Handels- und Gesellschaftsrecht

Anwaltshaftung nach Erteilung einer Deckungszusage durch den Rechtsschutzversicherer

Aktenzeichen  15 U 2415/20 Rae

Datum:
25.11.2020
Fundstelle:
r+s – 2021, 151
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 82 Abs. 1, § 86, § 128
BRAO § 43a Abs. 4
ARB 2010 § 3a, § 17

 

Leitsatz

1. Erteilt der Rechtsschutzversicherer auf der Grundlage der ihm erteilten Informationen eine Deckungszusage, kann er bei unveränderter Tatsachengrundlage nicht den Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 VVG) mit wegen anwaltlicher Pflichtverletzung durch Erhebung einer aussichtslosen Klage in Anspruch nehmen (Anschluss an OLG Celle BeckRS 2010, 16901; LG Würzburg, Urt. v. 11.6.2018 – 92 O 2251/16; LG Dortmund BeckRS 2017, 105422; entgegen OLG Jena BeckRS 2019, 24215; OLG Köln BeckRS 2019, 12616; OLG Hamburg BeckRS 2018, 28347; OLG Bamberg BeckR 2018, 30756; OLG Hamm BeckRS 2016, 16257; OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 14277). (Rn. 40 – 62) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat der Versicherungsnehmer (Mandant) den Rechtsanwalt unter der Bedingung der Rechtsschutzgewährung/Deckungszusage zum außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigwerden beauftragt, wird er im Moment des Bedingungseintritts zwar formal zum Kostenschuldner. Er erwirbt aber innerhalb der gleichen juristischen Sekunde einen Befreiungsanspruch gegen seinen Rechtsschutzversicherer, so dass ihm aus einer Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages durch Erhebung einer aussichtslosen Klage kein Vermögensschaden entsteht. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

30 O 4201/19 2020-03-18 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18.03.2020, Az.: 30 O 4201/19, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.044,87 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin, ein Rechtsschutzversicherer, macht gegen den Beklagten nach § 86 VVG übergegangene Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags geltend.
Der Beklagte vertrat den Zeugen M., einen Versicherungsnehmer der Klägerin, in einer zivilrechtlichen Angelegenheit. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Zeuge M., wie der Beklagte Rechtsanwalt, vertrat seinerseits ein Ehepaar in einer gerichtlichen Auseinandersetzung wegen eines Kaufes über die Internetplattform eBay. Der Anwalt der Gegenseite erstattete im Laufe der gerichtlichen Auseinandersetzung gegen den Zeugen M. Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung. Der bei der Staatsanwaltschaft München I zuständige Staatsanwalt B. leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen M. ein und ließ die beiden Mandanten des Zeugen M. über die Polizei ihrerseits als Zeugen vernehmen. Im Anschluss hieran wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Eine seitens des Zeugen M. gegen den gegnerischen Anwalt erstattete Strafanzeige wurde durch den zuständigen Staatsanwalt B. gemäß § 152 Abs. 2 StPO eingestellt.
Der Zeuge M. beauftragte im Folgenden den Beklagten, um zivilrechtliche Ansprüche gegen Herrn Staatsanwalt B. persönlich durchzusetzen.
Die Klägerin erteilte auf Antrag des Beklagten dem Zeugen M. Deckungszusage für das außergerichtliche Tätigwerden und für das gerichtliche Verfahren 1. Instanz.
Sowohl vorgerichtlich als auch gerichtlich (Landgericht München I, Az.: 15 O 19170/16) machte der Beklagte für den Zeugen M. Unterlassung- und Schadensersatzansprüche geltend. Die Klage wurde abgewiesen. Zur Begründung führte das mit der Klage befasste Gericht aus, dass der beklagte Staatsanwalt B. nicht passiv legitimiert sei und nicht neben seiner Amtstätigkeit als Privatperson tätig geworden sei oder zukünftig tätig werden könne, da der Kläger dem beklagten Staatsanwalt gerade die Verletzung einer Pflicht im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vorwerfe.
Für das Berufungsverfahren verweigerte die Klägerin die Deckungszusage; das Urteil im vorgenannten Verfahren wurde rechtskräftig.
Anschließend machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 20.11.2018 einen Anspruch in Höhe von 6.044,87 € geltend.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass der Zeuge M. bei einer Aufklärung durch den Beklagten, dass ein Vorgehen gegen Herrn Staatsanwalt B. persönlich ohne Erfolgsaussichten sei, keinen Auftrag zum außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigwerden gegen Herrn B. erteilt hätte.
