwirtschaftet, die er zur Rückzahlung der gesicherten Forderung benötigt (vgl. Haedicke, in Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Aufl. 2020, § 11. Das Patent als Gegenstand des Rechtsverkehrs, Rn. 250; Eichmann/Jestaedt, in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, DesignG, 6. Aufl. 2019, § 29 Rn. 6).
Dies ist im vorliegenden Fall gewährleistet. Denn nach Ziffer 3. der Abtretungsvereinbarung bleibt der Lizenzgeber nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durch den Kläger berechtigt, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung die in Anlage 1) bezeichneten Rechte und das Knowhow an Dritte zu lizenzieren.
cc) Für ein Recht des Klägers, die streitgegenständlichen Lizenzansprüche geltend machen zu können, spricht auch der Sinn und Zweck der Abtretungsvereinbarung. Denn nach der Abtretungsvereinbarung stehen dem Kläger gegenüber dem Lizenzgeber Ansprüche aus Beratertätigkeit in Höhe von 75.000,00 € zu. Eine Tilgung dieser Verbindlichkeiten ist ein offenkundiges Anliegen sowohl des Klägers als Gläubiger als auch des Lizenzgebers als Schuldner, weshalb eine Regelung, wonach dem Kläger die Lizenzeinnahmen zustehen, der Interessenlage der Parteien des Abtretungsvertrags entspricht. Rein wirtschaftlich macht es aus Sicht der Vertragsparteien insoweit keinen Unterschied, ob sich der Lizenzgeber die Lizenzgebühren zunächst selbst auszahlen lässt und dann an den Kläger weiterleitet, oder ob die Zahlung direkt an den Kläger erfolgt.
dd) In die Auslegung ist der Umstand einzubeziehen, dass die Parteien des streitgegenständlichen Abtretungsvertrags diesen offensichtlich dahingehend verstanden und auch entsprechend „gelebt“ haben, dass dem Kläger als Sicherungsnehmer das Recht zustehen sollte, die Erträge aus den übertragenen Schutzrechten geltend zu machen. Auch die Beklagte hat sich bislang bis zu diesem Rechtsstreit nicht gegen eine derartige Auslegung gewandt.
So ist im gerichtlichen Vergleich vom 02.08.2019 zwischen der Beklagten und dem Lizenzgeber (Az. 4 HK O 4791/18) unter Ziffer III. aufgeführt, dass die Zahlung der (streitgegenständlichen) Lizenzgebühr auf das Konto der Kanzlei B… erfolgen solle. Der hiesige Kläger (der Prozessbevollmächtigter des Lizenzgebers im Verfahren 4 HK O 4791/18 war) ist Rechtsanwalt dieser Kanzlei.
Auch in der Rechnung des Lizenzgebers gegenüber der Beklagten heißt es, dass die Einnahmen aus Lizenz an den Kläger abgetreten seien und schuldbefreiend nur auf das Konto der Kanzlei B… gezahlt werden könne. Mit dieser Abtretungsanzeige ist klargestellt, dass sich auch aus Sicht des Lizenzgebers der Abtretungsvertrag vom 29.04.2014 auf die streitgegenständlichen Lizenzgebühren erstreckt und die Beklagte nicht Gefahr läuft, deswegen nochmals vom Lizenzgeber in Anspruch genommen zu werden. Hierin kommt zum Ausdruck, dass auch der Lizenzgeber davon ausging, dass Gegenstand der Abtretung auch die Ansprüche des Lizenzgebers auf die vertraglich vereinbarte Vergütung waren.
Schließlich kann im Rahmen der Auslegung nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beklagte die vorangegangenen Rechnungen des Lizenzgebers vom 20.12.2015 und 05.08.2019 unter Angabe der identischen Abtretungsanzeige durch Überweisung des Betrags auf die in der Abtretungsanzeige genannte Bankverbindung des Klägers beglich, ohne dessen Aktivlegitimation gerügt zu haben.
ee) Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass der Kläger gleichzeitig der anwaltliche Vertreter des Lizenzgebers war und dass teilweise der Lizenzgeber selbst vertragliche Rechte aus dem Lizenzvertrag mit der Beklagten geltend machte. Dies führt jedoch nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis.
