Handels- und Gesellschaftsrecht

Rückzahlungsanspruch wegen rechtsgrundloser Geschäftsführervergütungszahlungen – Die gesetzlichen Anforderungen an den Urkundenprozess

Aktenzeichen  8 U 49/17

Datum:
2.8.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 157041
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 612, § 677, § 683, § 670, § 812, § 823 Abs. 2
StGB § 266
ZPO § 592

 

Leitsatz

1. In einem Urkundenprozess kann ein auf Geldzahlung gerichteter Leistungsanspruch nur geltend gemacht werden, wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Hierdurch ist der Grundsatz der freien Beweiswürdigung indes nicht aufgehoben, so dass der Beweiswert der im Urkundenprozess zulässigen Beweismittel frei zu würdigen ist. Unstreitige oder vom Gegner zugestandene Tatsachen sind aber vom Zwang des Urkundenbelegs ausgenommen. (Rn. 18 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Beweisbarkeit durch Zeugen-, Sachverständigen-, Augenscheinsbeweis genügt nicht. Das gilt auch für die Vorlage privatschriftlicher Zeugenerklärungen, selbst in Form einer eidesstattlichen Versicherung. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Fehlen eines rechtlichen Grundes ist Tatbestandsvoraussetzung und vom Bereicherungsgläubiger darzulegen und zu beweisen, jedoch mit der Modifikation, dass der Bereicherungsschuldner im Sinne einer nach den Umständen gegebenenfalls gesteigerten sekundären Behauptungslast die Umstände darzulegen hat, aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen. (Rn. 26 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 HK O 34/16 2017-03-03 Vor LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehaltsurteil des Landgerichts Bamberg vom 03.03.2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28.04.2017 – Az. 1 HK O 34/16 – abgeändert.
II. Die Klage wird als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten im Urkundenprozess um die Rückzahlung der von der Klägerin auf drei Rechnungen der Beklagten insgesamt geleisteten 428.209,50 Euro. Im Einzelnen handelt es sich um die Rechnungen vom 21.12.2014, Nr. …/1, über 61.756,14 Euro; vom 31.03.2015, Nr. …/2, über 183.226,68 Euro und vom 30.06.2015, Nr. …/3, über 183.226,68 Euro.
Sämtliche Rechnungen der Beklagten, welche die Klägerin als Anlage K 1 bis K 3 vorgelegt hat, weisen den Betreff „Weiterverrechnung (unserer) Leistungen der Geschäftsführer“ auf und beschreiben die in Rechnung gestellten Leistungen als „Aufwendungen für die Geschäftsführung“ im Zeitraum Dezember 2014 (Rn. vom 21.12.2014), im ersten Quartal 2015 (Rn. vom 31.03.2015) und im zweiten Quartal 2015 (Rn. vom 30.06.2015). Die Rechnungen weisen als Begründung der Forderungsbeträge die Bruttoarbeitslöhne der Mitarbeiter der Beklagten A., B. und D. bei verschiedenen Prozentanteilen der Gesamtarbeitsleistung, einen Faktor 2,8 und die jeweilige Anzahl der abgerechneten Monate aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Rechnungen Bezug genommen.
Ursprünglich waren D. und Dr. E. gemeinsam Geschäftsführer der Klägerin. Ob D. in der von ihm einberufenen Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 13.10.2014 abberufen wurde, ob mit Beschluss von diesem Tag die Zusammensetzung des Aufsichtsrats wirksam beschlossen und in der Folge bestellt wurde und ob dieser in einer außerordentlichen Sitzung am 07.12.2014 den Geschäftsführer Dr. E. wirksam abberief und als neue Geschäftsführer A. und B. wirksam bestellte, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin hat hierzu Protokolle von Gesellschafterversammlungen und Aufsichtsratsbeschlüssen vorgelegt (u.a. Anlagen K 8 ff.).
