Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadenersatzansprüche wegen verzögerter Netzanbindung

Aktenzeichen  3 U 58/16

Datum:
12.5.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154385
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EnWG § 17 Abs. 2a, § 17e Abs. 2, § 32 Abs. 3
BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2
GWB § 33 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Aus § 17e Abs. 2 Satz 3 EnWG folgt, dass von dem anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers der Ersatz anderer Vermögensnachteile als der entgangenen Einspeisevergütungen nicht verlangt werden kann. (Rn. 176) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beschränkung des Ersatzes gilt selbst im Fall eines vorsätzlichen Handelns des Übertragungsnetzbetreibers und auch dann, wenn die Forderung auf Anspruchsgrundlagen außerhalb des EnWG gestützt wird. (Rn. 176) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die ab dem 28.12.2012 geltende Entschädigungsregelung ist auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken wegen einer echten oder unechten Rückwirkung, die Anlass zu einer vom Wortlaut abweichenden verfassungskonformen Auslegung oder einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG geben könnten, ausgesetzt. (Rn. 188) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auf den Anspruch nach § 17e Abs. 2 Satz 2 EnWG ist der Haftungsmaßstab des § 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG maßgebend. (Rn. 253) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

13 HKO 44/12 2016-03-03 Endurteil LGBAYREUTH LG Bayreuth

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 03.03.2016, Az. 13 HK O 44/12, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten und der Nebenintervenientin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der vollstreckende Prozessgegner jeweils zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Auch der im Wege der Klageerweiterung geltend gemachte weitere Anspruch steht der Klägerin nicht zu.
Vorab weist der Senat darauf hin, dass ihm eine Prüfung der Rechtswegfrage verwehrt ist (§ 17a Abs. 5 GVG). Es kann daher auf sich beruhen, ob der mit der vorliegenden Klage beschrittene Rechtsweg zu den Zivilgerichten ursprünglich zulässig gewesen war oder nicht.
Im Berufungsverfahren streiten die Parteien um folgende Schadenspositionen:
A. Mehrkosten wegen Anschlussverzögerung 101.404.593,16 EUR
B. Entgangene EEG-Einspeisevergütung März /April 2013 18.470.826,70 EUR
C. Verlust von 10% Einspeisevergütung ab Mai 2013 bis 27.07.2015 35.988.679,59 EUR
Klageforderung im Berufungsverfahren insgesamt: 155.864.099,45 EUR
A. Mehrkosten wegen einer Anschlussverzögerung
1. Ein Anspruch auf den von der Klägerin geltend gemachten Verzögerungsschaden auf der Grundlage des EnWG ist gemäß § 17e Abs. 2 Satz 3 EnWG ausgeschlossen. In der Neuregelung wird ausdrücklich auch der Rückgriff auf § 32 Abs. 3 EnWG untersagt: Nach § 17e Abs. 5 EnWG ist auf Vermögensschäden, die auf einer nicht rechtzeitig fertiggestellten Netzanbindung beruhen, § 32 Absatz 3 und 4 EnWG nicht anzuwenden.
Nach dem am 28.12.2012 in Kraft getretenen § 17e Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 EnWG kann der Betreiber der Windenergieanlage auf See von dem anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber für Vermögensschäden eine Entschädigung in Höhe von 90% der im Fall der Einspeisung erfolgenden Vergütung verlangen, wenn die Einspeisung aus einer betriebsbereiten Offshore-Anlage nicht möglich ist, weil die Netzanbindung nicht zu dem verbindlichen Zeitpunkt der Fertigstellung der Anbindungsleitung fertiggestellt ist, frühestens jedoch ab dem elften Tag nach dem verbindlichen Fertigstellungstermin.
Im Falle eines vorsätzlichen Pflichtverstoßes kann gemäß § 17e Abs. 2 Satz 2 EnWG ab dem ersten Tag nach dem verbindlichen Fertigstellungstermin die vollständige im Fall der Einspeisung erfolgende Vergütung verlangt werden.
Darüber hinaus ist eine Inanspruchnahme des anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreibers auf Grund einer nicht rechtzeitig fertiggestellten Netzanbindung gemäß § 17e Abs. 2 Satz 3 EnWG ausgeschlossen. Das bedeutet insbesondere, dass der Ersatz anderer Vermögensnachteile als der entgangenen Einspeisevergütungen nicht verlangt werden kann – selbst nicht im Fall eines vorsätzlichen Handelns des Übertragungsnetzbetreibers und auch dann nicht, wenn die Forderung auf Anspruchsgrundlagen außerhalb des EnWG gestützt wird.
Im Streitfall ist die seit dem 28.12.2012 geltende Fassung des EnWG maßgebend. Denn nach der Übergangsvorschrift des 17e Abs. 2 Satz 6 EnWG sind vorliegend nur die Entschädigungsbestimmungen des am 28.12.2012 in Kraft getretenen § 17e EnWG einschlägig.
Eine abweichende verfassungskonforme Auslegung der Entschädigungsregelungen oder entsprechende Anwendung der Übergangsvorschrift des § 118 Abs. 12 EnWG unter dem Gesichtspunkt einer echten oder unechten Rückwirkung kommt hierbei nicht in Betracht.
2.1 Nach der bis zum 27.12.2012 geltenden Fassung des EnWG wäre in diesem Rahmen als denkbare Grundlage für einen Schadensersatzanspruch die Vorschrift des § 32 Abs. 3 EnWG (i.V.m. § 17 Abs. 2a EnWG a.F.) in Betracht gekommen.
a) Nach § 17 Abs. 2a Satz 1 EnWG a.F. war der Übertragungsnetzbetreiber verpflichtet, die Leitungen vom Umspannwerk der Offshore-Anlagen bis zum technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des nächsten Übertragungs- oder Verteilernetzes zu errichten und zu betreiben. Diese Netzanbindungen mussten (bis) zum Zeitpunkt der Herstellung der technischen Betriebsbereitschaft der Offshore-Anlagen hergestellt sein.
Hieran knüpft die Schadenersatzregelung des § 32 Abs. 3 EnWG an. Demzufolge hätte ein Anspruch wegen eines verzögerungsbedingten Schadens schon deshalb nicht bestanden, weil die in § 17 Abs. 2a EnWG a.F. normierte Pflicht nicht verletzt war. Nach dieser Vorschrift musste nämlich die Netzanbindung erst zum „Zeitpunkt der Herstellung der technischen Betriebsbereitschaft [Hervorh. d. d. Senat] der Offshore-Anlagen errichtet sein“.
Das entspricht der Erläuterung im Regierungsentwurf zum neuen EnWG vom 28.09.2012 (BT-Drucksache 17/10754, S. 34). Dort heißt es u.a.:
„In der unbedingten Netzanbindungszusage, die erteilt wurde, wenn vier Kriterien aus dem Positionspapier der Bundesnetzagentur vom Betreiber der Offshore-Anlage erfüllt wurden, wurde dem Betreiber der Offshore-Anlage ein verbindlicher Fertigstellungstermin für die Anbindungsleitung genannt. Nach den Regelungen in § 17 Absatz 2a und 2b EnWG a. F. bestand ein individueller Anschluss- und Errichtungsanspruch des Betreibers der Offshore-Anlage sowie der Anspruch, dass die Anbindungsleitung zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Offshore-Anlage betriebsbereit war“ (Anmerkung: Hervorhebung n.i.O.). Dieses System wird durch die Neuregelung grundlegend umgestaltet.“
Nach der früheren Regelung war somit erst die volle technische Betriebsbereitschaft der Anlage herzustellen. Erst ab dann bestand die Anschlussverpflichtung des Übertragungsnetzbetreibers.
