Handels- und Gesellschaftsrecht

Beweislastumkehr – Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst

Aktenzeichen  20 U 4223/18

Datum:
8.5.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 9399
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGZPO § 26 Nr. 8 Satz 1
ZPO § 313a Abs. 1 S.1, § 540 Abs. 2, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713

 

Leitsatz

1 Ausweislich der vorgelegten Mailkorrespondenz zwischen den Parteien hat der Beklagte vorgerichtlich zu keiner Zeit die Beauftragung, die Leistungserbringung, die abgerechneten Stunden oder die geltend gemachte Rechnungshöhe in Frage gestellt und die Bezahlung angekündigt.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dies stellt ein Anerkenntnis im Sinne einer einseitigen tatsächlichen Erklärung des Schuldners dar mit dem Zweck, dem Gläubiger Erfüllungsbereitschaft anzuzeigen, um ihn dadurch von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder ihm den Beweis zu erleichtern. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3 Solche als „Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst“ zu wertenden Bestätigungserklärungen können im Prozess eine Umkehr der Beweislast bewirken (vgl. BGH BeckRS 2008, 25410). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

74 O 3047/17 2018-10-18 Urt LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 18. Oktober 2018, Az. 74 O 3047/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte zu 2) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Darstellung eines Tatbestandes bedarf es nicht, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das gegen den Beklagten ergangene Versäumnisurteil zutreffend hinsichtlich der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Forderung aufrechterhalten.
1. Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Ausführungen des Landgerichts zur Beweislast in Hinweisen und Urteil widersprüchlich sind. Allerdings ist das landgerichtliche Urteil, das das Bestreiten des Beklagten hinsichtlich Leistungserbringung und Abrechnung der Klägerin für nicht ausreichend erachtet, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn aufgrund der Umstände des Falls ist eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten eingetreten und deshalb er beweisbelastet für seine Behauptungen, dass die Klägerin mit der Erbringung der abgerechneten Leistungen nicht beauftragt war, dass sie keine Leistungen erbracht hat und dass sie eventuell beauftragte und erbrachte Leistungen nicht ordnungsgemäß abgerechnet hat.
a) Ausweislich der vorgelegten Mailkorrespondenz (K 2) zwischen den Parteien hat der Beklagte vorgerichtlich zu keiner Zeit die Beauftragung, die Leistungserbringung, die abgerechneten Stunden oder die geltend gemachte Rechnungshöhe in Frage gestellt. Vielmehr hat er in diesem Schriftverkehr auf die Mahnungen der Klägerin eine Abrechnung „Anfang Juni“ in Aussicht gestellt bzw. am 10. Juni 2017 auf eine Mahnung der Klägerin vom 6. Juni 2017, die sämtliche streitgegenständlichen Rechnungen unter Angabe der Rechnungsnummern umfasste, behauptet, am Vorabend bezahlt zu haben.
b) Dies aber stellt ein Anerkenntnis im Sinne einer einseitigen tatsächlichen Erklärung des Schuldners dar mit dem Zweck, dem Gläubiger Erfüllungsbereitschaft anzuzeigen um ihn dadurch von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder ihm den Beweis zu erleichtern. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können solche als „Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst“ zu wertenden Bestätigungserklärungen im Prozess eine Umkehr der Beweislast bewirken (BGH, Urteil vom 11. November 2008, VIII ZR 265/07, NJW 2009, 580 Rn. 9 mwN).
So liegt der Fall hier im Hinblick auf die Äußerungen des Beklagten, Anfang Juni werde abgerechnet bzw. er habe am Vortag die Rechnungen bezahlt.
Soweit die Berufung sich gegen die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses wendet, hat auch der Senat derartiges nicht angenommen.
c) Den Beweis, dass die Klägerin mit der Erbringung der abgerechneten Leistungen nicht beauftragt war, sie die abgerechneten Leistungen nicht erbracht hat oder die Rechnungshöhe einschließlich des berechneten Stundensatzes nicht angemessen wäre, hat der Beklagte nicht erbracht. Vielmehr hat er auf den Hinweis des Senats vom 1. März 2019 zu der soeben dargestellten Beweislastverteilung inhaltlich nichts vorgetragen.