Eine andere Auslegung ist nicht aufgrund der Tatsache veranlasst, dass in dem Verfahren 4 HKO 4791/18 der Kläger als damaliger Prozessbevollmächtigter des Lizenzgebers den Lizenzanspruch im Namen des Lizenzgebers gegenüber der Beklagten geltend machte und im gerichtlichen Vergleich vom 02.08.2019 eine Lizenzzahlungsverpflichtung der Beklagten an den Lizenzgeber – auf ein Kanzleikonto des Klägers – vereinbart wurde (vgl. dazu bereits unter Ziffer B.II.1.b) dd)). Denn nach der Sicherungsabtretungsvereinbarung vom 29.04.2014 blieb der Lizenzgeber berechtigt, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung die Schutzrechte an Dritte zu lizenzieren. Dies stellt inhaltlich eine Einzugsermächtigung dar, aufgrund welcher der Lizenzgeber berechtigt ist, Zahlung an sich zu verlangen. Eine Offenlegung der Abtretung ist dabei nicht Voraussetzung (BGH, Urteil vom 23.03.1999 – VI ZR 101/98, NJW 1999, 2110, juris-Rn. 12).
Gleiches gilt in Bezug auf die Kündigung des Lizenzvertrags vom 10.05.2017 durch den Lizenzgeber (Anlage B 3). Denn auch die vertraglichen Gestaltungsrechte verbleiben beim Zedenten, sofern nicht der Inhalt der Sicherungsabrede, welche der Zession zu Grunde liegt, dem entgegensteht (BGH, Urteil vom 17.01.2002 – VII ZR 490/00, NJW 2002, 1568, juris-Rn. 15). Letzteres ist hier nicht der Fall. Nach dem Inhalt der Sicherungsabrede dient die Abtretung der Sicherung von Honorarforderungen des Klägers. Nachdem ausweislich der Kündigungserklärung trotz mehrfach gesetzter Fristen eine Zahlung durch die Beklagte nicht erfolgte, wird der Sicherungszweck durch die Kündigung gemäß § 20 des Lizenzvertrags nicht beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kündigungserklärung vom Kläger als Prozessbevollmächtigten des Lizenzgebers abgegeben wurde.
c) Der neue Tatsachenvortrag im Schriftsatz der Beklagten vom 09.06.2021, insbesondere zu einer E-Mail des Klägers vom 01.09.2015, unterfällt §§ 525, 296a ZPO. Notwendigkeit bzw. Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1, 2 ZPO wieder zu eröffnen, ergibt sich daraus nicht. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger mit dem Urkundenprozess schneller als im ordentlichen Verfahren zu einem vollstreckbaren Titel verholfen werden soll (BGH, Urteil vom 18.09.2007 – XI ZR 211/06, NJW 2008, 523, Rn. 20) und das Nachverfahren bereits beim Landgericht Nürnberg-Fürth anhängig ist.
2. Soweit die Beklagte zum Beweis der Tatsache, dass die Lizenzgebührenansprüche, welche sich aus dem streitgegenständlichen Lizenzvertrag ergeben, tatsächlich nur dem Lizenzgeber und nicht dem Kläger zustünden, die eidliche Parteieinvernahme des Klägers beantragt, braucht der Senat diesem Beweisangebot nicht nachzukommen.
a) Es ist bereits fraglich, ob es sich dabei um einen im Urkundsverfahren zulässigen Beweisantrag handelt.
aa) Gemäß § 595 Abs. 2 ZPO ist der Antrag auf Parteivernehmung nur für andere als die im § 592 ZPO erwähnten Tatsachen zulässig. Tatsachenbehauptungen, die der Begründung des geltend gemachten Anspruchs dienen, können nach § 592 ZPO nur durch Urkunden bewiesen werden. Für andere Tatsachen ist auch der Antrag auf Parteivernehmung zulässig.
bb) Es ist umstritten, was unter „andere Tatsachen“ i.S.v. § 595 Abs. 2 ZPO zu verstehen ist.
Nach einer Auffassung ist für die vom Beklagten vorgebrachten Mittel des Gegenbeweises die Vorschrift des § 595 Abs. 2 ZPO einschlägig. Die Regelung des § 592 ZPO gelte seiner Funktion nach für den Beweis, der dem Kläger im Hinblick auf die Anspruchsbegründung obliegt, nicht dagegen auf das Verteidigungsvorbringen des Beklagten, mag sich dieses auch auf die anspruchsbegründenden Tatsachen beziehen (Braun/Heiß, in MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, § 595 ZPO Rn. 11).
