Handels- und Gesellschaftsrecht

Verletzung notarieller Amtspflichten durch Missachtung der Hinwirkungspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. und durch ungerechtfertigte Vertragsaufspaltungen

Aktenzeichen  DS-Not 1/16

Datum:
17.4.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47765
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BNotO § 14, § 15, § 67 Abs. 2, § 95, § 96 Abs. 1 S. 1
BeurkG § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Eine Verkürzung der Regelfrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. wegen anderweitig gewährleisteten Übereilungs- und Überlegungsschutzes ist nicht mit dem Argument gerechtfertigt, dass der Kaufinteressent bereits seit mindestens zwei Wochen Kenntnis von den wirtschaftlichen essentialia des abzuschließenden Geschäfts, also von der Immobilie selbst, ihrer Art, Größe, Lage und Beschaffenheit sowie von der Höhe des Kaufpreises, und somit Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Komponenten des Kaufs habe.  (Rn. 127) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die räumliche Distanz zwischen Käufer und Verkäufer oder zwischen Verkäufer und Sitz des Notariats stellt regelmäßig keinen Sachgrund für eine getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme eines Kaufvertrags dar, wenn die Erklärungen beider Vertragsparteien von demselben Notar beurkundet werden sollen. (Rn. 338) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte ist eines einheitlichen Dienstvergehens wegen Verletzung der in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (i. d. F. des Gesetzes vom 23.07.2002, BGBl I Seite 2850 ff.) normierten Dienstpflicht in 19 Fällen sowie der in § 14 Abs. 3 BNotO normierten Dienstpflicht in 195 Fällen, begangen durch systematische Aufspaltung von Kaufverträgen in Angebot und Annahme, schuldig.
II. Gegen ihn wird daher eine Geldbuße von 30.000 € (in Worten: Euro dreißigtausend) verhängt.
III. Der Kläger und das beigeladene B. St. J. tragen je ein Viertel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Der Beklagte trägt die Gerichtskosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers und des beigeladenen B. St. J. zur Hälfte. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der übrigen Beteiligten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der vollstreckende Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Disziplinarklage ist vor dem gemäß §§ 99, 100 BNotO i.V.m. § 2 BayBNotOAV (GVBl 1999, 339) zuständigen Oberlandesgericht in zulässiger Weise erhoben, aber nur im tenorierten Umfang begründet.
Der Beklagte hat in 19 Fällen gegen die in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (i. d. F. des Gesetzes vom 23.07.2002, BGBl I Seiten 2850 bis 2859; künftig nur: a. F.) normierte Dienstpflicht und in 195 Fällen durch systematische Aufspaltung von Kaufverträgen in Angebot und Annahme (§ 67 Abs. 2 BNotO i. V. m. Ziff. II Nr. 1 Satz 4 Buchst. d der Richtlinie für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der L. B.) gegen die aus § 14 Abs. 3 BNotO fließende Verhaltenspflicht verstoßen und damit ein Dienstvergehen im Sinne von § 95 BNotO begangen. Gegen ihn ist deshalb die im Tenor ausgesprochene Disziplinarmaßnahme zu verhängen.
Der darüber hinaus erhobene Vorwurf, in weiteren 51 Fällen die sich aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. ergebende Dienstpflicht verletzt zu haben, ist hingegen nicht zu bestätigen. Für einen diesbezüglichen „Teilfreispruch“ ist in der Urteilsformel allerdings kein Raum (Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler BNotO 8. Aufl. 2016 § 95 Rn. 41 a. E.; Herrmann in Schippel/Bracker BNotO 9. Aufl. 2011 § 95 Rn. 7).
1. Das disziplinarrechtliche Ermittlungsverfahren ist ohne die gerügten Verfahrensverstöße durchgeführt worden.
1.1. Das Recht des Beklagten auf ein faires (behördliches) Disziplinarverfahren ist nicht wegen tendenziös durchgeführter oder ausgewerteter Ermittlungen verletzt worden.
Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 21 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BDG sind die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und dabei sowohl die belastenden als auch die entlastenden Umstände sowie die für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme bedeutsamen Umstände zu ermitteln. Hiergegen wurde nicht verstoßen.
Es standen Pflichtenverstöße von erheblichem Umfang und Gewicht im Raum. So bestand der Verdacht, der Beklagte habe in 534 Fällen Beurkundungen vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist durchgeführt und dabei aufgrund entsprechender Information durch die Vermittler positiv gewusst, dass die Frist nicht eingehalten sei. Weiter stand der Vorwurf im Raum, unter Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG den Willen der Urkundsbeteiligten ungenügend erforscht und über die rechtliche Tragweite des Geschäfts nicht ausreichend belehrt zu haben. Außerdem bestand der Verdacht, er habe in 32 Fällen im Zuge der Beurkundung von Kaufangeboten betreffend Sanierungsobjekte in den neuen Bundesländern Kaufpreisraten beur kundet, die gegen das Vorleistungsverbot verstoßen hätten. Auch wurden Anhaltspunkte dafür gesehen, dass dem Beklagten in einer Vielzahl von Fällen ein wucherisches (§ 138 BGB) Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst gewesen sei. Schon ein Abgleich dieser Vorwürfe mit dem dahinter zurückbleibenden Gegenstand der Disziplinarklage zeigt auf, dass das Ermittlungsverfahren nicht von einer einseitigen, den Beklagten belastenden Tendenz geprägt ist.
Die Einleitung des disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurde zwar ausgelöst durch – in tatsächlicher Hinsicht nicht untermauerte – Ausführungen zu Strafmilderungsgründen im Strafurteil gegen den Vermittler E. und durch protokollierte Zeugenaussagen einzelner Käufer und Vermittler, die sich im weiteren Verlauf der Ermittlungen nicht oder nicht in vollem Umfang als belastbar erwiesen haben. Dass diese Umstände zum Anlass für die Aufnahme von Ermittlungen und zur Abklärung des Verdachts einer Dienstpflichtverletzung genommen wurden, besagt jedoch nicht, dass das Verfahren nicht ergebnisoffen geführt und die Auswertung durch im Ermittlungsverfahren nicht erhärtete Verdachtsmomente beeinflusst sei.
Die Vorlage des Verfahrens an sowie die Übernahme durch die höhere Dienstbehörde waren zulässig gemäß §§ 96 Abs. 1 Satz 1, 98 Abs. 2 BNotO, §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 31 BDG. Der sodann erteilte Ermittlungsauftrag lässt weder eine Einseitigkeit noch gar eine Vorwegnahme des „gewünschten“ Ermittlungsergebnisses erkennen. Die Disziplinarakten nebst Beiakten wurden vielmehr dem Ermittlungsführer „zur weiteren Sachbehandlung“ zugeleitet. Gemäß Vermerk vom 20.12.2013 war für die „weitere Sachbehandlung“ vorgesehen, das Verfahren auf die „annähernd 200 S.-Fälle“ (gegebenenfalls unter Einbeziehung weiterer 13 Fälle, in denen die Unterschreitung der Zwei-Wochen-Frist zugestanden sei) sowie auf den Vorwurf der pflichtwidrigen Aufspaltung zu beschränken. Die Ermittlungen sollten sich insbesondere auf das „eigentliche Problem“ beziehen, nämlich die Feststellung der objektiven Nichteinhaltung der Frist in etwa 150 bis 160 Fällen, weil es hierzu noch keine Erhebungen gebe und es zu weit gehen dürfte, diese Fälle nicht mehr zu verfolgen. Außerdem könnte die subjektive Seite „noch untermauert werden“ durch weitere Ermittlungen, unter anderem durch ergänzende Anhörung des Notars. Ein bestimmtes Ermittlungsergebnis oder ein Auftrag, durch weitere Untersuchungen Belastendes zu sammeln, wurde damit nicht vorgegeben. Vielmehr wurde aufgezeigt, dass ein Teil der im Raum stehenden Dienstpflichtverletzungen nicht vollständig belegt, der Verdacht aber auch nicht ausgeräumt war und zu schwer wog, als dass von einer Aufklärung abgesehen und das Verfahren auf die für erwiesen erachteten Pflichtverstöße hätte beschränkt werden können.
Dies ist nicht zu beanstanden, auch nicht vor dem Hintergrund der im Ermittlungsbericht vom 18.09.2013 dargelegten Erkenntnis, dass die im Disziplinarverfahren vernommenen Zeugen (Käufer und Vermittler) ihre im Strafverfahren protokollierten Aussagen, aufgrund derer der Verdacht gegen den Notar entstanden war, auf konkrete Befragung teils relativierten. Insbesondere war der Verdacht nicht bereits entkräftet; die Entscheidung der höheren Aufsichtsbehörde (§ 96 Abs. 2 BNotO, § 17 Abs. 1 Satz 2 BDG), zur weiteren Abklärung den bestehenden Ermittlungsansätzen nachzugehen und die weiteren Ermittlungen selbst durchzuführen, erlaubt deshalb nicht den Vorwurf tendenziös beauftragter Ermittlungen. Die Übernahme des Verfahrens durch die höhere Aufsichtsbehörde war zudem von dem sachlichen und nicht tendenziös motivierten Gesichtspunkt getragen, dass angesichts der Zahl der bis dahin ermittelten Dienstvergehen bei zusammenfassender Würdigung die Ahndungskompetenz des Präsidenten des Landgerichts (Geldbuße bis zu 10.000 €) nicht ausreiche.
Daraus, dass der Ermittlungsbericht vom 01.06.2015 die Ermittlungsergebnisse zum Nachteil des Beklagten als Pflichtenverstoß wertet und sich zur Begründung unter anderem die Argumente einer vereinzelt gebliebenen Literaturmeinung zu eigen macht, lässt sich ein Verstoß gegen die Pflicht zur Ermittlung sowohl der belastenden als auch der entlastenden Umstände nicht herleiten. Auch eine – ohnehin nicht geltend gemachte – Befangenheit des Ermittlungsführers (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 3 BDG, Art. 21 BayVwVfG) ergibt sich aus der vorgenommenen Wertung nicht.
Entlastende Umstände wurden ebenso ermittelt und dargestellt wie solche, die für die Auswahl der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind. So wurde herausgestellt, dass nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Notar weder Kenntnis hatte von dem Gebaren der Vermittler, die die Kaufinteressenten darauf „einschworen“, die Frage nach der Fristeinhaltung beim Notar zu bejahen, noch von dem Interesse einer nicht unbedeutenden Anzahl von Käufern wusste, durch Überverbriefung in den Genuss der niedrigen Zinssätze für grundschuldgesicherte Immobiliendarlehen zu gelangen und mit dem überschießenden Betrag anderweitig bestehende Verbindlichkeiten zurückzuführen. Es wurde ausdrücklich klargestellt, dass dem Beklagten auch unter sonstigen Gesichtspunkten keine Beteiligung an den Straftaten der „S.-Gruppe“ vorgeworfen wird. Auch der Meinungsstreit über das zutreffende Verständnis des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. und die aus der Norm fließenden Dienstpflichten des Notars wurde dargestellt.
Schließlich wurden für das Disziplinarmaß erhebliche günstige Umstände ermittelt bzw. bewusst wahrgenommen und wiedergegeben, nämlich die bereitwillige und uneingeschränkte Kooperation während der gesamten Dauer des nahezu vierjährigen Ermittlungsverfahrens, das Fehlen einer disziplinarrechtlichen Vorbelastung sowie die familiären Verhältnisse des Notars.
1.2. Das Recht des Beklagten auf Beweisteilhabe wurde nicht verletzt. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 24 Abs. 4 Satz 1 BDG ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung von Zeugen teilzunehmen und hierbei sachdienliche Fragen zu stellen. Dem sind die Ermittlungsführer nachgekommen.
Dem Beklagten wurden rechtzeitig die Vernehmungstermine und die Namen der Zeugen bekannt gegeben. War die Vernehmung von Vermittlern vorgesehen, so wurden darüber hinaus die Namen der von ihnen vermittelten Käufer mitgeteilt. Anhand dieser Angaben war dem Notar die Zuordnung zu konkreten Urkunden und die Vorbereitung auf den Termin möglich. Der Notar und/oder sein anwaltlicher Vertreter haben an allen Vernehmungen teilgenommen. Dass sie sich mit sachdienlichen Fragen beteiligten, die maßgeblichen Urkunden (in Ablichtung) zur Verfügung hatten und hieraus Vorhaltungen machten, geht aus den Protokollen hervor.
Die Verfahrensübernahme durch die übergeordnete Behörde hatte zwar zur Folge, dass die Zeugenvernehmungen in einer größeren räumlichen Entfernung vom Notariatssitz stattfanden. Dies bedeutet wegen des damit verbundenen höheren Zeitaufwands eine zusätzliche Belastung für den Notar, nicht jedoch eine Beschneidung seiner Verteidigungsmöglichkeiten, zumal die Übernahmeentscheidung der höheren Aufsichtsbehörde mit Blick auf die eingeschränkte Disziplinargewalt der unteren Aufsichtsbehörde (§ 98 Abs. 2 BNotO) und das Gewicht der damals inmitten stehenden Vorwürfe nicht ermessensfehlerhaft war.
1.3. Die Möglichkeit des Beklagten zu effektiver Verteidigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 3 BDG, Art. 29 BayVwVfG) wurde nicht beschnitten.
Gemäß Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Weder Um fang noch Zeitpunkt der Gewährung von Akteneinsicht schränkten die Möglichkeit des Beklagten zu effektiver Verteidigung ein.
Dem Beklagten wurde bereits im Zuge der förmlichen Verfahrenseinleitung der gegen ihn erhobene Vorwurf bekannt gegeben. Nach Übernahme des Disziplinarverfahrens durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts N. am 13.03.2014 erhielt er zudem am 05.05.2014 eine Kopie des Ermittlungsberichts des Präsidenten des Landgerichts R. vom 18.09.2013. Da der Gegenstand des dem Beklagten gemachten Vorwurfs nicht ausgeweitet wurde, da sich außerdem aus dem ihm zur Kenntnis gegebenen Bericht vom 13.03.2014 ergab, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die verfahrensgegenständlichen Vorwürfe als nicht ausermittelt angesehen wurden, bedurfte er zu seiner effektiven Verteidigung – auch durch sachdienliche Fragen an die Zeugen – nicht der Einsicht in den Ermittlungsauftrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts N. Worauf es bei den Zeugenbefragungen ankam, ergab sich vielmehr aus dem den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bildenden möglichen Pflichtenverstoß.
Dass auf der dem Beklagten mit Schreiben vom 18.06.2015 übersandten CD nur der eingescannte Akteninhalt zum Stand Ende Mai 2015, mithin ohne Ermittlungsbericht vom 01.06.2015, gespeichert war, schränkte dessen Verteidigungsmöglichkeiten gleichfalls nicht ein. Der Beklagte wurde durch die Übersendung vielmehr in die Lage versetzt, sich mit dem auszuwertenden Verfahrensstoff umfänglich vertraut zu machen. Eine Kopie des vollständigen Ermittlungsberichts vom 01.06.2015 einschließlich Anlagen wurde sodann mit Schreiben vom 13.07.2015 seinem anwaltlichen Vertreter zugesandt. Dass die Anlagen zum Ermittlungsbericht im Rahmen der Schlussanhörung nicht nochmals übersandt wurden, führte somit zu keiner Beschneidung der Verteidigungsmöglichkeiten.
2. Der Beklagte hat in 19 Fällen die ihm gemäß § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. obliegende Pflicht schuldhaft verletzt, indem er Kaufverträge bzw. Kaufangebote beurkundet hat, obwohl – wie er wusste – bei Beurkundung die Zwei-Wochen-Frist seit Entwurfsüberlassung nicht eingehalten und der gesetzlich bezweckte Übereilungs- und Überlegungsschutz (vgl. BGH vom 14.07.2015 – III ZR 292/14, BGHZ 206, 112 Rn. 16; vom 07.02.2013 – III ZR 121/12, BGHZ 196, 166 Rn. 20) auch nicht anderweitig gewährleistet war.
2.1. Nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen; bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB unterliegen, geschieht dies nach dem Gesetz in der Regel dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird.
2.2. Die Überzeugung davon, dass entgegen dieser gesetzlichen Vorgabe der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts dem jeweiligen Käufer nicht zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestanden hat, gründet sich darauf, dass der Beklagte diese Tatsache jeweils im Urkundeneingang festgehalten und hieran anknüpfend Erklärungen des jeweiligen Käufers wiedergegeben hat.
Die Urkunden enthalten jeweils im Anschluss an die Personaldaten zunächst entweder eine Wissenserklärung der Käufer oder einen Hinweis des Notars wie folgt:
„Käufername weiß (resp. wissen), dass der Notar nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG eine Beurkundung nur dann vornehmen soll, wenn mindestens zwei Wochen verstrichen sind, seitdem ihm (resp. ihnen) ein Entwurf des Kaufvertrags (resp. Kaufangebots, ggfls. und die Teilungserklärung samt etwaigen Nachträgen) übergeben wurde und dass diese Regelung ihn (resp. sie) vor übereilten Handlungen schützen soll. Der Notar hat [Käufername] die Verlegung des Beurkundungstermins für den Fall angeboten, dass die Frist noch nicht abgelaufen ist.“
Käufername erklärt (resp. erklären) hierzu, …
Alternativ:
Er (sc. der Käufer) wurde vom Notar darauf hingewiesen, dass nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG wegen den mit einem unüberlegten Vertragsschluss verbundenen Risiken eine Beurkundung nur dann stattfinden soll, wenn seit der Entwurfsübersendung und der Beurkundung zwei Wochen verstrichen sind und ihm wurde die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten.
Zu den Käufererklärungen ist sodann Folgendes wiedergegeben:
„Herr M. I. hat vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufvertrages erhalten. Er wurde vom Notar darauf hingewiesen, dass … Herr M. I. wünscht jedoch die sofortige Beurkundung des Kaufvertrags.“
(2) Käufer J.:
„Herr R. J. erklärt, vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufvertrages erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass .
Herr R. J. erklärt jedoch, dass er wünscht, dass die Beurkundung noch im laufenden Kalenderjahr stattfindet.
Trotz nochmaligen Hinweises auf die mit einem unüberlegten Vertragsschluss verbundenen Risiken verzichtet er ausdrücklich auf die Einhaltung der 14-Tages-Frist und besteht auf sofortiger Beurkundung.“
(3) Käuferin N.:
„Frau M. N. hat vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufangebotes erhalten. Ihr ist bekannt, dass .
Frau M. N. erklärt jedoch trotz Hinweis des Notars auf die mit einem übereilten Vertragsschluss verbundenen Gefahren, dass sie auf sofortige Beurkundung des Angebots besteht.“
(4) Käufer G.:
„Herr S. G. erklärt, vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass .
Herr S. G. erklärt hierzu, dass ihm im Auftrag des Verkäufers am 02.07.2005 ein Vertragsentwurf – ohne persönliche Daten – übergeben wurde auf dessen Grundlage er sich mit dem Gegenstand der heutigen Beurkundung bereits auseinandersetzen konnte. Er wünscht daher die sofortige Beurkundung des Kaufangebots, obwohl ihm der Notar die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten hat.“
„Herr K.-J. H. erklärt, vom Notar mit Post vom 10.08.2005 einen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass Herr K.-J. H. erklärt hierzu, dass er sich mit dem Vertragsentwurf seiner Ansicht nach bereits ausreichend auseinandergesetzt hat. Obwohl ihn der Notar nochmals auf die Gefahr eines übereilten Vertragsschlusses hingewiesen hat, wünscht er die sofortige Beurkundung des Kaufvertrags.“
(6) Käufer S.:
„Herr A. S. erklärt, vom Notar keinen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass .
Herr A. S. erklärt hierzu, dass ihm im Auftrag des Verkäufers bereits vor zehn Tagen ein Vertragsentwurf – ohne persönliche Daten -übergeben wurde auf dessen Grundlage er sich mit dem Gegenstand der heutigen Beurkundung bereits auseinandersetzen konnte. Er wünscht die sofortige Beurkundung des Kaufangebots.“
(7) Käuferin H.:
„Frau S. H. weiß, dass .
Frau S. H. erklärt hierzu, dass sie die genannten Unterlagen am 20.10.2005 über den Vermittler erhalten hat. Obwohl die 14-Tages-Frist noch nicht vollständig verstrichen ist, wünscht sie keine Verlegung des Beurkundungstermin(s) sondern sofortige Beurkundung.“
(8) Käufer L.:
„Herr W. L. erklärt, vom Notar erst mit Post vom 11.04.2006 einen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten zu haben. Ihm ist bekannt, dass .
