Handels- und Gesellschaftsrecht

Anspruch auf Schadensersatz im Zusammenhang mit Reinigungsarbeiten

Aktenzeichen  2 O 11810/16

Datum:
14.11.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37522
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 2, § 278, § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 421, § 425 Abs. 2, § 634 Nr. 4

 

Leitsatz

1. Die Rechtsprechung des BGH zur Unzulässigkeit einer fiktiven Schadensberechnung beim werkvertraglichen Schadensersatzanspruch (IBR 2018, 196) ist auf sog. “Begleitschäden” nicht anwendbar. (Rn. 19)
2. Umsatzsteuer kann auch bei Begleitschäden nur erstattet verlangt werden, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. (Rn. 21)
3. Die Kosten für die Planung und Überwachung von Schadensbeseitigungsmaßnahmen können in der Regel mit 15% der Kosten für die eigentlichen Schadensbeseitigungsmaßnahmen veranschlagt werden. Im Einzelfall können aber auch lediglich 10% anzusetzen sein. (Rn. 24)

Tenor

1. Die Beklagte zu 1) wird gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2) verurteilt,
28.402,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit 14.4.2016 an die Klägerin zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2) verpflichtet ist, etwaige Beträge die notwendig sind, um die durch Reinigungsarbeiten entstandenen Schäden an den Glasfassaden des … zu beseitigen, an die Klägerin zu bezahlen, die über die genannten
28.402,55 Euro EUR hinausgehen. Dies gilt insbesondere für die bei der Schadensbeseitigung anfallende Umsatzsteuer. Zudem hat die Beklagte zu 1) gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2) die Klägerin von etwaigen Ansprüchen Dritter freizustellen, die wegen der Reinigung der Fassaden gegen die Klägerin geltend gemacht werden.
3. Im Übrigen wird die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen
4. Die Beklagten haben die bis zum 15.3.2017 entstandenen Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen, die späteren Kosten trägt die Beklagte zu 1).
5. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streitwert wird auf 35.761,84 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Klage war weitestgehend stattzugeben. Sie ist zulässig und ganz überwiegend begründet.
I.
Die Klägerin kann von der Beklagten zu 1) gesamtschuldnerisch Schadensersatz nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB wegen schuldhafter Verletzung von Schutzpflichten in Höhe von 28.402,25 Euro verlangen.
1. Der Anspruch besteht dem Grunde nach. Zwischen den Parteien bestand aufgrund des Reinigungsvertrags vom 19.123.6.2015 ein Vertragsverhältnis. Die Beklagte zu 1) hat ihre Pflichten aus diesem Vertragsverhältnis schuldhaft verletzt. Sie muss sich das Fehlverhalten des Beklagten zu 2) über § 278 BGB zurechnen, da dieser als ihr Erfüllungsgehilfe anzusehen ist. Der Beklagte zu 2) war mit Wissen und Wollen der Beklagten zu 1) in deren Pflichtenkreis eingeschaltet und hat dabei fahrlässig das Eigentum der Klägerin beschädigt. Er hat bei der Reinigung der Glasfassade des klägerischen Anwesens die Fensterfassaden auf der Nord- und Südseite des Gebäudes großflächig verkratzt, indem er abrasive Reinigungsmittel, eventuell Glashobelklingen, für die Tätigkeit verwendet hat. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen … fest. Das Gericht macht sich diese Ausführungen des Sachverständigen zu eigen. Sie erscheinen dem Gericht schlüssig. Auch die Parteien haben keine Einwände gegen sie erhoben.
