Handels- und Gesellschaftsrecht

Ein Frisörbesuch mit Folgen

Aktenzeichen  213 C 8595/18

Datum:
24.1.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54825
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB §2 80 Abs. 1, Abs. 3, § 281 Abs. 1 S. 1, § 634 Nr. 4, § 635, § 636

 

Leitsatz

Aus der Tatsache, dass sich der Gesetzgeber gerade für ein Recht des Werkunternehmers zur zweiten Andienung – ebenso wie im Kaufrecht – entschieden hat, folgt im Umkehrschluss jedoch gerade, dass eine Nacherfüllungsfristsetzung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen entbehrlich sein kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 1.030,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Selbst bei Wahrunterstellung des bestrittenen klägerischen Vortrages stehen der Klägerin die gegen die Beklagte geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte mangels einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung kein werkvertraglicher Mängelgewährleistungsanspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB zu.
Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob es, wie von der Beklagten bestritten, am 06.05.2017 überhaupt zu einem Werkvertragsschluss zwischen den Parteien und einer Behandlung der Klägerin durch die Beklagte gekommen ist. Denn die Klägerin hat der Beklagten jedenfalls unstreitig nicht die erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt.
a) Ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung setzt gem. § 281 Abs. 1 S. grundsätzlich voraus, dass dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt wurde.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie der Beklagten noch vor Ort mitgeteilt habe, dass sie das Ergebnis absolut inakzeptabel finde und sie sich mit dieser Haarfarbe nicht an die Öffentlichkeit wagen könne. Die Beklagte habe ihr daraufhin eine Silbertönung empfohlen und gesagt, sie habe keine Zeit mehr, die Silbertönung vor Ort auf die Haare aufzutragen und die Klägerin solle dies zu Hause machen. Die Klägerin sei zu diesem Zeitpunkt derart geschockt gewesen, dass sie die Friseurleistungen der Klägerin bezahlt habe und gegangen sei.
Dem Verhalten der Klägerin vor Ort ist eine Fristsetzung zur Nacherfüllung offenkundig nicht zu entnehmen. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass sie sich so nicht an die Öffentlichkeit wagen könne und damit jedenfalls konkludent eine sofortige Beseitigung noch vor Ort verlangt. Eine solche war der, Beklagten jedoch nach den eigenen Angaben der Klägerin nicht möglich. Das Verlangen der Klägerin erfüllt die Anforderungen an eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nicht, da der Beklagten insoweit keinerlei „angemessene“ Zeit zur Beseitigung eingeräumt, sondern ein sofortiges Handeln – und auch nur ein solches – verlangt wurde. Diesem ist die Beklagte sodann auch im Bereich des ihr Möglichen nachgekommen, indem sie der Klägerin eine Silbertönung zur eigenen Anwendung überreicht hat.
Die Beklagte musste und durfte das Verhalten der Klägerin vor Ort, insbesondere aufgrund Zahlung des vollen Betrages für die Friseurleistungen, auch dahingehend verstehen, dass diese mit der von der Beklagten angebotenen „Soforthilfe“ einverstanden war. Die Klägerin ist in der Folge auch unstreitig nicht mehr auf die Beklagte zugekommen, um ihr zu berichten, dass die überlassene Silbertönung nicht den versprochenen Erfolg gebracht hat, und sie zu einer (weiteren) Nacherfüllung aufzufordern.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Fristsetzung zur Nacherfüllung im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise entbehrlich.
Der Regelungsgegenstand des § 635 BGB beschränkt sich nicht allein auf die Pflicht des Unternehmers, einem Nacherfüllungsverlangen des Bestellers nachkommen zu müssen, vielmehr wird dem Unternehmer gleichzeitig auch ein mit seiner Pflicht korrespondierendes „Recht zur zweiten Andienung“ eingeräumt. Dem Unternehmer wird damit die Gelegenheit gegeben, zur Vermeidung von Ansprüchen auf Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz, sein mangelhaftes Werk nachzubessern oder neu herzustellen.
Aus der Tatsache, dass sich der Gesetzgeber gerade für ein Recht des Werkunternehmers zur zweiten Andienung – ebenso wie im Kaufrecht – entschieden hat, folgt im Umkehrschluss jedoch gerade, dass eine Nacherfüllungsfristsetzung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen entbehrlich sein kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
aa) Dem von der Klägerin dargelegten Verhalten der Beklagten kann eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nacherfüllung im Sinne des § 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB, an welche strenge Anforderungen zu stellen sind, nicht entnommen werden. Allein die Tatsache, dass die Beklagte auf das sofortige Beseitigungsverlangen der Klägerin aufgrund einer akuten zeitlichen Verhinderung lediglich mit der Übergabe einer Silbertönung zur Eigenanwendung reagiert und der Klägerin auch keinen Alternativtermin angeboten haben soll, stellt keine die Frist zur Nacherfüllung entbehrlich machende Nacherfüllungsverweigerung dar. Im Gegenteil, die Beklagte hat sich durch Übergabe der Silbertönung gerade mit der angeblichen Mängelanzeige der Klägerin auseinandergesetzt und versucht, dieser Abhilfe zu verschaffen.
bb) Die Nacherfüllung ist der Klägerin vorliegend auch nicht unzumutbar, § 636 BGB. Dies wäre nur dann der Fall, wenn aufgrund objektiver Umstände das Vertrauen der Klägerin auf ordnungsgemäße Durchführung der Mängelbeseitigung nachhaltig erschüttert, insbesondere eine solche nicht mehr zu erwarten wäre. Dies wäre etwa nach mehreren fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchen der Fall oder wenn dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Unternehmers besondere Bedeutung zukommt, etwa bei dauerhaften bzw. unabänderlichen körperlichen Eingriffen wie einer Tätowierung (vgl. Insoweit OLG Hamm NJW-RR 2014, 717):