Herr L. erklärt hierzu, dass er den Entwurf trotz des kurzen Zeitraums ausreichend geprüft hat und dass er bereits zwei ähnliche Angebote über den Erwerb von Sondereigentumseinheiten abgegeben und somit Erfahrungen mit Angeboten über den Erwerb von Gebrauchtimmobilien hat.“
(9) Käufer L.:
„Herr B. L. weiß, dass … Herr B. L. erklärt hierzu, dass er die genannten Unterlagen zwar vorher nicht erhalten hat, dass er aber dennoch die sofortige Beurkundung wünscht, insbesondere da er bereits mehrere ähnlich lautenden Entwürfe für andere Wohnungen erhalten hatte und sich daher mit der Materie grundsätzlich auseinandersetzen konnte.“
(10) Ehepaar B.:
„Herr R. B. und Frau R. B. wissen, dass .
Herr R. B. und Frau R. B. erklären hierzu, dass sie zwar keinen Entwurf dieses Kaufangebots erhalten haben, dass sie aber bereits im März diesen Jahres einen Kaufvertrag über eine Gebrauchtimmobilie geschlossen haben und sie somit mit einem Immobilienkaufvertrag und dessen Abwicklung vertraut sind. Außerdem erklären sie, sich mit dem Gegenstand der Beurkundung intensiv auseinandergesetzt zu haben.“
(11) Käufer B.:
„Herr P. B. weiß, dass .
Herr P. B. erklärt hierzu, dass er den Entwurf am 30.07.2007 über den Verkäufer bzw. Vermittler erhalten hat und sich trotz der verkürzten Überlegungsfrist intensiv und seiner Ansicht nach ausreichend mit dem Vertragstext auseinandergesetzt hat.
Trotz nochmaligen Hinweises auf die mit einem unüberlegten Vertragsschluss verbundenen Risiken verzichtet er ausdrücklich auf die Einhaltung der 14-Tages-Frist und besteht auf sofortiger Beurkundung.“
(12) Käufer A.:
„Herr H. A. weiß, dass .
Herr H. A. erklärt hierzu, dass er keinen Entwurf des Kaufangebots erhalten hat. Der Notar hat Herrn H. A. daraufhin eindringlich auf die Bedeutung der Frist zu seinem Schutz und insbesondere die damit verbundene Möglichkeit sich den Abschluss des Vertrags noch einmal zu überlegen hingewiesen und ihm ausdrücklich die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten. Herr H. A. bestand jedoch auf sofortiger Beurkundung.“
(13) Käufer M.:
„Herr A.-M. M. und Frau S. N. M. wissen, dass .
Herr A.-M. M. und Frau S. N. M. erklären hierzu, dass sie keinen Entwurf des Kaufangebots erhalten haben. Der Notar hat Herrn A.-M. M. und Frau S. N. M. daraufhin eindringlich auf die Bedeutung der Frist zu ihrem Schutz und insbesondere die damit verbundene Möglichkeit sich den Abschluss des Vertrags noch einmal zu überlegen hingewiesen und ihnen ausdrücklich die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten. Herr A.-M. M. und Frau S. N. M. bestanden jedoch auf sofortiger Beurkundung.“
(14) Käufer T.:
„Herr H. T. und Frau I. T. wissen, dass .
Da die Frist noch nicht abgelaufen ist, hat der Notar die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten. Herr H. T. und Frau I. T. bestanden jedoch auf sofortige Beurkundung.“
(15) Käufer B.:
„Herr H. B. und Frau I. B. wissen, dass .
Herr H. B. und Frau I. B. erklären hierzu, dass sie keinen Entwurf des Kaufangebots erhalten haben. Der Notar hat Herrn Herr H. B. und Frau I. B. daraufhin eindringlich auf die Bedeutung der Frist zu ihren Schutz und insbesondere die damit verbundene Möglichkeit sich den Abschluss des Vertrags noch einmal zu überlegen hingewiesen und ihnen ausdrücklich die Verlegung des Beurkundungstermins angeboten. Herr H. B. und Frau I. B. bestanden jedoch auf sofortiger Beurkundung.“
„Frau A. H. weiß, dass .
Frau A. H. erklärt hierzu, dass ihr der Vorentwurf des ursprünglichen Bauträgervertrags bereits vor mehr als 14 Tagen über den Verkäufer bzw. Vermittler übergeben wurde und sie sich daher schon länger mit dem Erwerb des Vertragsgegenstandes des heutigen Kaufangebots beschäftigt hat.
Obwohl sie einen Entwurf der heutigen Urkunde nicht erhalten hat, wünscht sie trotz nochmaligen Hinweis des Notars auf die Käuferschutzfunktion der 14-Tage-Frist die sofortige Beurkundung.“
(17) Käuferin L.:
„Frau E. L. weiß, dass .
Frau E. L. erklärt hierzu, dass ihr im Auftrag des Verkäufers bereits vor 12 Tagen ein Vertragsentwurf – ohne persönliche Daten – und die Verweisurkunde übergeben wurde und dass sie sich mit dem Gegenstand der heutigen Beurkundung bereits intensiv auseinandergesetzt hat. Sie wünscht daher die sofortige Beurkundung des Kaufvertrags, obwohl die 14-Tages-Frist noch nicht abgelaufen ist.“
(18) Käufer C.:
„Herr W. C. weiß, dass … Trotz nochmaligen Hinweis auf die mit einem unüberlegten Vertragsschluss verbundenen Risiken verzichtet er ausdrücklich auf die Einhaltung der 14-Tages-Frist und besteht auf sofortige Beurkundung, da ihm am 01.07.2009 ein Vorentwurf ohne konkrete Objekt- und Personendaten ausgehändigt worden ist.“
(19) Käuferin K.:
„Frau P. K. weiß, dass .
Frau P. K. erklärt hierzu, dass ihr die genannten Unterlagen am 12.07.2009 über den Verkäufer bzw. Vermittler übergeben wurden. Sie wünscht jedoch, den Vertragstext heute beurkunden zu lassen, weil sie sich ihrer Ansicht nach ausreichend mit dem Vertragsinhalt auseinandergesetzt hat.“
Der Beklagte behauptet zudem selbst nicht, dass der beabsichtigte Text des zu beurkundenden Rechtsgeschäfts rechtzeitig überlassen worden wäre.
Obwohl der Inhalt der notariellen Urkunde für sich genommen nicht die Richtigkeit der darin festgehaltenen Tatsachen belegt, bestehen in Zusammenschau mit der Einlassung des Beklagten somit keine Zweifel daran, dass der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts nicht fristgerecht überlassen worden war.
2.3. Die jeweiligen Käufer hatten auch keinen anderen „gleichwertigen“ Textentwurf, dessen Überlassung an die Verbraucher den Lauf der Regelfrist in Gang gesetzt hätte, fristgerecht erhalten.
Zwar genügte nach damals herrschendem Gesetzesverständnis die Überlassung eines abstrakten, nicht individualisierten Vertragsmusters, das nicht zwingend alle essentialia negotii enthalten musste, wenn sich die fehlenden Angaben aus anderen dem Verbraucher während der Frist verfügbaren Unterlagen ohne weiteres entnehmen ließen (Winkler BeurkG 15. Aufl. 2003 § 17 Rn. 167; Frenz in Eylmann/Vaasen BNotO/BeurkG 2. Aufl. 2004 § 17 BeurkG Rn. 39g; Grziwotz/Heinemann BeurkG 2012 § 17 Rn. 82; Hertel ZNotP 2002, 286, 289; Sorge DNotZ 2002, 573, 604; Rieger MittBayNot 2002, 325, 332 f.). Auch geringfügige Abänderungen infolge geäußerter und berücksichtigter Änderungswünsche lösten – damals wie heute – die Wartefrist nicht erneut aus (vgl. BGH vom 10.06.2016 – V ZR 295/14, DNotZ 2017, 48 Rn. 9).
Sachverhalte, in denen die Überlassung eines Entwurfstextes den Fristenlauf in Gang gesetzt hätten und die Diskrepanzen zu den beurkundeten Erklärungen als geringfügige Änderungen in diesem Sinne anzusehen wären, liegen hier jedoch nicht vor.
2.3.1. Das Ehepaar B. hatte bereits am 02.03.2007 zu den URNrn. … und … Kaufverträge mit der L. Immobilien GmbH über eine neue Eigentumswohnung in S. zum Kaufpreis von 141.600,00 € und mit der IMS … M. S. GmbH über eine gebrauchte Eigentumswohnung in A. zum Preis von 73.000,00 € geschlossen (TEA III Bd. 1 Register 4).
Der Umstand, dass der beabsichtigte Kauf einer Eigentumswohnung in N. an die Stelle des Kaufs der Eigentumswohnung in S. treten sollte, weshalb diesbezüglich nach Beurkundung des Kaufangebots vom 14.06.2007 am 18.06.2007 ein privatschriftlicher Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, machten die Übersendung des beabsichtigten Textes und die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist vor dessen Beurkundung nicht obsolet. Der beabsichtigte Text des für den 14.06.2007 vorgesehenen Rechtsgeschäfts unterscheidet sich schon deshalb maßgeblich von den Texten der vorher beurkundeten Rechtsgeschäfte, weil am 14.06.2007 kein Kaufvertrag, sondern nur ein Kaufangebot der Eheleute B. beurkundet werden sollte. Dass die Konditionen des demnach anzubietenden Vertrags denen des zu ersetzenden Vertrags weitgehend entsprechen sollten (ohne Übernahme dinglicher, in der Zweiten Abteilung des Grundbuchs eingetragener Belastungen), erlaubt es nicht, die Pflicht zur Überlassung des beabsichtigten Vertragstextes deshalb als bereits erfüllt anzusehen, weil in Bezug auf die am 02.03.2007 vorgenommene Beurkundung ein weitgehend identischer Vertragstext übersandt und sodann auch beurkundet worden ist. Die Überprüfung, ob die vertraglichen Konditionen unverändert sind, steht den Käufern zu. Ihnen muss vor Übersendung des Texts hierzu Gelegenheit gegeben werden.
Zudem sollte hier im Ergebnis ein Objektaustausch erreicht werden, wobei allerdings bereits ein bindender Vertrag über eine Immobilie vorgelegen hatte. Daher bestand erst recht Veranlassung für die Käufer, sich über den Inhalt des Kaufangebots und über die Frage, ob mit dessen Inhalt ihrem Bedürfnis danach, vor einer Bindung an drei Kaufobjekte rechtlich geschützt zu sein, hinreichend Rechnung getragen ist. Die Übersendung des Erstangebots war somit wegen veränderter Sachlage schon objektiv nicht dazu geeignet, den Käufern hinreichende Gelegenheit zu geben, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen, Unklarheiten und Änderungswünsche vorher zu klären und sich auf die Beurkundungsverhandlung vorzubereiten.
2.3.2. Der Käufer L. hatte vor der Beurkundung des an die WS … GmbH & Co. KG gerichteten Kaufangebots über eine gebrauchte Sondereigentumseinheit in A. zum Preis von 71.000,00 € am 15.04.2006 (TEA I Bd. 4 Register 18) bereits am 19.12.2005 zu den Urkunden URNrn. . und . zwei Kaufangebote gegenüber derselben Verkäuferin abgegeben, und zwar in Bezug auf zwei gebrauchte Sondereigentumseinheiten in Z. zum Preis von je 71.000,00 € (TEA I Bd. 4 Register 18).
Auch hier erübrigte sich die nochmalige Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist nicht deshalb, weil dem Käufer anlässlich der vorangegangenen Beurkundungen sowohl Abschriften der Urkunden als auch im Vorfeld die beabsichtigten Texte der Rechtsgeschäfte überlassen worden waren. Daran ändert sich nichts deshalb, weil an die Stelle des Kaufs eines in Z. gelegenen Teileigentums der Kauf eines in A. gelegenen Teileigentums treten sollte und im Beurkundungszeitpunkt auf Verkäuferseite die Entscheidung gefallen war, ein Angebot betreffend Z. nicht mehr anzunehmen. Es gilt wiederum, dass die Überprüfung, ob die Bestimmungen der Angebotserklärung sowie die Konditionen des angebotenen Kaufvertrages unverändert sind, dem Käufer zusteht. Ihm muss durch rechtzeitige Übersendung des beabsichtigten Texts Gelegenheit gegeben werden, sich hiermit auseinander zu setzen.
Insbesondere aber begründet der Umstand, dass im Ergebnis ein Objektaustausch erreicht werden sollte, auf Käuferseite ein besonderes Interesse am beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts. Nach dem Wortlaut der in der Ersturkunde beurkundeten befristeten Fortgeltungsklausel, deren AGBrechtliche Wirksamkeit für die vorliegende Entscheidung dahinstehen kann (vgl. BGH vom 24.08.2017 – III ZR 558/16, RNotZ 2017, 688), lag bei Vornahme des Rechtsgeschäfts am 15.04.2006 ein bis zum 19.06.2006 (Ablauf von sechs Monaten ab Beurkundung) annahmefähiges, allerdings seit dem 01.02.2006 widerrufliches Kaufangebot über eine Sondereigentumseinheit in Z. vor. Es bestand somit eine gesteigerte Veranlassung für den Käufer, sich über den Inhalt des beabsichtigten Urkundentexts und über die Frage, ob seinen Interessen mit dem beabsichtigten Inhalt hinreichend Rechnung getragen ist, Klarheit zu verschaffen. Auch hier war die Übersendung des Erstangebots schon mit Blick auf die veränderte Sachlage objektiv nicht dazu geeignet, dem Käufer hinreichende Gelegenheit zu geben, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen und sich auf die Beurkundungsverhandlung vorzubereiten.
2.3.3. Es kann dahinstehen, ob die Käuferin HL vor der am 13.08.2008 vorgenommenen Beurkundung keinen Entwurf eines Vertragstextes oder – entsprechend der Einlassung des Beklagten sowie der Darstellung in der Urkunde – mehr als 14 Tage vor der Beurkundung den Vorentwurf des ursprünglichen Bauträgervertrags erhalten hatte.
Eine wesentliche Änderung, die eine erneute Befassung mit einem im Übrigen unveränderten Vertragstext erforderlich machen würde, liegt allerdings nicht schon darin, dass sich die Beurkundung auf eine andere als die ursprünglich ins Auge gefasste Garageneinheit (Nr. 27 statt der geplanten Nr. 36) in derselben Anlage be zog (vgl. EMail vom 13.08.2008; TEA I Bd. 2 Register 9 Blatt 014). Dieser Austausch hat für sich allein – zumal bei gleichzeitigem Erwerb einer (nicht geänderten) Wohnungseigentumseinheit – nicht zur Konsequenz, dass die Zwei-WochenFrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. erneut einzuhalten wäre.
Hier liegen aber weitergehende Änderungen vor:
Ein Kaufvertrag über eine fertiggestellte Immobilie (bzw. ein entsprechendes Kaufangebot) ist Sonderfall des Bauträgervertrags, was Unterschiede bei vertraglichen Regelungen, insbesondere zur Fälligkeit des Kaufpreises und zur Hauptleistungspflicht des Bauträgers respektive Verkäufers, bedingt. Bleibt es im Übrigen bei den Regelungen des ursprünglich geplanten Bauträgervertrages und wird lediglich eine einseitige Tatsachenerklärung des Verkäufers/Bauträgers aufgenommen, dass das Bauvorhaben vollständig fertiggestellt sei, so dürfte der Zweck der Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG – wohl – mit der Übersendung des Bauträgervertragsentwurfs erfüllt sein, so dass die Zwei-Wochen-Frist nicht schon wegen dieser vertraglichen Anpassung an den aktuellen Bautenstand neu zu laufen beginnt. Wenn dagegen auf die veränderte Tatsachenlage mit weitergehenden vertraglichen Regelungen reagiert wird, bedarf der Verbraucher zur Vorbereitung auf die Urkundsverhandlung der rechtzeitigen Überlassung eines entsprechenden neuen Textentwurfs. Die Kenntnis des Verbrauchers von den Regelungen, die für den Abschluss eines Bauträgervertrages vorgesehen waren, kann dessen Informationsbedürfnis über die weitergehenden Anpassungen an die geänderte tatsächliche Situation nicht ohne weiteres befriedigen.
Hier belegt ein Textvergleich zwischen dem nach Baufertigstellung beurkundeten Angebot der Käuferin H. (URNr. .) mit dem vor Fertigstellung beurkundeten Angebot der Eheleute M. vom 19.02.2008 (URNr. …) betreffend andere Einheiten derselben Anlage, dass bedeutende, den Lauf der Zwei-Wochen-Frist tangierende Änderungen vorgenommen wurden.
Im angebotenen Bauträgervertrag (Abschnitt B. der Urkunde .) ist unter Ziff. II. („Verkauf, Bauverpflichtung“) formuliert:
“… 2. Der Verkäufer verpflichtet sich, den Vertragsgegenstand gemäß Baubeschreibung und Bauplänen (die der Teilungserklärung und die dieser Urkunde beigefügten, vorgelegten und genehmigte Pläne, wobei bei einem Widerspruch die dieser Urkunde beigefügten Pläne den der Teilungserklärung beigefügten Pläne vorgehen) nach den anerkannten Regeln der Baukunst schlüsselfertig zu erstellen. DIN-Vorschriften bezüglich Schalldämmung (Wände und Decken) sind jedoch aus technischen Gründen nicht maßgebend. Bei Abweichungen hat die Baubeschreibung Vorrang vor den Plänen. Soweit Leistungen durch diese Urkunde (i. V. m. der Teilungserklärung und den Plänen) nicht genug bestimmt sein sollten, sind sie ortsüblich und angemessen zu erbringen, was nach billigem Ermessen der Verkäufer bestimmt.
Der Verkäufer darf von der Baubeschreibung und den Bauplänen nur abweichen, soweit dies der Erfüllung behördlicher Auflagen dient oder technisch bzw. wirtschaftlich notwendig oder zweckmäßig ist. Abweichungen dürfen sich jedoch nicht wert- und gebrauchsmindernd auswirken und müssen dem Käufer zumutbar sein.
Die Wohnfläche beträgt .
3. Die vollständige Fertigstellung muss bis 31. März 2008 gegeben sein…“
An die Stelle dieses Passus ist im notariellen Angebot der Käuferin H. (Abschnitt B. „Inhalt des angebotenen Kaufvertrages“, Ziff. II. „Verkauf“) Folgendes getreten:
“… 2. Sämtliche Baumaßnahmen an der vertragsgegenständlichen Sondereigentumseinheit sowie am Gemeinschaftseigentum sind bereits vollständig fertiggestellt. Sie sind nach den anerkannten Regeln der Baukunst und technisch einwandfrei, insbesondere unter Beachtung der einschlägigen DIN-Vorschriften und unter Verwendung normgerechter Baustoffe erfolgt. DIN-Vorschriften bezüglich der Schalldämmung (Wände und Decken) sind jedoch aus technischen Gründen nicht maßgebend. Soweit die Ausführung erkennbar von der Baubeschreibung in der Teilungserklärung und den maßgeblichen Bauplänen (die der Teilungserklärung und die dieser Urkunde beigefügten, vorgelegten und genehmigte Pläne, wobei bei einem Widerspruch die dieser Urkunde beigefügten Pläne den der Teilungserklärung beigefügten Pläne vorgehen) abweicht, ist die tatsächliche Ausfüh rung in der Natur maßgeblich. Im übrigen hat der Verkäufer den Inhalt nicht genügend bestimmter Leistungen nach billigem Ermessen festgelegt.