Der Senat verkennt nicht, dass diese Regelung wegen der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Leistungen des Windparkbetreibers und des Übertragungsnetzbetreibers bei großen Anlagen unbefriedigend ist. Es liegt auf der Hand, dass unter Umständen die technische Betriebsbereitschaft gerade deshalb nicht hergestellt wird oder nicht hergestellt werden kann, weil es noch an einer Netzanbindung fehlt. Der sich daraus ergebende Regelungsbedarf war ein wesentlicher Grund für die am 28.12.2012 in Kraft getretene Novellierung. Im Gesetzesentwurf wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelung der Haftung im Falle einer Verzögerung der Netzanbindung unklar ist (BT-Drucksache 17/10754 Seite 28). Der Gesetzgeber hatte das Problem der wechselseitigen Abhängigkeiten hat erkannt und in § 17e Abs. 2 Satz 4 EnWG dadurch gelöst, dass die Neuregelung eine fiktive Betriebsbereitschaft genügen lässt (vgl. BT-Drucksache a.a.O., dort S. 27). Daraus ergibt sich jedoch keine Handhabe, die frühere Gesetzesfassung abweichend von ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut auszulegen.
b) Die in § 17 Abs. 2a EnWG a.F. vorgesehene zeitliche Abfolge (erst technische Betriebsbereitschaft, dann Netzanbindung) kann auch nicht – wie die Klägerin meint -mit einem Rückgriff auf § 162 Abs. 1 BGB umgangen werden.
Die in § 17 Abs. 2a EnWG a.F. vorausgesetzte technische Betriebsbereitschaft ist keine Bedingung im Sinne des § 158 BGB, sondern tatbestandliche Voraussetzung für das Entstehen einer Anschlussverpflichtung der Beklagten. Somit liegt allenfalls eine sog. Rechtsbedingung vor, für die § 162 BGB grundsätzlich nicht gilt (BGH NJW 1996, 3338-3341). Hinzu kommt, dass die technische Betriebsbereitschaft der Anlage durch die Beklagte weder hergestellt werden sollte noch konnte.
c) Bei dieser Sachlage kann auf sich beruhen, ob vom spezifischen Schutzzweck der -dem § 33 GWB nachgebildeten (vgl. Kment-Wahlhäuser, 4. Auflage, Rn. 2 zu § 32 EnWG) – Vorschrift des § 32 Abs. 3 EnWG auch Verstöße gegen Pflichten umfasst sind, die ihre Grundlage wie hier in einem (privat- oder öffentlichrechtlichen) Vertrag bzw. in einem vertragsähnlichen Verhältnis (vgl. dazu sogleich Ziff. 2.2a) haben.
2.2 Die ab dem 28.12.2012 geltende Entschädigungsregelung ist auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken wegen einer echten oder unechten Rückwirkung, die Anlass zu einer vom Wortlaut abweichenden verfassungskonformen Auslegung oder einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG geben könnten, ausgesetzt.
a) Der Senat lässt in diesem Zusammenhang offen, ob der Beklagten darin gefolgt werden kann, dass § 32 Abs. 3 EnWG als speziellere Norm dem § 280 BGB vorgeht und damit nach altem Recht Ansprüche auf der Grundlage des § 280 BGB nicht hätten geltend gemacht werden können (so BR-Drucksache 520/12 vom 31.08.2012, dort S. 31). Der Senat unterstellt deshalb zugunsten der Klägerin, dass Ansprüche auf der Grundlage des § 280 BGB (gegebenenfalls in entsprechender Anwendung) zumindest dann nicht ausgeschlossen waren, wenn zwischen den Parteien eine Vereinbarung über die Errichtung der Anbindung zustande gekommen, also auch ein (privat- bzw. öffentlichrechtliches) Vertragsverhältnis (bzw. ein vertragsähnliches Verhältnis, vgl. etwa Thole RdE 2013, 397, 399) entstanden war. So liegen die Dinge hier.
Die Parteien hatten über die Netzanbindung verhandelt. Schließlich hatte die Beklagte unstreitig unter dem 05.07.2010 eine unbedingte Netzanbindungszusage erteilt. Damit war zumindest stillschweigend auch ein Netzanbindungsvertrag zustande gekommen. Bei einer Verletzung der Ansprüche aus diesem (privat- oder öffentlichrechtlichen bzw. vertraglichen / vertragsähnlichen) Schuldverhältnis, kann die Klägerin ihre Ansprüche grundsätzlich auch aus den Anspruchsgrundlagen des BGB – gegebenenfalls in entsprechender Anwendung – herleiten. Dass diese Berechtigung vor der Neufassung des EnWG vom 28.12.2012 beschränkt gewesen sein könnte, kann der damaligen Gesetzlage nicht entnommen werden.
Die Vorschriften des BGB wären daher vor dem 28.12.2012 (jedenfalls entsprechend) anwendbar gewesen.
b) Indessen haben zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung keine verzögerungsbedingten Schadenersatzansprüche der Klägerin auf der Grundlage der §§ 280, 286 BGB bestanden, weil sich die Beklagte nicht in Verzug befunden hatte.
aa) Die in § 17 Abs. 2a Satz 1 EnWG a.F. statuierte – öffentlichrechtliche – Pflicht, den Anschluss zu erstellen, ist in der Vergangenheit (faktisch) durch das Positionspapier der BNetzA vom Oktober 2009 (Anlage K 5) näher konkretisiert worden. Danach entstand die Pflicht, die Netzanbindung herzustellen, überhaupt erst, nachdem vier Anbindungskriterien erfüllt waren (a.a.O. Ziffer 2.1.2).
Waren diese Kriterien erfüllt, sollte die Netzanbindung nach dem Positionspapier der BNetzA binnen 30 Monaten erfolgen (a.a.O. Ziffer 2.5.3). Der Netzbetreiber war also gehalten, nicht nur die Anbindung als solche herzustellen, sondern sich auch über den Zeitpunkt der Erfüllung seiner Anbindungspflichten zu erklären (a.a.O. Ziffer 2.4). Ob sich aus § 17a Abs. 2a Satz 1 EnWG a.F. bereits ein individueller Anspruch auf Erstellung eines Anschlusses ergab (ablehnend etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Juni 2014 – VI-3 Kart 93/13 (V), dort Rdnr. 26 zit. n. JURIS), bedarf hier keiner Entscheidung. Selbst wenn vom Bestehen eines solchen Individualanspruchs ausgegangen wird, wäre durch die gesetzliche Regelung der Zeitpunkt des Anschlusses weder bestimmt noch bestimmbar gewesen.
Da das Positionspapier rechtlich nur eine interne Verwaltungsvorschrift der BNetzA darstellt, konnte es das Rechtsverhältnis der Parteien nur dann mitgestalten, wenn sie vergleichbar der VOB/B ausdrücklich einbezogen worden wäre. Das ist nicht geschehen. Auf das Positionspapier der BNetzA bezieht sich das Schreiben der Beklagten vom 05.07.2010 (Anlage K2) nicht. Es übernimmt auch nicht die in diesem Positionspapier erwähnte 30-Monate-Frist. Vielmehr wird mitgeteilt:
„Mit der Fertigstellung der Netzanbindung ist bei erfolgreichem Probebetrieb und Abnahme grundsätzlich innerhalb der nächsten 32 Monate zu rechnen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Realisierung durch Umstände, die wir nicht zu vertreten haben (insbesondere …), gehindert wird bzw. Sie den OWP erst zu einem späteren Zeitpunkt in Betrieb nehmen wollen.“
Das Schreiben ist aber jedenfalls eine Willenserklärung. Für die Auslegung hat es daher auf ein objektiviertes Empfängerverständnis (§§ 133, 157 BGB) anzukommen. Daraus ergibt sich aber nur, dass es sich um eine unbedingte Netzanbindungszusage handelt. Diese Einordnung ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Auch die Beklagte geht davon aus, dass – pflichtgemäß – eine unbedingte Netzanbindungszusage erfolgt ist. Dem schließt sich der Senat an.
bb) Eine andere Frage ist, ob die Klägerin, die zweifelsfrei eine gewisse Planungssicherheit erwarten durfte und auch erwarten können sollte, dieses Schreiben auch als unbedingte Netzanbindungszusage zum 28.02.2013 im Sinne einer kalenderbestimmten Leistung verstehen konnte und durfte. Das verneint der Senat.