Die Klägerin behauptet einen Rückzahlungsanspruch wegen rechtsgrundloser Geschäftsführervergütungszahlungen (§ 812 BGB) bzw. einen deliktischen Schadensersatzanspruch (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB) wegen behaupteter Untreuehandlungen (vgl. Bl. 161 d.A.). Sie stellt in diesem Zusammenhang in Abrede, dass A., B. und D. Leistungen für die Klägerin erbracht hätten. Vielmehr sei die Klägerin Opfer von Untreuehandlungen des als „faktischer“ Geschäftsführer für sie tatsächlich handelnden D. geworden, dessen Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen müsse.
Die Beklagte hat dem widersprochen und zur Begründung der in Rechnung gestellten und vereinnahmten Gelder ausgeführt, dass es sich nicht um Gehälter für Geschäftsführer der Beklagten gehandelt habe. Auch D., A. und B. hätten solche von der Klägerin nicht verlangt und nicht erhalten. Vielmehr seien in Rechnung gestellt worden nur diejenigen Aufwendungen, die der Beklagten dadurch entstanden seien, dass sie mit von ihr entlohnten Mitarbeitern Arbeiten für die Klägerin erbracht und ihr nicht zur Verfügung gestandenhätten (vgl. Bl. 170 ff. d.A. und 190 ff. d.A.). Grundlage der Vergütungspflicht sei eine mündlich am 25.02.2015 getroffene Vereinbarung der Parteien. Vereinbart hätten sich D. als seinerzeitiger Geschäftsführer der Klägerin und G. als seinerzeitiger Geschäftsführer der Beklagten.
Die Beklagte hat hierzu eine von D. und G. gefertigte und unterzeichnete Aktennotiz vom 13.01.2017 vorgelegt (Bl. 195 d.A.). Die Beklagte ist zudem der Ansicht, dass eine rechtsgrundlose Zahlung auch dann nicht gegeben sei, wenn man eine die Klägerin verpflichtende vertragliche Bindung nicht annehmen wollte. In diesem Fall hätte die Beklagte einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in gleicher Höhe, §§ 677, 683, 670 BGB. Die Klägerin sei nämlich nach der Abberufung (auch) ihres Geschäftsführers Dr. E. am 07.12.2014 auf die Arbeitsleistung der Beklagten bei der Leitung der Klägerin angewiesen gewesen.
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Vorbehaltsurteil des Landgerichts Bamberg vom 03.03.2017 Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat erkannt wie folgt:
„1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 428.209,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.04.2016 zu bezahlen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.“
Zur Begründung hat das Landgericht Bamberg ausgeführt, die Klägerin habe sowohl die Leistung als auch das Fehlen des von der Beklagtenseite behaupteten Rechtsgrundes durch vorgelegte Urkunden belegt.
Die Beklagte habe als Rechtsgrund (allein) einen zwischen den Parteien durch mündliche Vereinbarung der jeweiligen Geschäftsführer geschlossenen Dienstverschaffungsvertrag behauptet. Sie habe nicht behauptet, dass der damals eingesetzte Aufsichtsrat der Beklagten informiert worden sei. Auf die Frage, ob die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat der Klägerin zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich wirksam bestellt waren, komme es nicht an. Ohnehin stehe ein Anspruch auf Vergütung aus § 612 BGB nicht der Beklagten, sondern den für die Klägerin seinerzeit tätig gewordenen natürlichen Personen zu.
Ergänzend auf die Entscheidungsgründe zum Vorbehaltsurteil des Landgerichts Bamberg (Bl. 198 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 07.03.2017 zugestellte Vorbehaltsurteil des Landgerichts Bamberg hat die Beklagte mit einem am 27.03.2017 bei dem Oberlandesgericht Bamberg eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt und diese fristgerecht mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.05.2017 (Bl. 360 ff. d.A.), bei dem Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, begründet.