Die Wohnfläche beträgt ….“
Aus diesem Text des Kaufvertrags geht nicht hervor, welche rechtliche Qualität der in die Form einer unstreitigen Tatsachenfeststellung gekleideten Beschreibung zukommen soll, wonach die Baumaßnahmen nach den anerkannten Regeln der Baukunst und technisch einwandfrei erfolgt seien und der Verkäufer den Inhalt nicht genügend bestimmter Leistungen nach billigem Ermessen festgelegt habe. Diese Textänderungen können dahingehend verstanden werden, dass es sich ausschließlich um Erklärungen und Zusicherungen des Verkäufers / Bauträgers handelt und nicht um Bestätigungen / Zustimmungen des Käufers hierzu, zumal der Käufer regelmäßig die Übereinstimmung einer Vielzahl von Arbeiten mit den maßgeblichen DIN-Normen gar nicht überprüfen und demgemäß nicht bestätigen kann. Allerdings kann die vom Käufer durch seine Unterschrift gebilligte Tatsachenfeststellung auch als Käuferbestätigung über die vertragsgerechte Ausführung der Bauarbeiten zu verstehen sein. Im Vertragstext ist nicht – auch nicht an anderer Stelle – deutlich gemacht, dass es sich nur um eine Erklärung des Bauträgers handeln soll. Schon die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der getroffenen Feststellung und ihrer rechtlichen Konsequenzen löst auf Seiten des Verbrauchers Überlegungs- und damit Vorbereitungsbedarf aus. Dies erfordert die Übersendung eines neuen Entwurfes.
Für die Käuferseite neu und erheblich ist zudem vor allem die Regelung betreffend Abweichungen der tatsächlichen Bauausführung von den Plänen und der Baubeschreibung. Hier ist im Kaufvertrag geregelt, dass bei erkennbaren Abweichungen „die tatsächliche Ausführung in der Natur maßgeblich“ sein soll. Zur Vorbereitung auf den Beurkundungstermin hätte der Verbraucher durch Überlassung eines Textentwurfs vorab darüber informiert werden müssen, dass im Kaufvertrag eine Billigung abweichender Bauausführung erfolgen soll. Nur dann hätte er sich sachgerecht hierauf vorbereiten und vor dem Beurkundungstermin darüber schlüssig werden können, ob und in welcher Tiefe er diese (möglichen) Abweichungen vor dem Beurkundungstermin einer Prüfung unterziehen möchte, mithin ob er zuvor eine Überprüfung vor Ort gegebenenfalls unter Einschaltung von Vertrauenspersonen vornehmen möchte.
Zur Vorbereitung auf den Beurkundungstermin hätte der Verbraucher daher durch Überlassung eines Textentwurfs vorab über diese Änderungen, die nicht als lediglich geringfügig gewichtet werden können, informiert werden müssen. Nur dann hätte er sich sachgerecht auf den Beurkundungstermin vorbereiten können. Dies hat zur Folge, dass die Regelfrist nicht durch Überlassen des ursprünglichen Bauträgervertragsentwurfs (bzw. eines auf einen entsprechenden Vertragsschluss gerichteten Angebots) in Gang gesetzt wurde.
2.3.4. Zum Zeitpunkt der Beurkundung des Angebots der Käuferin NT am 07.04.2004 existierte – wie der Beklagte selbst einräumt – noch kein Vertragsmuster für das Kaufobjekt. Die Käuferin N. kann daher allenfalls den Entwurf eines Vertragstexts erhalten haben, wie er in anderen Fällen Verwendung gefunden hat. Die fristgerechte Überlassung „eines“ Textentwurfs genügt jedoch weder dem Wortlaut noch dem Sinn des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F.. Es muss sich vielmehr um den beabsichtigen Text des Rechtsgeschäfts handeln. Weil vor Erstellung eines Entwurfs der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts jedoch nicht bekannt ist, genügt es nicht, dem Kaufinteressenten einen allenfalls zur allgemeinen Information über typische oder sonstige Vertragsinhalte geeigneten Text zur Verfügung zu stellen. Den Inhalt des beabsichtigten Texts erfährt der Kaufinteressent dadurch nicht.
Darüber hinaus wurde das Eigentum am Grundstück erst am 07.04.2004, dem Tag der Beurkundung des Kaufangebots, gemäß § 8 WEG aufgeteilt (siehe Abschnitt B. I. 2. der Angebotsurkunde unter der Überschrift „Sachstand“). Weder die Teilungserklärung noch die Pläne hierzu waren mithin der Kaufinteressentin fristgerecht überlassen worden.
2.3.5. Dass der Käufer L. gemäß seiner zur Urkunde genommenen Erklärung schon mehrere „ähnlich lautende“ Entwürfe für andere Wohnungen erhalten hatte, ändert nichts daran, dass dem Käufer der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts unter Einhaltung der Regelfrist vor der Angebotsbeurkundung vom 04.04.2007 überlassen werden musste. Die am 11.12.2006 von L. unterzeichnete Bestätigung über die Übergabe eines Entwurfs am 05.12.2006 (TEA I Bd. 3 Register 17 Bl. 011) weist keinerlei Bezug zur Angebotsbeurkundung vom 04.04.2007 auf. Zudem kann ein Kaufinteressent die „Ähnlichkeit“ von Vertragsentwürfen und die Relevanz etwaiger Unterschiede erst dann beurteilen, wenn ihm die Texte zur Verfügung stehen.
2.3.5. 2.4. In keinem der 19 Fälle hat der Beklagte das Beurkundungsverfahren so gestaltet, dass er seiner Hinwirkungspflicht genügt hätte.
2.4.1. Ein Notar wird seiner Hinwirkungspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. nicht gerecht, wenn er trotz Kenntnis von der Nichteinhaltung der Regelfrist die Beurkundung vornimmt, obwohl er nicht festgestellt hat, dass der mit dem Gesetz bezweckte Übereilungs- und Überlegungsschutz des Verbrauchers bereits auf eine andere als die nach dem Gesetz regelmäßig vorgesehene Weise gewährleistet ist. Denn mit Blick auf den Zweck des Gesetzes, den Verbraucher vor unüberlegtem Handeln zu schützen, ist Voraussetzung für die Nichteinhaltung der Regelfrist, dass der Übereilungs- und Überlegungsschutz auf andere Weise sichergestellt ist. Kann der Notar dies – oder gegebenenfalls einen sonstigen sachlichen Grund für die Fristabkürzung – nicht feststellen, so ist er verpflichtet, die Beurkundung abzulehnen (BGH vom 07.02.2013 – III ZR 121/12, BGHZ 196, 166 Rn. 20).
2.4.2. In den 19 Fällen, in denen dem Beklagten – wie ausgeführt – die objektiven Umstände, aufgrund derer die Regelfrist nicht eingehalten war, bekannt waren, wurde er mit der Gestaltung des Beurkundungsverfahrens durch Fortsetzung statt Abbruch der Beurkundung seiner Hinwirkungsverpflichtung nicht gerecht.
Soweit in den Urkunden selbst individuelle Gründe für das Absehen von der Fristeinhaltung angegebenen sind, tragen diese die Annahme anderweitig sichergestellten Schutzes nicht.
Gleiches gilt für die Gesichtspunkte, die der Beklagte nach seiner schriftsätzlich sowie mündlich bei der Anhörung durch den Senat am 25.10.2017 vorgetragenen Einlassung generell bei den Käufern erfragte, wenn sich in der Urkundsverhandlung die Nichteinhaltung der Regelfrist herausstellte. Der Senat verkennt dabei nicht, dass nach der damaligen Gesetzeslage dem Urkundsnotar keine Verpflichtung oblag, die Gründe für eine Fristabkürzung zu dokumentieren, und dass der Beklagte infolgedessen sowie wegen des großen Zeitabstands keine konkrete Erinnerung mehr an die von den Käufern gegebenenfalls gemachten und über die Wiedergabe in den Urkunden hinausgehenden Angaben hat. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass nicht der Beklagte einen Ausnahmefall konkret darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, ergibt sich jedoch aus der Einlassung des Beklagten darüber, welche Umstände er üblicherweise bei den Kaufinteressenten erfragt hat, wenn diese in der Urkundsverhandlung die Fristeinhaltung nicht bestätigten, dass in allen 19 Fällen keine Sachlage zutage getreten war, die die Annahme getragen hätte, der Gesetzeszweck sei wegen anderweitig gewährleisteten Überlegungs- und Übereilungsschutzes erfüllt und der eigenen Pflicht zur Hinwirkung darauf, dass der Verbraucher ausreichende Gelegenheit zur Befassung mit dem Gegenstand erhält, daher Genüge getan.
In einigen Fällen ergibt sich sogar aus dem übrigen Urkundeninhalt, dass eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Gegenstand der Beurkundung – Kauf einer Immobilie – seitens des Verbrauchers noch nicht stattgefunden hatte, etwa weil die Immobilie nicht einmal besichtigt worden war oder weil die Finanzierung noch nicht geklärt war (vgl. BGH vom 07.02.2013 – III ZR 121/12, BGHZ 196, 166 Rn. 21).
In einigen Fällen bestätigt der weitere Geschehensverlauf nach Beurkundung, dass die vom Beklagten gestellten Fragen diesem keine taugliche Informationsbasis verschafften, um die Frage ausreichenden Überlegungs- und Übereilungsschutzes trotz Fristunterschreitung zu beantworten.
Hierzu im Einzelnen:
2.4.2.1. Der Beklagte hat sich schriftsätzlich am 10.11.2015 und 22.11.2016 dahingehend eingelassen, er habe alle Käufer, die erklärten, den Entwurf nicht rechtzeitig erhalten zu haben, nach eingehender Erläuterung der Fristbedeutung und abgelehntem Terminsverlegungsangebot „gefragt, ob sie denn bereits seit zwei Wochen Kenntnis von den essentialia des abzuschließenden Geschäfts, also von der Immobilie selbst, ihrer Art, Größe, Lage und Beschaffenheit sowie von der Höhe des Kaufpreises erlangt hätten, und dann mit ihnen besprochen, ob sie sich mit diesen Informationen und dem Vertragstext ihrer Ansicht nach ausreichend auseinandergesetzt hätten“. Bei dieser Gelegenheit seien auch weitere Aspekte zur Sprache gekommen, „wie z.B., ob der jeweilige Käufer bereits einmal eine Immobilie erworben hätte, ob der Käufer sicher sei, den Kaufpreis finanzieren zu können, ob eine Bestandsimmobilie besichtigt worden sei, etc.“. In diesem Sinne hat er sich auch persönlich bei seiner Anhörung vor dem Senat am 25.10.2017 geäußert.
Nur weil sämtlichen Käufern nach ihren damals gemachten Angaben die für eine wirtschaftliche Überprüfung der Kaufentscheidung erforderlichen Informationen bereits länger als zwei Wochen zur Verfügung gestanden hätten, z.B. durch ein Exposé, und sie auf Nachfrage des Beklagten bestätigt hätten, dass sie sich ihrer Ansicht nach ausreichend mit dem Vertragstext auseinandergesetzt hätten und keinen weiteren, über das Beurkundungsverfahren hinausgehenden Klärungsbedarf hätten, sei die Beurkundung vorgenommen worden. Soweit Käufer keinen oder erst kurz vor der Beurkundung einen Entwurf erhalten hätten, hätten sie aufgrund früherer Immobilienerwerbe gewusst, „was sie erwartet, was ein Notar prüft und welche Fragen sie stellen wollen“. Im Hinblick darauf, dass es sich um normale Standardverträge des jeweiligen Typus gehandelt habe und die wirtschaftlichen Entscheidungsgrundlagen bereits länger als vierzehn Tage zur Verfügung gestanden hätten, sei er, der Beklagte, dem Beurkundungswunsch auch in diesen Fällen nachgekommen.
Wenn sich im weiteren Verlauf der Beurkundung, etwa bei der Vorlage der Pläne aus der Teilungserklärung, bei der Nachfrage, ob der Kaufpreis richtig wiedergegeben sei oder im Rahmen von Erläuterungen zum Urkundentext Zweifel an der Richtigkeit der zuvor gemachten Angaben ergeben hätten, hätte er die Beurkundung abgebrochen.
2.4.2.2. Mit dieser Gestaltung des Beurkundungsverfahrens genügte der Beklagte seiner Hinwirkungspflicht aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. nicht.
Eine Verkürzung der Regelfrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. wegen anderweitig gewährleisteten Übereilungs- und Überlegungsschutzes ist nicht mit dem Argument gerechtfertigt, dass der Kaufinteressent bereits seit mindestens zwei Wochen Kenntnis von den wirtschaftlichen essentialia des abzuschließenden Geschäfts, also von der Immobilie selbst, ihrer Art, Größe, Lage und Beschaffenheit sowie von der Höhe des Kaufpreises, und somit Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Komponenten des Kaufs habe. Den Regelfall, dessen Verwirklichung es erlaubt, den mit § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. bezweckten Schutz als gewährleistet anzusehen, hat der Gesetzgeber gerade nicht durch Anknüpfen an den Zeitpunkt der Kenntnis von den wirtschaftlichen Eckdaten des Geschäfts ausgestaltet. Vielmehr hat der Gesetzgeber an die Überlassung des beabsichtigten Texts des Rechtsgeschäfts angeknüpft. Zwar trifft es zu, dass nach dieser Vorschrift der Regelfall selbst dadurch verwirklicht werden kann, dass dem Verbraucher – unabhängig von der Frage der Üblichkeit eines solchen Vorgehens – der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts bereits bei Beginn der Verhandlungen und nicht erst im Zuge der finalen Entscheidungsfindung überlassen wird. Das bedeutet aber nicht, dass das mit dem Gesetz verfolgte Schutzniveau an diesem Beispielsfall ausgerichtet werden und somit schon eine seit mindestens zwei Wochen bestehende Kenntnis von den wirtschaftlichen Entscheidungsgrundlagen genügen kann, um die gesetzliche Regelfrist zu verkürzen. Dass eine zweiwöchige Kenntnis davon, um welche konkrete Immobilie es bei dem Er werb geht, wo sich diese befindet, wie sie beschaffen ist und was sie kosten soll, geeignet sei, ausreichenden Übereilungs- und Überlegungsschutz für Verbraucher zu gewährleisten und deshalb die gesetzliche Regelfrist zu verkürzen, kann schon wegen des in der Regel schwerwiegenden Gewichts einer solchen Erwerbsentscheidung üblicherweise gerade nicht angenommen werden. Zudem ist die Frist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. als Regelfrist ausgestaltet, so dass auch deren Überschreiten geboten sein kann (BGH vom 07.02.2013 – III ZR 121/12, BGHZ 196, 166 Rn. 20). Wurde der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts dem Verbraucher bereits im Erstkontakt überlassen, könnte dies bei Kenntnis des Notars trotz eingehaltener Regelfrist Anlass zu entsprechender Prüfung geben.
Durch Überlassen des beabsichtigten Texts des Rechtsgeschäfts wird der Verbraucher mit dem eigenen Vorhaben konfrontiert und in die Lage versetzt, dieses zu durchdenken und sich vor dem Eingehen einer rechtlichen Bindung umfassend beraten zu lassen. Die Kenntnis von den wirtschaftlichen essentialia des abzuschließenden Geschäfts bewirkt – weder nach dem Gesetzestext noch von der Natur der Sache her – einen vergleichbaren Überlegungs- und Übereilungsschutz.
Seiner Hinwirkungspflicht genügte der Beklagte auch nicht dadurch, dass im Gespräch mit dem Kaufinteressenten weitere Gesichtspunkte „zur Sprache gekommen“ sind, wie die Frage, ob der jeweilige Käufer bereits einmal eine Immobilie erworben hat, ob er sicher sei, den Kaufpreis finanzieren zu können und ob er eine Bestandsimmobilie besichtigt habe. Ein früherer Immobilienerwerb macht den rechtlich nicht versierten Verbraucher hinsichtlich des nächsten Immobilienerwerbs nicht weniger schutzbedürftig. Ausreichender Übereilungs- und Überlegungsschutz trotz Unterschreitens der Regelfrist kann auch nicht schon deshalb angenommen werden, weil sich der Verbraucher subjektiv sicher ist, den Kaufpreis finanzieren zu können. Dass die Finanzierung tatsächlich gesichert sei, hat sich der Beklagte jedoch gerade nicht bestätigen lassen. Er hat im Gegenteil Beurkundungen sogar dann vorgenommen, wenn er positiv wusste, dass die Finanzierung noch ungeklärt war. Wurde die Immobilie vor Beurkundung nicht besichtigt, weist dies zwar deutlich darauf hin, dass der erforderliche Übereilungs- und Überlegungsschutz nicht gewährleistet ist, so dass ein Abweichen vom gesetzlichen Regelfall nicht zulässig ist. Das bedeutet jedoch nicht im Umkehrschluss, dass die Besichtigung einer Bestandsimmobilie – allein oder auch zusammen mit den übrigen Gesichtspunkten -ausreichenden Übereilungs- und Überlegungsschutz indizieren würde. Die Besichtigung des Kaufobjekts ist im Hinblick auf die Bedeutsamkeit eines Immobilienerwerbs immer geboten und erlaubt weder für sich genommen noch zusammen mit den vom Beklagten in Anspruch genommenen Umständen die Annahme, Übereilungs- und Überlegungsschutz sei bereits gewährleistet, so dass eine weitere Hinwirkung des Notars darauf, dass der Verbraucher vorab ausreichend Gelegenheit zur Befassung mit dem geplanten Rechtsgeschäft erhält, nicht mehr erforderlich sei.
Schließlich genügt es nicht, wenn sich der Notar vom Käufer bestätigen lässt, dieser habe sich – trotz Unterschreitung der Regelfrist – „seiner Ansicht nach“ ausreichend mit dem Vertragstext auseinandergesetzt. Vielmehr ist es die Dienstpflicht des Notars, darauf hinzuwirken, dass der Verbraucher ausreichende Gelegenheit erhält. Dies geschieht im Regelfall durch Einhalten der Wartefrist. Ob ausreichend Gelegenheit gegeben wurde und es deshalb einer weiteren Hinwirkung durch entsprechende Gestaltung des Beurkundungsverfahrens, nämlich durch Einhaltung des Wartegebots, nicht bedarf, hat – wenn der Regelfall nicht verwirklicht ist – der Notar festzustellen. Entscheidend ist, ob der Notar aus dem Gespräch mit dem Verbraucher zu der Überzeugung gelangt, dass dem Verbraucher auch bei einer kürzeren Frist als zwei Wochen eine ausreichende Prüfungs- und Überlegungsfrist zur Verfügung gestanden hat (vgl. Brambring ZfIR 2002, 597, 606; Sorge DNotZ 2002, 593, 606; Schmucker DNotZ 2002, 510, 519). Deshalb kann sich der Notar nicht auf die subjektive Einschätzung des zudem nicht fachkundigen Verbrauchers zurückziehen. Dass die notarielle Dienstpflicht nur dahin geht, durch die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens für Übereilungs- und Überlegungsschutz – nicht hingegen für ein tatsächlich überlegtes Handeln des Verbrauchers – Sorge zu tragen, ändert daran nichts, wenn die dem Verbraucher zu seinem Schutz regelmäßig zu gewährende Zeit nicht zur Verfügung gestanden hat.
Die vom Beklagten selbst beschriebene Vorgehensweise war daher schon objektiv unzureichend, um der ihm obliegenden Hinwirkungspflicht zu genügen.
2.4.3. Darüber hinaus ergibt sich in einigen Fällen aus dem übrigen Urkundeninhalt, dass sich die jeweiligen Käufer die Erwerbsentscheidung noch nicht reiflich überlegt hatten, Übereilungs- und Überlegungsschutz mithin nicht bereits anderweitig gewährleistet waren. Es trifft daher nicht zu, dass der Beklagte dann, wenn sich im weiteren Verlauf der Beurkundung ein unzulänglicher Überlegungs- und Übereilungsschutz herausgestellt hat, die Beurkundung abgebrochen und auf diese Weise auf den nötigen Schutz hingewirkt hätte.
2.4.3.1. Die Käuferin N. hatte vor Beurkundung weder Gelegenheit, die zu erwerbende Eigentumswohnung in natura zu besichtigen, denn laut Ziff. VII. 2. des Angebots wurde das Vertragsobjekt damals erst errichtet, noch Gelegenheit, sich mit der Teilungserklärung ausreichend zu befassen, denn die Teilungserklärung wurde erst am selben Tag wie das Angebot beurkundet. Ausreichende Gelegenheit, sich mit dem zu erwerbenden Objekt und daher mit dem Gegenstand des Rechtsgeschäfts zu befassen, hatte mithin nicht bestanden.
2.4.3.2. Bei Beurkundung des Angebots der Käuferin H. war die Finanzierung noch ungeklärt, denn unter Ziff. I. („Angebot“) wurde „der die Annahme beurkundende Notar … angewiesen, die Annahme nur zu beurkunden, wenn durch schriftliche Bestätigung eines im Inland oder EU-Ausland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Grundschuldbestellungsauftrag von einem solchen die Bezahlung bzw. Finanzierung des Kaufpreises gesichert ist“. Übereilungs- und Überlegungsschutz war mithin nicht auf andere Weise als durch Einhaltung der Regelfrist, insbesondere nicht wegen Vorliegens eines Wertgutachtens über die Immobilie und infolge der Hinzuziehung des Vaters als Vertrauensperson der Käuferin, gewährleistet.