Ob eine kalenderbestimmte Leistung vorliegt oder nicht, ist eine Rechtsfrage und als solche einem Zugestehen oder Bestreiten nicht zugänglich. Vielmehr ist die Frage auf Grundlage des vorliegenden Sachverhalts zu beantworten.
§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt voraus, dass die Leistungszeit bestimmt ist. Sie muss mithin Vertragsbestandteil geworden sein (MüKoBGB-Ernst, 7. Auflage, § 286 Rdnr. 57). Schon das kann der Zusage vom 05.07.2010 nicht entnommen werden. Für § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB reichen nach der Rechtsprechung zum Beispiel sog. ca.-Klauseln nicht aus (vgl. hierzu Löwisch / Feldmann in: Staudinger (2014), Rdnr. 74 zu § 286 BGB m. zahlr. Nachw.).
Im Streitfall ist die Erklärung einer Anschlussbereitschaft binnen 32 Monaten mehrfach eingeschränkt. Die Frist sollte nur „grundsätzlich“ gelten. Es wird auch keine konkrete Zusage gemacht, sondern lediglich mitgeteilt, es könne mit der Erstellung innerhalb von 32 Monaten „gerechnet“ werden.
Das vorangegangene Schreiben der Beklagten vom 18.12.2009 (Anlage K6) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch in diesem Schreiben wollte sich die Beklagte offenkundig nicht auf einen bestimmten Termin festlegen. Soweit die Klägerin die Passage „… werden wir … innerhalb einer Frist von 30 Monaten ab Zuschlagerteilung realisieren…“ herausstellt, lässt sie den einzubeziehenden Kontext des Schreibens unberücksichtigt. Die Ankündigung erfolgte mit der Einschränkung „voraussichtlich“. Im weiteren Text wird zudem ausgeführt, dass die Ankündigung dann nicht gelten solle, wenn die Realisierung durch von der Beklagten nicht zu vertretende Umstände behindert werden würde, wozu neben externen Einflüssen ausdrücklich auch „fehlende oder hinsichtlich des Ausschreibungszwecks untaugliche Lieferantengebote“ (a.a.O.) zählten. Eine Konkretisierung könne erst als Ergebnis des Ausschreibungsprozesses vorgenommen werden.
Insgesamt gesehen beinhaltet somit das Schreiben vom 18.12.2009 ebenfalls nur eine unverbindliche Ankündigung der Beklagten.
cc) Die Klägerin, die diesem Zusammenhang auch das Zustandekommen des Termins „28.02.2013“ erläutert, weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine kalendermäßige Bestimmung auch nachträglich erfolgen kann (Schriftsatz vom 09.11.2016 Seite 7 ff. = Bl. 2549 ff. d.A.). Auch eine solche nachträgliche Bestimmung ist jedoch nicht erfolgt. Das Protokoll als Ergebnis einer Telefonkonferenz vom 24.08.2010 (Anlage B9) reicht nicht aus, um eine nachträgliche kalendermäßige Bestimmung anzunehmen. Entgegen steht, dass es nach dem eigenen Vortrag der Klägerin lediglich darum ging, einen angekündigten ca.-Termin für Mitte 2013 nach vorne zu verlegen. Jedenfalls dann, wenn ein ca.-Termin nach vorne verschoben wird, kann ohne weitere Anhaltpunkte nicht angenommen werden, dass es sich bei dem dann ausgehandelten früheren Termin nunmehr um eine kalendermäßige Festlegung handeln soll. Bei einer Verschiebung nach hinten mag dies anders sein.
dd) Die Beklagte hätte daher allenfalls durch eine Mahnung in Verzug geraten können. Eine solche lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
Soweit die Klägerin für ihre gegenteilige Ansicht auf ihr Schreiben vom 25.05.2012 (Anlage K 21a) verweist, bezieht sich dieses auf eine Teilleistung, nämlich den Zeitpunkt, zu dem das Netzanschlusssystem erstmals unter Strom gesetzt werden sollte und dessen Verschiebung auf Mitte Dezember 2012. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Erbringung dieser konkreten Leistung überhaupt für einen bestimmten Termin vereinbart worden war. In Bezug auf einen nicht eingehaltenen Gesamtfertigstellungstermin ist die Mahnung aber wirkungslos, weil eine Mahnung zunächst die Fälligkeit der Leistung voraussetzt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. BGH NJW 1992, 1956-1957, dort Rdnr. 14 zit. n. JURIS).
Aus dem gleichen Grund kann auch in dem Schreiben 20.06.2012 (Anlage K25) keine Mahnung gesehen werden. Ob die in dem Schreiben enthaltenen Hinweise überhaupt die Annahme einer Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB tragen würden, kann offen bleiben.
Schließlich kommt auch in der Klageerhebung keine Mahnung zum Ausdruck: Bei der Zustellung der Klageschrift am 15.10.2012 war der Anspruch auf Herstellung der Netzanbindung noch nicht fällig. Nach eigenem Vortrag der Klägerin sollte die Anbindung erst zum 28.02.2013 erfolgen.
Bei Zustellung der Klageerweiterung vom 10.03.2015 (Bl. 1402 ff. d.A.) am 13.04.2015 war der von der Klägerin geltend gemachte Verzögerungsschaden bereits in vollem Umfang eingetreten. Ein durch die Zustellung der Klageerweiterung begründeter Verzug ist keine taugliche Grundlage für einen bereits eingetretenen Schaden.
Der Senat hat in Erwägung gezogen, ob ein Verzug der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer sogenannten Eigen- oder Selbstmahnung (§ 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB) in Betracht kommt, weil die Beklagte wiederholt Fertigstellungstermine genannt hatte (vgl. z.B. das Schreiben vom 14.06.2012 – Anlage K 21). Einer solchen Einordnung steht aber schon entgegen, dass im Schreiben der Beklagten vom 11.06.2012 (Anlage K22) ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass keine Termine zugesichert worden seien.
Auch aus dem als Anlage K13 vorgelegten Terminplan lässt sich kein Verzug unter Gesichtspunkt einer Eigen- oder Selbstmahnung herleiten. Der Terminplan wird deutlich erkennbar als „unverbindlich“ bezeichnet. Das Gleiche gilt für den mit E-Mail vom 08.12.2011 übersandten Terminplan. Dieser ist ausdrücklich als „Entwurf 27.12.2010“ gekennzeichnet und enthält zudem unübersehbar in grauer Schrägschrift den Hinweis „draft“.