Nach anderer Auffassung bezieht sich die Vorschrift des § 595 Abs. 2 ZPO nur auf Einwendungen und Einreden – wie der Erfüllung, Stundung oder Arglist – des Beklagten (Greger, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 595 Rn. 6). Andere Tatsachen i.S. dieser Regelung sind nur rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden des Beklagten (Kratz, in BeckOK ZPO, 40. Ed. 01.03.2021, § 595 ZPO Rn. 11), also Tatsachen, auf die der Beklagte seine Einwendungen stützt (Voit, in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 595 Rn. 6).
cc) Der Senat tendiert dazu, der letztgenannten Auffassung zu folgen.
Dafür spricht zum einen der Wortlaut des § 595 Abs. 2 ZPO, der nur auf andere als der im § 592 ZPO erwähnten Tatsachen – also Tatsachen, die nicht zur Begründung des Anspruchs erforderlich sind – anwendbar ist. Was zur Anspruchsbegründung gehört, bestimmt sich nach den Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Anspruchsnorm und nach Beweislastgrundsätzen (Greger, a.a.O., § 592 ZPO Rn. 8). Da es sich bei der Frage der Abtretung der streitgegenständlichen Forderung um eine Tatsachenbehauptung handelt, die der Begründung des geltend gemachten Anspruchs dient, ist der Beweis (und der Gegenbeweis) nur durch Urkunden möglich.
Für die letztgenannte Auffassung spricht auch die Vorschrift des § 598 ZPO. Diese Vorschrift zieht die Konsequenz aus der Beschränkung der Beweismittel durch § 595 Abs. 2 ZPO und der Möglichkeit, im Nachverfahren den Beweis vollständig führen zu können (Voit, in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 598 Rn. 1); sie stellt klar, dass die Einwendungen, die wegen der Beweismittelbeschränkung nach § 595 Abs. 2 ZPO im Urkundenprozess unbeachtet bleiben, nicht endgültig verloren gehen (Greger, a.a.O., § 598 ZPO Rn. 1). Diese Vorschrift bezieht sich ausdrücklich auf Einwendungen des Beklagten. Zurückzuweisende Einwendungen sind dabei solche, die der Beklagte wegen Fehlens oder Unzulänglichkeit im Urkundenprozess zulässiger Beweismittel (§ 595 Abs. 2 ZPO) nicht bewiesen hat, sei es auch infolge Entkräftung seiner Beweismittel durch Gegenvortrag des Klägers (Greger, a.a.O., § 598 ZPO Rn. 2; vgl. auch Kratz, in BeckOK ZPO, 40. Ed. 01.03.2021, § 598 Rn. 1).
b) Darauf kommt es jedoch nicht in entscheidungserheblicher Weise an. Denn der erstmals in der Berufung gestellte Beweisantrag unterfällt § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO. Die Beklagte trägt nichts dazu vor, warum sie diesen Antrag – und damit ein Angriffsmittel i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO – unter Beachtung der allgemeinen Prozessförderungspflicht nicht bereits in erster Instanz gestellt hatte. Auf eine Verzögerung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz kommt es dabei nicht an.
3. Die Abtretungsvereinbarung vom 29.04.2014 zwischen dem Lizenzgeber und dem Kläger ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Abtretung vor dem Hintergrund der nunmehr vorgelegten Anlage 1) zum Abtretungsvertrag hinreichend bestimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass es sich um eine zukünftige Forderung handelt.
a) Eine Abtretung nach § 398 BGB ist nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist. An dem Erfordernis der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit fehlt es, wenn von mehreren selbstständigen Forderungen ein Teil abgetreten wird, ohne dass erkennbar ist, von welcher oder von welchen Forderungen ein Teil abgetreten werden soll (BGH, Urteil vom 11.05.2017 – IX ZR 238/15, NJW 2017, 3373, Rn. 25).