2.4.3.3. W. L. hatte vor Beurkundung des Kaufangebots die Immobilie nicht einmal besichtigt. In Abschnitt B. „Inhalt des angebotenen Kaufvertrages“ ist unter Ziff. VII. („Umfang der Verkäuferpflichten, Rechte bei Mängeln“) ausdrücklich festgehalten:
„Der Käufer hat das Vertragsobjekt nicht besichtigt.“
Der notwendige und erteilte Hinweis auf die mit dem Erwerb einer unbekannten Gebrauchtimmobilie unter Gewährleistungsausschluss verbundenen Gefahren ist nicht geeignet, einen dem Wartegebot äquivalenten Überlegungs- und Übereilungsschutz zu gewährleisten. Dennoch hat der Beklagte die Beurkundung nicht abgebrochen.
2.4.3.4. Bei Beurkundung des von P. B. abgegebenen Kaufangebots war die Finanzierung noch ungeklärt, denn in Abschnitt A. („Angebot des Käufers“) unter Ziff. I. wurde am Ende Folgendes eingefügt:
„Der Verkäufer darf das Angebot nur annehmen, wenn die Finanzierungsunterlagen vorliegen. Weder der Notar noch das Grundbuchamt haben diese Voraussetzung zu prüfen.“
Aus dem entsprechenden handschriftlichen Zusatz in dem zur notariellen Nebenakte genommenen Urkundsentwurf (TEA I Bd. 1 Register 5 Bl. 019) erschließt sich, dass dieser Einschub im Beurkundungstermin vorgenommen wurde.
2.4.3.5. Einen Hinweis darauf, dass die Zwecke des gesetzlichen Wartegebots nicht bereits auf andere Weise erfüllt waren, ergibt sich auch aus dem Inhalt der Angebotsurkunde im Fall A. Hier hat der Beklagte unter Abschnitt B. Ziff. X. (Kosten) Folgendes beurkundet:
„Zur Erleichterung der Abwicklung für den Käufer soll der Verkäufer diese Kosten für ihn verauslagen.“
Damit sind die im voranstehenden Satz aufgelisteten Nebenkosten des Erwerbs, nämlich die Kosten des Vertrags, etwaiger Genehmigungen, des Grundbuchvollzugs sowie die Grunderwerbsteuer angesprochen, die im Innenverhältnis vom Käufer zu tragen waren. Eine Verauslagung durch den Verkäufer mit dem ausdrücklichen Ziel, dem Käufer die Abwicklung zu erleichtern, weist deutlich darauf hin, dass die Vertragserfüllung durch den Käufer schwierig zu bewerkstelligen ist. Einer Abkürzung der Regelfrist und der Annahme, die Zwecke des Wartegebots seien erfüllt, steht dies entgegen.
2.4.4. Soweit der Beklagte individuelle Gründe für die Abkürzung der Regelfrist ermittelt und urkundlich festgehalten hat, erlaubten diese ein Absehen vom Wartegebot nicht.
2.4.4.1. Die im Kaufvertrag vom 19.12.2003 wiedergegebene Erklärung des R. J., „dass er wünscht, dass die Beurkundung noch im laufenden Kalenderjahr stattfinden soll“, reicht selbst dann nicht, wenn hinter dem geäußerten Wunsch steuerliche Überlegungen gestanden haben sollten. Da nachfolgend weder Grunderwerbsteuer entrichtet noch Zahlungen auf den Kaufpreis geleistet wurden, ist die Überzeugung berechtigt, dass eine fundierte (steuerliche) Beratung vor Beurkundung des Kaufvertrags nicht stattgefunden hat. Ein ohne fundierte Basis geäußerter Käuferwunsch stellt keinen sachlichen Grund für eine Abkürzung des Wartegebots dar.
2.4.4.2. Dem mit der Wartepflicht bezweckten Überlegungs- und Übereilungsschutz war nicht schon dadurch Genüge getan, dass dem rechtlich nicht fachkundigen Verbraucher der (damals beabsichtigte und ggfls. sodann beurkundete) Vertragstext anlässlich eines früheren (beabsichtigten oder getätigten) Immobilienerwerbs überlassen worden war.
2.4.4.1. Deshalb gibt die in die Urkunde aufgenommene Erklärung des Käufers L., schon mehrere „ähnlich lautende“ Entwürfe für andere Wohnungen erhalten zu haben, keinen Hinweis darauf, dass Überlegungs- und Übereilungsschutz vor der Angebotsbeurkundung am 04.04.2007 bereits auf andere Weise gewährleistet sei. Weil die am 11.12.2006 von L. unterzeichnete Bestätigung über die Übergabe eines Entwurfs am 05.12.2006 (TEA I Bd. 3 Register 17 Bl. 011) keinen Bezug zur Angebotsbeurkundung vom 04.04.2007 hat, konnte die damalige Entwurfsüberlassung den mit dem Gesetz bezweckten Schutz nicht bewirken. Dass sich der Käufer wegen ähnlicher Entwürfe grundsätzlich mit der Materie auseinandersetzen konnte, ändert daran nichts.
Aus diesen Gründen erlaubt auch der Umstand, dass das Ehepaar B. bereits im März 2007 zu URNr. . einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung in Augsburg geschlossen hatte, nicht die Wertung, dass damit eine Vertrautheit mit dem Abschluss eines Immobilienkaufvertrags und seiner Abwicklung geschaffen worden wäre, die eine Abkürzung der gesetzlichen Regelfrist wegen hinreichenden Überlegungs- und Übereilungsschutzes rechtfertigen würde.
2.4.4.3. Die in der Urkunde vom 06.07.2009 festgehaltene Begründung des Käufers C. für den Wunsch nach sofortiger Beurkundung („da ihm am 01.07.2009 ein Vorentwurf ohne konkrete Objekt- und Personendaten ausgehändigt worden ist“) drückt nur aus, dass ein Entwurf nicht fristgerecht überlassen wurde und dennoch beurkundet werden möge.
Auch die in der Urkunde vom 23.07.2009 mitgeteilte Begründung der Käuferin K. („weil sie sich ihrer Ansicht nach ausreichend mit dem Vertragstext auseinandergesetzt hat“) zeigt auf, dass der Beklagte mit der Fortsetzung der Beurkundung in Kenntnis der Fristunterschreitung seiner Hinwirkungspflicht nicht genügt hat, denn nach der ausdrücklichen Einschränkung („ihrer Ansicht nach“) hat er selbst sich keine Überzeugung davon verschafft, dass der Gesetzeszweck aufgrund der Auseinandersetzung trotz Fristunterschreitung erfüllt ist.
2.4.5. Dem Einwand des Beklagten, zumindest die berufliche Stellung einzelner Käufer habe eine Abkürzung der gesetzlichen Regelfrist gerechtfertigt, ist nicht zu folgen. Die Tätigkeit des H. A. als Organisationsleiter bei der H. M. Versicherung (in P.), des W. C. als Leiter eines Einzelhandelsmarktes, der S. H. als Sozialversicherungsfachangestellte und der P. K. als Finanzbuchhalterin erfordern keine einschlägigen juristische oder wirtschaftliche Kenntnisse im Immobiliensektor und tra gen deshalb den Schluss auf hinreichenden Überlegungs- und Übereilungsschutz trotz abgekürzter Frist nicht.
Dass ein Verbraucher aufgrund früherer Kaufverträge/-angebote Erfahrungen im Bereich des Immobilienkaufs hat, berechtigt gleichfalls nicht zu der Annahme, Überlegungs- und Übereilungsschutz sei bereits auf andere Weise als durch Einhaltung der Regelfrist gewährleistet.
Desgleichen kann der Einwand des Beklagten, die Käufer hätten jeweils triftige, wenn auch konkret nicht mehr erinnerliche Gründe für die gewünschte Fortsetzung der Beurkundung genannt, nicht in dubio zu Gunsten des Beklagten Berücksichtigung finden. Welche Sachgründe im Einzelfall – auch unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Verbrauchers – eine Beurkundung unter Abkürzung der regelmäßigen Wartefrist rechtfertigen können, obwohl Übereilungs- und Überlegungsschutz nicht auf andere Weise sichergestellt sind, muss hier nicht allgemein entschieden werden. Denn der Beklagte hat als von den Käufern möglicherweise geltend gemachte Sachgründe lediglich solche bezeichnet, die eine Abkürzung der Regelfrist nicht getragen hätten. Hierfür genügen nämlich weder ein bevorstehender Urlaub noch eine Urlaubssperre während arbeitsvertraglicher Probezeit noch unflexible Arbeitszeiten, ebenso wenig ein bevorstehender Auslandseinsatz oder eine längere Ortsabwesenheit etwa wegen eines auswärtigen Montageeinsatzes. Solche Umstände haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Amtspflicht, das Beurkundungsverfahren so zu gestalten, dass hinreichende Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit dem zu schließenden Vertrag besteht. Zu einer entsprechenden Gestaltung hätten vielmehr – selbst bei bevorstehender dauerhafter Ortsabwesenheit – andere Instrumente zur Verfügung gestanden.
Selbst wenn es sich bei dem zu beurkundenden Rechtsgeschäft um einen juristischen „Standardvertrag“ handelt, rechtfertigt dies mit Blick auf den mit dem Gesetz verfolgten Übereilungs- und Überlegungsschutz keine Verkürzung der Regelfrist. Bei der Beurkundung von Kaufangeboten gemäß der hier praktizierten Vertragsaufspaltung kann zudem schon nicht von Standardverträgen gesprochen werden.
2.4.6. Dass der gesetzlich bezweckte Überlegungs- und Übereilungsschutz tatsächlich im Beurkundungszeitpunkt nicht auf andere Weise sichergestellt war, kommt in einer Reihe von Fällen durch die urkundlich belegte Entwicklung nach Beurkundung zum Ausdruck. Dies belegt auch, dass die vom Beklagten gestellten Fragen diesem keine taugliche Informationsbasis verschafften, um die Frage ausreichenden Überlegungs- und Übereilungsschutzes trotz Fristunterschreitung zu beantworten. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob sich der Käufer sicher sei, den Kaufpreis finanzieren zu können.
2.4.6.1. Die Finanzierung des Kaufpreises gelang in mehreren Fällen nicht.
Zu dem mit M. I. am 17.10.2003 geschlossenen Kaufvertrag wurde zu Urkunde vom 25.11.2004, URNr. ein notarieller Aufhebungsvertrag geschlossen (TEA I Bd. 3 Register 13). Dort ist unter Ziff. I. („Sachstandsbeschreibung“) wiedergegeben:
„Der Kaufpreis ist fällig, wurde vom Käufer jedoch weder ganz noch teilweise bezahlt. Der Käufer befindet sich im Verzug. Die Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht des Verkäufers liegen vor. Er hat den Rücktritt erklärt. Finanzierungsgrundpfandrechte des Käufers wurden weder bestellt noch eingetragen. Die Grunderwerbsteuer wurde nach Angabe bereits durch den Verkäufer bezahlt, obwohl sie nach dem Kaufvertrag der Käufer hätte zahlen müssen.“
Der mit R. J. am 19.12.2003 geschlossene Kaufvertrag wurde mit der vom Beklagten am 28.07.2004 beurkundeten Vereinbarung, URNr. … (TEA I Bd. 3 Register 14), wieder aufgehoben. Ziff. I. des Aufhebungsvertrags enthält eine zunächst wortgleiche Schilderung zum Sachstand. In Bezug auf die Grunderwerbsteuer ist ausgeführt:
„Die Grunderwerbsteuer wurde nach Angabe des Käufers der Vorurkunde noch nicht bezahlt.“
Das am 13.07.2005 beurkundete Kaufangebot des S. G. wurde zu Urkunde vom 31.08.2005, URNr. angenommen und nach sechs Monaten am 20.01.2006 mit privatschriftlicher Vereinbarung (TEA I Bd. 2 Register 8) wieder aufgehoben. Mit Schreiben vom 30.12.2005 (TEA I Bd. 2 Register 8 Bl. 029) an das Notariat wegen „Kostenübernahme von Rechnungen Kunde G.“ bestätigte die Vermittlerin,
„dass wir die offenen Rechnungen . übernehmen“ für das Kaufangebot (484,88 Euro) und die Kaufannahme (380,48 Euro).“
Demnach war die an G. mit Schreiben vom 13.07.2005 (TEA I Bd. 2 Register 8 Bl. 028) versandte Notarkostenrechnung am 30.12.2005 noch nicht bezahlt.
Diese Vorgänge rechtfertigen den Schluss, dass bei Verbriefung die Frage der Kaufpreisfinanzierung nicht geklärt war, und bestätigen somit die Wertung, dass die Frage des Notars, ob sich der Käufer hinsichtlich der Finanzierbarkeit sicher sei, von vorneherein ungeeignet war, um über eine Abkürzung der Regelfrist zu befinden.
2.4.6.2. In Bezug auf das Angebot des A. S. vom 02.09.2005 wurde am 20.09.2005 wegen einer Auswechslung des Vertragsobjekts ein Angebot über eine geänderte Hauptleistungspflicht beurkundet. Dies geht aus der Urkunde über die Annahmeerklärung vom 20.10.2005, URNr. hervor, in der unter Ziff. I. („Verweisung auf das Angebot, Vorbemerkung“) ausgeführt ist (TEA I Bd. 4 Register 23):
„… Mit diesamtlicher Urkunde vom 20.09.2005, URNr. hat Herr A. S. der Firma L. Immobilien GmbH den Erwerb einer anderen Wohnung im gleichen Objekt angeboten und zwar unter der aufschiebenden Bedingung, dass zum einen das Angebot in seiner ursprünglichen Form noch nicht angenommen wurde und zum anderen die Firma L. Immobilien GmbH in der Annahmeurkunde eine Erklärung abgibt, dass das Angebot in seiner ursprünglichen Form nicht mehr angenommen wird.“
Die zeitnahe Auswechslung des Kaufobjekts spricht gegen die Annahme, dass im Zeitpunkt der ersten Angebotsbeurkundung ein ausreichender Überlegungsschutz trotz nicht eingehaltener Wartefrist gewährleistet und die Befragung durch den Notar zur Beantwortung der Frage nach anderweitig sichergestelltem Überlegungsschutz ausreichend gewesen sei.
2.4.6.3. Im Fall L. wurde am 16.05.2006 ein Nachtrag beurkundet, dessen Inhalt belegt, dass das Angebot am 15.04.2006 völlig übereilt abgegeben und die Befragung des Notars zur Beurteilung anderweitig gewährleisteten Überlegungsund Übereilungsschutzes ungenügend war. In Abschnitt A. unter Ziff. II. („Nachtrag“) heißt es:
„Aufgrund eines Versehens bei den vom Verkäufer zur Vorbereitung der Vorurkunden gemachten Angaben gegenüber dem Notar wurde bei dem durch diese Urkunden geschlossenen Vertrag nicht berücksichtigt, dass die Einheit vermietet ist und dass noch Umbaumaßnahmen stattfinden, die zu einer Änderung des Sonder- und Gemeinschaftseigentums sowie zu einer Aufhebung von Sondernutzungsrechten und zu einer Umgestaltung und einer Renovierung des Gebäudes führen. Um die getroffenen Regelungen dem anzupassen, erfolgt der heutige Nachtrag.
Vorsorglich werden in diesem Nachtrag nicht nur die geänderten, sondern sämtliche Regelungen des Vertrags in seiner nunmehrigen Form im Abschnitt B beurkundet. Damit gelten nur noch die in der heutigen Urkunde enthaltenen Regelungen. Die Vertragsteile bewilligen und beantragen die aufgrund den Vorurkunden eingetragene Vormerkung zu löschen. Die Löschung soll ausdrücklich nicht Zug um Zug mit der Eintragung der Vormerkung aufgrund dieses Nachtrags erfolgen, sondern sofort.
Die Vormerkung aufgrund des heutigen Nachtrags soll erst nach Vollzug der Änderung der Teilungserklärung erfolgen. .“
2.4.6.4. Im Fall B. musste der Vertragsgegenstand um die versehentlich nicht mitbeurkundete Garage ergänzt werden, was mit Urkunde vom 15.10.2007, URNr.
unter Ziff. III. („Nachtrag“) geschehen ist (TEA I Bd. 1 Register 5 Bl. 012). Dort heißt es:
„In der Angebotsurkunde wurde die vorstehend näher bezeichnete Garage versehentlich nicht aufgeführt und somit auch nicht mitverkauft.
Herr P. Bra. und Herr P. Bru. erklären nunmehr, dass die Garage ebenso mitverkauft ist.
Der in der Angebotsurkunde enthaltene Kaufpreis ändert sich nicht.“
2.4.6.5. Zu einer der mit Angebot der Eheleute T. am 11.03.2008 und Annahme der Verkäuferin am 31.03.2008 veräußerten Eigentumswohnungen wurde nachträglich korrigierend unter dem 21.04.2008 bestätigt, dass diese
„anders als in der vorstehenden Kaufangebotsurkunde festgestellt, nicht vermietet ist“ (TEA I Bd. 4 Register 24 Bl. 029).
In der Angebotsurkunde ist demgegenüber unter Abschnitt B. Ziff. VI. 3. ausgeführt:
„Die vertragsgegenständlichen Sondereigentumseinheiten sind vermietet.“
2.5. Der Beklagte hat die Pflichtverletzung schuldhaft verwirklicht.
2.5.1. Die tatsächlichen Umstände, welche den Vorwurf der objektiv dienstpflichtwidrigen Gestaltung des Beurkundungsverfahrens begründen, waren dem Beklagten aus seiner eigenen Beurkundungstätigkeit bekannt.
Dies gilt für die Unterschreitung der Regelfrist ebenso wie für die tatsächlichen Umstände, die einer Wertung dahingehend, dass andere, fristgerecht überlassene Entwürfe als „gleichwertig“ und deshalb zur Einhaltung der Frist geeignet anzusehen seien, entgegenstehen. Mit dem Inhalt der vom Beklagten über den jeweiligen Termin aufgenommenen Urkunden ist zudem belegt, dass der Beklagte damals selbst davon ausgegangen ist, dass die 14-Tagesfrist nicht eingehalten war.
Kenntnis von der in einzelnen Fällen ungeklärten Finanzierung oder unterlassenen Objektbesichtigung hatte der Beklagte ebenfalls aus dem hierüber beurkundeten und vorgelesenen Text.
Kenntnis hatte der Beklagte aber insbesondere von der Art und Weise der selbst vorgenommenen Gestaltung des Beurkundungsverfahrens durch Befragen der Käufer in den Fällen, in denen er von der Nichteinhaltung der Frist Kenntnis erlangt hat.
2.5.2. Obwohl der Beklagte geltend macht, dennoch nicht erkannt zu haben, dass mit der von ihm gewählten Gestaltung des Beurkundungsverfahrens dem Hinwirkungsgebot aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. nicht Genüge getan ist, ist die Pflichtverletzung schuldhaft begangen.
2.5.2.1. Als Notar ist der Beklagte gemäß § 1 BNotO unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes. Seine Rechtsanwendung bei der Auslegung einer Rechtsvorschrift fällt unter den Schutz der Unabhängigkeit seines Amtes. Den Notar trifft kein Verschulden für eine unrichtige Gesetzesauslegung, wenn die sich bei der Auslegung der Norm ergebenden Zweifelsfragen noch nicht ausgetragen sind und das vom Notar zugrunde gelegte Verständnis nach gewissenhafter Prüfung der zu Gebote stehenden Hilfsmittel auf vernünftige Erwägungen gestützt ist (BGH vom 13.12. 1971 – NotZ 2/71, BGHZ 57, 351, 355; vom 14.12.1992 – NotZ 3/91, DNotZ 1993, 465, 467; vom 20.07.2015 – NotSt (Brfg) 3/15, ZNotP 2015, 354, 356 Rn.19). 2.5.2.2. Für sein Gesetzesverständnis kann sich der Beklagte allerdings nicht auf eine gewissenhafte Prüfung berufen.