Der Beklagte hat ausgeführt, dass er den Zeugen M. darüber aufgeklärt habe, dass die persönliche Haftung des Beamten grundsätzlich nach dem § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz ausgeschlossen sei und daher nicht damit zu rechnen sein dürfte, dass die Ansprüche des Zeugen außergerichtlich durch den Staatsanwalt B. ganz oder teilweise erfüllt werden würden. Er habe jedoch weiter darauf hingewiesen, dass ein Einfallstor durch das Tatbestandsmerkmal „in Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit“ bestehen könnte, wenn man dem Beamten ein „schikanöses Verhalten“ bzw. ein diskriminierende Verhalten – die polnische Abstammung des Zeugen M. sei wegen seines Akzentes wahrnehmbar – nachweisen könne; die Haftungsprivilegierung bestünde ja auch nur grundsätzlich. Der Zeuge M. habe sich explizit dafür ausgesprochen, dass nicht gegen den Freistaat Bayern, sondern gegen Staatsanwalt B. persönlich vorgegangen werde. Er habe dem Zeugen M. auch von einer Einholung einer Kostendeckungszusage bei der Klägerin abgeraten. Ohne eine Kostendeckungszusage hätte der Zeuge M. keinen Auftrag erteilt. Dennoch habe der Zeuge auf einer Einholung einer Deckungszusage und einem Tätigwerden bestanden. Nachdem eine Reaktion auf das außergerichtliche Anspruchsschreiben seitens des Gegners nicht erfolgt sei, habe der Zeuge – nach neuerlicher Belehrung – den Beklagten gebeten, eine zivilrechtliche Klage einzureichen, um Ansprüche auf Unterlassung und Entschädigung gerichtlich zu verfolgen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 6.044,87 € nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung ausgeführt:
Zum Pflichtenkreis eines Rechtsanwaltes gehöre es, den Mandanten ordnungsgemäß über die Erfolgsaussichten der Klage aufzuklären. Aussichtslose oder sehr wenig aussichtsreiche Rechtsstreitigkeiten dürfe ein Rechtsanwalt nur dann für seinen Mandanten führen, wenn er zuvor seinen Mandanten zutreffend hierüber aufgeklärt habe und der Mandant trotzdem ein weiteres Vorgehen wünsche. An einer solchen zutreffenden Aufklärung fehle es vorliegend. Für ein Vorgehen gegen Herrn Staatsanwalt B. persönlich hätten von vornherein keinerlei Erfolgsaussichten bestanden. Insoweit mache sich das Landgericht die Ausführungen des Gerichts des Vorprozesses zu eigen. Darüber hinaus gelte, dass eine etwaige Diskriminierung des Zeugen M. vom Beklagten nur in unschlüssiger Art und Weise in den Raum gestellt worden sei. So habe der Beklagte im Vorprozess nicht vorgetragen, dass die polnische Abstammung des Zeugen M. dem Staatsanwalt kraft eines direkten Kontaktes bekannt geworden sei und diesen damit in seinen Handlungen beeinflusst haben könnte. Auch könne dadurch, dass eine Anzeige nach § 152 Abs. 2 StPO und die andere nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werde, nicht der Anschein einer Ungleichbehandlung entstehen. Weder eine persönliche Haftung des Beamten noch eine Haftung des Freistaates Bayern hätten dargestellt werden können.
Darüber, dass für ein Vorgehen gegen den Staatsanwalt keinerlei Erfolgsaussichten bestanden hätten, habe der Beklagte schon nach seinem eigenen Vortrag nicht ordnungsgemäß belehrt. Er habe den Zeugen M. darauf hingewiesen, dass trotz eines grundsätzlichen Ausschlusses der Eigenhaftung des Beamten allenfalls ein Einfallstor durch das Tatbestandsmerkmal „in Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit“ bestehen könnte. Damit habe der Beklagte für den Zeugen M. die Möglichkeit offengelassen, dass es tatsächlich zu einer Eigenhaftung des Beklagten kommen werde. Dies habe keine zutreffende Belehrung über die in keiner Weise vorhandenen Erfolgsaussichten der Klage dargestellt.
Es stehe auch fest, dass der Zeuge M. bei einer ordnungsgemäßen Belehrung von einem außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehen gegen den Staatsanwalt Abstand genommen und keinen Auftrag für ein Tätigwerden erteilt hätte. Zwar gelte nicht der Anscheinsbeweis, da der Zeuge M. über eine Rechtsschutzversicherung durch die Klägerin und eine korrespondierende Deckungszusage für das vorgerichtliche Tätigwerden und das Tätigwerden in 1. Instanz verfügt habe. Allerdings ergebe sich aus der Einvernahme des Zeugen M., dass dieser bei ordnungsgemäßer Belehrung den Staatsanwalt nicht in Anspruch genommen hätte (im einzelnen EU 6/7).