Bei der Pflichtverletzung handelt es sich nicht um eine mangelhafte Leistung, bei dem Schaden insoweit nicht um einen Mangelfolgeschaden. Nach den sachverständigen Feststellungen ist zwar davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) die Schäden durch die Reinigungshandlung verursacht hat. Dies hat aber offensichtlich nicht zu einem Mangel geführt. Vertraglich war hier ein Reinigungserfolg, d.h. ein gewisser Sauberkeitsgrad, geschuldet. Dieser wurde erreicht. Die Leistung des Beklagten zu 2) war insoweit fehlerfrei. Deshalb kommt es hier weder auf die Voraussetzungen von § 13 Abs. 7 Nr.3 S.1 bzw. § 13 Abs. 7 Nr.3 S.2 VOB/B, noch auf die neue BGH-Rechtsprechung zum Verbot der fiktiven Schadensberechnung beim Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 634 Nr.4, 281 BGB an.
2. Der Anspruch beläuft sich der Höhe nach auf 28.402,25 Euro. In Höhe von 1.359,62 Euro ist die Klage insoweit abzuweisen.
Nach § 249 Abs. 1, Abs. 2 S.1 BGB kann die Klägerin den Geldbetrag verlangen, der zur Herstellung des Zustands erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Nach § 249 Abs. 2 S.2 BGB kann sie allerdings Umsatzsteuer nur verlangen, soweit sie angefallen ist.
Der Sachverständige … hat hier die zu erwartenden Schadensbeseitigungskosten mit 28.402,25 Euro netto berechnet. Das Gericht schließt sich auch in diesem Punkt dem Sachverständigen an. Auch insoweit waren seine Ausführungen schlüssig.
Darauf, dass der Sachverständige andere Schadenspositionen angesetzt hat als die Klägerin, kommt es nicht an. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen handelt es sich nicht um selbständige Schadenspositionen, die eigene Streitgegenstände bilden würden. Es geht bei sämtlichen Positionen um Kosten, die unmittelbar für die Beseitigung des Schadens an den Glasfassaden des klägerischen Anwesens anfallen.
Das Gericht folgt dem Sachverständigen auch, soweit er nur eine 10%ige Pauschale für die Kosten der Planung und Überwachung angesetzt hat und nicht, wie die Klägerin geltend gemacht hat, eine 15%ige. Zwar verweist die Klägerin zu Recht darauf, dass das OLG München davon ausgeht, dass die Kosten für Planung und Überwachung im Zusammenhang mit Mängelbeseitigungsarbeiten sich regelmäßig in der Größenordnung von 15% der Mängelbeseitigungskosten bewegen (OLG München, 5.5.2011, 9 U 5060/09). Diese Ausführungen dürften wohl auch grundsätzlich in Fällen, in denen es um Schadensbeseitigungskosten geht, Anwendung finden können. Allerdings handelt es sich dabei um die Kosten für den Regelfall. Wenn der Sachverständige im konkreten Fall zu einer anderen Bewertung kommt, muss diese Einschätzung Vorrang haben.
Die Beklagte zu 1) haftet für die Schadensbeseitigungskosten gemäß § 421 BGB als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2).
II.
Die Klägerin kann Verzugszins nach §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB in der geltend gemachten Höhe auf die Klageforderung beanspruchen, dies aber nicht ab dem 4.7.2015, sondern erst ab dem 14.4.2016.
Am 4.7.2015 ist noch kein Verzug der Beklagten zu 1) eingetreten. Für den Verzugseintritt bedarf es grundsätzlich einer Mahnung durch den Gläubiger nach Eintritt der Fälligkeit, § 286 Abs. 1 BGB. Mahnung ist das Verlangen der geschuldeten Leistung (vgl. BGH NJW 1998, 2132). Die Mahnung muss Klarheit darüber schaffen, was der Schuldner leisten soll; sie muss den Umfang der geforderten Leistung angeben oder jedenfalls erkennen lassen. Die Aufforderung an den Schuldner, sich zur Leistungsbereitschaft oder Leistungsfähigkeit zu äußern, ist in der Regel nicht als Mahnung zu verstehen. (BeckOGK/Dornis BGB § 286 Rn. 148, beck-online).
Weder das Schreiben vom 3.7.2015 (Anlage K2), noch die E-Mail vom 3.7.2015 (Anlage K7) können insoweit als Mahnung angesehen werden. Eine klare und eindeutige Aufforderung, einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen, ergibt sich aus ihnen nicht. Im Schreiben Anlage K2 wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die genaue Schadenssumme erst nach Einholung entsprechender Angebote, also zu einem späteren Zeitpunkt, angegeben werden könne. Nachdem insoweit also noch gar nicht klar war, welchen Betrag die Beklagte hätte zahlen sollen, konnte sie von der Klägerin auch nicht in Zahlungsverzug gesetzt werden (vgl. auch LG Kiel, Urteil vom 17.10.2017, 12 O 346/17, BeckRS 2017, 128148).