2.5.2.2. Höchstrichterliche Rechtsprechung zum zutreffenden Verständnis der dem Notar in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. auferlegten Hinwirkungspflicht und zur Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen dieser Berufspflicht einerseits und der Urkundsgewährungspflicht aus § 15 BNotO andererseits lag zwar im hier maßgeblichen Zeitraum der vom Beklagten vorgenommenen Beurkundungen noch nicht vor. Eine – soweit ersichtlich – erste veröffentlichte Gerichtsentscheidung, mit der die notarielle Pflicht zur Ablehnung der gewünschten Beurkundung für den Fall ausdrücklich ausgesprochen wurde, dass die Voraussetzungen für eine Abweichung von der regelmäßigen Wartefrist nicht vorliegen, datiert vom 27.06.2008 (KG – 9 W 133/07, DNotZ 2009, 47). In der Literaturmeinung wurden unterschiedliche Ansichten diskutiert (vgl. die Nachweise in der Entscheidung des BGH vom 07.02.2013 – III ZR 121/12 BGHZ 196, 166 Rn. 20).
Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes ist aber dem Notar eine verbraucherschützende Pflicht zur tätigen Gestaltung des Beurkundungsverfahrens auferlegt. Im Widerspruch zur verbraucherschützenden Zielrichtung der den Notar in die Pflicht nehmenden Norm steht es, wenn der Notar sich auf die subjektive Einschätzung des nicht fachkundigen Verbrauchers darüber, ob er trotz Abweichens vom Regelfall weiteren Schutzes bedarf, zurückzieht. Die Annahme, hinreichender Übereilungs- und Überlegungsschutz sei – trotz Unterschreitens der Regelfrist -schon dann zu bejahen, wenn der Verbraucher von den wirtschaftlichen essentialia des beabsichtigten Geschäfts seit zwei Wochen Kenntnis habe, wird der Bedeutung eines Immobilienerwerbs für Verbraucher ersichtlich nicht gerecht. Zudem war dem Notar wegen der Anwesenheit eines Vermittlers in den jeweiligen Beurkundungsterminen bekannt, dass die Verbraucher ihre Kaufentscheidung jedenfalls nicht unbeeinflusst getroffen haben, was wegen der Eigeninteressen des Vertriebs an einem Geschäftserfolg der Annahme von hinreichendem Übereilungs- und Überlegungsschutz trotz Unterschreitens der Regelfrist regelmäßig entgegenstehen dürfte (vgl. bereits Winkler BeurkG 15. Aufl. 2003 § 17 Rn. 195). Dass das Neutralitätsgebot, dem die Notare unterliegen, in § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. – nicht anders als etwa in § 14 Abs. 2 BNotO (hierzu: BGH vom 14.12.2009 -NotSt (B) 2/09, ZNotP 2010, 116 Rn. 16) – eine Grenze findet, ergibt sich aus dem den Notaren zugeteilten verbraucherschützenden Auftrag von selbst. Deshalb verbot sich insoweit auch ein Rückzug auf die neutrale Stellung des Notars zwischen den Parteien.
3. In den weiteren 51 klagegegenständlichen Fällen, sämtlich Verbrauchergeschäfte über Immobilien mit Verkäufern der „S.-Gruppe“, kann dem Beklagten hingegen ein schuldhafter Verstoß gegen Dienstpflichten wegen Verletzung des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. nicht zum Vorwurf gemacht werden.
3.1. Soweit es dem Notar als Verletzung der sich aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. ergebenden Dienstpflicht vorgeworfen wird, dass er die (Muster-) Vertragstexte und Bezugsurkunden lediglich den Verkäufern zur Weitergabe an die Verbraucher zur Verfügung gestellt und nicht selbst den Versand des jeweils beabsichtigten Texts des Rechtsgeschäfts an den Verbraucher übernommen hat, liegt objektiv kein Verstoß gegen Dienstpflichten vor.
Nach damals überwiegend vertretener Meinung reichte nach der bis zum 30.09.2013 geltenden Gesetzesfassung die Überlassung eines Textmusters ohne individualisierende Daten aus, zumindest wenn der Mustervertrag zusammen mit dem übrigen überlassenen Informationsmaterial eine Überprüfung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Geschäfts ermöglichte; dann musste sich auch der Kaufpreis nicht zwingend allein aus dem Textentwurf ergeben (vgl. Winkler BeurkG 15. Aufl. 2003 § 17 Rn. 167; Frenz in Eylmann/Vaasen BNotO/BeurkG 2. Aufl. 2004 § 17 BeurkG Rn. 39g; Grziwotz/Heinemann BeurkG 2012 § 17 Rn. 82; Rieger MittBayNot 2002, 325, 332 f.; Anwendungsempfehlungen zur praktischen Umsetzung von § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG – Rundschreiben 20/2003 vom 28.04.2003 der Bundesnotarkammer unter Punkt D. III.).
Gemäß § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 BeurkG a. F. war der Notar zudem abweichend von der aktuellen Rechtslage nicht verpflichtet, dem Verbraucher den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts selbst zu übersenden. Der Notar wurde vielmehr verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Verbraucher den Vertragsentwurf rechtzeitig erhält. Seiner Pflicht zur Gestaltung des Beurkundungsverfahrens in der Weise, dass eine hinreichende Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit dem zu schließenden Vertrag besteht (BGH vom 07.02.2013 – III ZR 121/12, BGHZ 196, 166 Rn. 22; Rieger MittBayNot 2002, 325, 329), konnte er auch entsprechen, indem er dem Verkäufer oder dem beauftragten Vertrieb bzw. Immobilienmakler den Text zur rechtzeitigen Überlassung an den Verbraucher zur Verfügung stellte (Winkler BeurkG 15. Aufl. 2003 § 17 Rn. 163; Armbrüster in Huhn/von Schuckmann BeurkG/DONot 4. Aufl. 2003 § 17 BeurkG Rn. 183; Frenz in Eylmann/Vaasen BNotO/BeurkG 2. Aufl. 2004 § 17 BeurkG Rn. 39g; Grzi wotz/Heinemann BeurkG 2012 § 17 Rn. 82; Hantke u.a. MittBayNot 2002, 433, 455; Brambring ZfIR 2002, 597, 605 f.; Rieger MittBayNot 2002, 325, 333; Sorge, DNotZ 2002, 593, 595; Hertel ZNotP 2002, 286, 289; einschränkend: Junglas NJOZ 2012, 561, 563).
Obgleich in den Gesetzesmaterialien zu Inhalt und Zweck der Gesetzesnovellierung ausgeführt ist, dass die Unterrichtung in die Hand des Notars gelegt werde (BT-Drucks. 14/9266 Seite 50) und der Notar dazu verpflichtet werde, dem Verbraucher den Text des Rechtsgeschäfts zuzuleiten (BT-Drucks. 14/9266 Seite 51), hat der Gesetzgeber mit der – der Formulierung des Präsidenten der Bundesnotarkammer entsprechenden Gesetzesfassung (vgl. BT-Drucks. 14/9266 Seite 35 und 14/9297 Seite 6) – allerdings davon abgesehen, dem Notar eine Selbstversendungspflicht aufzuerlegen.
Dementsprechend wurde in den Anwendungsempfehlungen der Bundesnotarkammer zur praktischen Umsetzung von § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG a. F. (abgedruckt im Rundschreiben 20/2003 vom 28.04.2003), die durch Sammelrundschreiben der Landesnotarkammer Bayern vom 30.09.2003 jedem bayerischen Notar zur Kenntnis gebracht wurden, im Abschnitt D. unter Ziff. IV („Das „Zurverfügungstellen“) ausgeführt, es sei mit dem Wortlaut des Gesetzes ohne weiteres vereinbar, dass nicht der Notar, sondern der den Vertrieb organisierende Unternehmer den beabsichtigten Vertragstext an den Verbraucher übermittelt. Um den angestrebten Zweck einer ausreichenden Verbraucherinformation am besten zu erreichen, dürfe es „ratsam“ sein, dass der Notar den beabsichtigten Vertragstext dem Verbraucher selbst zur Verfügung stellt. Falls dies nicht möglich sei, erscheine es „empfehlenswert“, dass der Notar anderweitig an den Verbraucher herantritt, um diesem ausreichend Gelegenheit zu geben, innerhalb der zweiwöchigen Frist vorbereitende Fragen oder Wünsche an ihn zu richten.
Danach stellt sich der Eigenversand durch den Notar als die zuverlässigste Vorgehensweise dar, bei der der Notar die Fristeinhaltung am effektivsten überwachen kann, nicht aber als verpflichtendes Vorgehen zur Erfüllung der Hinwirkungspflicht. Eine Soll-Vorschrift, mit der die Hinwirkungspflicht des Notars als Eigenversendungspflicht ausgestaltet wurde, wurde erst durch das Gesetz vom 15.07.2013 (BGBl I Seite 2378) mit Wirkung zum 01.10.2013 eingeführt, und zwar mit der Begründung, dass das Gesetz bislang ein Zurverfügungstellen durch den Notar nicht ausdrücklich vorsehe und dieser darauf vertrauen dürfe, dass der Verbraucher seine Frage nach der Fristeinhaltung wahrheitsgemäß beantworte, ohne allerdings eine Handhabe zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes dieser Angaben zu haben (BT-Drucks. 17/12035 Seite 6).
3.2. War nach dem Gesetz somit die Art und Weise, wie der Notar seiner Hinwirkungspflicht nachkommt, mangels konkreter Vorgaben in das pflichtgemäße Ermessen des Notars gestellt, so genügten allerdings Maßnahmen des Notars dann nicht, wenn sie nicht geeignet waren, effektiv darauf hinzuwirken, dass die Verbraucher vorab ausreichend Gelegenheit erhalten, sich mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinander zu setzen. Objektiv ungeeignet ist zwar die Überlassung von (Muster-)Entwürfen an die Verkäuferseite zur rechtzeitigen Weitergabe an den Verbraucher dann, wenn der Verkäufer oder der von ihm mit der Gewinnung von Kaufinteressenten beauftragte Vertrieb für die rechtzeitige Weitergabe an den Verbraucher nicht Sorge trägt. Ein Notar, der dies erkennt und seine Praxis dennoch nicht nachbessert (allerdings nicht zwingend durch Selbstversendung), genügte der ihm nach dem Gesetz obliegenden Hinwirkungspflicht nicht. Seine Hinwirkungspflicht konnte er auch nach der damaligen Gesetzeslage nicht an Dritte delegieren.
Es bedarf hier aber keiner Aufklärung darüber, ob die Verkäufer bzw. der von ihnen eingeschaltete Vertrieb die nicht personalisierten Entwürfe, die vom Beklagten zur Überlassung an die Verbraucher zur Verfügung gestellt worden waren, nicht rechtzeitig vor dem Beurkundungstermin den Käufern übergeben haben und deshalb bei Beurkundung die zweiwöchige Regelfrist unterschritten war. Für die disziplinarrechtliche Beurteilung kann vielmehr zugrunde gelegt werden, dass -wie die Klage behauptet – in allen 51 Fällen die zweiwöchige Regelfrist bei Beurkundung nicht eingehalten war, weil der Vertrieb in Ausübung einer auf die Überrumpelung von Verbrauchern ausgerichteten Praxis keine Sorge für die rechtzeitige Überlassung getragen hat, sondern die Kaufinteressenten im Vorfeld der Beurkundung dazu angehalten hat, die Frage des Notars zu bejahen, und sie zur Unterzeichnung des – unterstellt – tatsachenwidrig ausgefüllten Formblatts über die Fristeinhaltung mit der Beschwichtigung veranlasst hat, es handele sich um eine reine Förmelei. Selbst wenn es sich so verhalten hat, liegt nämlich eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung des Beklagten nicht vor.
Deshalb besteht – auch unter Berücksichtigung des im Disziplinarverfahren geltenden Amtsermittlungsprinzips – keine Veranlassung, die damaligen Vermittler und Verkäufer bzw. deren Repräsentaten und Angestellte als Zeugen darüber zu vernehmen, ob und wie sie im einzelnen Fall oder generell die Weiterleitung der (Muster) Vertragstexte bzw. Angebotstexte und der Bezugsurkunden an die Kaufinteressenten gehandhabt haben. Desgleichen bedarf es keiner Einvernahme der Käufer zu der Frage, ob sie die Textentwürfe und ggfls. Bezugsurkunden fristgerecht vor dem Beurkundungstermin über den Vertrieb zur Verfügung gestellt bekommen haben.
Der Beklagte hat nämlich, weil er von diesen Umständen keine Kenntnis hatte, jedenfalls nicht mit direktem Vorsatz gehandelt.
Weil die dem Beklagten bekannten objektiven Umstände (dazu unter 3.3. und 3.4.) zudem nicht den Schluss rechtfertigen, der Beklagte habe die Fristunterschreitung für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen (dazu unter 3.5.), scheidet auch eine mit bedingtem Vorsatz verwirklichte Dienstpflichtverletzung aus.
Mangels Erkennbarkeit kommt auch eine fahrlässige Begehung nicht in Betracht (dazu unter 3.6.).
3.3. Der objektive Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
3.3.1. Der Beklagte stellte den jeweiligen Verkäufern der „S.-Gruppe“ den beabsichtigten Text des abzuschließenden Erwerbsgeschäfts in nicht individualisierter Form sowie beglaubigte Abschriften der Teilungserklärungen samt Plänen zur Verfügung und überließ es den Verkäufern, diese im Verfahren als „Mustervertragstexte“ bezeichneten Unterlagen nebst Bezugsurkunden – gegebenenfalls über die eingeschalteten Vermittler – an die Verbraucher fristgerecht weiterzugeben.
Im Beurkundungstermin bestätigten die Käufer dem Beklagten jeweils mündlich nach Vorlesen der Urkundspassage und Nachfrage des Notars, der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts, gegebenenfalls nebst Bezugsurkunden, sei ihnen zwei Wochen vor Beurkundung zur Verfügung gestellt worden. In den notariellen Urkunden ist nämlich hierüber im Anschluss an die Personaldaten Folgendes wiedergegeben:
Käufername weiß (resp. wissen), dass der Notar nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG eine Beurkundung nur dann vornehmen soll, wenn mindestens zwei Wochen verstrichen sind, seitdem ihm (resp. ihnen) ein Entwurf des Kaufvertrags (resp. Kaufangebots, ggfls. und die Teilungserklärung samt etwaigen Nachträgen) übergeben wurde und dass diese Regelung ihn (resp. sie) vor übereilten Handlungen schützen soll. Der Notar hat [Käufername] die Verlegung des Beurkundungstermins für den Fall angeboten, dass die Frist noch nicht abgelaufen ist.
Käufername erklärt (resp. erklären) hierzu, dass er (resp. sie) die genannten Unterlagen bereits vor mehr als 14 Tagen über den Verkäufer bzw. Vermittler erhalten hat.
Oder:
Käufername erklärt (resp. erklären) hierzu, dass ihm (resp. ihnen) ein Vorentwurf ohne persönliche Daten bereits vor mehr als 14 Tagen über den Verkäufer bzw. Vermittler übergeben wurden.
Nur in den unter Ziff. 2 behandelten 19 Fällen verneinten die Käufer auf die Nachfrage des Beklagten die Fristeinhaltung.
3.3.2. Sollte die zweiwöchige Regelfrist entgegen den bestätigenden Erklärungen tatsächlich nicht eingehalten gewesen sein, so hatte der Notar davon jedenfalls keine positive Kenntnis.
3.3.3. Die Immobilien der „S.-Gruppe“, meist Eigentumswohnungen, wurden über selbständige, von der Verkäuferseite beauftragte Vertriebspartner abgesetzt, die teils als selbständige Gewerbetreibende (z. B. E.), teils als Gesellschaften (z.B. WS S. Service GmbH) am Markt tätig waren. Bei der flach ausgebildeten Vertriebsstruktur waren für einzelne Hauptvermittler auch Untervermittler tätig. Einblick in die Vertriebsstruktur hatte der Beklagte nicht.
3.3.4. In einer Vielzahl von Fällen erwarben die Käufer die Immobilie nicht zur Eigennutzung, sondern – wie der Notar wusste – als Anlageobjekte. Einige der Immobilien waren vermietet.
3.3.5. Die Kaufverträge der „S.-Gruppe“ wurden bereits vor November 2005, aber auch danach in der Regel in Angebot und Annahme aufgespalten (siehe hierzu nachfolgend unter Ziff. 4.).
3.3.6. Der Beklagte wurde nicht von den Käufern als Urkundsnotar ausgewählt, sondern diesen von der Verkäuferseite bzw. dem Vertrieb vorgegeben. Die Beurkundungstermine wurden zwischen dem Notariat und den Verkäufern bzw. dem Vertrieb auf deren Anfrage hin vereinbart, und zwar in der Regel kurzfristig. Leer
3.3.2. und Vorratstermine wurden vom Notariat des Beklagten nicht vergeben. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Notariat und Verbraucher fand vor der jeweiligen Verbriefung nicht statt. Die Käufer hatten ihren Wohnsitz großteils außerhalb des Amtsbereichs des Beklagten.
3.3.7. Im Zeitraum vom 24.04.2004 bis 15.10.2005 beurkundete der Beklagte 13 Kaufangebote an einem Samstag (in 2004 am 24.04.; in 2005 am 02., 09. und 23.04.. 21.05., 30.07., 13. und 27.08. sowie 8. und 15.10.) und fünf Kaufangebote am Sonntag, den 14.11.2004. In der Zeit vom 14.10.2006 bis 12.07.2008 beurkundete der Beklagte vier Kaufangebote an einem Samstag (in 2006 am 14.10. und 04.11.; in 2007 am 14.04. und in 2008 am 12.07.).
3.3.8. Der Beklagte entwickelte im März 2005 ein von den Verbrauchern zu unterschreibendes Formblatt mit der Überschrift „Bestätigung über die Übergabe eines Entwurfs“ (Anlage „Muster 1“ zum Schriftsatz des Beklagten vom 28.10.2011), deren erste Ankreuzvariante dahin lautet, der Käufer bestätige hiermit,
„dass mir/uns heute/am . . . vom Verkäufer/Vermittler ein Entwurf des Kaufvertrags/Kaufangebots ohne persönliche Daten übergeben wurde“.
Das Bestätigungsformblatt wurde – spätestens – im Notariat des Beklagten vor Beginn der Beurkundung und in Abwesenheit des Notars ausgefüllt und unterschrieben und sodann in die jeweilige Nebenakte eingelegt. In der Zeit vom 23.03.2005 bis 21.10.2005 kam es in neun Fällen und im Zeitraum von November 2005 bis Februar 2009 in 30 Fällen bei den handschriftlichen Eintragungen in den Formblättern über die Bestätigung der Entwurfsübergabe zu Auslassungen, Streichungen, Ausbesserungen oder inhaltlichen Ungereimtheiten:
3.3.8.1. Der Käufer G. E., dessen Angebot der Beklagte am 08.06.2005 beurkundete (URNr. TEA II Bd. 1 Register 7), gab in der Unterschriftszeile des Bestätigungsformblatts als Ausstellungsort R. an, obwohl er dort nicht wohnte (TEA II Bd. 1 Register 7 Bl. 016). Vielmehr lag das Kaufobjekt im Landkreis R.
3.3.8.2. Der Käufer P. G., dessen Angebot der Beklagte am 02.08.2005 beurkundete (URNr. TEA II Bd. 3 Register 22 Bl. 005 bis 006), machte in der Unterschriftszeile des Formblatts weder Angaben zum Ausstellungsort noch zum Datum und korrigierte den Formulartext handschriftlich dahingehend, dass der Entwurf eines Kaufangebots für das Nachbarhaus überlassen worden sei (TEA II Bd. 3 Register 22 Bl. 007).
3.3.8.1. 3.3.8.3. Der Käufer A. G., dessen Angebot der Beklagte am 24.05.2005 beurkundete (URNr. .; TEA II Bd. 3 Register 22 Bl. 008 bis 009), änderte den vorformulierten Text dahingehend, dass ihm der Entwurf eines ähnlichen Kaufvertrags/Kaufangebots überlassen worden sei (TEA II Bd. 3 Register 22 Bl. 010).
3.3.8.4. In der am 13.07.2005 unterschriebenen Bescheinigung des Käufers S. G. (siehe oben zu Ziff. 2.1.) wurde das Datum der Entwurfsüberlassung überschrieben mit „02.07.05“ (TEA I Bd. 2 Register 8 Bl. 023).