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung und bemängelt eine unzutreffende Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen M. Dieser habe bekundet, dass der Beklagte gesagt habe, dass es sehr schwierig werde, gegen einen Staatsanwalt vorzugehen. Das Erstgericht habe verkannt, dass der Zeuge M. den Beklagten von einer entsprechenden Belehrung bzw. von einer Überprüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung freigestellt habe. Denn der Zeuge habe bekundet, dass man vereinbart habe, dass die Versicherung die Erfolgsaussichten prüfen sollte. Wenn der Mandant seinen Rechtsanwalt davon entbinde, ihn über die Erfolgsaussichten aufzuklären bzw. ihn von einer möglichen Pflicht zum Abraten einer Rechtsverfolgung befreie, dann existiere eine solche Pflicht nicht mehr. Der Zeuge M. habe aber die Prüfung der Erfolgsaussichten seiner Rechtsschutzversicherung überlassen wollen. Deren Prüfergebnis habe ausschließlich verantwortlich dafür sein sollen, ob der Zeuge M. eine Rechtsverfolgung gewünscht habe oder nicht. Dies folge weiter daraus, dass der Klageauftrag bedingt durch die Erteilung der Kostendeckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung erfolgt sei. Dem Zeugen M. sei schlussendlich egal gewesen, wie und wo die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung gelegen hätten. Er habe eine Rechtsverfolgung jedenfalls dann gewollt, wenn seine Rechtsschutzversicherung eine entsprechende Kostendeckungszusage erteilen würde.
Zu Unrecht gehe das Landgericht weiter davon aus, dass der Zeuge M. bei einer ordnungsgemäßen Belehrung von einem außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehen gegen den Staatsanwalt Abstand genommen und keinen Auftrag für ein Tätigwerden erteilt hätte. So habe der Zeuge insbesondere angegeben, dass – wenn die Klägerin keine Deckungszusage erteilt hätte und gesagt hätte, man müsse gegen den Freistaat Bayern vorgehen – er das auch so gemacht hätte. Auch daraus folge, dass der Zeuge M. jedenfalls dann eine Rechtsverfolgung gewollt habe, wenn die Rechtsschutzversicherung eine Kostendeckungszusage erteilen würde. Insoweit sei für den Zeugen nicht von Bedeutung gewesen, ob er seitens des Beklagten ordnungsgemäß belehrt bzw. aufgeklärt worden sei; vielmehr sei für ihn allein ausschlaggebend für die Frage gewesen, ob er einen Prozess führe oder nicht, dass ein Rechtsschutzversicherer Kostendeckungszusage erteile.
Auch fehle es an der Kausalität aufgrund einer etwaigen Schlechtleistung: ausweislich der Zeugenaussage M. habe dieser nur dann eine Rechtsverfolgung gewollt, wenn seine Rechtsschutzversicherung Kostendeckungszusage für die Rechtsverfolgung erteilen würde. Kausal für den Schaden sei daher die seitens der Rechtsschutzversicherung geprüften Erfolgsaussichten und die darauf erfolgte Kostendeckungszusage gewesen. Hätte die Rechtsschutzversicherung die Deckungszusage nicht erteilt, wäre es nicht zur Rechtsverfolgung gekommen.
Im Übrigen stehe nicht fest, ob der zu deckende Rechtsstreit nicht doch in der Berufungsinstanz erfolgreich gewesen wäre und sei es auch nur im Vergleichswege.
Im Übrigen habe der Rechtsschutzversicherer selbst seine aus § 128 VVG resultierende Pflicht verletzt, die Erfolgsaussichten der zu deckenden Rechtsverfolgung zu prüfen und im Falle eines negativen Ergebnisses dieses dem Versicherungsnehmer mitzuteilen.
Schließlich fehle es auch an einem Schaden, wenn der Anwalt von seinem Mandanten ausdrücklich dazu angehalten werde, die Rechtsschutzversicherung in Anspruch zu nehmen.
Auch verneine der BGH einen zum gesetzlichen Forderungsübergang nach § 86 VVG führenden Schaden und einen unbilligen Nachteil des Sachversicherers, wenn die Aufwendungen vorab in die Versicherungsprämie einkalkuliert und somit von dem Versicherten erkauft worden seien, da sonst der Versicherer ungerechtfertigt bereichert würde.
Im Übrigen wäre ein Mitverschulden der Klägerin selbst bzw. des Zeugen M. zu berücksichtigen gewesen.
Jedenfalls die Kosten für die außergerichtliche Interessenvertretung wären nicht zu erstatten, da der Erfolg einer außergerichtlichen Interessenvertretung grundsätzlich nicht immer von den mutmaßlichen Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, sondern von zahlreichen anderen Faktoren abhänge. Der Beklagte habe es nicht zu vertreten, wenn ihn der Zeuge M. außergerichtlich beauftragt habe.
Im Berufungsverfahren beantragt der Beklagte:
die Klage wird in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts München I vom 18.03.2020 abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass der Beklagte eine Pflicht aus dem Anwaltsvertrag schuldhaft verletzt habe und hierdurch seinem Mandanten ein Schaden entstanden sei. In Höhe der geleisteten Zahlungen sei der Anspruch auf die Klägerin von Gesetzes wegen übergegangen. In Rechtsprechung und Schrifttum werde nahezu einhellig angenommen, dass die Anforderungen an die Aufklärung und Risikobelehrung eines Mandanten nicht deshalb geringer seien, weil der Mandant rechtsschutzversichert sei.
