Handels- und Gesellschaftsrecht

Anfechtung, Grundbuch, Offenbarung, Zahlung, Mord, Kenntnis, Annahmeverzug, Rechtsanwaltskosten, Zinsen, Haftung, Verzug, Vertrag, Kleinkind, Bedeutung, Zug um Zug, Treu und Glauben, arglistiges Verschweigen

Aktenzeichen  11 O 92/20

Datum:
6.10.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45686
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises des Hauses und Erstattung von Aufwendungen Zug um Zug gegen Rückübereignung gemäß §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1, 812 Abs. 1, Satz 1 Alt. 1) BGB, da sie bei Vertragsabschluss durch die Beklagte nicht arglistig getäuscht wurde.
Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Umstandes handelt arglistig, wer den Umstand kennt oder ihn für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte (BGH, NJW 1995, Seite 1549 f.).
1. Kein offenbarungspflichtiger Umstand
Eine ungefragte Aufklärungspflicht besteht dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung über den betreffenden Umstand erwarten darf. Grundsätzlich ist es dabei Sache einer jeden Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Eine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils zum Vertragsabschluss von Bedeutung sein können, besteht nicht. Jedem Vertragspartner obliegt es aber, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsanschauung erwarten konnte.
Zur Überzeugung des Gerichts kann die Tatsache, dass in einem zum Verkauf stehenden Haus ein Verbrechen stattgefunden hat, je nach den Umständen des Falles auch ungefragt aufklärungspflichtig sein. Dies gilt jedoch nicht zeitlich uneingeschränkt, da bei objektiver Bewertung die Bedeutung eines derartigen Umstandes für die Kaufentscheidung mit zunehmendem Zeitablauf geringer wird. Vorliegend sind zwischen dem zweifachen Mord, der vor dem 02. Oktober 1998 stattgefunden hat, und dem Kaufvertragsabschluss am 13.12.2018 mehr als 20 Jahre vergangen. Zur Überzeugung des Gerichts musste über ein so lange zurückliegendes Verbrechen ohne Nachfrage oder ohne Hinzutreten besonderer Umstände, die hier nicht dargetan sind, daher nicht aufgeklärt werden.
2. Kein arglistiges Handeln auf Beklagtenseite
Selbst wenn man entgegen obiger Ziff. 1) vorliegend einen ungefragt offenbarungspflichtigen Umstand annehmen würde, fehlt es auf Seiten der Beklagten an einem arglistigen Handeln. Arglistig handelt nämlich nur der, der damit rechnet bzw. billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte. Nach den Angaben der Beklagten im Rahmen informatorischer Anhörung, denen das Gericht Glauben schenkt, hat das im Jahr 1998 stattgefundene Verbrechen für die Beklagte selbst keine Bedeutung gehabt, es hat ihr beziehungsweise ihrem damaligen Ehemann „nichts ausgemacht“. Die Beklagte hat nach Erlangung der entsprechenden Kenntnis (zwei oder drei Jahre nach Erwerb) auch noch über ein Jahrzehnt selbst in dem Anwesen gewohnt. Die Beklagte hat bekundet, dass die Sache für sie und ihren geschiedenen Ehemann damals keine Rolle gespielt habe bzw. sie sich diesbezüglich „keine großen Gedanken“ gemacht habe. Weiter hat die Beklagte angegeben, dass sie sich beim Verkauf des Hauses keine Gedanken über die Geschichte des Hauses bzw. den Vorfall gemacht habe. Das sei bei ihr „ganz weit hinten im Kopf“ gewesen. Das Gericht glaubt der Beklagten. Sie hat daher gerade nicht billigend in Kauf genommen, dass die Klägerin den Vertrag bei Kenntnis der entsprechenden Umstände nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Jedenfalls ist das Gegenteil von der insoweit darlegungs- und beweibeslasteten Klägerseite nicht nachgewiesen.
3. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die begehrte Rückabwicklung des Vertrages auch nicht darauf gestützt werden könnte, dass das Haus in Folge seiner Vorgeschichte einen „Sachmangel“ aufweise. Aus dem als Anlage K1 vorgelegten Vertrag ist ersichtlich, dass die Haftung für Sach- und Rechtsmängel ausgeschlossen wurde und somit nur arglistig verschwiegene Mängel entsprechende Gewährleistungsansprüche des Käufers auslösen könnten. Arglistiges Verschweigen eines möglichen Sachmangels liegt aber aus den oben dargelegten Gründen nicht vor.
Die Klägerin kann daher weder die Rückabwicklung des Kaufvertrages noch Schadenersatz für die von ihr für den Fall der Rückabwicklung vergebens getätigten Aufwendungen verlangen.
Mangels Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch auf Feststellung von Annahmeverzug bzw. Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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