Auch das Schreiben vom 21.9.2015 an die Versicherung des Beklagten zu 2) begründet noch keinen Verzug der Beklagten zu 1). Zwar wirkt eine Mahnung des Haftpflichtversicherers auch gegenüber dem Versicherten. Die Mahnung eines Gesamtschuldners wirkt aber nicht gegenüber den anderen Gesamtschuldnern, § 425 Abs. 2 BGB.
Verzug ist erst am 14.4.2016 eingetreten. Erst das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an die Beklagte zu 1) vom 11.4.2016 stellt die erforderliche Mahnung dar. Mit Wirksamwerden dieses Schreibens, d.h. mit Zugang, ist Verzug eingetreten. Bei Erklärungen unter Abwesenden geht die Erklärung dann zu, wenn sie so in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Postverkehr wird innerhalb Deutschlands üblicherweise binnen eines Werktags nach Einlieferung ausgeliefert. Insoweit ist insgesamt von einem Zugang am 13.4.2016 auszugehen. Gemäß § 187 Abs. 1 ZPO analog ergibt sich dann als Verzugsbeginn der 14.4.2016.
III.
Die Klägerin kann Feststellung verlangen, dass die Beklagte zu 1) gesamtschuldnerisch die zur Schadensbeseitigung erforderlichen, über die Zahlungspflicht hinausgehenden Kosten übernimmt, einschließlich der Umsatzsteuer. Dabei hat die Beklagte zu 1) die Klägerin auch von möglichen Mietminderungsansprüchen freizustellen.
Soweit die Beklagtenseite hier das Fehlen der Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin und die Möglichkeit von Mietminderungsansprüche in Abrede stellt, kann sie damit nicht gehört werden. Den Vertrag zwischen den Parteien schloss die Beklagte als Privatperson. Wieso für die Aufträge zur Schadensbeseitigung etwas anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich Insoweit kommt eine Vorsteuerabzugsberechtigung – für die Beklagte ersichtlich – nicht in Betracht. Bezüglich der Mietminderungsansprüche verhält es sich ähnlich. Wie der Beklagten bekannt war, handelt es sich um ein Mehrparteienhaus (eine „Wohnanlage“), deren Eigentümerin die Klägerin ist. Insoweit ist davon auszugehen, dass Mietverhältnisse bestehen, aus denen dann auch Ansprüche resultieren können.
Der Ausgangsbetrag ist gemäß dem Ausspruch zum Zahlungsantrag anzupassen, dies stellt aber keine Klageabweisung in diesem Punkt dar.
IV.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte zu 1) (und darauf aufbauende Verzugszinsen). Bei Einschaltung/Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin befand sich die Beklagte zu 1) noch nicht in Verzug. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 11.4.2016 wirkte, wie ausgeführt, erst verzugsbegründend.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr.1, 100 Abs. 3, 4 ZPO. Die Zuvielforderung ist verhältnismäßig gering (<5%) bzw. betrifft eine Nebenforderung und hat nur geringfügig höhere Kosten ausgelöst.
Die Beklagten haften gemäß § 100 Abs. 4 ZPO als Gesamtschuldner für die Kosten, allerdings dem Gedanken des § 100 Abs. 3 ZPO nach nur für bis zum Erlass des Teilurteils gegen den Beklagten zu 2). Für die Zeit danach hat die Beklagte zu 1) die Kosten alleine zu tragen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S.2 ZPO sowohl für die Vollstreckung gegen die Beklagte zu 1) als auch für die Vollstreckung gegen den Beklagten zu 2).
Der Streitwert von 35.761,84 Euro setzt sich zusammen aus dem Streitwert des Zahlungsantrags von 29.761,87 Euro und dem Streitwert des Feststellungsantrags von 6.000 Euro.


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