Der Senat hat mit Verfügung vom 24.6.2020 Hinweise erteilt.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen. Ergänzend wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 28.10.2020 (Bl. 163/164 d.A).
II.
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
A)
1. Vorliegen einer Pflichtverletzung:
Das Landgericht differenziert im Ausgangspunkt zutreffend zwischen einer Klage ohne (jegliche) Erfolgsaussicht und einer Klage mit (äußerst) geringer Erfolgsaussicht. Aus seiner Sicht ist es insoweit konsequent zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagte – nachdem er nicht über die fehlende Erfolgsaussicht belehrt habe, sondern nur über die geringen Erfolgsaussichten – eine Pflichtverletzung begangen habe.
In der vorliegenden Konstellation kann der Senat diese Bewertung im Ergebnis nicht teilen:
Im Ausgangspunkt ist zunächst festzustellen, dass die Abgrenzung zwischen einer Klage, der die Erfolgsaussicht völlig fehlt und einer Klage, die (wenn auch nur) geringe Erfolgsaussichten hat, im Einzelfall äußerst schwierig zu treffen sein kann; dennoch ist dem Rechtsanwalt grundsätzlich zuzumuten, diese Abgrenzung vorzunehmen und seinen Mandanten entsprechend zu beraten. Auf der anderen Seite hat der Rechtsanwalt – als ausschließlicher Interessenvertreter seines Mandanten – aber auch dessen Wunsch nach Rechtsverfolgung zu berücksichtigen und soweit möglich umzusetzen. Der Mandant des Beklagten, der Zeuge M., hatte – nachdem er das Vorgehen des Staatsanwaltes als diskriminierend empfunden hatte – den Wunsch, diesen persönlich zu verklagen. Ausweislich der Angaben des Zeugen M. sei man in der Beratung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Freistaat Bayern bei einem vorsätzlichen Handeln des Beamten nicht haften würde und der Beklagte geäußert habe, es sei schwierig gegen den Staatsanwalt vorzugehen. Man habe dann vereinbart, dass die Versicherung die Erfolgsaussichten prüfen sollte und für den Fall, dass eine Kostendeckungszusage erreicht werde, die Klage eingereicht werden solle. Für diesen Fall habe er einen Klageauftrag erteilt.
Dieses Vorgehen stellt aus Sicht des Senats keine Pflichtverletzung des Beklagten dar, da dem Mandanten von vornherein kein Schaden entstehen konnte (hierzu auch nachfolgend Ziffer 3). Zwar sind grundsätzlich an die Belehrungspflicht eines Anwalts gegenüber einem rechtsschutzversicherten Mandanten keine geringeren Anforderungen zu stellen als gegenüber einem nicht rechtsschutzversicherten Mandanten. Gerade aber in Konstellationen, in denen die Abgrenzung zwischen einer Klage, der völlig die Erfolgsaussicht fehlt und einer Klage, die (äußerst geringe) Erfolgsaussichten hat, schwierig ist, erscheint es dem Senat zulässig, in ausdrücklicher Abstimmung mit dem rechtsschutzversicherten Mandanten die Frage der Klageerhebung von einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung abhängig zu machen. Die Schwierigkeit der Abgrenzung vorliegend zeigt sich im Übrigen auch aus den Ausführungen des Landgerichts, wenn es in den Entscheidungsgründen auf Seite 4 zunächst davon spricht, dass von vornherein keinerlei Erfolgsaussichten für ein Vorgehen gegen den Staatsanwalt bestanden hätten, auf Seite 5 dem Beklagten dann aber vorwirft, nur in unschlüssiger Art und Weise eine Diskriminierung des Zeugen M. in seiner Klage in den Raum gestellt zu haben. So habe der Beklagte nicht vorgetragen, dass die polnische Abstammung des Zeugen M. dem Staatsanwalt kraft eines direkten Kontaktes bekannt geworden sei und diesen damit in seinen Handlungen beeinflusst haben könnte. Letzteres betrifft dann nicht mehr die Frage, dass der Beklagte die Klage überhaupt nicht hätte erheben dürfen, sondern dass er sie nicht erfolgversprechend begründet hatte.
Der entscheidende Gesichtspunkt in der vorliegenden Konstellation für den Senat ist, dass der Anwalt alleiniger Interessenvertreter seines Mandanten ist und insoweit insbesondere kostenwahrende Gesichtspunkte der alleinigen Beurteilung der Rechtsschutzversicherung im Rahmen der Prüfung der Deckungszusage überlassen darf. Solange er der Obliegenheit des Mandanten gegenüber der Rechtsschutzversicherung nachkommt, über die tatsächlichen Gegebenheiten des Falles zutreffend zu informieren, hält er sich weiterhin im Rahmen des zu wahrenden Mandanteninteresses. Nachdem der Mandant aber gegenüber der Rechtsschutzversicherung keine Aufklärungspflicht in rechtlicher Hinsicht hat, musste auch der Beklagte jedenfalls im vorliegenden Fall nicht aus dem Mandanteninteresse ableiten, dass er von einer Klage ohne Erfolgsaussichten auszugehen hatte und daher gar keine Deckungsanfrage hätte stellen dürfen. Die Beurteilung der rechtlichen Erfolgsaussicht des unterbreiteten Sachverhalts oblag im Rahmen der Erteilung der Deckungszusage alleine der Rechtsschutzversicherung.