Eine Mahnung war hier auch nicht wegen sonstiger besonderer Umstände im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich. Zweifelsfrei kein besonderer Umstand in diesem Sinne folgt daraus, dass die Klägerin wegen der verspäteten Fertigstellung der gesamten Anlage erhebliche Einbußen erlitten hat. Auch wiederholte Ankündigungen der Beklagten können dann nicht genügen, wenn sie – wie hier – jeweils nur unter Vorbehalt erfolgt sind.
c) Schließlich liegt auch keine grundlose und endgültige Weigerung der Beklagten (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) vor. Der Übergang zum Schadensersatzanspruch ohne Mahnung setzt voraus, dass der Schuldner sich weigert, die Leistung überhaupt zu erbringen. Davon kann hier keine Rede sein. Tatsächlich hat die Beklagte ihre Leistung letztlich auch erbracht. Sie hat sich nur geweigert, einen von der Klägerin vorgesehenen Ablaufplan einzuhalten. Das ist kein Fall einer Erfüllungsverweigerung. Im Übrigen macht die Klägerin keinen Schadensersatz „wegen Nichterfüllung“ geltend. Das kann sie auch nicht, weil die Beklagte letztlich erfüllt hat.
d) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat auch keine Fixschuld vorgelegen und war ein bereits eingetretener Schaden nicht im Rahmen eines „einfachen Schadenersatz(es)“ ersetzbar. Der Hinweis auf die Kommentierung in Schwarze in: Staudinger, (2014), Rdnr. C 34 zu § 280 BGB stützt die Ansicht der Berufung nicht. In der referierten Kommentarstelle wird auf eine vorübergehende Unzumutbarkeit der Bindung an das Schuldverhältnis infolge Leistungsgefährdung abgestellt. Eine solche Unzumutbarkeit ist hier vor dem 28.12.2012 nicht erkennbar.
Auch das angesprochene Urteil des BGH vom 11.12.1975 (VII ZR 37/74 = NJW 1976, 517) gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Die Entscheidung betraf einen VOB-Vertrag. Der BGH stellt fest, dass die VOB/B Ansprüche wegen Leistungsverzögerungen nicht abschließend regelt (BGH a.a.O. Rdnr. 12). Dem kann aber nicht entnommen werden, dass ein Verzögerungsschaden geltend gemacht werden kann, bevor überhaupt eine Verzögerung eingetreten ist.
Die rechtliche Bewertung der Klägerin steht im Übrigen auch nicht im Einklang mit den Folgen einer Verzögerung bei Fixgeschäften. Würde man – mit der Klägerin – unter Zurückstellung aller Bedenken eine „fixe“ Verpflichtung annehmen, so würde die Terminüberschreitung nur zum Verzug mit den daraus resultierenden Ansprüchen führen. Ausschließlich beim sog. absoluten Fixgeschäft tritt Unmöglichkeit mit der Folge eines Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung ein. Eine solche Fallgestaltung liegt hier offenkundig nicht vor. Ein absolutes Fixgeschäft ist nur dann gegeben, wenn infolge der Terminüberschreitung der Leistungserfolg unmöglich wird.
Nach alledem lässt sich schon keine haftungsauslösende Pflichtverletzung der Beklagten feststellen. Die Novellierung des EnWG hat deshalb die Rechtsstellung der Klägerin in Bezug auf den gegenständlichen Schadenseinschlag nicht verschlechtert.
2.3 Selbst wenn eine Pflichtverletzung angenommen wird, weil die Netzanbindung zum 28.02.2013 von der Beklagten nicht hergestellt worden war, so war daraus – entgegen der Ansicht der Klägerin – jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt kein ersatzfähiger Vermögensnachteil erwachsen.
Gegenstand des vorliegenden Schadensersatzbegehrens sind ausschließlich Verzögerungsschäden. Die Weigerung der Beklagten, die Netzanbindung zu diesem Zeitpunkt (28.02.2013) herzustellen, führt nicht dazu, dass ihre Leistung vor dem hierfür vereinbarten Termin oder unabhängig von den hierzu vereinbarten Umständen fällig wird und demensprechend die Klägerin den Ersatz eines Verzugsschadens verlangen könnte (in diesem Sinne ausdrücklich BGH NJW-RR 2008, 210-211, dort Rdnr. 11 zit. n. JURIS).
Es mag sein, dass der Klägerin aufgrund der Mitteilung über die Verzögerung der Netzanbindung vom 01.06.2012 bereits vor dem 28.12.2012 (Gesetzesänderung) bzw. vor dem 28.02.2013 (vorgesehener Anschlusszeitpunkt) erhebliche zusätzliche Aufwendungen entstanden waren, weil sie Liefer- und Errichtungsverträge mit G. und V. aufheben bzw. anpassen musste. Das führt aber nicht ohne weiteres zu einem Schaden im Rechtssinn. War – wie der Senat annimmt – bis zu den genannten Zeitpunkten keine Pflichtverletzung zu verzeichnen, so sind diese Mehraufwendungen jeweils Auswirkungen des von der Klägerin selbst eingegangenen Investitionsrisikos. Sofern dagegen eine Pflichtverletzung bejaht wird, fehlt es vor dem 28.02.2013 jedenfalls an einem durch die spätere Überschreitung dieses Termins bedingten Verzögerungsschaden. Deshalb greift auch der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schadens nicht.
a) Das bedeutet, dass jedenfalls bei Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften am 28.12.2012 der Klägerin noch keine Ansprüche auf Ersatz eines Verzögerungsschadens zustanden. Deshalb scheidet der Fall einer echten Rückwirkung aus.
Eine echte Rückwirkung ist nur dann gegeben, wenn der Gesetzgeber nachträglich in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand muss vor der Verkündung des Gesetzes nicht nur begonnen haben, sondern bereits abgewickelt gewesen sein (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfGE 11, 139ff und 123, 186ff.).
Da zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung hier noch nicht einmal ein Schaden im Rechtssinne eingetreten war, kommt hier allenfalls eine unechte Rückwirkung in Betracht (vgl. hierzu Klemt-Schink, 4. Auflage, Rn. 32 zu § 17e EnWG).
b) Diese Einordnung steht wiederum im Einklang mit den Regelungszielen des Gesetzgebers. Im Regierungsentwurf des Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 28.09.2012 (BT-Drucksache 17/10754) ist hierzu ausgeführt (a.a.O. S. 28):
„Von der Entschädigungsregelung für eine verzögerte Errichtung der Anbindungsleitung sollen also auch solche Fälle erfasst werden, bei denen das schadensauslösende Ereignis (z. B. die Ursache für eine Verzögerung) vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, in denen der Schaden absehbar, aber noch nicht eingetreten ist und in denen ein gewisses schützenswertes Vertrauen seitens des Betreibers der Offshore-Anlage besteht. Es handelt sich hier um einen Fall der sog. unechten Rückwirkung, die zulässig sein kann, wenn ein noch nicht abgeschlossener Sachverhalt vorliegt und für die rückwirkende Anwendung der Regelung auf diesen Sachverhalt überwiegende Gründe des Allgemeinwohls sprechen.“
c) Ob die Voraussetzungen einer unechten Rückwirkung vorliegen, kann letztlich dahinstehen. Diese ist in der vorliegenden Konstellation jedenfalls zulässig: Vor der Gesetzesänderung bestand eine unsichere und unpraktikable Rechtslage. Im Regierungsentwurf wird darauf hingewiesen, dass sich eine Haftung nur aus der allgemeinen Vorschrift des § 32 Abs. 3 EnWG ergeben könne und die Rechtsfolgen sowie der Umfang einer solchen Haftung im Einzelnen sehr umstritten seien (BT-Drucksache a.a.O. S. 26).
Die Neuregelung bemüht sich um einen sachgerechten Ausgleich der Interessen der Beteiligten, indem zwar zum einen der Umfang einer verzögerungsbedingten Haftung des Anschlusspflichtigen beschränkt, andererseits seine diesbezügliche Haftung für immerhin 90% der entgangenen Einspeisevergütungen verschuldensunabhängig ausgestaltet wird.