3.3.8.5. In der am 13.08.2005 unterschriebenen Bescheinigung des Käufers S. H., dessen Angebot der Beklagte am selben Tag beurkundete (URNr. TEA II Bd. 1 Register 9), wurde das Datum der Entwurfsüberlassung angegeben mit „02.08.05“ (TEA II Bd. 1 Register 9 Bl. 039), während zur Angebotsurkunde erklärt wurde, der Käufer habe vom Notar mit Post vom 10.08.2005 einen Entwurf dieses Kaufangebots und im Auftrag des Verkäufers bereits vor mehr als 14 Tagen einen Entwurf ohne persönliche Daten erhalten.
3.3.8.6. In der am 29.03.2005 vom Käufer C. K. unterschriebenen Bestätigung wurde das zunächst eingetragene Tagesdatum der Übergabe („29.“) durchgestrichen und durch das Datum „15.“ ersetzt (TEA II Bd. 3 Register 22 Bl. 013).
3.3.8.7. Die Käuferin U. S. gab in der Unterschriftszeile des Formblatts als Ausstellungsort R. an, obwohl sie im Landkreis Ro. wohnhaft war, und als Ausstellungsdatum der 24.08.2005, der Tag vor der Beurkundung, eingetragen wurde (TEA II Bd. 3 Register 22 Bl. 014).
3.3.8.8. In der am Beurkundungstag, dem 02.09.2005, unterschriebenen Bestätigung des Käufers A. S. (siehe oben zu 2.1.) wurde das zunächst mit „02.09.2005“ angegebene Überlassungsdatum durchgestrichen und darüber das in der Zukunft liegende Datum „26.09.2005“ geschrieben (TEA I Bd. 4 Register 23 Bl. 022).
3.3.8.9. Die am 12.08.2005 unterschriebene Bestätigung der Käuferin S. W. enthält bei der Angabe des Überlassungsdatums eine Korrektur. Als erste Ziffer des Datums war ursprünglich eine „0“ eingetragen. Diese wurde durch eine „2“ überschrieben, so dass sich daraus als Übergabedatum der 27.07.2005 ergibt (TEA II Bd. 3 Register 22 Bl. 016).
Auch in dem von R. R.-P. unterzeichneten Formblatt (TEA III Bd. 5 Register 34 Bl. 021) wurde das Übergabedatum durch Überschreiben einer Ziffer geändert auf den „02.12.2005“, wobei das Formblatt zusammen mit dem individualisierten Vertragsentwurf laut Faxkennung erst am 21.12.2005, dem Tag der Beurkundung eines Kaufangebots (URNr. .), übersandt wurde.
3.3.8.10. In den Bestätigungen der Käufer M. B. (Beurkundung eines Kaufangebots am 18.03.2008, URNr. .; TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 003), T. K.(Beurkundung eines Kaufangebots am 20.12.2007, URNr. TEA III Bd. 3 Register 20 Bl. 017), A. W. (Beurkundung eines Kaufangebots am 12.11.2008, URNr. TEA III Bd. 7 Register 49 Bl. 017) und S. Z. (Beurkundung eines Kaufvertrags am 04.11.2006, URNr. TEA III Bd. 7 Register 54 Bl. 019) wurden weder ein Ausstellungsort noch ein Ausstellungsdatum vermerkt.
3.3.8.11. Während nach den Bestätigungsformblättern die Käufer S. T. (Beurkundung eines Kaufangebots am 04.09.2006, URNr. TEA III Bd. 6 Register 43 Bl. 022) und R. H. (Beurkundung eines Kaufangebots am 28.11.2008, URNr. TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 009) einen Entwurf durch Übersendung durch den Notar erhalten haben, ist in der Urkunde als deren Erklärung wiedergegeben, sie hätten über den Verkäufer/Vermittler einen Entwurf erhalten.
Bei gleichem Urkundstext haben folgende Käufer in den Formblättern bestätigt, dass rechtzeitig vor dem Termin ein Entwurf vom Notar und am Beurkundungstag ein Entwurf ohne persönliche Daten vom Verkäufer/Vermittler übergeben worden sei: C. H. (Beurkundung eines Kaufangebots am 13.05.2007, URNr. TEA III Bd. 2 Register 13 Bl. 004), S. und C. H. (Beurkundung eines Kaufangebots am 30.03.2007, URNr. TEA III Bd. 2 Register 16 Bl. 020), H. K. (Beurkundung eines Kaufangebots am 13.04.2007, URNr. TEA III Bd. 3 Register 19 Bl. 020) und G. und M. P. (Beurkundung eines Kaufangebots am 14.04.2007, URNr. .; TEA III Bd. 4 Register 32 Bl. 019).
3.3.8.12. In der Urkunde über das Angebot des Käufers W. W. vom 16.01.2006 (URNr. .) ist als Erklärung des Käufers wiedergegeben, dass er die genannten Urkunden „vor mehr als vierzehn Tagen“ erhalten habe, obwohl im Formblatt als Empfangsdatum der 03.01.2006 bestätigt wurde (TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 032).
3.3.8.13. Die Ortsangabe („R.“) in den von den Käufern P. L. und L. L.(Beurkundung eines Kaufangebots am 12.10.2006, URNr. TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 019), A. S. (Beurkundung eines Kaufangebots am 29.03.2007, URNr. TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 025) sowie D. H. und J. M. (Beurkundung eines Kaufangebots am 20.10.2008, URNr. TEA III Bd. 2 Register 15 Bl. 013) unter zeichneten Formblättern deckt sich weder mit deren Wohnort noch mit der Lage des Vertragsobjekts.
3.3.8.14. In den Bestätigungsformblättern, unterzeichnet von den Käufern P. und T. F. (Beurkundung eines Kaufangebots am 03.11.2006, URNr. …; TEA III Bd. 2 Register 8 Bl. 020), U. S. (Beurkundung eines Kaufangebots am 14.08.2007, URNr. TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 028), H. S. (Beurkundung eines Kaufangebots am 14.08.2007, URNr. TEA III Bd. 6 Register 41 Bl. 003) und C. S. (Beurkundung eines Kaufangebots am 07.12.2007, URNr. TEA III Bd. 5 Register 36 Bl. 019) ist in der Unterschriftszeile das zunächst eingetragene Datum durch Überschreiben korrigiert auf den Beurkundungstag.
Eine Ausbesserung durch Überschreiben oder Ersetzen nach Durchstreichen des zunächst handschriftlich eingetragenen Überlassungsdatums findet sich auf den Bestätigungsformblättern der Käufer S. B. (Beurkundung eines Kaufangebots am 27.06.2007, URNr. TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 006), D. J. und M. K. (Beurkundung eines Kaufangebots am 28.06.2007, URNr. TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 012), B. D. (Beurkundung eines Kaufangebots am 11.07.2007, URNr. TEA III Bd. 1 Register 6 Bl. 022), R. R. (Beurkundung eines Kaufangebots am 09.01.2007, URNr. TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 022) und M. H. (Beurkundung eines Kaufangebots am 19.05.2008, URNr. TEA III Bd. 2 Register 14 Bl. 015).
3.3.8.15. Der Name des Käufers F. K. (Beurkundung eines Kaufangebots am 16.05.2007, URNr. …) ist im Bestätigungsformblatt falsch („…“) geschrieben (TEA III Bd. 7 Register 55 Bl. 015).
3.3.8.16. Im Formblatt bestätigte der Käufer A. O. (Beurkundung eines Kaufangebots am 05.06.2007, URNr. …) am 05.06.2007 eine Übergabe bereits am 15.05. des Jahres 2006 (TEA III Bd. 4 Register 29 Bl. 003).
3.3.8.17. Ähnliche handschriftliche Ausbesserungen oder Unstimmigkeiten gab es in Bestätigungsformblättern, die keinen Bezug zur „S.-Gruppe“ haben.
3.3.8.18. Das von H. A. unterschriebene Formblatt, in dem unter dem Ausstellungsdatum 14.02.2008 eine Entwurfsübergabe am 27.01.2008 bestätigt worden war, hat der Beklagte – nach eigener Einlassung – selbst durchgestrichen, nachdem sich im Beurkundungstermin am 14.02.2008 die inhaltliche Unrichtigkeit herausgestellt hatte.
3.3.8.15. 3.3.9. Von 115 im Zeitraum von August 2003 bis Oktober 2005 zustande gekommenen Kaufverträgen mit der „S.-Gruppe“ wurden 19 nachfolgend aufgehoben, davon sieben durch vom Beklagten beurkundeten Vertrag, aus dem sich als Aufhebungsgrund jeweils die Nichtzahlung des Kaufpreises ergab. Von 107 im Zeitraum von November 2005 bis Februar 2009 zustande gekommenen Kaufverträgen wurden 13 nachfolgend aufgehoben, davon einer durch vom Beklagten beurkundeten Vertrag.
Von 112 im Zeitraum von April 2004 bis Oktober 2005 vom Beklagten beurkundeten Kaufangeboten an Verkäufer der „S.-Gruppe“ wurden 14 nachfolgend nicht angenommen, davon sechs Angebote des Käufers H jeweils vom 03.08.2004. In der Zeit von November 2005 bis Dezember 2008 wurden 15 von 108 vom Beklagten beurkundete und an Verkäufer aus der „S.-Gruppe“ gerichtete Kaufangebote nicht angenommen.
Jedenfalls bei zwei Kaufangeboten (vom 13.08., URNr. und 27.04.2005, URNr. …) kam es nachfolgend zu Verzögerungen bei der Finanzierung:
Nachdem die Käufer R./S. mit an das Notariat gerichteten Schreiben vom 11.11.2005 mitgeteilt hatten, aufgrund längerer Wartezeit kein Interesse mehr am Erwerb zu haben, gaben sie mit Schreiben vom 15.11.2005 bekannt, am Angebot festhalten zu wollen,
„weil bereits die Finanzierungsbestätigung eingegangen sei“ (TEA II Bd. 2 Register 13 Bl. 026 mit 028).
Mit Schreiben vom 27.06.2005 bat die MS Immobilien .GmbH in Bezug auf den mit den Käufern R. geschlossenen Vertrag darum, von der Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld zu Gunsten der im Schreiben bezeichneten Gläubigerin abzusehen, weil die Finanzierung zurückgezogen worden sei (TEA II Bd. 2 Register 14 Bl. 027).
3.3.10. Mit Telefax vom 14.10.2005 (TEA II Bd. 1 Register 4 Bl. 018) an das Notariat des Beklagten ersuchte die MS Immobilien . GmbH unter gleichzeitiger Mitteilung der Käufer- und Verkäuferdaten sowie des Kaufobjekts um die Vorbereitung eines Angebots des M. B. betreffend eine Eigentumswohnung in N. und äußerte dabei die ausdrückliche Bitte, den Entwurf nicht an den Kunden zu leiten. Das Schreiben endet vor der Grußformel mit den Worten:
„Bitte Entwurf faxen;
Entwurf bitte nicht an Kunden weiterleiten.“ Handschriftlich ist auf dem Schreiben als Beurkundungstermin vermerkt: „heute
17.30“.
Auch in dem Ersuchen um Vorbereitung und Übersendung eines Entwurfs für die am 09.02.2008 vorgesehene Beurkundung eines Kaufvertrags mit H. und K. S. äußerte die L. Immobilien GmbH gemäß Telefax vom 08.02.2008 (TEA III Bd. 6 Register 42 Bl. 021), dass der Entwurf nicht den Kunden zugeleitet werden solle. Es heißt dort:
„Bitte Entwurf faxen;
Entwurf bitte nicht an Kunden senden. Vermittler hat Musterentwurf.“
3.3.11. Im Nachgang zu den Beurkundungen der Kaufangebote von M. K., B. L., W. und L. H., H. B., M. H.-S. und S. W. kam es zu Korrespondenz mit dem Notariat des Beklagten, in der – zum Teil – das Verhalten des jeweiligen Vermittlers beanstandet wurde. Im Einzelnen kam es zu folgenden Vorfällen:
3.3.11.1. Mit Telefax vom 21.10.2004 (TEA II Bd. 2 Register 11 Bl. 021) an das Notariat des Beklagten ersuchte M S. für die MS Immobilien . GmbH unter gleichzeitiger Mitteilung der Käuferdaten um die Vorbereitung eines Kaufangebots des Käufers M. K. bezüglich eine näher bezeichnete Eigentumswohnung in Tegernheim. Am Ende heißt es vor der Grußformel:
„Bitte Entwurf faxen; .“
In der am 05.11.2004 aufgenommenen Urkunde (URNr. …) ist in Bezug auf die Zweiwochenfrist festgehalten (TEA II Bd. 2 Register 11):
„Herr M. K. erklärt hierzu, dass ihm im Auftrag des Verkäufers bereits vor mehr als 14 Tagen ein Vertragsentwurf – ohne persönliche Daten – übergeben wurde auf dessen Grundlage er sich mit dem Gegenstand der heutigen Beurkundung bereits intensiv auseinandersetzen konnte.“
Mit Schreiben vom 18.11.2004 (TEA II Bd. 2 Register 11 Bl. 027) an den Beklagten zeigte Rechtsanwältin G. ihre Bestellung für den Käufer K. an und bat um Mitteilung,
„wann der Notartermin vereinbart worden ist und wann die Kaufangebots- und Kaufvertragsurkunde gefertigt worden sind. Gleichzeitig wird um Mitteilung gebeten, wie oft in der Vergangenheit eine solche Urkunde in Parallelfällen an Ihrem Notariatssitz vereinbart worden ist.“
Beigefügt war zur Kenntnis ein Anschreiben desselben Datums an die als „Finanzgesellschaft“ bezeichnete „Best S.“, in dem diese Unternehmung aufgefordert wird (TEA II Bd. 2 Register 11 Bl. 028),
„bis spätestens heute, 18. November 2004, 12:00 Uhr im Rahmen des schon vor Vertragsabschluss offensichtlich gedeihlichen Zusammenwirkens mit der MS Immobilien … GmbH gegenüber dem Notar zu erklären, dass der Kaufvertrag rückabgewickelt wird und dies binnen der oben gesetzten Frist nach hier notariell beglaubigt zu bestätigen.“
Am 23.11.2004 wurde die Vertragsaufhebung privatschriftlich vereinbart (TEA II Bd. 2 Register 11 Bl. 029).
3.3.11.2. Mit Faxschreiben vom 07.07.2005 (TEA II Bd. 2 Register 12 Bl. 028) an das Notariat des Beklagten ersuchte die L. Immobilien GmbH unter gleichzeitiger Mitteilung der Käuferdaten um die Vorbereitung eines Angebots des in … O. wohnhaften Käufers B. L. zum Erwerb einer näher bezeichneten Eigentumswohnung gleichfalls in O. Am Ende heißt es vor der Grußformel:
„Bitte Entwurf faxen;
Notartermin: Freitag, 08.07.2005 um 16.30 Uhr.“
In der am 08.07.2005 aufgenommenen Angebotsurkunde (URNr. .) ist in Bezug auf die Zweiwochenfrist festgehalten (TEA II Bd. 2 Register 12):
„Herr B. L. erklärt hierzu, dass ihm im Auftrag des Verkäufers bereits vor mehr als 14 Tagen ein Vertragsentwurf – ohne persönliche Daten – übergeben wurde auf dessen Grundlage er sich mit dem Gegenstand der heutigen Beurkundung bereits intensiv auseinandersetzen konnte.“
In der von B. L. unterzeichneten, mit der Ortsangabe „O.“ und der Datumsangabe „den 12.06.2005“ vorgedruckten „Bestätigung über die Übergabe eines Entwurfs“ TEA II Bd. 2 Register 12 Bl. 024) ist als Bestätigungserklärung vorgedruckt, „dass mir heute am 12.06.2005 vom Verkäufer/Vermittler ein Entwurf des Kaufvertrags/Kaufangebots ohne persönliche Daten übergeben wurde.“
Unter dem 13.10.2005 (TEA II Bd. 2 Register 12 Bl. 038 bis 040) richtete B. L. ein Schreiben an die Verkäuferin und in Abdruck zur Kenntnis („cc jeweils per Einschreiben mit Rückschein“) an den Beklagten, die Notarkammer M., die MS Immobilien . GmbH sowie an die G. M.. Darin schilderte er:
„… Mir wurde vorgespiegelt, dass die Unterzeichnung des Angebots beim Notar völlig unverbindlich sei. Dies erschien mir einleuchtend, da es ja gerade kein Kaufvertrag war.
Ich habe vor dem Notartermin nie einen Entwurf des Kaufvertrages bekommen. Wie ich erst jetzt festgestellt habe, steht zwar in dem Angebot etwas anderes, dies ist aber falsch. Hätte ich vor der Unterschrift einen Entwurf bekommen, hätte ich diesen mit meinen Eltern abgestimmt.
Die Wohnung wurde mir als Steuersparmodell angepriesen. Ich bin 24 Jahre alt, von Beruf Aushilfsarbeiter und habe Ende November den letzten Arbeitstag bei meinem jetzigen Arbeitgeber, da ich einer von über 100 Beschäftigten bin, die gekündigt wurden. Trotz Bemühungen, habe ich aber bisher noch keine neue Stelle in Aussicht, d. h. also, dass ich in kürze arbeitslos bin. .
Der Kaufpreis ist zudem völlig überteuert. . Dies entspricht einem qm-Preis von ca. 2.400 Euro. Üblich sind in dieser Gegend aber Preise von ca. 1.500 Euro. Ich fechte daher den Kaufvertrag auch wegen Wucher an.
Zum Notartermin wurde ich von Herrn M. P. gebracht. Herr P. sagte mir, dass es sich bei dem Termin nur um ein unverbindliches Angebot handle. Er bestand darauf dass wir zum Notar in R. gehen. Ich wunderte mich schon, warum wir nicht zu dem Notar vor Ort gehen, sondern extra über eine Stunde zum Notar fahren müssen. Herr P. kannte den Notar offenbar sehr gut. Er sagte mir im Vorfeld auch, dass ich nichts fragen sollte und dass alles sehr schnell gehe müsse, da der Notar nur wenig Zeit hätte und sonst auch mehr Kosten entstehen würde. .
Beim Notar ging dann alles auch sehr schnell. Verstanden habe ich nichts, denn der Notar redete sehr schnell und unverständlich. Ich wurde auch nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um einen Kauf handelt. … Wie auch Herr P. wusste, stand auch keine Finanzierung. Herr P. sagte nur mal, dass der Bauherr auch Finanzierungen mache, und dass sich das ja für mich dann auf Grund des bereits erwähnten Steuersparmodells rechnen würde.
Mir wurde wie gesagt erst jetzt bewusst, dass ich überhaupt eine Wohnung gekauft habe. Das hat mir der Notar alles gar nicht gesagt. Ich weiß auch gar nicht, wie ich den Kaufpreis bezahlen soll. Ich habe kein Geld und von der Bank bekomme ich als Arbeitsloser sicherlich auch keines.
Ich habe die Wohnung bis heute nie gesehen. .
Ich fordere Sie hiermit auf, den Vertrag bis spätestens 20.10.2005 vollständig aufzuheben und alle Kosten und Steuern zu übernehmen. Ich kann und will die ganzen Kosten (Notar, Finanzamt, Landesjustizkasse) nicht bezahlen. Sollten Sie der Vertragsaufhebung nicht zustimmen, werde ich einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung meiner Interessen beauftragen und Strafanzeige wegen Betrug stellen.“
Auf die Stellungnahme des Notars vom 18.10.2005 (TEA II Bd. 2 Register 12 Bl. 041 bis 043) antwortete L. mit Schreiben vom 25.10.2005 (TEA II Bd. 2 Register 12 Bl. 044 bis 047), das er in Kopie auch an die Notarkammer sandte, auszugsweise:
„… Zuerst möchte ich Ihnen erstmal schildern, wie ich in diese ganze Sache „reingeschliddert“ bin.
Bei einem Bekannten von mir wurde ich erstmals von Herrn M. P. angesprochen. . Im Laufe dieses Nachmittags erwähnte er auch, dass er ein ganz tolles Steuersparmodell kennen würde. .
Kurze Zeit darauf sagte er mir, dass ich mir das konkrete Angebot bei einem Notar anhören sollte. Drei Tage später holte er mich dann in O. ab und fuhr mit mir nach R. . Er versicherte mir, dies sei alles ganz unverbindlich. An diesem Tag gab er mir auch eine Bestätigung, die ich unterschreiben sollte. Dabei handelte es sich wohl um die Bestätigung, die Sie in Ihrem o. g. Schreiben unter Punkt 1. ausführen. Die sei nur eine Formalität und hätte keine weitere Bedeutung, so erklärte er mir dies. .