2. Hypothetische Kausalität
Auch fehlt es an der hypothetischen Kausalität.
Das Landgericht hat im Rahmen der Beurteilung gemäß § 287 BGB angenommen, dass der Zeuge M. bei einer ordnungsgemäßen Belehrung von einem außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehen gegen den Staatsanwalt Abstand genommen hätte und keinen Auftrag für ein Tätigwerden erteilt hätte. Zwar streite zugunsten der Klägerin nicht der Anscheinsbeweis der Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens, allerdings ergebe sich aus dem persönlichen Eindruck des Gerichts, den es vom Zeugen M. in der Verhandlung gewonnen habe, dass dieser bei entsprechender Belehrung von einem Vorgehen insgesamt Abstand genommen hätte.
Der Senat entnimmt den Angaben des Zeugen, dass es für ihn schlimm gewesen sei, dass seine Mandantschaft (in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren) vernommen worden sei. Trotz der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO hätte es eine Eintragung in das polizeiliche Register mit negativen Folgen gegeben. Der Beklagte habe gesagt, es sei schwierig gegen den Staatsanwalt vorzugehen und er habe schließlich einen Klageauftrag, bedingt durch die Deckungszusage, erteilt. Aus seiner Sicht sei das Verfahren gegen ihn eine Schikane gewesen. Er habe es als Missstand empfunden, dass ein Staatsanwalt nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Es sei offensichtlich gewesen, dass der Staatsanwalt sich nicht im Rahmen des Zulässigen bewegt habe. Auch halte er es für nicht korrekt, dass jetzt gegen den Beklagten seitens der Klägerin vorgegangen werde.
Der aus diesen Angaben gezogene Eindruck des Landgerichts, der Zeuge M. hätte bei entsprechender Belehrung (über die fehlende Erfolgsaussicht) von einem Vorgehen insgesamt Abstand genommen, erscheint dem Senat nicht nachvollziehbar. An keiner Stelle seiner Aussage hat der Zeuge M. konkret angegeben, wie er sich bei einer Belehrung über die fehlende Erfolgsaussicht verhalten hätte; ohne eine entsprechende konkrete Angabe des Zeugen ist für den Senat der Schluss darauf, dass er bei entsprechender Belehrung von der Einholung einer Deckungszusage abgesehen hätte, nicht zulässig. Vielmehr sprechen die zitierten Angaben aus der Aussage des Zeugen M. eher dafür, dass dem Zeugen M. ein Vorgehen gegen den Staatsanwalt bzw. den Freistaat Bayern von äußerster Wichtigkeit war und er die Deckungszusage auch dann gestellt hätte, wenn ihm der Beklagte mitgeteilt hätte, dass die Klage ohne Erfolgsaussicht sei.
Insoweit ergeben sich gerade auf der hypothetischen Ebene Beurteilungsunterschiede zum nicht rechtsschutzversicherten Mandanten: Der Senat kann nicht erkennen, warum vorliegend der Zeuge M. von der Einholung einer Deckungszusage hätte absehen sollen, wenn ihm – jedenfalls was die Gerichtskosten und die eigenen Anwaltskosten anbelangte – keine Kosten im Fall der Erteilung einer Deckungszusage entstehen würden. Der Senat kann insbesondere auch nicht erkennen, dass dieses Verhalten nicht mehr „redlich“ wäre (so wohl aber die Annahme des OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.06.2013 – I-9 U 147/12, bei juris Rn. 25 zum hypothetischen Verhalten eines rechtsschutzversicherten Mandanten).
3. In der streitgegenständlichen Konstellation fehlt es im Übrigen auch an einem Schaden:
Vorliegend hatte der Zeuge M. den Beklagten unter der Bedingung der Rechtsschutzgewährung/Deckungszusage zum außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigwerden beauftragt. Der Zeuge M. hatte weder vor der Deckungszusage Zahlungen erbracht, noch einen unbedingten Anwaltsauftrag erteilt. In solchen Fällen einer bedingten Beauftragung wird der Versicherungsnehmer im Moment des Bedingungseintritts zwar formal zum Kostenschuldner; dem steht aber innerhalb der gleichen juristischen Sekunde der Befreiungsanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer gegenüber, so dass die Vermögensbilanz von Anfang an ausgeglichen ist bzw. es von Anfang an zu keinem Zeitpunkt beim Mandanten/Versicherungsnehmer zu einem Vermögensschaden gekommen ist (so zutreffend Cornelius-Winkler, r+s 2020, 432).