Im vorliegenden Fall bezieht sich der Abtretungsvertrag auf sämtliche Rechte an den in Anlage 1) bezeichneten Schutz-, Marken- und Bildrechte sowie an dem in den technischen Zeichnungen verkörpertem Knowhow. Da mittlerweile dem Senat diese Anlage 1) vorliegt, ist der Gegenstand der Abtretung hinreichend bestimmt. Zwar handelt es sich bei der Anlage 1) zum Abtretungsvertrag um ein sehr umfangreiches Konvolut von unterschiedlichen Schutzrechten, Zeichnungen und anderem „Know How“. Dies steht jedoch der Bestimmbarkeit der Abtretung nicht entgegen, da nach dem Wortlaut der Vereinbarung sämtliche Rechte des Lizenzgebers an ihm zustehenden Schutz-, Marken- und Bildrechten sowie an Knowhow abgetreten wurden.
Der Senat ist davon überzeugt, dass Gegenstand der Abtretung vom 29.04.2014 die Rechte waren, welche in der Anlage 1) der damaligen Vereinbarung aufgeführt waren. Zwar hat der Kläger die Anlage der damaligen Fassung nicht vorgelegt, sondern lediglich eine Anlage 1) vom 15.05.2015, die sich auf den Nachtrag zum Abtretungsvertrag vom 17.06.2015 bezieht. Aufgrund der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, gegen die sich die Beklagte nicht wandte, ist der Senat jedoch davon überzeugt, dass im Zeitpunkt der Abtretung vom 29.04.2014 eine entsprechende Anlage 1) mit einem reduzierten Inhalt existierte. Dies ist für die Frage der Bestimmtheit der Abtretung ausreichend.
b) Dass die Abtretungsvereinbarung vom 29.04.2014 und der Nachtrag zum Abtretungsvertrag vom 17.06.2015 zeitlich vor dem Lizenzvertrag vom 19.06.2015 abgeschlossen wurden, steht einer Aktivlegitimation des Klägers in Bezug auf die Lizenzgebührenansprüche nicht entgegen.
Forderungen sind ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und der Entstehung übertragbar, so dass auch die Abtretung künftiger Ansprüche möglich ist. Voraussetzung für die Abtretung künftiger Forderungen ist, dass diese individuell hinreichend bestimmt oder bestimmbar sind. Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt der Abtretung der anspruchsbegründende Tatbestand (Rechtsgrund) für den künftigen Anspruch, wie etwa bei Anwartschaftsrechten oder Dauerschuldverhältnissen, schon gelegt ist (künftige Forderung im weiteren Sinn) oder wenn das Rechtsverhältnis oder die Rechtsgrundlage, aus der der künftige Anspruch erwachsen soll, noch nicht besteht, gleichwohl aber die Entstehung der Forderung zur Zeit der Abtretung jedenfalls möglich erscheint (künftige Forderung im engeren Sinn), wie zum Beispiel bei Forderungen aus erst abzuschließenden Austauschverträgen. Erforderlich für eine Abtretung künftiger Forderungen ist, dass deren tatbestandliche Voraussetzungen schon in der Person des Zedenten vollständig zumindest angelegt waren oder jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass sie sich bei ihm ohne die Abtretung ebenfalls erfüllen könnten (BGH, Urteil vom 20.04.2017 – III ZR 398/15, NJOZ 2018, 908, Rn. 17).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Bei Abschluss des Abtretungsvertrags war – insbesondere vor dem Hintergrund des oben unter Ziffer B.II.1.b) dargestellten Inhalts der Abtretungsvereinbarung und des Nachtrags zum Abtretungsvertrag sowie des Lizenzvertrags – die rechtliche Grundlage respektive der maßgebliche Lebenssachverhalt, welchem die künftige Forderung entspringt, so genau umschrieben, dass die Lizenzgebührenansprüche im Zeitpunkt ihrer späteren Entstehung der Vorausabtretung eindeutig zugeordnet werden können.
4. Die Höhe des geltend gemachten Lizenzanspruchs ist unstreitig und ergibt sich aus der Auskunft der Beklagten.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgte in Anwendung von §§ 3 ZPO, 48 GKG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat. Streitentscheidend sind vor allem Tatsachenfragen wie die Auslegung der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien und dem Lizenzgeber. Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht geboten; widersprüchliche Entscheidungen zu den maßgeblichen Rechtsfragen liegen nicht vor.


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