Hierdurch werden die Risiken für die Beteiligten weitaus zuverlässiger kalkulierbar. In Übereinstimmung mit den Erwägungen im Regierungsentwurf (a.a.O. Seite 28f.), denen sich der Senat anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ist die Erstreckung der Neuregelung auf Sachverhalte wie im Streitfall daher sachgerecht und angemessen (in diesem Sinne auch Klemt-Schink a.a.O.).
2.4 Wird der vergleichenden Einordnung die alternative Auffassung zugrunde gelegt, dass sich ohne die Gesetzesänderung zum 28.12.2012 etwaige Ansprüche der Klägerin nicht aus § 280 BGB, sondern ausschließlich aus dem bei der Neuregelung unverändert gebliebenen § 32 Abs. 3 Satz 1 EnWG hätten ergeben können (vgl. hierzu BT-Drucksache 17/10754 S. 26), so liegt auch in diesem Fall liegt keine echte Rückwirkung vor.
a) Wie bereits dargelegt, knüpfte die frühere Haftungsregelung des § 32 Abs. 3 Satz 1 EnWG über § 32 Abs. 1 Satz 1 EnWG (u.a.) an einen Verstoß gegen eine Vorschrift der Abschnitte 2 und 3 des Gesetzes an. Damit kam ein Schadenersatzanspruch insbesondere bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß gegen die Netzanbindungsverpflichtung nach § 17 Absatz 2a und 2b EnWG a. F. in Betracht. Aufgrund der Übergangsregelung des § 118 Abs. 12 EnWG ist diese Gesetzeslage auch hier maßgebend. Danach ist auf Windenergieanlagen auf See, bei denen der Betreiber – wie die Klägerin – bis zum 29.08.2012 eine unbedingte Netzanbindungszusage erhalten hat, § 17 Absatz 2a und 2b EnWG in der bis zum 28.12.2012 geltenden Fassung anzuwenden.
b) Wie unter Ziff. 2.1 ausgeführt, war ein etwaiger individueller Anschluss- und Errichtungsanspruch des Betreibers der Offshore-Anlage jedoch nach der bis zum 27.12.2012 geltenden Fassung des EnWG nur darauf gerichtet, „dass die Anbindungsleitung zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Offshore-Anlage betriebsbereit war“ (so ausdrücklich auch BT-Drucksache 17/10754, S. 34).
Zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung war die Anlage jedoch nicht betriebsbereit mit der Folge, dass der Klägerin auch noch kein Anschluss- und Errichtungsanspruch zustand, dessen verzögerte Erfüllung zu Schadensersatzansprüchen hätte führen können, welche im Zuge einer echten Rückwirkung wieder entfallen wären.
c) Soweit die Übergangsvorschrift des § 118 Abs. 12 EnWG von Teilen des Schrifttums dahin verstanden wird, dass dadurch auf der Grundlage des bis zum 27.12 2012 geltenden Haftungsregimes in Altfällen eine Haftung des Übertragungsnetzbetreibers für nach dem Inkrafttreten der Novelle eingetretene Investitionsverluste und ähnliche Vermögensnachteile auch wegen einer auf die Anbindungszusage bezogenen Pflichtverletzung in Betracht kommen kann (vgl. etwa Thole, RdE 2013, 397, 398f; Kment-Posser, 4. Auflage, Rdn. 18 zu § 118 EnWG), bleibt diese Auffassung hierzu bereits eine überzeugende Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 17e Abs. 2 S. 3 EnWG schuldig: Denn die Sperrwirkung der Vorschrift umfasst sämtliche sonstigen Schäden, die sich aus einer gestörten und nicht rechtzeitig hergestellten Netzanbindung ergeben (so auch Kment-Posser a.a.O.); von diesem Ausschlusstatbestand werden deshalb insbesondere auch solche Vermögensverluste umfasst, die auf Fehlinvestitionen und kostenträchtigen Umdispositionen im Zusammenhang mit einer Verzögerung der Netzanbindung beruhen (vgl. nur Kment-Schink a.a.O., Rn. 33 zu § 17e EnWG).
2.5. Im übrigen bestehen auch unter dem Blickwinkel der haftungsbegründenden Kausalität durchgreifende Schlüssigkeitslücken im klägerischen Sachvortrag. So lässt das klägerische Vorbringen insbesondere aus sich heraus nachvollziehbare und hinreichend substantiierte Darlegungen zu einem ursächlichen – insbesondere auch motivatorischplausiblen – Zusammenhang zwischen den der Anbindungszusage der Beklagten vom 05.07.2010 und ihren nachfolgenden Ankündigungen einer Verschiebung des Anbindungstermins (vgl. Anlagen K 17 bis 25) einer- und den maßgebenden planerischen Entscheidungen der Klägerseite andererseits vermissen. Diese Lücke im Sachvortrag ist zugleich vor dem Hintergrund der im Ersturteil angesprochenen Angaben des Zeugen E. und den darauf gestützten – insoweit von der Berufung nicht angegriffenen – Feststellungen des Landgerichts (LGU S. 11) zu würdigen, wonach es seit Februar 2012 aus von den Verzögerungsanzeigen der Beklagten unabhängigen Gründen wiederholt zu erheblichen Änderungen im Terminsplan der Klägerseite gekommen war (vgl. dazu sogleich näher unter B. 2a).
Entsprechendes gilt für die Frage einer ursächlichen Verknüpfung zwischen den genannten Verzögerungsmeldungen der Beklagtenseite und den Entscheidungen der Klägerseite, die den schadensträchtigen Investitionsaufwand ausgelöst haben sollen.
Auf diese Schwachstellen hat die Beklagte wiederholt, etwa auch in der Berufungserwiderung (dort S. 76f = Bl. 2325f.) aufmerksam gemacht.
Nach alledem sind die Voraussetzungen des eingeklagten Anspruchs auf Erstattung von Mehrkosten wegen einer Anschlussverzögerung, die die Klägerin mit 101.404.593,16 EUR beziffert, ebenfalls schon dem Grunde nach nicht gegeben.
B.
Entgangene EEG-Einspeisevergütungen für März und April 2013 Die Klägerin fordert die Erstattung entgangener Einspeisevergütungen für die Monate März und April 2013.
Das Landgericht hat geprüft, ob der Klägerin insoweit nach neuem Recht gemäß § 17e Abs. 1 Satz 1; Abs. 2 Satz 1 und 4 EnWG ein Ersatzanspruch zusteht, und nach Beweisaufnahme eine solche Erstattungsforderung verneint.
Das vom Landgericht gefundene Ergebnis hält der Überprüfung stand. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt auch insoweit keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtlage.
1. Der Anspruch aus § 17e Abs. 2 Satz 1 EnWG setzt voraus, dass die Einspeisung aus einer betriebsbereiten Windenergieanlage auf See nicht möglich ist, weil die Netzanbindung zum verbindlichen Zeitpunkt der Fertigstellung der Anbindungsleitung gemäß § 17d Abs. 2 Satz 3 EnWG noch nicht fertiggestellt ist.
