Handels- und Gesellschaftsrecht

Verkehrssicherungspflichten auf einer Baustelle in einem Innenhof

Aktenzeichen  29 O 13574/16

Datum:
18.8.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 151880
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823, § 831
SGB X §§ 116 ff.

 

Leitsatz

Hebt ein Bauunternehmer auf einer in einem Innenhof gelegenen Baustelle einen metertiefen Graben über die gesamte Breite des Innenhofs aus, genügt er seinen Verkehrssicherungspflichten, wenn er das auf der Baustelle befindliche Gerüst zum einen mit einem Gerüstgeländer in etwa 1 Meter Höhe und zum anderen mit einer rot-weiß gestreiften Flatterleine in etwa derselben Höhe sichert. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 37.852,83 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München sachlich und örtlich zuständig, §§ 23, 71 GVG, §§ 12, 17 ZPO. Die Beklagten haben ihren Sitz in München.
B.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
I.
Der Klägerin steht ein Ersatzanspruch aus § 823 oder § 831 BGB i.V.m. §§ 116 ff. SGB X nicht zu.
Die Klägerin konnte keine den Beklagten zu 1) und 2) zurechenbare Verkehssicherungspflichtverletzung zur Überzeugung des Gerichts nachweisen.
Der konkrete Unfallhergang ist bis zuletzt zwischen den Parteien strittig geblieben.
1.
Die Videoaufnahme, die das Gericht im Termin in Augenschein genommen hat, ist von nur begrenzter Aussagekraft. Nach dem Klägervortrag war es zum Unfallzeitpunkt dunkel, auf dem Video ist es hingegen taghell. Aus welchem Anlass man am selben Tag zeitlich vorher eine derartige Videoaufnahme hätte machen sollen (die auf dem Video zu hörende Frauenstimme gibt den Tag des Unfalls an), erschließt sich dem Gericht nicht. Gründe für eine Beweissicherung gab es erst, als es (nach Klägervortrag) bereits dunkel war.
In diesem Sinne gab auch der Zeuge … an: So wie es auf dem Video aussah, habe die Baustelle zum genauen Unfallzeitpunkt (Uhrzeit) nicht ausgesehen.
2.
Der Zeuge … gab an, er sei nicht auf dem gesicherten Weg geschritten, sondern durch das Baugeländer hindurch gestiegen, um so zu dem Müllhäuschen zu gelangen, das am hinteren Ende des Hofes liegt. Dann sei er in den Graben gestürzt, der quer zu seiner Laufrichtung von links nach rechts gezogen war; er sei ihm nicht erkennbar gewesen, es sei dunkel gewesen und ein Licht habe es zu diesem Zeitpunkt im Hof nicht gegeben.
Das Baugerüst, in das hinein er stieg und das entlang der Hauswand nach hinten in den Hof verlief, sei nicht besonders gesichert gewesen. Wörtlich führte er aus: „Es gab nichts, vor allem kein Brett.“ (Bl. 105 d.A.). Auf Rückfrage des Beklagtenvertreters zu 2) korrigierte er: „Es ist richtig, dass ich über eine Querstrebe sozusagen in das Gerüst hineingestiegen bin, die war ungefähr auf 30 cm Höhe über dem Boden.“ (Bl. 105 d.A.).
2.
Demgegenüber erklärte aber der Zeuge … So, wie auf dem Video zu sehen und vom Zeugen … geschildert, habe die Baugrube am Abend nicht ausgesehen. Er sei am Abend zwar nicht zugegen gewesen, da er die Baustelle schon um 16:00 Uhr verlassen habe; jedoch sei er jeden Tag auf der Baustelle gewesen und habe noch am Tag des Unfalls Anweisung erteilt, dass das Gerüst zum einen mit einem Gerüstgeländer in etwa 1 Meter Höhe und zum anderen mit einer rot-weiß gestreiften Flatterleine in etwa derselben Höhe gesichert werde. Auf Vorhalt des Videos zeigte er ohne zu zögern auf die Stelle am Gerüst, wo beides befestigt werden sollte.
Nachdem es, nie zu Beanstandungen gekommen sei, weder von Vermieterseite, noch gegenüber der Beklagten zu 2), gehe er davon aus, dass seine Anweisungen zuverlässig umgesetzt worden seien (vgl. Bl. 106/107 d.A.).
3.
Das Gericht hatte keine Anhaltpunkte dafür, dass die Aussage des Herrn … glaubhafter oder glaubwürdiger gewesen sei, als die des Herrn ….
Dabei verkennt das Gericht auch nicht, dass es sich bei Herrn … um einen Mitarbeiter der Beklagten zu 1) handelt. Die Aussage des Herrn … erschien dem Gericht glaubhaft. Es musste schon im eigenen Interesse der Beklagten zu 1) liegen, etwaige Gefahrstellen so abzusichern, dass sich keine Unfälle ereignen, die zu einer etwaigen Haftung führen könnten. Die Aussage erschien dem Gericht darüber hinaus auch glaubwürdig. Herr… gab seine Aussage ruhig und besonnen ab, antwortete auf Rückfragen souverän und machte auf das Gericht einen aufrichtigen Eindruck.
Demgegenüber war der Zeuge … sehr unruhig und nervös. Das mag daran gelegen haben, dass ihm die Erinnerung an den Vorfall per se unangenehm war; es mag aber auch sein, dass der Vortrag des Zeugen nicht ganz der Wahrheit entsprochen hat, was das Gericht vom persönlichen Eindruck des Zeugen her nicht ganz ausschließen konnte. Es könnte danach durchaus sein, dass der Zeuge tatsächlich über eine bestehende Absperrung (oder darunter hindurch) in das Gerüst gestiegen war, etwa, um den Weg abzukürzen wie sonst auch, und in der Hoffnung, es werde schon nichts passieren.
Außerdem könnte es ihm im auch Verhältnis zu seinem Versicherer nachteilig sein, ein etwaiges Mitverschulden einzuräumen.
4.
Da das Gericht keine Anhaltspunkte dafür hatte, die Aussage des Herrn … als glaubhafter oder glaubwürdiger einzustufen, als die des Herrn … ist der Unfallhergang und die Unfallursache nach wie vor streitig und nicht weiter aufklärbar. Weitere Beweismittel hat die Klägerin nicht benannt. Daher war Antrag 1) abzuweisen; für die Verletzung einer Verkehssicherungspflicht ist die Klägerin beweisfällig geblieben (non liquet).
5.
Auch ein übergegangener Anspruch aus § 831 BGB gegen die Beklagte zu 1) steht der Klägerin nicht zu, da sie den ihr obliegenden Beweis auch insoweit nicht führen konnte. Der Zeuge … gab glaubwürdig und glaubhaft an: „Die Beklagte zu 2), also die Baugesellschaft, ist zuverlässig. Wir arbeiten ja auch schon lange zusammen und da gab’s keine Beanstandungen (…)“ (Bl. 107 d.A.).
II.
Aus diesem Grund war auch der Zinsantrag sowie Antrag 2), gerichtet auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich künftiger Schäden, abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.
IV.
Streitwert: §§ 3, 5 ZPO. Hinsichtlich des Feststellungsantrags folgt das Gericht den überzeugenden Ausführungen in der Klageschrift Bl. 6 ff.; hier wird der zu erwartende finanzielle Aufwand im Einzelnen beziffert und der Abschlag von 20 % (Bl. 9 d.A.) erscheint auch dem Gericht angemessen.


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