B)
Unabhängig davon, dass vorliegend schon aufgrund der konkreten Beurteilung weder eine Pflichtverletzung noch eine hypothetische Kausalität und ein Schaden zu bejahen war, ist der Senat der Ansicht, dass in solchen Fällen, in denen eine Grenzziehung zwischen erfolgloser Klage und Klage mit geringen Erfolgsaussichten schwer zu treffen ist, ein Rückgriff des Rechtsschutzversicherers nach erteilter Deckungszusage abzulehnen ist, wenn eine zutreffende Aufklärung über den tatsächlichen Sachverhalt erfolgt ist:
1. In der Rechtsprechung wird (wohl überwiegend) vertreten, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten auch bei Vorliegen einer Kostendeckungszusage des Rechtsschutzversicherers von der Erhebung einer objektiv aussichtslosen Klage oder Einlegung eines aussichtslosen Rechtsmittels abraten muss und daher grundsätzlich Regressansprüche gegen den Anwalt in Betracht kommen. Ein Rechtsanwalt habe die Pflicht, keine Kosten auslösenden rechtlichen Schritte zu ergreifen, die nicht geeignet seien, den Rechten des Mandanten zur Durchsetzung zu verhelfen (OLG Celle, Urteil vom 9. 11.2005,3 U 83/05 bezüglich eines verjährten Anspruchs, allerdings ohne Thematisierung der Deckungszusage); OLG Hamm, Urt. Vom 18.02.2017 – 28 U 73/15 (mit Anm. Grams BRAK-Mitt. 2016, 276): Der Rechtsanwalt sei sogar gehalten, bei fehlender Erfolgsaussicht von der Deckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung abzuraten; so auch schon OLG Düsseldorf, Urt. vom 04.07.2016 – I -9 U 102/14 = MDR 2016, 1176; OLG Hamburg, Urteil vom 27.09.2018 – 1 U 2/18; bei Juris Rn. 30 insbesondere zur Risikoverteilung zwischen Rechtsschutzversicherung und Anwalt; OLG Bamberg, Urteil vom 20.11.2018 – 6 U 19/18, bei Juris insb. Rn. 31 und 39; OLG Köln, Urteil vom 23. Mai 2019 – 24 U 124/18: die Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers entfalte keine Schutzwirkung gegenüber dem Rechtsanwalt und schließe den Rechtsschutzversicherer nicht von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Anwalt aus); zurückhaltender OLG Jena, Urteil vom 05.07.2019 – 4 U 359/18: Ein Rechtsanwalt muss nicht von einer Klage oder einem Rechtsmittel abraten, solange die Rechtsverfolgung nicht als völlig oder offensichtlich aussichtslos erscheint. Es ist einem Anwalt zuzubilligen, dass er bei einer nicht ganz eindeutigen Sach- und/oder Rechtslage zugunsten seines Mandanten versucht, mit einer für diesen günstigen Rechtsauffassung durchzudringen, sofern diese zumindest als vertretbar erscheint (bei juris Rn. 76 f.); einen Rückgriffsanspruch der Rechtsschutzversicherung ablehnend LG Würzburg, Urteil vom 11.06.2018 – 92 O 2251/16; LG Dortmund, Urteil vom 23.03.2017, 2 S 21/16 (mit Anm. Grams BRAK-Mitt. 2017, 121) insbesondere zur hypothetischen Kausalität/Entscheidung des Mandanten. Vergleiche weitere die ausführlichen Darstellungen von Weinbeer in AnwBl 2020, 26 – 33 “Wie die Rechtsschutzversicherer ihr Risiko auf die Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte verlagern“ und Dallwig in r + s 2020, 181 ff. „Der Anwaltsregress des Rechtsschutzversicherers“).
2. Gegen die einen Rückgriff des Versicherers befürwortende Rechtsprechung bestehen nach Ansicht des Senats aus nachfolgenden Gründen erhebliche Bedenken:
2.1. Zwischen dem Mandanten als Versicherungsnehmer und seinem Rechtsschutzversicherer besteht der Rechtsschutzversicherungsvertrag. Davon zu trennen ist der Mandatsvertrag zwischen Mandant und Anwalt. Zwischen dem Anwalt und der Rechtsschutzversicherung besteht kein Rechtsverhältnis, der Mandatsvertrag besteht ausschließlich zwischen dem Mandanten und dem Anwalt (hierzu Cornelius-Winkler, r+s 2020, 431). Der Mandatsvertrag entfaltet auch keine Schutzwirkung zugunsten des Rechtsschutzversicherers (zutreffend OLG Koblenz, Urteil vom 16. Februar 2011 – 1 U 358/10; bei Juris Rn. 31f). Ebenso wenig kann sich der Anwalt, wenn er vom Rechtsschutzversicherer des Mandanten in Regress genommen werden sollte, darauf berufen, dass die vom Versicherer erteilte Deckungszusage eine Schutzwirkung zu seinen Gunsten entfalte; die Deckungszusage wurde ausschließlich dem Mandanten/Versicherungsnehmer erteilt. Der Rechtsschutzversicherungsvertrag ist kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Anwalts (vergleiche OLG Koblenz, Urteil vom 16. Februar 2011 – 1 U 358/10).