Von einer Betriebsbereitschaft ist nach § 17e Abs. 2 Satz 4 EnWG auch dann auszugehen, wenn das Fundament der Windenergieanlage auf See und die für die Windenergieanlage auf See vorgesehene Umspannanlage zur Umwandlung der durch eine Windenergieanlage auf See erzeugten Elektrizität auf eine höhere Spannungsebene errichtet sind und von der Herstellung der tatsächlichen Betriebsbereitschaft zur Schadensminderung abgesehen wurde. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ist es notwendig, dass diese Voraussetzungen kumulativ („… und …“) vorliegen. Für die Annahme einer fiktiven Betriebsbereitschaft müssen also auf jeden Fall Fundamente und das Umspannwerk tatsächlich vorhanden sein. Diese am Wortlaut und am Regelungszweck orientierte Auslegung entspricht auch den Intentionen des Gesetzgebers, wie sie sich dem Regierungsentwurf entnehmen lassen. Dort heißt es u.a. (BT-Drucksache 17/10754, S. 27):
„Dies ist dann der Fall, wenn die Fundamente der Anlage, je nach Ausführung beispielsweise Tripods oder andere Fundamentausführungen, sowie die der Offshore-Anlage zugeordnete Anlage zur Umwandlung von Wechselspannung in Gleichspannung errichtet sind, da erst zu diesem Zeitpunkt die Anlage bei einer rechtzeitigen Errichtung der Anbindungsleitung einspeisebereit wäre. Des Weiteren [Hervorh. d. d. Senat] muss die Herstellung der tatsächlichen Betriebsbereitschaft auch möglich gewesen sein, der Betreiber der Offshore-Anlage hat lediglich davon abgesehen, die Bestandteile zu installieren um mögliche Schäden, z. B. durch Umwelteinflüsse im Nichtbetriebszustand oder durch Wartungsaufwand, zu vermeiden.“
Diese Vorgaben sind insbesondere auch von der technischen Seite her ohne weiteres nachvollziehbar. Wenn und solange der Zeitpunkt des Stromanschlusses noch nicht feststeht, entspricht es einem dringenden Gebot der Schadensminderung bzw. -vermeidung, die Errichtung der Windenergieanlagen selbst noch zurückzustellen, weil ein längerer Stillstand mechanische Teile der Anlagen schädigen würde. Demgegenüber sind keine vernünftigen Gründe dafür erkennbar, die Voraussetzungen für eine niederschwellige – fiktive – Anschlussreife nicht wenigstens an die vollständige Errichtung der Fundamente und des Umspannwerks zu binden.
2. Das Landgericht ist auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin in den Monaten März und April 2013 noch keine in diesem Sinne fiktiv betriebsbereite Anlage erstellt hatte. Dazu seien die Fundamente der Anlagen (Tripoden) und das Umspannwerk auf See notwendig gewesen. Tatsächlich sei das Umspannwerk erst am 12.04.2013 fertiggestellt worden. Die letzten Tripoden seien erst im Verlauf der März und April 2013 eingebracht worden. Für die Monate März/April 2013 hätten somit die tatsächlichen Voraussetzungen des § 17e Abs. 2 Satz 1 und EnWG nicht vorgelegen.
a) Dieses Beweisergebnis beanstandet die Klägerin nicht. Sie bringt lediglich vor, die Beweisaufnahme habe die Behauptung der Beklagten widerlegt, dass die Errichtung der WEA auch ohne die Verzögerung in der Errichtung der Netzanbindung bereits aufgrund der Verzögerungen in anderen Gewerken hätte verschoben werden müssen. Sämtliche von der Klägerin benannten Zeugen hätten bestätigt, dass es der Klägerin gelungen wäre, den Windpark bis zum 28.02.2013 zu errichten.
Diese Darstellung entspricht bereits nicht dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht. Nach den Bekundungen des von der Klägerin benannten Zeugen E., der offenbar in leitender Stellung bei der Klägerin den Fertigungsprozess der Gründungsstrukturen betreut hatte, hatte es bereits im Februar 2012 grundlegende Änderungen im Terminplan gegeben. Die diesbezüglichen Angaben des Zeugen lauten auszuweise (Sitzungsniederschrift vom 21.11.2013, dort S. 8 = Bl. 879 -Hervorhebungen n.i.O.):
„Es kam dann zu Verzögerungen bei der Fertigung der Tripoden. Anfang/Mitte Februar 2012 kam es deswegen zu einer ersten wesentlichen Änderung des Terminsplans.
Die Tripoden sollten nun gestaffelt bis Ende September 2012 bereitgestellt werden. Als im Juli / August die sechs Tripoden von der S. in unserem Produktionsprozess mit eingearbeitet werden mussten, wurde der Terminplan erneut nach hinten geschoben und zwar nun auf Anfang Dezember 2012.
Mit diesem neuen Termin sind wir aus dem Installationsfenster, das bis Ende November 2012 dauerte, gefallen. Wir mussten daher mit der Installationsfirma die Verträge anpassen. Ein Problem war natürlich das Wetterrisiko, so dass sich die Frage stellte, ob es sinnvoll war, die restlichen Tripoden noch 2012 oder erst im Jahre 2013 zu installieren … Auf Frage des Gerichts:
„Mein Fokus lag darauf, dass die Tripods festgestellt werden. Der Netzanschlusstermin Februar 2012 spielte bei meinen Entscheidungen keine Rolle. … Ich habe natürlich … mitbekommen, dass sich der Netzanschlusstermin Februar 2013 geändert hat. Dies hatte aber keine unmittelbare Auswirkung auf meine Tätigkeit…”
b) Sodann und vor allem kommt es auf das klägerische Vorbringen zu ihrer angeblichen Leistungskapazität schon aus Rechtsgründen nicht an. Entscheidend ist allein, ob die Tripoden und das Umspannwerk bereits hergestellt waren.
Tatsächlich waren diese Voraussetzungen (Fundamente der Anlagen und das Umspannwerk auf See) zum Stichtag nach den überzeugenden Feststellungen des Landgerichts nicht erfüllt. Damit erübrigt sich zugleich die Erörterung der Frage, ob die Klägerin von einem weiteren Aufbau ausschließlich aus Gründen der Schadenminderung abgesehen hatte.
Auf diese Frage hätte es nur dann anzukommen, wenn wenigstens die für die niederschwellige Anschlussreife einer fiktiven Betriebsbereitschaft notwendigen Bauabschnitte bis zum Stichtag vollständig abgeschlossen gewesen wären. Nur in einem solchen Fall – und nur dann – hätte es der zusätzlichen Klärung bedurft, ob der weitere Aufbau der Anlagen bis zur tatsächlichen Betriebsbereitschaft entweder (ausschließlich) zum Zwecke der Schadensminderung oder (auch) deshalb ausgeblieben ist, weil die Klägerin bzw. die von ihr beauftragten Unternehmen hierzu gar nicht in der Lage gewesen waren.
c) Im übrigen liegt auch das von der Berufung bemühte Vorbringen zu einer angeblichen „Doppelkausalität“ neben der Sache. Diese Sichtweise übergeht, dass die Beklagte mit ihren Leistungen auf bestimmten Vorleistungen der Betreiberseite aufbauen sollte und musste. Solange das vorausgehende Gewerk fehlt oder nicht vollständig hergestellt ist, verschiebt sich schon aus diesem Grund die Fälligkeit für das nachfolgende Gewerk. So liegt es auch hier. Das kommt auch in den gesetzlichen Vorgaben klar zum Ausdruck: Der Entschädigungsanspruch setzt voraus, dass die Nichteinspeisung ausschließlich auf die Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung zurückzuführen ist, d.h. er entfällt, wenn eine Einspeisung aus anderen Gründen nicht möglich war (vgl. BT-Drucksache 17/10754, S. 26).
C.
Verlust von 10% der Einspeisevergütungen von Mai 2013 bis zum 27.07.2015 Ein dahingehender Anspruch der Klägerin gemäß § 17e Abs. 2 Satz 2 EnWG besteht schon dem Grunde nach nicht.