Die Klägerin, so die Berufungsführerin, habe – entgegen der Auffassung des Landgerichts – das Fehlen der von ihr dargelegten Rechtsgründe für die Leistung nicht (mit Urkunden) nachgewiesen. Insbesondere würden die vorgelegten Urkunden das behauptete Fehlen des Rechtsgrundes nicht dokumentieren. Das Fehlen eines Rechtsgrundes ließe sich durch eine Urkunde ohnehin nur beweisen, wenn in der Urkunde selbst dokumentiert sei, dass es an einem Rechtsgrund fehle. Die Beklagte habe eigene Mitarbeiter zur Unterstützung der Klägerin abgestellt und deshalb einen eigenen Anspruch auf Vergütung bzw. (hilfsweise) Aufwendungsersatz. Dies habe das Landgericht verkannt. Auch seien die Voraussetzungen des § 288 Abs. 2 BGB zu Unrecht bejaht worden. Ohnehin sei die Klage nicht wirksam erhoben, weil der für die Klägerin im Prozess auftretende Dr. E. nicht (mehr) deren Geschäftsführer sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 03.03.2017, Az.: 1 HK O 34/16, abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie,
das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 03.03.2017, Az.: 1 HK O 34/16, aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.05.2017 die Klage bezüglich der Zinsen auf die Hauptforderung, soweit mehr als 5 Prozentpunkte über dem Basiszins geltend gemacht wurde, zurückgenommen und im Übrigen beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 12.07.1985, Az. V ZR 15/84, abgedr. In MDR 1986, 304) genüge zum Beweisantritt im Urkundenprozess die Vorlage von Urkunden, aus denen Indizien entnommen werden können, durch die der Richter auf die zu beweisende Haupttatsache schließen könne. Nach dem 13.10.2014 habe bei der Klägerin ein Aufsichtsrat existiert und es habe in dessen Zuständigkeit gelegen, Anstellungsverträge mit Geschäftsführern selbst zu schließen bzw. solche zumindest zu genehmigen (Anlagen K 8a, 8b). Mit den Anlagen K 13, K 14 und K 16 sei belegt, dass der Aufsichtsrat bei der behaupteten Vereinbarung nicht mitgewirkt bzw. diese nicht genehmigt habe. D. habe bis November 2014 für seine Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin keine Vergütung erhalten, was sich aus den Anlagen K 4 und K 5 ergebe. Diese Kompetenz zum Abschluss von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern habe sich auch auf Dienstanstellungs- oder Dienstverschaffungsverträge bezogen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 02.08.2017 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung (§§ 517, 519, 520 ZPO) führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft.
1. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2017 besprochenen Handelsregisterauszuges für die Klägerin war bei Klageerhebung und ist Dr. E. Geschäftsführer der Klägerin und konnte diese durchgängig sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich vertreten (Anlagen K 21 und K 22; vom Senat i.Ü. durch eine eigene Handelsregisterabfrage überprüft). Die Klage ist damit wirksam erhoben und zulässig.
Den tatsächlichen Behauptungen der Klägerin kann auch nicht die Eignung abgesprochen werden, den Klageanspruch zu rechtfertigen, womit die Klage schlüssig begründet und nicht wegen Unschlüssigkeit des Vortrags gemäß § 597 Abs. 1 ZPO abzuweisen war.
2. Die Klage ist allerdings in der gewählten Prozessart des Urkundenprozesses unstatthaft. In einem Urkundenprozess kann ein – wie vorliegend – auf Geldzahlung gerichteter Leistungsanspruch, somit auch ein Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) oder ein Schadensersatzanspruch (§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB) geltend gemacht werden, wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können, § 592 Satz 1 ZPO.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten weder der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch der alternativ geltend gemachte Anspruch auf Ersatz aus unerlaubter Handlung/Delikt entstandenen Schadens (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB bzw. § 826 BGB) zu, welcher hinsichtlich der von der Klägerin zu beweisenden Umstände von dieser durch im Urkundenprozess zulässige Beweismittel bewiesen werden kann.
3. In der von der Klägerin gewählten Prozessart sind die klagebegründenden Tatsachen für den Leistungsanspruch, soweit sie nicht unstreitig sind, durch Urkunden zu beweisen. Hierdurch ist der Grundsatz der freien Beweiswürdigung indes nicht aufgehoben, d.h. der Beweiswert der im Urkundenprozess zulässigen Beweismittel ist gemäß § 286 Abs. 1 ZPO frei zu würdigen. Unstreitige oder vom Gegner zugestandene Tatsachen sind vom Zwang des Urkundenbelegs ausgenommen. (BGH NJW 2015, 475; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 597 Rn. 5).