Ein vergleichbarer Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die Klägerin hat sich unstreitig erstmals in die Behandlung der Beklagten begeben, einen (echten) fehlgeschlagenen Nacherfüllungsversuch hat es hier gerade nicht gegeben. Das – gerade nicht dauerhafte oder unabänderliche – Färben oder Schneiden von Haaren stellt auch keinen mit einer Tätowierung vergleichbaren körperlichen Eingriff dar, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Vertrauen des Bestellers in die Kompetenz und Verlässlichkeit des Unternehmers aus objektiver Sicht schwerer aufzubauen und demnach auch leichter nachhaltig zu erschüttern ist. Auch die Tatsache, dass die Beklagte die Klägerin angeblich mehrfach versucht habe, davon zu überzeugen, dass das Ergebnis gelungen sei, kann nicht dazu führen, dass eine Nacherfüllung entgegen des gesetzlichen Regelfalles von vorneherein ausgeschlossen ist. Es kann daher im Ergebnis auch dahingestellt bleiben, ob die streitgegenständliche und bestrittene Behandlung überhaupt mangelhaft war.
c) Da das Setzen einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung im vorliegenden Fall auch bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrages Weder unzumutbar noch aus anderen Gründen entbehrlich war und tatsächlich auch nicht erfolgt ist, scheiden werkvertragliche Mängelgewährleistungsansprüche der Klägerin insgesamt aus.
Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die Klägerin gleich nach dem streitgegenständlichen Friseurbesuch einen Rechtsanwalt kontaktiert haben will, welcher ihr mitgeteilt habe, dass sie nicht mehr zu der Beklagten gehen müsse, da diese ein Schuldeingeständnis abgegeben habe. Denn die Klägerin müsste sich eine etwaige rechtsfehlerhafte Auskunft ihres Rechtsanwaltes jedenfalls zurechnen lassen.
2. Auch ein Schadensersatzanspruch aufgrund vertraglicher Nebenpflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB oder unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs. 1 BGB scheidet vorliegend aus, da die Klagepartei eine Gesundheitsschädigung oder gar Körperverletzung durch die Beklagte bereits nicht hinreichend schlüssig und substantiiert dargetan hat.
a) Die Klägerin hat lediglich pauschal behauptet, dass aufgrund der Handlungen der Beklagten ihre Kopfhaut begonnen habe, stark zu jucken und zu brennen, ohne jedoch auszuführen, inwiefern dieses Jucken und Brennen über die gerichtsbekannt bei der Anwendung von Bleichmittel grundsätzlich möglichen und bei der gewünschten Behandlung hinzunehmenden Nebenwirkungen hinausging. Letztlich habe die Behandlung der Beklagten auch zu „Haarschäden“ geführt, welche für die Beklagte „lange Zeit auch negative psychische Auswirkungen“ gehabt habe. Worin diese Haarschäden und psychischen Folgen genau bestanden haben sollen, hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen.
b) Obwohl das Gericht die Klägerin mit Hinweisbeschluss vom 31.10.2018 darauf hingewiesen hat, dass dieser pauschale Sachvortrag – auch angesichts des Bestreitens der Beklagten – nicht ausreichend ist, um eine kausal verursachte Gesundheitsschädigung bzw. Körperverletzung durch die Beklagte schlüssig darzulegen, und der Klägerin eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt hat, erfolgte diesbezüglich kein weiterer Sachvortrag. Da weder ein etwaiger Gelbstich der Haare noch allein die Tatsache, dass das Erscheinungsbild der Klägerin nach der Behandlung nicht ihren Vorstellungen und der vereinbarten Balayage-Technik entsprochen haben sollte, für die Annahme einer Gesundheitsschädigung bzw. Körperverletzung ausreichen, fehlt es insoweit bereits an einer schlüssigen Anspruchsbegründung.
c) Hinsichtlich der pauschal angeführten psychischen Folgen und des hierauf gestützten Schmerzensgeldanspruchs sei zudem angemerkt, dass der Vortrag der Klägerin insoweit widersprüchlich erscheint, als die Klägerin zwar einerseits angibt, erhebliche psychische Auswirkungen durch die mangelhafte Behandlung erlitten zu haben, umgekehrt jedoch auch behauptet, ihre Haare bis zum heutigen Tag unverändert gelassen zu haben und somit auch weiterhin mit der aus ihrer Sicht inakzeptablen und psychisch belastenden Haarfrisur in der Öffentlichkeit aufzutreten. Dies erscheint wenig nachvollziehbar, zumal hier für die Klägerin auch die Möglichkeit eines selbständigen Beweisverfahrens gem. §§ 485 ff. ZPO bestanden hätte.
d) Lediglich ergänzend sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die entsprechenden Behandlungsfolgen seitens der Beklagten auch bestritten wurden und die insoweit darlegungsbelastete Klägerin diesbezüglich beweisfällig geblieben wäre, da die Voraussetzungen für eine Parteieinvernahme der Klägerin nicht vorlagen und das Gericht nach der persönlichen Anhörung der Klägerin zudem davon ausgehen musste, dass der benannte Zeuge H. bei der streitgegenständlichen Behandlung nicht anwesend war.
3. Da die Klägerin die streitgegenständlichen Ansprüche somit im Ergebnis bereits nicht schlüssig dargetan hat, war eine Beweisaufnahme durch Einvernahme des Zeugen H. und Erholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich.
4. Mangels Anspruchs in der Hauptsache steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen oder Ersatz außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach § 3 ZPO.


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