1. Nach § 17e Abs. 2 Satz 2 EnWG kann der Betreiber der Windenergieanlage von dem anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber ab dem ersten Tag nach dem verbindlichen Fertigstellungstermin die vollständige, im Fall der Einspeisung erfolgende Vergütung verlangen, wenn der anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiber die nicht rechtzeitige Fertigstellung der Netzanbindung vorsätzlich herbeigeführt hat.
2. Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass hierbei der Haftungsmaßstab des § 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG maßgebend ist, wonach der anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiber alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen hat, um einen Schadenseintritt zu verhindern, den eingetretenen Schaden unverzüglich zu beseitigen und weitere Schäden abzuwenden oder zu mindern. Das begründet eine eigene und uneingeschränkte Pflichtenlage des Übertragungsnetzbetreibers. Daraus folgt, dass die Beklagte nicht nur die Pflicht traf, die von ihr beauftragten Unternehmen sorgfältig auszuwählen und zu überwachen, sondern dass sie für die von ihr beauftragten Unternehmen nach Maßgabe des § 278 BGB einzustehen hat. Eine originäre Beschränkung dieser Haftung auf eine Auswahl- und Überwachungspflicht nach dem Vorbild des § 831 BGB kann dem Gesetz nicht entnommen werden.
3. Das Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung ist an die Überschreitung eines „verbindlichen Fertigstellungstermins“ geknüpft.
Dieses Tatbestandsmerkmal wurde erst mit der Neufassung des EnWG vom 28.12.2012 in das Gesetz aufgenommen und in § 17d Abs. 2 EnWG konkretisiert. Danach obliegen dem Übertragungsnetzbetreiber und dem Betreiber der Offshore-Anlage wechselseitige Abstimmungs- und Unterrichtungspflichten; insbesondere haben sie mögliche Verzögerungen oder Abweichungen vom Realisierungsfahrplan unverzüglich mitzuteilen. Der bekannt gemachte voraussichtliche Fertigstellungstermin wird dann 30 Monate vor Eintritt der voraussichtlichen Fertigstellung verbindlich (§ 17d Abs. 2 S. 5 EnWG).
Zum Zeitpunkt der Netzanbindungszusage im Streitfall bestand eine solche Regelung nicht. Allerdings enthält § 17d Abs. 3 Satz 4 EnWG eine dahingehende Übergangsvorschrift. Danach gilt in Altfällen § 17d Abs. 3 Satz 3 EnWG entsprechend mit der Maßgabe, dass dem verbindlichen Zeitpunkt für die Fertigstellung der Anbindungsleitung im Sinn des § 17d Abs. 2 Satz 3 der Fertigstellungstermin aus der unbedingten Netzanbindungszusage gleichsteht.
Diese Fiktion eines verbindlichen Fertigstellungstermins gilt zunächst nur für den in § 17d Abs. 3 Satz 3 EnWG geregelten Sachverhalt. Danach kann die Regulierungsbehörde in Abstimmung mit dem BSH die vorgesehene Anschlusskapazität auf andere Offshore-Anlagen übertragen, wenn der Anlagenbetreiber nicht spätestens zwölf Monate vor dem verbindlichen Fertigstellungstermin mit der Errichtung begonnen hat oder die technische Betriebsbereitschaft nicht innerhalb von 18 Monaten nach dem verbindlichen Zeitpunkt für die Fertigstellung der Anbindungsleitung hergestellt ist.
Darüber hinaus enthält jedoch auch § 17e Abs. 2 Satz 6 EnWG eine Übergangsvorschrift für Altfälle, durch die dem verbindlichen Fertigstellungszeitpunkt auch für die in § 17 Abs. 2a EnWG a.F. geregelten Sachverhalte ein Fertigstellungstermin aus einer unbedingten Netzanbindungszusage iSd § 17 Abs. 2a EnWG a.F. gleichstellt wird (vgl. hierzu BT-Drucksache 17/10754, S. 28).
Diese Regelung fingiert somit auch für Altfälle – wie hier – einen verbindlichen Fertigstellungstermin.
4. Daraus folgt zunächst, dass nach Ablauf der in der verbindlichen Netzanbindungszusage vom 05.07.2010 (Anlage K 2) genannten Frist der Klägerin grundsätzlich Entschädigungssprüche nach Maßgabe des § 17e Abs. 2 Satz 1 EnWG zustanden (90% der entgangenen Einspeisungsvergütung ab dem elften Tag seit Verstreichen des Termins). Solche Entschädigungsansprüche sind mit Ausnahme der Monate März/April 2013 (hierzu oben 2.) nicht streitgegenständlich: Die Klägerin hat von der Beklagten zur Abgeltung derartiger Ansprüche für den Zeitraum ab Mai 2013 unstreitig 294.139.619,24 EUR erhalten (Schriftsatz vom 09.12.2016, dort S. 27 = Bl. 2672 d.A.).
Im vorliegenden Streitkomplex geht es vielmehr darum, ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzhaftung nach § 17e Abs. 2 Satz 2 EnWG jeweils noch weitere 10% der seit dem 1. Mai 2013 entgangenen Einspeisungsvergütungen schuldet.
Die Vorsatzhaftung setzt zunächst eine von der Klägerin darzulegende objektive Pflichtwidrigkeit voraus und zwar nach Maßgabe des seit 28.12.2012 geltenden Pflichtenkanons, wie er sich insbesondere aus § 17d EnWG ergibt. Die Errichtung eines Windparks und dessen Anschluss an das Übertragungsnetz stellt einen außerordentlich komplexen und mit erheblichen Unsicherheiten belasteten Vorgang dar (vgl. hierzu BT-Drucksache 17/10754, S. 25). Deswegen sieht das Gesetz in der seit 28.12.2012 geltenden Fassung hierfür in § 17d EnWG ein zweistufiges Verfahren sowie wechselseitige Koordinations- und Abstimmungspflichten der Beteiligten vor.
a) Für den Zeitraum vor dem 28.12.2012 (Inkrafttreten der Neuregelung des EnWG) scheidet ein objektiver Pflichtverstoß, der eine Vorsatzhaftung begründen könnte, schon deshalb aus, weil es bis zu diesem Zeitpunkt lediglich einen voraussichtlichen Fertigstellungstermin gab. Insoweit kann auf die Erwägungen des Senats zur Frage einer kalendermäßig bestimmten Leistung (vgl. oben A. 2.2) verwiesen werden. Hiernach fehlt es bis zum Inkrafttreten der Gesetzesnovelle bereits am Bestehen einer objektiven Pflichtenlage, an die für eine verschärfte Haftung nach § 17e Abs. 2 S. 2 EnWG angeknüpft werden könnte.
b) Infolgedessen fehlt im Zeitraum bis zur Novellierung von vornherein auch jeder Ansatzpunkt für einen Verschuldensvorwurf.
Vorsatz erfordert in jedem Fall das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung, wobei für das Willenselement grundsätzlich eine billigende Inkaufnahme genügt. Nach ständiger Rechtsprechung ist auch im Rahmen einer zivilrechtlichen Haftung neben der Kenntnis der Tatbestandsmerkmale der pflichtbegründenden Norm zusätzlich das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit erforderlich (vgl. etwa BGHZ 151, 337, dort Rdnr. 21 zit. n. JURIS). Die Beklagte müsste also ihre gesetzlich begründete Pflichtenlage gekannt oder wenigstens billigend in Kauf genommen haben (vgl. etwa BGHZ 114, 260, Rn. 19ff.; OLG Hamm, Urteil vom 12.03.2012 – 22 U 53/11 -, Rn. 43ff. m.w.N.).