2.2. Zwar findet im rechtsschutzversicherten Mandat keine Reduzierung der anwaltlichen Pflichten gegenüber dem Mandanten statt, so dass insbesondere die Pflicht zur Belehrung über die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung besteht und bei objektiver Aussichtslosigkeit eine Abratepflicht (vergleiche hierzu die Darstellung bei Dallwig, aaO, Ziffer 2, Seite 182). Der Rechtsanwalt bleibt jedoch ausschließlicher Vertreter der Interessen des Mandanten und darf keine widerstreitenden Interessen vertreten (§ 43 a Abs. 4 BRAO).
2.3. Im Verhältnis zur Rechtsschutzversicherung hat der Anwalt die Obliegenheiten des Mandanten/Versicherungsnehmers zu beachten, insbesondere die vollständige und wahrheitsgemäße Unterrichtung des Versicherers über sämtliche tatsächlichen Umstände des Rechtsschutzfalls und die Angabe von Beweismitteln; ggfls. hat er Unterlagen zur Verfügung zu stellen (vergleiche etwa § 17 Abs. 1 b ARB 2010). Die Unterrichtungspflicht erstreckt sich dabei auch auf ungünstige Umstände, etwa vom Gegner bereits erhobene Einwendungen (BGH, Urteil vom 16. September 1987 – IVa ZR 76/86, bei Juris Rn 11).
Der Versicherer muss in der Lage sein, seine Eintrittspflicht prüfen zu können, insbesondere die Erfolgsaussichten (BGH, Urteil vom 05. Mai 2004 – IV ZR 90/03; bei Juris ab Rn 9 ff). Insofern ist der Anwalt Wissenserklärungsvertreter des Mandanten, § 166 BGB. Verstöße des Anwalts hierbei werden dem Mandanten/Versicherungsnehmer gemäß § 166 BGB zugerechnet.
2.4. Die Unterrichtungspflicht bezieht sich allerdings nur auf tatsächliche Gegebenheiten (Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. 2019, § 125 Rn. 10, Harbauer, RSV 8. Aufl., § 17 Rn. 38). Daher muss der Versicherungsnehmer keine eigene rechtliche Bewertung abgeben, insbesondere nicht zu seinen Ungunsten.
Daraus folgt, dass der Rechtsanwalt die Rechtsschutzversicherung entgegen dem Mandanteninteresse auf die (eventuelle) Aussichtslosigkeit nicht hinweisen darf bzw. muss. Er darf nur keine unzutreffenden tatsächlichen Angaben machen.
Zwar hat nach der gesetzlichen Regelung des § 82 Abs. 1 VVG der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Rechtsanwalt als alleiniger Interessenvertreter seines Mandanten verpflichtet wäre, in rechtlicher Hinsicht kostenwahrende Belange des Rechtsschutzversicherers bei der Beratung seines Mandanten berücksichtigen zu müssen. Denn die Abwendungs- bzw. Minderungspflicht bezüglich des Schadens, die den Versicherungsnehmer nach § 82 Abs. 1 VVG trifft, bezieht sich insbesondere nicht auf Rechtsfragen; diese muss der Versicherungsnehmer nicht beurteilen.
Vielmehr ist die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage eine eigene Aufgabe der Rechtsschutzversicherung im Rahmen ihres Tätigkeitsfeldes und es besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Ablehnung von Kostendeckung bei fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung (§ 128 VVG).
2.5. Dem Rechtsschutzversicherungsnehmer kann hinsichtlich der Frage, ob er seine versicherungsvertraglichen Obliegenheiten verletzt hat, auch nicht die Rechtskenntnis und/oder das Verhalten seines Rechtsanwalts, der die Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer übernommen hat, zugerechnet werden.
2.5.1. Die allgemeine zivilrechtliche Zurechnungsnorm des § 278 BGB gilt insofern bei versicherungsrechtlichen Obliegenheiten nicht (vergleiche BGH, Urteil vom 14. 5. 2003 – IV ZR 166/02 = r+s 2003, 367).
2.5.2. Der Rechtsanwalt, der im Rechtsschutzfall die Korrespondenz mit dem Versicherer führt, ist im Verhältnis zwischen Mandant/Versicherungsnehmer und Rechtsschutzversicherer nach richtiger Ansicht auch nicht „Repräsentant“ des Versicherungsnehmers. Sein Aufgabenbereich beschränkt sich vielmehr allein auf die Interessenswahrnehmung im Einzelfall und umfasst nicht die Risikoverwaltung im engeren Sinn – wie etwa bei der Sachversicherung – oder eine Vertragsverwaltung.
2.5.3. Eine Zurechnung gemäß § 17 Abs. 7 ARB 2010 scheidet ebenfalls aus, nachdem diese Regelung unwirksam ist (vergleiche BGH, Urteil vom 14. August 2019 – IV ZR 279/17, bei Juris Rn. 29 = NJW 2019, 3582 ff mit Anmerkungen von Grams).