Eine Beweisbarkeit durch Zeugen-, Sachverständigen-, Augenscheinsbeweis genügt hingegen nicht. Derartige Beweisaufnahmen sind im Urkundenprozess ausgeschlossen (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., 2017, vor § 592 Rdnr. 2). Parteivernehmung ist nur im Rahmen des § 595 Abs. 2 ZPO zulässig, also nur hinsichtlich der Behauptung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde. Die Vorlage privatschriftlicher Zeugenerklärungen (um eine solche handelt es sich z.B. bei der von der Beklagten vorgelegten Aktennotiz vom 13.01.2017, Bl. 195 d.A.), diese selbst in Form einer eidesstattlichen Versicherung, reichen ebenfalls nicht aus, denn hierbei handelt es sich nicht um Vernehmungsurkunden, sondern um selbst gefertigten Ersatz für die nicht zugelassene Zeugenvernehmung (Zöller/Greger, a.a.O., § 592 Rdnr. 16). Ein Protokoll über die Vernehmung eines Zeugen in einem anderen Verfahren ist zwar urkundenbeweislich verwertbar, die Urkunde belegt jedoch nur, dass der Zeuge in einer bestimmten Weise ausgesagt hat, hat also nicht den Beweiswert der Zeugenaussage selbst (Zöller/Greger, a.a.O., § 592 Rdnr. 16). Die Eignung des Anspruchs zur Verfolgung im Urkundenprozess einschließlich der Frage der Beweisbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkundenbeweis ist von Amts wegen zu prüfen, weil es sich um eine besondere Prozessvoraussetzung für das Verfahren des Urkundenprozesses handelt (Zöller/Greger, a.a.O., § 597 Rdnr. 4). Kann der Kläger, soweit er beweispflichtig ist, alle entscheidungserheblichen Punkte mit den Mitteln des Urkundenprozesses beweisen und kommt es sodann auf etwaige Einwendungen des Beklagten an, dann hat auch der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Einwendungen mit den Beweismitteln des Urkundenprozesses zu beweisen. Auszugehen ist dabei – wie auch im sog. ordentlichen Verfahren – von dem Vortrag der Parteien und der Darlegungs- und Beweislast.
Zu Unrecht meint die Klägerin, aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.07.1985, Az. V ZR 15/84, ergebe sich anderes; danach reiche es für den Klageerfolg im Urkundenprozess nämlich aus, wenn sich den vorgelegten Urkunden Indizien entnehmen ließen, durch die der Richter auf die zu beweisende Hauptsache schließen könne (zuletzt Berufungserwiderung, Seite 10). Der Bundesgerichtshof hat in jener Entscheidung ausgeführt, dass im Urkundenprozess zwar auch (bestrittene) Einwendungen nur durch Urkunden oder durch Parteivernehmung beweisbar seien, es aber ausreiche, dass die Tatsachen, auf die die Beklagte ihre Einwendungen stütze, genau wie die anspruchsbegründenden Tatsachen nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) aus den Urkunden selbst unmittelbar oder mittelbar durch den Beweis von Indiztatsachen zur Überzeugung des Gerichts erbracht würden. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist ein Gericht im Urkundenprozess zwar nicht daran gehindert, nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung trotz Vorlage von Urkunden den verbrieften Anspruch für nicht nachgewiesen zu erachten und damit der Urkunde den Beweiswert hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Umstände abzusprechen. Das bedeutet aber nicht, dass – umgekehrt – die anspruchsbegründenden und (ggf.) die einwendungsbegründenden Tatsachen im Urkundenprozess anders als durch Urkunden nachgewiesen werden können.
4. Nach Maßgabe der genannten Prüfungsmaßstäbe hat die Klägerin ihren auf § 812 Abs. 1 BGB gestützten Anspruch nicht nachgewiesen. Die erfolgreiche Geltendmachung eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB setzt neben der Leistung nämlich auch voraus, dass der Anspruchsgegner die Leistung ohne rechtlichen Grund erlangt hat.
a) Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Nachweis dafür, dass die Klägerin an die Beklagte insgesamt 428.209,50 Euro geleistet hat, geführt ist. Insoweit bedurfte es, da unstreitig, bereits keines Urkundenbeweises.
b) Anders verhält es sich mit dem negativen Tatbestandsmerkmal einer Zahlung „ohne rechtlichen Grund“. Über das Vorliegen eines Rechtsgrundes für die Zahlungen besteht Streit und es war deshalb insoweit von der Klägerin Beweis durch Urkunden zu führen, § 592 Satz 1 ZPO.