Die Haftung nach § 17e Abs. 2 Satz 2 EnWG setzt demnach voraus, dass der Übertragungsnetzbetreiber die bezogen auf einen „verbindlichen Fertigstellungstermins“ nicht rechtzeitige Fertigstellung der Netzanbindung überhaupt in seine Vorstellung aufnehmen und dadurch zumindest bedingt vorsätzlich diese Verzögerung herbeiführen kann. Das ist nicht der Fall, solange es einen solchen verbindlichen Fertigstellungstermin weder aufgrund entsprechender Vereinbarung der Beteiligten noch kraft gesetzlicher Fiktion (§ 17e Abs. 2 Satz 6 EnWG) gibt.
6. Zum beurteilungserheblichen Zeitraum nach dem 28.12.2012 hat die Klägerseite bereits keinen schlüssigen Vortrag zu einem Sachverhalt unterbreitet, dem eine den Vorwurf eines vorsätzlichen Handelns (bzw. Unterlassens) tragende objektive Pflichtwidrigkeit der Beklagten und/oder ihrer Streithelferin entnommen werden könnte.
a) Selbst wenn im Anschluss an bisher vereinzelt gebliebene Entscheidungen wie etwa BGH NJW 2009, 2298 angenommen wird, dass die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich auch beim Vorsatzvorwurf und selbst bei einer außergewöhnlichen Fallgestaltung wie hier eingreift, was der Senat offenlässt, obliegt es gleichwohl der Gläubigerseite, einen Sachverhalt schlüssig darlegen und gegebenenfalls beweisen, der aus sich heraus die Annahme einer vorsätzlich begangenen Pflichtverletzung rechtfertigt. Geht es wie im Streitfall um eine Haftung für einen Verzögerungsschaden wegen einer im Sinn des § 17e Abs. 2 S. 2 „vorsätzlich herbeigeführten“ Terminüberschreitung, so hat ein schlüssiger Sachvortrag überdies nicht nur einen (zumindest) bewussten Pflichtenverstoß darzutun, sondern zugleich konkrete Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass die wissentlich verübte Pflichtverletzung zugleich von der zumindest billigenden Inkaufnahme einer sich abzeichnenden Fristüberschreitung getragen war.
Auch und gerade diese Vorgaben sowie die sich hieraus ergebenden Schlüssigkeitsdefizite des Klagevortrags sind im zweiten Senatstermin eingehend erörtert worden.
b) Übereinstimmend tragen beide Parteien vor, maßgebliche Ursache für die eingetretenen Verzögerungen des Netzanschlusses seien Verzögerungen bei der Herstellung der Konverterplattform DW. gewesen. Streit besteht zwischen den Parteien lediglich hinsichtlich der Ursache der Verzögerungen im Zusammenhang mit der Errichtung dieser Konverterplattform. Während die Beklagte die Verzögerungen auf fehlende Zertifizierungen zurückführt, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, erforderliche Unterlagen seien dem BSH erst verspätet vorgelegt worden. Welche Darstellung zutrifft, kann jedoch offen bleiben.
Entscheidend ist nämlich, dass sich nach der eigenen Darstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 07.02.2017 (dort S. 19 = Bl. 2756 d.A.) eine Überschreitung des (unverbindlichen) Terminplans der Beklagten vom 09.05.2011 (Anlage K 13) für diese Teilleistung bereits weit vor dem 28.12.2012 abgezeichnet hatte.
Unter diesem Blickwinkel könnte sich eine objektive Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 17e Abs. 2 Satz 2 EnWG nur daraus ergeben, dass die Beklagte nach dem 28.12.2012 mögliche und zumutbare Maßnahmen unterlassen hat, um bereits eingetretene Verzögerungen zu kompensieren. Hiervon geht auch die Klägerin aus (Schriftsatz vom 07.02.2017 – Seite 42 = Bl. 2779 d.A.).
Sie beschränkt sich allerdings durchweg auf allgemein gehaltene Beanstandungen von Versäumnissen wie dem Unterlassen der „erheblichen Erhöhung der Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter“, der „Beauftragung weiterer Unternehmen“ und des „Chartern(s) zusätzlicher Schiffskapazitäten/Transportkapazitäten“ (a.a.O. Seite 44 = Bl. 2781 d.A.).
Damit sind objektive Pflichtenverstöße, die nach Art und Umfang sowie der absehbaren Auswirkungen des angelasteten Fehlverhaltens auf eine vorsätzliche Einstellung der Beklagten oder der von ihr als Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB) beauftragten Streithelferin hinweisen könnten, auch nicht ansatzweise plausibel dargelegt. Zudem ist § 17d Abs. 2 Satz 3 EnWG zu beachten, wonach beide Parteien jeweils bestimmten Abstimmungsund Unterrichtungspflichten unterlagen. Die nur stichwortartig angeführten Maßnahmen – ihre Zumutbarkeit unterstellt – wären nach Lage der Dinge allenfalls dann geeignet gewesen, bereits eingetretene Verzögerungen zu kompensieren, wenn sie mit der Klägerin abgestimmt gewesen wären.
c) Auch soweit die Klägerin das Vorliegen von vorsätzlichen Pflichtverletzungen der Beklagten anhand von Überspannungsschäden und angeblichen Planungsfehlern aufzeigen möchte, sind ihre Darlegungen offensichtlich nicht zielführend. Denn auch insoweit sind die Vorwürfe nicht an der Vorgabe eines Sachverhalts orientiert, der aus sich heraus geeignet ist, die Annahme eines sowohl bewussten Pflichtverstoßes wie auch einer zumindest billigenden Inkaufnahme einer Überschreitung des verbindlichen Fertigstellungstermins zu tragen.
Hinsichtlich der behaupteten Planungs- und Montagefehler scheidet eine vorsätzliche Einstellung der Beklagtenseite bereits deshalb aus, weil bei derartigen Fehlleistungen von vornherein keinerlei Anhaltspunkte für die erforderliche Billigung der eintretenden Verzögerung erkennbar sind.
7. Schließlich hat die Klägerseite, wie mit ihr ebenfalls im Senatstermin erörtert wurde, auch in diesem Streitkomplex keinen schlüssigen Sachvortrag in der Kausalitätsfrage gehalten. So sind ihre Darlegungen zu angeblichen Versäumnissen und sonstigen Pflichtverletzungen der Beklagten bzw. ihrer Streithelferin wiederum nicht darauf angelegt, die Möglichkeit auszuräumen, dass die für eine Überschreitung des Fertigstellungstermins maßgebenden Ursachen auch und zu einem nicht unerheblichen Teil im eigenen Verantwortungsbereich der Klägerin liegen. Die Einbeziehung solcher Verzögerungsmomente im klägerischen Bereich und ihrer jeweiligen Auswirkungen auf den gesamten Herstellungsprozess war jedoch schon im Hinblick auf die erwähnte Schilderung der stockenden Produktionsabläufe durch den Zeugen E. (vgl. oben B. 2a) unumgänglich. Des weiteren fehlt es an einem nachvollziehbaren und hinreichend substantiierten Vorbringen dazu, dass und aus welchen Gründen die Beklagtenseite mit bestimmten – im einzelnen näher darzulegenden – Maßnahmen selbst die bereits vor dem Stichtag eingetretenen Verzögerungen mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte wieder auffangen können.
Nach alledem muss der Berufung der Klägerin insgesamt der Erfolg versagt bleiben.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1; 101 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10; 711 ZPO. 3.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Insbesondere die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Anwendung des § 17e Abs. 2 EnWG sind von grundsätzlicher Bedeutung. Entsprechendes gilt für die Frage einer zulässigen Rückwirkung.


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