Mittlerweile habe ich mich auch mit ein paar Leuten aus meiner Familie und meinem Freundeskreis unterhalten. .
Zu Ihrem Punkt 1. in Ihrem Schreiben kann ich nur sagen, dass das mit den 14 Tagen wohl in der Urkunde stand, die ich unterschrieben habe, aber wie bereits oben berichtet, mir die Konsequenzen überhaupt nicht bewusst waren. .
… Als ich von Herrn P. bei einem weiteren Gespräch am 12.10.2005 (6 Tage vor Fälligkeit der Grunderwerbsteuer) wieder einmal die Aussage bekam, er würde sich um alles kümmern und ich solle nichts zahlen, wurde ich langsam ungeduldig und geriet in Panik. .
Aus diesem Grunde habe ich am 13.10.05 das Schreiben an die Firma L. Immobilien geschrieben und versandt.“
Am 25.10.2005 wurde die Rückabwicklung des Kaufvertrags vor dem Notar S. in H. beurkundet (TEA II Bd. 2 Register 12 Bl. 019).
Für die Landesnotarkammer Bayern antwortete deren Vizepräsident auf die Eingabe des Herrn L. mit Schreiben vom 02.11.2005 (TEA II Bd. 2 Register 12 Bl. 049 bis 050):
„zu Ihrer Eingabe haben Sie von Notar Dr. H. mittlerweile eine begründete Stellungnahme erhalten, mit der er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückweist. Ich habe die Angelegenheit unter Einbeziehung dieser mir abschriftlich übersandten Stellungnahme in berufsrechtlicher Hinsicht überprüft. Ein Fehlverhalten des Notars habe ich nicht festgestellt.
Sie behaupten, vor dem Notartermin am 8.7.2005 keinen Entwurf des Kaufvertrags bekommen zu haben; der Notarvertrag enthalte insoweit unrichtige Angaben. .
Ich meine, dass sich die von Ihnen erhobenen Vorwürfe in erster Linie gegen den Vermittler der Wohnung richten. Der Notar kann nicht wissen, ob andere Personen vor dem Kauf und in Abwesenheit des Notars in Ihnen möglicherweise falsche Vorstellungen über das Kaufobjekt und die Bedeutung der Beurkundung geweckt haben. Es hätte Ihnen jederzeit freigestanden, Bedenken dem Notar offen zu legen und seinen rechtlichen Rat einzuholen. ….“
3.3.11.3. Mit „Kurzmitteilung“ vom 24.01.2006 teilte die Vermittlerin S. … Service GmbH dem Notariat per Fax die persönlichen Daten der „Kunden H. für Notartermin am Mittwoch, den 25.01.2006 um 10 Uhr“ mit und erbat „eine Abschrift zu unseren Händen“. Am 25.01.2006 beurkundete der amtlich bestellte Vertreter des Beklagten das an die L. Immobilien GmbH gerichtete Kaufangebot der Eheleute H. (URNr. …). In Bezug auf die Zweiwochenfrist ist festgehalten (TEA VII Register 3):
„Herr W. und Frau L. H. erklären hierzu, dass sie die genannten Unterlagen bereits vor mehr als 14 Tagen über den Verkäufer bzw. Vermittler erhalten haben.“
In der von den Eheleuten unter dem Datum „24.01.2006“ ohne Ortsangabe unterzeichneten Bestätigung über die Entwurfsübergabe ist als Übergabedatum der „08.01.06“ handschriftlich eingetragen (TEA VII Register 3 Bl. 027).
Mit Schreiben vom 10.05.2006 zeigte Rechtsanwalt D. S. in Reaktion auf die Zahlungserinnerung des Beklagten vom 08.05.2006 die anwaltliche Vertretung der Eheleute H. an und teilte unter Übersendung einer Abschrift des an die Verkäuferin gerichteten Schreibens vom 26.04.2006 mit, dass
„aufgrund der Umstände, die zur Unterzeichnung dieses notariellen Angebots führten, . die Willenserklärung unserer Mandantschaft zwischenzeitlich sowohl aufgrund arglistiger Täuschung, als auch aufgrund Irrtums angefochten.“
wurde (TEA VII Register 3 Bl. 035). Im Anfechtungsschreiben (TEA VII Register 3 Bl. 036 bis 038) wurde zu den Umständen der Angebotsabgabe Folgendes geschildert:
„Bereits im Dezember 2005 kam unsere Mandantschaft zufällig mit Herrn A. K. . ins Gespräch. Herr K. bot unserer Mandantschaft die Finanzierung einer Wohnung in R. an. Unsere Mandanten lehnten jedoch ab.
Daraufhin unterbreitete Herr K. unseren Mandanten in deren Wohnung im Januar 2006 ein neues Angebot bzgl. des oben genannten Objekts in S.
Es wurde eine Finanzierung besprochen, .
Nach nur drei Tagen bestellte Herr K. unsere Mandanten telefonisch für den 25.01.2006 in die Amtsräume des Notars Dr. H. in R., ausdrücklich um sich zu „Vorgesprächen“ zu treffen. .
In den Notarsräumen wurden die Eheleute H. zunächst nur von Herrn K. allein empfangen. Wenig später, nach Eintreffen des Notars, bekamen unsere Mandanten erstmals die bereits vorbereiteten Unterlagen, insbesondere das gegenständliche Kaufangebot zu Gesicht.
Der Notar fragte unsere Mandanten, ob ihnen diese Unterlagen bereits seit zwei Wochen bekannt seien, andernfalls würde er den anberaumten Termin verlegen. Daraufhin sprach Herr K. unsere Mandanten in russischer Sprache an, sie sollen diese Frage pro Forma gegenüber dem Notar bejahen, andernfalls würden diese heutigen Vorgespräche ins Wasser fallen und sie seien umsonst gekommen. Unsere Mandanten vertrauten Herrn K. weiterhin, bejahten die Frage des Notars wahrheitswidrig, weiterhin in dem festen Glauben, lediglich zu Vorgesprächen geladen zu sein. .
Um die Finanzierung zu einem Abschluss zu bringen, wurden unsere Mandanten von Herrn K. zur B.-Bank . bestellt. Im Beisein eines Herrn S. wurde ein Geldbetrag von 5.000,00 € ausgehändigt, um hiermit die bestehende Darlehensverbindlichkeit gegenüber der B.Bank tilgen zu können. .“
Gemäß Schreiben vom 11.05.2006 räumte der Beklagte dem Ehepaar H. einen letzten Zahlungsaufschub bis 15.06.2006 ein, um die Angelegenheit zu klären. Dabei wies er darauf hin, dass sich aus dem verlesenen Text der Urkunde die Verbindlichkeit des unwiderruflichen Erwerbsangebots ergebe.
Mit Schreiben vom 12.09.2007 informierte Rechtsanwalt S. über die Eckpunkte der außergerichtlich gefundenen Einigung mit der Bitte um Übersendung eines entsprechenden Vertragsentwurfs (TEA VII Register 03 Bl. 042 bis 043). Am 08.11.2007 beurkundete der Beklagte die Aufhebung des durch Annahme vom 27.02.2006 zustande gekommenen Kaufvertrags (URNr. TEA VII Register 3 Bl. 021 bis 026).
3.3.11.4. Am 24.01.2008 beurkundete der Beklagte das an P. B. gerichtete Kaufangebot der H. B. (URNr. .). In Bezug auf die Zweiwochenfrist ist festgehalten (TEA VII Register 1):
„Frau H. B. erklärt hierzu, dass ihr ein Vorentwurf eines Kaufangebots über eine gebrauchte Sondereigentumseinheit ohne persönliche Daten bereits vor mehr als 14 Tagen über den Verkäufer bzw. Vermittler übergeben wurde.“
In der unter dem Datum „24.01.08“ ohne Ortsangabe unterzeichneten Bestätigung über die Entwurfsübergabe ist als Übergabedatum der „7.1.08“ handschriftlich eingetragen (TEA VII Register 1 Bl. 018).
Über das am 29.01.2008 mit Frau B. offenbar vom Beklagten geführte Telefonat wurde folgender Aktenvermerk gefertigt (TEA VII Register 1 Bl. 026):
„… Frau B. sagte mir, dass sie ursprünglich nur einen Kredit wollte zur Aufstockung ihrer Bibliothek, den aber nicht bekommen hat und dass ihr Herr R. in diesem Zusammenhang ein Angebot auf Erwerb einer Wohnung gemacht hat, was sie zunächst nicht ganz verstanden habe. Ich habe ihr mitgeteilt, dass ich den wirtschaftlichen Zusammenhang auch nicht verstehe, ihr vorgeschlagen, dies z. B. von ihrer Hausbank oder einem Anwalt überprüfen zu lassen und ihr außerdem gesagt, dass eine Vorgehensweise, wonach der Bank ein zu hoher Kaufpreis vorgegaukelt wird, um einen überhöhten Kredit zu bekommen, strafbar ist. . Ich habe sie nochmals eindringlich darauf hingewiesen, sich genau zu erkundigen, wie die ganze Angelegenheit laufen soll, da mir alles etwas spanisch vorkäme. .“
Mit Schreiben vom 06.03.2008 teilte die Käuferin B. dem Beklagten zur Kenntnisnahme mit (TEA VII Register 1 Bl. 027):
„. Eine Immobilie habe ich ja auch nie gewollt, nur den Restkredit, den ich brauche, um meine Sachen zu Hause fertigzumachen, wobei das Geld, das ich benötigte, über den Rahmen, den Banken anbieten, hinausgeht, da ich Forscherin bin und eine große Bibliothek habe. Immobilie also nur als „Mittel zum Zweck“, ich habe es selbst immer anders gewollt.“
Im datumsgleichen Schreiben an den Verkäufer P. B. – dem Beklagten in Kopie übersandt – schrieb Frau B. (TEA VII Register 1 Bl. 028 und 030):
„. Es ist merkwürdig, man selbst hat nur eine kleine Restsumme zur Renovierung gewollt, und herausgekommen ist ein kompliziertes „Stück“ und keine Hilfe. .
Und mein Eindruck, daß es auch an Ehrlichkeit mangelt.
Und das ganze paßt nicht zur Ihrem sonntäglichen Kirchgang, Herr Was habe ich gewollt? Nach meinen Laufereien zu Banken, die alle die gleichen Limits haben, habe ich nur einen Rest-Privatkredit haben wollen mit einem humanen Zinssatz von 6%, … Eine Immobilie habe ich nie gewollt; ich brauche nur diese Restsumme zu meiner endgültigen Sanierung.“
Mit Schreiben vom 19.03.2008 informierte die Käuferin B. den Beklagten darüber, dass der Vermittler R. eine interne Kostentragung durch die Verkäuferseite versprochen habe (TEA VII Register 1 Bl. 031 bis 032). Schließlich sandte Frau B. dem Beklagten eine Kopie ihres Schreibens vom 29.05.2008 an den Vermittler R., in dem es heißt (TEA VII Register 1 Bl. 034):
„Mit Erstaunen nahm ich wahr ., nun noch einmal vom Notar eine Rechnungsmahnung zugeschickt zu bekommen .
Ich glaube im Übrigen auch nicht, daß der Notar nicht weiß, daß die Menschen, die da zu ihm kommen, gar keine Immobilie wollen, sondern nur einen Kredit. Denn immerhin arbeiten Sie ja eng zusammen. Und von dem, was in dem Notarsvertrag stand, wurde ich ja vorher weder informiert noch wurde mir irgendetwas gezeigt. Kunden werden also überrumpelt, und man greift nach jedem Hoffnungsstrohhalm, weil man in finanzieller Not ist …“
3.3.11.5. Mit Schreiben vom 23.01.2008 wandte sich die M. S. Immobilien GmbH an das Notariat des Beklagten mit der Bitte um Erstellung eines Kaufangebots über eine vermietete Eigentumswohnung in S. bei N.; gleichzeitig wurden die Personaldaten der Käuferin M. H. mitgeteilt (TEA III Bd. 2 Register 17 Bl. 021) .
Am 07.02.2008 beurkundete der Beklagte das Kaufangebot der M. H. (URNr. .). In Bezug auf die Zweiwochenfrist ist festgehalten (TEA III Bd. 2 Register 17):
„Frau M. H. erklärt hierzu, dass ihr die genannten Unterlagen bereits vor mehr als 14 Tagen über den Verkäufer bzw. Vermittler übergeben wurden.“
In der unter dem Datum „07.02.08“ unter der Ortsangabe „R.“ unterzeichneten Bestätigung über die Entwurfsübergabe ist als Übergabedatum der „24.01.08“ handschriftlich eingetragen (TEA III Bd. 2 Register 17 Bl. 018).
Der durch Annahme vom 18.02.2008 (URNr. .) zustande gekommene Kaufvertrag – ohne Renovierungsverpflichtung – wurde durch privatschriftliche Vereinbarung vom 23.05.2008 aufgehoben (TEA III Bd. 2 Register 17 Bl. 033). Zu unterschriftsbeglaubigter Urkunde vom 21.05.2008 (TEA III Bd. 2 Register 17 Bl. 032 bis 033) bewilligte die Käuferin unter Kostenübernahme die Löschung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch.
Im Zuge der ratenweisen Zahlung der Notarkosten teilte die Käuferin per Mail vom 31.07.2008 dem Beklagten mit (TEA III Bd. 2 Register 17 Bl. 034 bis 035):
„Zu Ihrer Info:
Als ich am 7.2.2008 mit Frau H. in Ihrer Kanzlei den Vertrag unterzeichnet habe, bin ich davon ausgegangen, dass die mir von Frau H. überlassenen Dokumente zur Immobilienfinanzierung korrekt sind. . Leider war dies nicht der Fall. Dann hat sich auch noch ergeben, dass das mir vorliegende Expose der Wohnung in N. … überhaupt nicht mit dem derzeitigen Zustand der Wohnung übereinstimmt. Auf Anfrage wurde mir dies auch von Frau H. in Ihrer Kanzlei bestätigt und damit gerechtfertigt, dass die Wohnung beim nächsten Mieterwechsel erst in den im Expose stehenden Zustand versetzt wird (bei längerer Mietzeit vielleicht in ein paar Jahren). ….“
Das Notariat des Beklagten hat die Mail an die Vermittlerin B. H. am 31.07.2008 und nochmals am 11.08.2008 mit der Bitte um Stellungnahme weitergeleitet.
3.3.11.6. Am 1., 3. und 10.04.2008 wurden im Notariat des Beklagten Vermerke über den Inhalt von Telefonanrufen des Käufers S. W., dessen Angebot der Beklagte am 17.01.2008 beurkundet hatte (URNr. TEA III Bd. 7 Register 51), gefertigt. Danach teilte der Käufer Folgendes mit:
„Er möchte vom Kaufvertrag zurücktreten. Er sagt, dass gestern Herr E., die „zwei S.-Brüder“ und Herr M. bei ihm aufgetaucht sind und ihn unter Druck gesetzt haben, den Darlehensvertrag zu unterschreiben. Er musste dann die Polizei rufen, damit die vier aus seinem Treppenhaus entfernt werden“ (TEA III Bd. 7 Register 51 Bl. 027).
„Laut Anwalt hätte er gute Chancen, wenn er in dieser Angelegenheit etwas unternehmen möchte. Man könnte eine Sammelklage einreichen, da Herr W. noch 5-6 Betroffene im Bezug auf Herrn E. kennt . Da der Anwalt . einen Kostenvorschuss möchte, hat Herr W. der Bitte von Herrn S. sen. zugestimmt, sich am Wochenende zu treffen, damit die Angelegenheit in Ruhe geklärt werden kann“ (TEA III Bd. 7 Register 51 Bl. 028).
„…, dass jetzt wieder alles geklärt ist und die Grundschuld … bestellt werden soll“ (TEA III Bd. 7 Register 51 Bl. 032).
3.3.12. In folgenden Fällen kam es in Bezug auf die Kaufpreise zu Korrespondenz mit dem Notariat des Beklagten:
3.3.12.1. Im Nachgang zu dem vom Beklagten am 29.10.2003 beurkundeten Kaufvertrag zwischen R. J. und der E. Immobilien … GmbH & Co. KG (URNr. TEA II Bd. 2 Register 10) wurde im Notariat des Beklagten ein Telefonvermerk über den Anruf eines Rechtsanwalts Loser gefertigt, nach dessen Angaben die zum Kaufpreis von 119.700 € veräußerte Wohnung nur einen Schätzwert von 40.000 € habe und erst im August desselben Jahres für 26.000 € erworben worden sei; außerdem fragte der Rechtsanwalt nach, ob im Notariat des Beklagten Unterlagen vorhanden seien, die diesen Vorwurf („irgendetwas zwischen Betrug und Wucher“) belegen würden (TEA II Bd. 2 Register 10 Bl. 021).
In dem im Notariat des Beklagten als Fax am 17.10.2003 vom Absender „S. Z.“ eingegangenen Ankaufvertrag vom 14.08.2003, beurkundet von einem Notar in N., war jedoch der Kaufpreis geweißt und dadurch unkenntlich gemacht (TEA II Bd. 2 Register 10 Bl. 019 bis 020). Im Zeitpunkt des Verkaufs an Herrn J. waren nach dem in der Urkunde wiedergegebenen Grundbuchstand zwar keine Grundschulden mehr am Vertragsgegenstand eingetragen. Gemäß Bewilligung vom 04.08.1998 war der Grundbesitz jedoch zuvor zugunsten einer deutschen Hypothekenbank mit einer Grundschuld in Höhe von 198.000 DM belastet gewesen. Die Gläubigerin hatte aus dieser Grundschuld die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung betrieben, weshalb im Grundbuch am 24.04.2002 ein Zwangsversteigerungsvermerk und am 31.07.2003 ein Zwangsverwaltungsvermerk eingetragen worden waren. Laut Beschreibung des Kaufgegenstandes im Ankaufvertrag vom 14.08.2003 hatte die betreibende Gläubigerin eine unverzügliche und auflagenfreie Antragsrücknahme nach Vertragsbeurkundung zugesagt.
3.3.12.2. Im Nachgang zu den am 03.08.2004 vom Beklagten beurkundeten sechs Kaufangeboten des D. H. über den Erwerb jeweils einer Eigentumswohnung nebst Stellplatz in einer Anlage in O. (URNrn. … bis TEA I Bd. 3 Register 12), gerichtet an die MS Immobilien . GmbH, teilte der Käufer dem Notar mit Schreiben vom 01.03.2005 mit, dass
„Nebenabreden zwischen Verkäufer und Käufer vereinbart wurden (Provisionszahlungen)” (TEA I Bd. 3 Register 12 Bl. 142).
Der Beklagte antwortete hierauf am 23.03.2005, dass Kostenschuldner der vom Verkäufer nicht angenommenen Angebote allein der Käufer sei, und weiter (TEA I Bd. 3 Register 12 Bl. 143):
„Wenn im Vorfeld der Abgabe dieser Angebote Absprachen zwischen Ihnen und dem Verkäufer getroffen wurden, so handelt es sich hierbei um Regelungen, die rein intern Anwendung finden.“
3.3.12.3. Als Anlage seines als „Widerspruch“ bezeichneten Schreibens vom 26.04.2007 (TEA III Bd. 1 Register 3 Bl. 023) übersandte der Käufer A. B.
(Kaufangebot vom 15.03.2007, URNr. .) dem Beklagten ein Schreiben der Verkäuferin E. Immobilien . GmbH & Co KG vom 15.03.2007, mit dem diese dem Käufer bestätigte, die gesamten Kauf-Nebenkosten zu übernehmen, sobald eine Finanzierung vorliege (TEA III Bd. 1 Register 3 Bl. 024).
3.3.12.4. Bei Abgabe der Kaufangebote des A. W. vom 16.03.2007, URNr. … (TEA III Bd. 7 Register 50) und M. H. vom 19.05.2008, URNr. … (TEA III Bd. 2 Register 14), war die Finanzierungsfrage nicht geklärt. Der Beklagte beurkundete jeweils folgenden Passus:
„Der die Annahme beurkundende Notar wird angewiesen, die Annahme nur zu beurkunden, wenn durch Bankbestätigung nachgewiesen ist, dass die Bezahlung bzw. Finanzierung des Kaufpreises gesichert ist (Grundschuldbestellungsauftrag gilt als Nachweis; dem Grundbuchamt sind die Umstände nicht nachzuweisen).“
Im Kaufangebot des A. W. ist zudem festgehalten (Seite 11 der Urkunde), dass der Käufer den Vertragsgegenstand nicht besichtigt hat.