2.5.4. Der Anwalt ist hinsichtlich der Kostengeringhaltungsobliegenheit nach richtiger Ansicht auch nicht als Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers damit beauftragt, dem Versicherer gegenüber Erklärungen über Tatsachen abzugeben (hierzu Wendt, r+s 2010, 221 (230); der Anwalt ist vom Versicherungsnehmer insbesondere nicht beauftragt, anstelle des Versicherungsnehmers für das Versicherungsverhältnis rechtserhebliche Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen (Wendt, aaO). Nicht erheblich ist auch, dass der Anwalt aufgrund seiner Rechtskenntnisse beurteilen kann, was der kostengünstigste Weg ist.
2.5.5. Selbst wenn man aber eine Haftung des Mandanten/Rechtsschutzversicherungsnehmers für seinen Anwalt als Repräsentant des Versicherungsnehmers bejahen wollte, wäre ein Schadensersatzanspruch des Versicherers gegen den Anwalt zu verneinen, weil der Versicherungsnehmer aufgrund der Deckungszusage des Versicherers (deklaratorisches Schuldanerkenntnis) „Bestandsschutz“ hätte, ihm der Versicherungsschutz also wegen einer Obliegenheitsverletzung, die der Versicherer zum Zeitpunkt der Erteilung der Deckungszusage erkennen konnte, nicht rückwirkend entzogen werden kann und damit auch kein Schaden hat, der auf den Rechtsschutzversicherer übergehen könnte (vgl. hierzu auch Cornelius-Winkler, r+s 2020, 431, der mit dem Einwand der Treuwidrigkeit argumentiert und weiter zutreffend darauf hinweist, dass der Rechtsschutzversicherer den Versicherungsschutz nach § 3a ARB 2000 ff. wegen fehlender Erfolgsaussicht ablehnen kann).
Ein weiteres Argument lässt sich an dieser Stelle auch aus einem Urteil des BGH (vom 17.11.2009 – VI ZR 58/08; es ging um den gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 35 BeamtenVG) entnehmen, der ausgeführt hat, dass im Fall des gesetzlichen Forderungsübergangs die Obliegenheit zur Schadensminderung in entsprechender Anwendung des § 254 Abs. 2 BGB ausnahmsweise den Zessionar treffen kann, wenn er den rechtlichen und tatsächlichen Einfluss auf die Schadensentwicklung in der Weise erlangt hat, dass die Zuständigkeit für die Schadensminderung weitgehend auf ihn verlagert ist und die Eigenverantwortung des Geschädigten entsprechend gemindert erscheint (vgl. insoweit den Hinweis von Cornelius-Winkler, r+s 2020, 433).
Der Rechtsschutzversicherer kann nicht nur erheblichen Einfluss auf die Schadensminderung nehmen, sondern das Entstehen des Schadens durch den Einwand fehlender Erfolgsaussichten und/oder der Mutwilligkeit vollständig verhindern, wohingegen eine Eigenverantwortlichkeit des Geschädigten, also des Versicherungsnehmers vollständig entfallen ist.
2.6. Insoweit kann man in einer Deckungsanfrage eines Anwalts auch dann kein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten des Rechtsanwaltes sehen, wenn objektiv die Erfolgsaussichten extrem risikobehaftet oder nicht gegeben sind, solange über die zugrundeliegenden Tatsachen des Falles zutreffend informiert wurde.
Der Senat erachtet die Rechtsansicht des OLG Celle (Beschluss vom 5.7.2010 – 3 U 83/10) für zutreffend, das folgendes ausgeführt hat: „Erteilt ein Rechtsschutzversicherer in Kenntnis der erstinstanzlichen Entscheidung sowie der Rechtsmittelbegründung eine Deckungszusage für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens, kann er, wenn das Rechtsmittel auf unveränderter Tatsachengrundlage zurückgewiesen wird, den Prozessbevollmächtigten nicht mit der Begründung, dieser hätte von der Durchführung des Rechtsmittelverfahrens wegen erkennbarer Aussichtslosigkeit abraten müssen, auf Erstattung der entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten in Anspruch nehmen“.
Diese Ansicht gilt auch für die zeitlich vorausgehende Konstellation, in der der Anwalt für den Mandanten eine Klage ohne Erfolgsaussicht bzw. mit nur geringer Erfolgsaussicht erhoben hat, für die er – nach zutreffender Unterrichtung der Rechtsschutzversicherung über die zugrundeliegenden Tatsachen – von dieser eine Deckungszusage erhalten hat.
Eine Rechtsgrundlage für eine Inanspruchnahme des Anwalts ist nach Ansicht des Senats nicht erkennbar, sodass ein Regress der Rechtsschutzversicherung ausscheidet.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
3. Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 63 II 1, 39 I, 43 I, 47 I, 48 I 1 GKG, 3 ZPO.
4. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen angesichts der vom Senat zu treffenden Einzelfallentscheidung nicht vor.


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