Dabei hat grundsätzlich der Bereicherungsgläubiger die Umstände zu beweisen, aus denen sich die Voraussetzungen des Anspruchs ergeben, der Bereicherungsschuldner diejenigen für die Einwendungen (z.B. solche gemäß §§ 814, 815 BGB).
Das Fehlen eines rechtlichen Grundes ist Tatbestandsvoraussetzung und vom Bereicherungsgläubiger darzulegen und zu beweisen, jedoch mit der Modifikation, dass der Bereicherungsschuldner im Sinne einer nach den Umständen gegebenenfalls gesteigerten sekundären Behauptungslast die Umstände darzulegen hat, aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen (BGH NJW 95, 556). Der Gläubiger darf in einem solchen Fall auf den Vortrag des Bereicherungsschuldners aufbauend sich darauf beschränken, nachzuweisen, dass die vom Schuldner – ggf. auch hilfsweise – vorgebrachten Rechtsgründe nicht bestehen (BGH, Urteil vom 28.07.2015, Az. XI ZR 434/14, Rn. 21 zitiert nach juris).
c) Die Beklagte nennt als Rechtsgrund für die erhaltenen Zahlungen einerseits einen von den Parteien, jeweils vertreten durch ihren jeweiligen Geschäftsführer, geschlossenen Vertrag, zum anderen die Erbringung von Arbeit zugunsten der Klägerin in einem konkret behaupteten Umfang durch drei bei ihr, der Beklagten, als Geschäftsführer bzw. Arbeitnehmer beschäftigte und entlohnte Mitarbeiter. Zum Vertrag wurde von der Beklagten sowohl die sich einigenden natürlichen Personen, der Tag der Vereinbarung und der genaue Einigungsinhalt konkret bezeichnet. Sie hat zu der Einigung / dem Vertrag vom 25.02.2015 eine ihren Sachvortrag ergänzende Aktennotiz vom 13.01.2017 vorgelegt.
d) Die Klägerin hätte nun durch Urkunden den Nachweis führen müssen, dass die behaupteten und in Rechnung gestellten Arbeitsleistungen für die eigene Geschäftsführung tatsächlich nicht erbracht wurden bzw. eine Vereinbarung zur Entlohnung nicht oder nicht so existent oder unwirksam ist. Diese Nachweise vermochte sie zur Überzeugung des Senats nicht zu führen.
Die vorgelegten Rechnungen belegen zunächst nicht, dass der Klägerin von der Beklagten „Geschäftsführergehälter“ verschiedener natürlicher Personen in Rechnung gestellt wurden. Der Betreff der Rechnungen, lautend (in der Rechnung vom 31.12.2014) auf: „Weiterverrechnung unserer Leistungen der Geschäftsführung“ bzw. (in den beiden Folgerechnungen) auf: „Weiterverrechnung Leistungen der Geschäftsführung“ und die Leistungsbeschreibung in der Rechnung lautend auf „Aufwendungen für die Geschäftsführung im …“ stützen die Darstellung der Beklagten. Auch das Landgericht verkennt die Einlassung der Beklagten, wenn es sie dahingehend auslegt, dass die Beklagte ihr selbst gar nicht zustehende Geschäftsführergehälter der in den Rechnungen genannten Personen in eigenem Namen vereinnahmt hätte. Zwar ist in den Rechnungen von „Geschäftsführung“ die Rede, allerdings erkennbar nur deshalb, weil hiermit die Art der von Beklagtenseite mit ihrem Personal erbrachten Dienste beschrieben werden soll. Den Rechnungen fehlt jeglicher Hinweis oder Anhaltspunkt, die Beklagte habe, wie die Klägerin behauptet, in Vertretung oder Standschaft für Dritte deren Geschäftsführergehaltsansprüche gegenüber der Klägerin in Rechnung gestellt. Damit stehen die vorgelegten Rechnungen der von der Beklagten behaupteten, einen Rechtsgrund für die Leistungen schaffenden Vereinbarung vom 25.02.2015 nicht entgegen. Unwiderlegt war D. auch seinerzeit alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der Klägerin. Erst am 20.08.2015 wurde die entsprechende Eintragung im Handelsregister gelöscht.