d) Das Vorbringen der Berufung, die Klageforderung sei bereits nicht schlüssig dargelegt worden, weshalb kein einlassungsfähiger und dem Bestreiten zugänglicher Vortrag vorliege, kann ihr nicht zum Erfolg verhelfen. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass das Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift (dort S. 3): „Die Klägerin wurde durch die Beklagte seit Dezember 2016 im Rahmen einer freiberuflichen Mitarbeit mit zahlreichen Aufträgen betraut. Größtenteils ging es dabei um die Erstellung von Broschüren für die Beklagte und den Aufbau des D. D. Briefes, der von der Beklagten herausgebracht wird, sowie entsprechende Korrekturarbeiten“ in Verbindung mit dem konkreten Zahlungsantrag – wie erforderlich – aus sich heraus verständlich und zur Individualisierung des Anspruchs genügend ist (vgl. Zöller, ZPO, § 129 Rn. 8). Die im Anschluss an das zitierte Vorbringen vorgenommene Bezugnahme der Klägerin auf die einzelnen Rechnungen, die der Beklagte beanstandet, diente damit nur zur Erläuterung und Ergänzung des bestimmenden Schriftsatzes und war deshalb ordnungsgemäß (vgl. Zöller, ZPO, § 253 Rn. 12).
e) Soweit die Berufung darüber hinaus die Rechnung vom 1. Mai 2017 als widersprüchlich rügt, vermag der Senat diese Einschätzung nicht zu teilen. Zwar sind dort die abgerechneten zwei Stundenpositionen offensichtlich falsch addiert worden, allerdings findet sich die zutreffende Stundensumme im Eingangssatz und ist auch der ausgewiesene Rechnungsbetrag durch Multiplikation der zutreffenden Summe mit dem Stundensatz von € 40,00 richtig ermittelt worden.
f) Auch mit dem Einwand, dass die Rechnungen nicht sämtlich die „Forum“ beträfen, kann die Berufung nicht gehört werden.
Dies ist zum einen neuer, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO präkludierter Vortrag. Zum anderen trifft dieses Vorbringen nicht zu. Vielmehr hat die Klägerin sämtliche Rechnungen, deren Bezahlung sie fordert, ausweislich des Anlagenkonvoluts K 1 auch an die „D. D. Forum“ adressiert und Bezahlung vom Beklagten zu 2) unter Angabe der Rechnungsnummern verlangt. Zudem wäre der Beklagte auch insoweit wegen des mit der Zusage der Bezahlung bzw. der Behauptung der bereits erfolgten Zahlung auf die konkreten Rechnungen verbundenen tatsächlichen Anerkenntnisses beweisbelastet für seinen Vortrag mangelnder Passivlegitimation.
2. Die von der Berufung behaupteten prozessualen Fehler bei Erlass des Versäumnisurteils sind mit der Berufung nicht angreifbar. Für die Frage des Erfolgs der Berufung sind das Versäumnisurteil vom 28. Juni 2018 und das Endurteil vom 18. Oktober 2018 streng voneinander zu trennen. Maßstab der Berufungsprüfung sind grundsätzlich allein Rechtsfehler bei Erlass des Endurteils, § 513 ZPO.
Eine andere Bewertung ergibt sich hier auch nicht aus § 512 ZPO, denn das Versäumnisurteil hat sich im vorliegenden Fall in keiner Weise auf Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage im Endurteil ausgewirkt (vgl. MünchKomm, ZPO, § 512 Rn. 5).
3. Soweit die Berufung ihr Vorbringen zu einem Vergleichsabschluss wiederholt, kann ihr dies ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
a) Unzweifelhaft ist ein gerichtlicher Vergleich nicht zustande gekommen.
b) Außergerichtlich hat der Beklagte zwar eine Zahlung geleistet. Soweit er meint, dies habe den Abschluss eines Vergleichs bewirkt, trifft dies aber nicht zu.
Zwar haben die Parteien unstreitig über einen Vergleichsschluss verhandelt. Die Klägerin hat sich ausweislich der Mail vom 13. Juni 2018 (B 1) allerdings nur unter der „Voraussetzung“ einer Zahlung „von 70% des offenen Betrages“ mit Wertstellung bis zum 20. Juni 2018 mit einer vergleichsweisen Regelung einverstanden erklärt. Diese Erklärung des Klägervertreters stellt entgegen der Ansicht der Berufung keine bloße Fälligkeitsbestimmung dar, sondern statuiert die „Voraussetzung“ und damit die Bedingung für den Abschluss eines Vergleichs.
Mangels Bedingungseintritts aber – bis zum Stichtag ist keine Zahlung des Beklagten eingegangen – ist ein Vergleichsschluss nicht zustande gekommen. Unstreitig erfolgte eine Zahlung des Beklagten erst am 29. Juni 2018.
c) Hinzu kommt, dass der Beklagte lediglich € 3.144,00 bezahlt hat, mithin weniger als 70% der zu diesem Zeitpunkt bereits gerichtlich geltend gemachten € 6.913,30. Dass sich der Vergleich – wie die Berufung behauptet – nur auf einen Teil der eingeklagten Forderung bezogen hätte, liegt fern, zumal die Verhandlungen mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin geführt wurden, der die gesamte Summe eingeklagt hatte und sich eine derartige Einschränkung in der Korrespondenz der Parteien nirgends findet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Der Streitwert entspricht dem Wert der angegriffenen Zahlungsverpflichtung.


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