Der Nachweis einer Abberufung des D. bereits zum 13.10.2014 ist im Urkundenprozess durch die Vorlage des Protokolls der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 13.10.2014 (Anlage K 8) nicht geführt. Unabhängig von der Publizität des Handelsregisters ergibt sich aus dem vorgelegten Protokoll nämlich, dass die Abberufung des D. seinerzeit zwar auf der Tagesordnung stand (Anlage K 8, TOP 1.2, Seite 3), der Antrag jedoch abgelehnt wurde (Anlage K 8, TOP 1.2, Seite 4). Weshalb der Gesellschafter H. hierbei einem Stimmverbot unterlegen gewesen sein soll, ist aus dem Protokoll nicht ersichtlich. Der Versammlungsleiter hat jedenfalls ein derartiges Stimmverbot nicht angenommen und eine allein verwandtschaftliche Beziehung zum Betroffenen reicht hierfür nicht.
Soweit die Klägerin meint, eine Nichtbeteiligung des neu installierten Aufsichtsrats der Klägerin sei hinreichender Grund für eine fehlende Wirksamkeit der Vereinbarung vom 25.02.2015, so verkennt sie, dass sie selbst das wirksame Zustandekommen eines Aufsichtsrates der Klägerin in Zweifel zieht. So behauptet sie sowohl im gegenständlichen als auch in anderen (insbesondere vor den Gerichten in Berlin) geführten Verfahren (vgl. bereits Klageschrift Seite 3 unten, Seite 4 und u.a. Schriftsatz vom 07.07.2016, Seite 2), die Einrichtung des Aufsichtsrats sei tatsächlich nicht wirksam erfolgt. Schließlich vermag die Klägerin mit der Vorlage von Protokollen der Gesellschaft allein den Ablauf der jeweiligen Versammlungen nachzuweisen, nicht jedoch die Wirksamkeit protokollierter Beschlüsse. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin, wie ausgeführt, über die Frage der Wirksamkeit streitet.
5. Auch ein auf § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion), erst recht ein auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB bzw. § 826 BGB gestützter Anspruch ist von der Klägerin nicht mittels Urkunden bewiesen.
Tathandlung der Untreue ist entweder die im Außenverhältnis wirksame, aber im Innenverhältnis pflichtwidrige rechtsgeschäftliche oder hoheitliche Ausübung einer Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis (Missbrauchstatbestand) oder die Verletzung der sich aus einem Treueverhältnis ergebenden vermögensbezogenen Pflicht (Treubruchstatbestand), wobei nach h.M. beide Alternativen das Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht voraussetzen. Taterfolg ist die Verursachung eines Vermögensnachteils. An den Untreuevorsatz sind strenge Anforderungen zu stellen (BeckOK StGB/Wittig StGB § 266, beckonline).
6. § 826 BGB ergänzt neben § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB das Deliktsrecht um einen unmittelbaren Schutz von Vermögensschäden. Dies allerdings nur unter der engen Voraussetzung, dass dem Handelnden ein Sittenverstoß objektiv als Verletzung grundlegender sozialethischer Werte vorgeworfen werden kann und er sich subjektiv auch der Umstände bewusst ist, die im konkreten Fall die Sittenwidrigkeit begründen (BeckOK BGB/Förster BGB § 826, beckonline).
Der Klägerin ist, wie ausgeführt, bereits der Nachweis des Fehlens eines Rechtsgrundes für die erbrachten Zahlungen nicht gelungen. Mittels Urkunden konnte sie auch keinen „Eingriff“ im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB, erst recht kein Handeln und dessen subjektive Voraussetzungen im Sinne strafrechtlicher Vorschriften oder im Sinne des § 826 BGB nachweisen. Dies gilt bezüglich sämtlicher für die Beklagte handelnden Personen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, die im Übrigen von den Besonderheiten des Einzelfalls geprägt wird.


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