3.3.12.5. Mit Schreiben vom 02.08.2005 ersuchte M. S. unter Mitteilung der Käuferdaten um die Erstellung eines Angebots der Erwerber S. R. und K. S. in Bezug auf eine Eigentumswohnung in K. nebst Miteigentumsanteil an einem Privatweg zum Kaufpreis von 200.000 € (TEA II Bd. 2 Register 13 Bl. 021). In der Nebenakte zu der am 13.08.2005 vorgenommenen Beurkundung (URNr. .; TEA II Bd. 2 Register 13) befindet sich eine undatierte handschriftliche Notiz folgenden Inhalts (TEA II Bd. 2 Register 13 Bl. 021):
„ 13.30 Kaufangebot
K. W 3
R./S.
KP 224.900,- € geändert! (ein augenscheinlich von anderer Hand verfasster Vermerk)
Hr. D.
Fr. O. faxen
1 Seite.“
Dies deckt sich mit dem beurkundeten Betrag (Ziff. V. der Urkunde), der laut vertraglicher Regelung wie folgt zu zahlen war:
„Fordern Gläubiger, dass Kaufpreisbeträge zur Erfüllung ihrer Auflagen direkt an sie zu zahlen sind, ist dies in der Fälligkeitsmitteilung anzugeben; ob die Forderungen berechtigt sind, haben weder der Notar noch der Käufer zu überprüfen. Der Käufer hat – in Anrechnung auf den Kaufpreis – diese Beträge unmittelbar an die Gläubiger zu bezahlen. Der Verkäufer hat insoweit keinen Anspruch auf Zahlung an sich selbst.
Im Übrigen ist der Kaufpreis auf folgendes Konto des Verkäufers zu überweisen:
Bank, Konto-Nr., BLZ“.
3.4. Dies steht fest aufgrund der erhobenen Beweise durch Verwertung und Würdigung der notariellen Urkunden sowie sonstigen Schriftstücke (Schreiben, pri vatschriftliche Verträge, Ausdrucke von EMails, Telefonvermerke) und aufgrund der eigenen Einlassung des Beklagten.
3.4.1. Dass der Beklagte lediglich sogenannnte Mustervertragstexte nebst Bezugsurkunden den Verkäufern zur Weitergabe an die Verbraucher zur Verfügung gestellt und nicht selbst den Versand des jeweils beabsichtigten Texts des Rechtsgeschäfts an den Verbraucher übernommen hat, steht fest aufgrund seiner eigenen Einlassung.
Die Überzeugung davon, dass die Käufer im Beurkundungstermin auf Vorlesen der entsprechenden Urkundspassage und Nachfrage des Notars die fristgerechte Entwurfsüberlassung bestätigt haben, beruht auf dem Urkundeninhalt über die Bekundungen der Käufer in Bezug auf die Zwei-Wochenfrist und der eigenen Einlassung des Beklagten. Dieser hat angegeben, er habe den vorbereiteten Text – wie üblich – vorgelesen und nachgefragt, ob dies zutreffe. Seine Frage hätten die Käufer in den klagegegenständlichen 51 Fällen bejaht.
Einer Einvernahme der Käufer oder der bei Beurkundung anwesenden Vermittler als Zeugen bedarf es auch in diesem Zusammenhang zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts nicht. Die Darstellung im Urkundentext steht mit der Einlassung des Beklagten im Einklang. Aus der Wiedergabe einer die Fristeinhaltung bestätigenden Käufererklärung im Eingang des Urkundentextes ergibt sich nämlich, dass der Beklagte die entsprechende Urkundspassage nicht nur vorgelesen, sondern hierzu eine bejahende Erklärung der Käufer eingeholt hat („[Käufername] erklärt hierzu, dass er die genannten Unterlagen bereits vor mehr als 14 Tagen über den Verkäufer bzw. Vermittler erhalten hat“ oder [Käufername] erklärt hierzu, dass ihm ein Vorentwurf ohne persönliche Daten bereits vor mehr als 14 Tagen über den Verkäufer bzw. Vermittler übergeben wurden“). Die Disziplinarklage erhebt selbst nicht den Vorwurf der Falschbeurkundung oder der unzutreffenden Wiedergabe. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Käufer entgegen dieser Schilderung im Urkundentext keine Erklärung abgegeben hätten, der Notar also die Passage nur vorgelesen hätte, ohne sich durch Nachfrage die Richtigkeit bestätigen zu lassen. Ebensowenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die bestätigende Bekundung unzutreffend, somit in Kenntnis einer widersprechenden oder einschränkenden Einlassung der Käufer, in der Urkunde dargestellt hätte. Für eine diesbezügliche amtswegige Untersuchung besteht deshalb keine Veranlassung. Dabei kommt es auf die – für das Disziplinarverfahren nicht maßgebliche – Beweisregel des § 415 ZPO nicht an.
3.4.2. Indizien für ein überlegenes positives Wissen des Beklagten dahingehend, dass die Bestätigung der Käufer über die Einhaltung der Zweiwochenfrist objektiv (hier unterstellt) nicht den Tatsachen entsprach, liegen nicht vor. Das Ermittlungsverfahren hat keine Erkenntnisse dahingehend erbracht, dass der Beklagte in die Machenschaften der Vermittler und Verkäufer eingeweiht oder zumindest über die Fristunterschreitung informiert gewesen wäre. Nach den in den strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die „S.-Gruppe“ gewonnenen und von der Klage nicht in Zweifel gezogenen Erkenntnissen hatten die Vermittler den Kaufinteressenten vielmehr eingeschärft, die Frage des Notars nach der Fristeinhaltung zu bejahen.
3.4.3. Dem Beklagten war nach eigener Einlassung bekannt, dass es sich bei der in den Beurkundungsterminen regelmäßig mitanwesenden, aber nicht für die Verkäuferseite handelnden Person jeweils um – wechselnde – Vertriebsmitarbeiter handelte (Schriftsatz vom 10.11.2015, Seiten 3 bis 5 der Anlage II). In seiner Stellungnahme vom 28.10.2011, Seite 2, erklärte er, dass (auch) für die „S.-Gruppe“ eine „Vielzahl verschiedener Vermittler/Vertriebsorganisationen“ aufgetreten sei. Dies habe Ende März 2005 zur Entwicklung und ab da zum Einsatz des Bestätigungsformulars (Anlage „Muster 1“ zum Schriftsatz) geführt. Für eine weiterreichende Kenntnis des Beklagten über die Vertriebsstrukturen haben die Ermittlungen nichts ergeben.
3.4.4. Kenntnis davon, dass die Immobilien in den überwiegenden Fällen als Anlageobjekte erworben wurden, hat der Beklagte selbst eingeräumt (Schriftsatz vom 10.11.2015, Seiten 5 bis 6 der Anlage II).
3.4.5. Die Aufspaltung in Angebot und Annahme ist belegt durch die – in Kopie zu den Akten genommenen – Urkunden über die Angebots- und Annahmeerklärungen (dazu unter Ziff. 4).
3.4.6. Die beschriebene Praxis der Terminsvergabe deckt sich mit der Darstellung des Beklagten. Er hat angegeben, für die „S.-Gruppe“ habe es diesbezüglich keine Sonderregelungen gegeben. Da sich das Notariat noch in der Aufbauphase befunden habe, seien freie Termine für alle Rechtsuchenden kurzfristig möglich gewesen. Eine zügige und zuvorkommende Bearbeitung der Anliegen sei neben der inhaltlichen Qualität der Bearbeitung die einzige Möglichkeit gewesen, sich von den vorhandenen, bereits etablierten Notaren abzusetzen (Schriftsatz vom 10.11.2015, Seiten 68 bis 69). Gemäß der vom Beklagten mit Stellungnahme vom 28.10.2011 vorgelegten neunseitigen Excel-Liste (Teilakte A2 des diszplinarrechtlichen Verfahrens) wurden die Termine teils am Beurkundungstag, häufig einen Tag bis sechs
3.4.2. Tage vor Beurkundung, hin und wieder auch sieben Tage und mehr vor dem Termin reserviert.
Die Wohnsitze der Käufer ergeben sich aus den Urkunden.
3.4.7. Die Wochenendbeurkundungen stehen fest aufgrund der vom Beklagten bestätigten (vgl. Schriftsatz vom 10.11.2015, Seiten 16 bis 18 der Anlage II) Auswertung im Ermittlungsbericht vom 01.06.2015 (tabellarische Zusammenstellung auf den Seiten 135, 136 und 159).
3.4.8. Art, Inhalt und Umfang der handschriftlichen Eintragungen in den Bestätigungsformblättern ergeben sich aus den in Kopie zu den Akten genommenen Urkunden. Entsprechendes gilt für die Inhalte der oben erwähnten sonstigen Schreiben und Vermerke.
3.4.9. Die Vertragsaufhebungen und das Ausbleiben von Annahmeerklärungen stehen fest aufgrund der vom Beklagten insoweit nicht beanstandeten (vgl. Schriftsatz vom 10.11.2015, Seiten 27 bis 29 der Anlage II) Auswertung des Ermittlungsberichts vom 01.06.2015 (siehe tabellarische Zusammenstellung auf den Seiten 144 und 145).
3.5. Eine Verurteilung wegen bedingt vorsätzlich begangener Verletzung der sich aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. ergebenden Dienstpflicht scheidet aus, weil die äußeren Umstände den Schluss nicht zulassen, der Beklagte habe -was er selbst bestreitet – eine objektive Fristunterschreitung, so sie denn vorgelegen hat, für möglich und nicht ganz fernliegend gehalten sowie billigend in Kauf genommen oder jedenfalls um eines erstrebten Zieles willen sich hiermit abgefunden.
3.5.1. Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Die Annahme bedingten Vorsatzes setzt mithin voraus, dass der Handelnde mit der nicht ganz fernliegenden Möglichkeit gerechnet hat, dass die zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Umstände vorliegen, und dies billigend in Kauf genommen oder sich jedenfalls um des erstrebten Ziels willen hiermit abgefunden hat (BGH vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404 Rn. 10; vom 13.08.2013 – 2 StR 180/13, NStZ 2014, 84; vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 12; vom 20.09.2017 – 1 StR 64/17, juris Rn. 20 bis 22; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 95 Rn. 35).
3.5.2. Solche inneren Tatsachen – wie hier die Vorstellungen des Beklagten in Bezug auf eine Fristunterschreitung (Wissenselement) und deren Billigung (Wollenselement) – sind bei Leugnung beweisrechtlich durch Rückschlüsse aus dem äußeren Geschehen festzustellen (BGH vom 05.09.2017 – 5 StR 222/17, NJW 2018, 246 Rn. 17). Daneben kann auch die Interessenlage des Beklagten ein Anhaltspunkt für innere Tatsachen sein (vgl. BGH vom 26.06.2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35 Rn. 12; vom 12.07.2005 – 1 StR 65/05, juris Rn. 14).
Die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände (vgl. BGH vom 04.03.2010 – 4 StR 62/10, juris Rn. 5) trägt nicht den Rückschluss, der Beklagte habe die Fristunterschreitung als nicht ganz fernliegende Möglichkeit erkannt und den Gesetzesverstoß gebilligt oder sich zumindest hiermit abgefunden, indem er die Beurkundungen dennoch vorgenommen hat. Das Vorliegen bedingten Vorsatzes in Bezug auf eine Verletzung der gesetzlichen Hinwirkungspflicht (§ 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F.) kann deshalb nicht festgestellt werden.
3.5.2.1. Der Beklagte hat sich gemäß den in die Urkunden aufgenommenen Erklärungen der Verbraucher im Beurkundungstermin durch Nachfrage von der Einhaltung der gesetzlichen Regelfrist überzeugt. Hierfür stand dem Notar als -üblicherweise verlässliche – Auskunftsquelle der im Beurkundungstermin anwesende Verbraucher selbst zur Verfügung.
Auf die tatsächlichen Angaben der Käufer darf sich der Notar regelmäßig – trotz der abstrakt immer gegebenen Möglichkeit einer Falschangabe – ohne eigene Nachprüfung verlassen (BGH vom 19.10.1995 – IX ZR 104/94, NJW 1996, 520, 521). Dass der Beklagte auf die Richtigkeit der mündlichen Käuferbestätigung vertraut hat, rechtfertigt trotz des Umstands, dass die Vertriebspraxis (nicht nur, aber auch) in der Immobilienbranche auf den Abschlusserfolg ausgerichtet ist, nicht den Vorwurf einer Naivität, die „sich mit seiner Ausbildung und seiner Stellung als Träger eines öffentlichen Amtes nicht in Übereinstimmung bringen lässt“ (Bl. 169 d.A.). Obgleich die Praktiken einiger „schwarzer Schafe“ aus der Vertriebsbranche den Anlass für die Erweiterung der notariellen Amtspflichten im Rahmen des § 17 Abs. 2a BeurkG a. F. gegeben haben, kann doch nicht die gesamte Branche als unseriös gelten. Erst recht unberechtigt ist die generelle Annahme, die Antwort der durch den Vertrieb angeworbenen Verbraucher auf die Frage des Notars zu einem einfach gelagerten Sachverhalt sei mangels Seriosität nicht verlässlich. Eine auf Nachfrage gegebene Bestätigung der Käufer musste der Beklagte daher weder hinterfragen noch sich durch die Schilderung der genauen Umstände näher beschreiben lassen.
3.5.2.2. Kenntnis von Überverbriefungen im Zusammenhang mit Immobilienerwerben von der „S.-Gruppe“ hatte der Beklagte nicht. Deshalb ist der Schluss, ihm seien die Unseriosität der „S.-Gruppe“ und die Unzuverlässigkeit der ihm gegenüber gemachten Angaben bekannt geworden, nicht zulässig. Auch Anhaltspunkte dafür, dass er sich auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Erklärungen der Verbraucher nicht verlassen dürfe, ergaben sich für den Beklagten unter diesem Gesichtspunkt nicht.
Zwar ist nach der Klage und den als Urkunden verwertbaren Protokollen über die im Ermittlungsverfahren durchgeführten Zeugenvernehmungen davon auszugehen, dass in mehreren Fällen des Immobilienerwerbs von der „S.-Gruppe“ dem Notar eine unzutreffende Höhe des Kaufpreises zur Beurkundung mitgeteilt worden ist in dem Bestreben, aus dem Betrag des Finanzierungsdarlehens nicht nur die Kaufpreisschuld zu decken, sondern daneben dem Käufer im Wege der Rückvergütung Beträge – etwa zur Ablösung eines höherverzinsten Kredits – zur Verfügung zu stellen. So wurde (unter anderem) nach der Aussage des J. H. im Zuge des Wohnungskaufs eine Restrate von 7.000 €, resultierend aus einem Autokredit, abgelöst. W. L. wurde nach dessen Angaben die Ablösung von Altschulden versprochen. H. A. hat eine versprochene Rückvergütung von 25.000 € angegeben und die Eheleute B. haben eine solche von 15.000 € offengelegt. S. R. und K. S. haben laut Vernehmungsprotokoll angegeben, dass im Zuge des Immobilienkaufs bereits bestehende Schulden im Betrag von „um die 20.000 €“ (TEA II Bd. 2 Register 13 Bl. 052) abgelöst worden seien. Der von der Klage in Bezug genommene Ermittlungsbericht vom 01.06.2015 listet insgesamt 33 Fälle von Kick-BackZahlungen auf.
Dem Beklagten gegenüber wurde dies jedoch nicht, auch nicht nachträglich, kommuniziert.
Einen Hinweis auf Überverbriefung enthielt insbesondere nicht die (offenbar mündlich gegebene) Mitteilung über eine Kaufpreis„änderung“ von 200.000 € auf 224.900 € im Fall R./S. Eine solche Mitteilung kann vielmehr völlig unverfängliche Gründe haben, etwa weil bei der Erstmitteilung ein Versehen unterlaufen ist. Das Stichwort „geändert“ in der Notiz über die Mitteilung der zu verbriefenden Kaufpreishöhe steht dem nicht entgegen. Nichts in dieser Mitteilung wies darauf hin, dass der Kaufpreis – in betrügerischer Weise – wegen Mitfinanzierung eines Umschuldungsbetrags um den Differenzbetrag zu hoch ausgewiesen werden solle. Dass die Vereinbarung über die Art und Weise der Kaufpreizahlung der Standardformulierung für Kaufverträge entspricht, bei denen bestehende Darlehen wegzufertigen und eingetragene Grundschulden zu löschen sind, erbringt weder einen Beleg für noch einen Hinweis auf eine Überverbriefung.
Soweit in der Anlage zum Schreiben des Rechtsanwalts S. vom 10.05.2006 davon die Rede ist, dass – zu einem nicht mitgeteilten Zeitpunkt nach der Verbriefung -die Käufer zusammen mit dem Vermittler die B.-Bank aufgesucht hätten und im Beisein eines Herrn S. ein Betrag von 5.000 € zur Tilgung einer dort bestehenden Darlehensverbindlichkeit übergeben worden sei, um die Finanzierung zu einem Ende zu bringen, sind der Schilderung zwar Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Kaufpreises, nicht aber eine vorangegangene Überverbriefung zu entnehmen. Eine solche Annahme musste sich auch nicht aufdrängen, zumal aus dem Schreiben nicht hervorgeht, dass es sich bei dem Betrag von 5.000,00 € um eine den Käufern verbleibende (Kickback-)Zahlung handele.
Auch das Schreiben des Käufers D. H. vom 01.03.2005 vermittelte dem Beklagten keine Kenntnis von einer unzutreffenden, nämlich um den Betrag von KickbackZahlungen überhöhten Kaufpreisausweisung. Aus der dürren Mitteilung darüber, dass nicht mitbeurkundete Provisionsvereinbarungen zwischen Verkäufer und Käufer bestünden, ergibt sich schon nicht, wer Provisionszahlungen schulden soll und für welche Leistungen sie anfallen sollen. Die Information zielt vielmehr allein auf die Geltendmachung eines Formmangels wegen Nichtbeurkundung von Nebenabreden. Auf den Mangel der Form kann sich aber auch derjenige berufen, der aus der beurkundungspflichtigen Nebenabrede zur Zahlung verpflichtet wäre.
Im Schreiben vom 06.03.2008 schildert zwar Frau B. offen Hintergründe zum Immobilienerwerb, die auf eine stattgefundene Überverbriefung in Höhe des „eigentlich“ erstrebten Verbraucherkredits schließen lassen. Schon in dem am 29.01.2008 geführten Telefonat mit Frau B. wurde offenbar der Verdacht einer Überverbriefung geweckt, weil Frau B. klar auf die Strafbarkeit wegen Betrugs zum Nachteil der Finanzierungsbank bei Vorgaukeln eines höheren Kaufpreises hingewiesen wurde. Der Verkäufer P. B. zählt jedoch nicht zur „S.-Gruppe“, weshalb Rückschlüsse weder auf Überverbriefungen bei der „S.-Gruppe“ noch allgemein auf mangelnde Seriosität der „S.-Gruppe“ möglich sind, obwohl der Vermittler R. auch für die „S.Gruppe“ tätig gewesen ist.
Auch in die Abwicklung der Rückvergütungen war der Beklagte in keiner Weise eingebunden, etwa durch Zurverfügungstellen von Anderkonten (vgl. Heile, 300 Jahre Oberlandesgericht Celle, S. 359).
Die Einlassung des Beklagten, von Überverbriefungen damals nichts gewusst zu haben, ist, auch in einer Zusammenschau aller Schreiben, nachvollziehbar.
3.5.2.3. Die Schreiben einzelner Käufer oder ihrer anwaltlichen Vertreter, mit denen im Nachgang zu Beurkundungen das – angebliche – Verhalten des jeweiligen Vertriebsmitarbeiters beanstandet wurde, vermittelten dem Beklagten gleichfalls keine Kenntnis von einer – nicht nur abstrakt immer möglichen, sondern auch – naheliegenden (vgl. Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 14 Rn. 106) Unzuverlässigkeit der für die „S.-Gruppe“ eingesetzten Vermittler bei der Weitergabe der Musterverträge an die Verbraucher.
Dem Schreiben der Rechtsanwältin G. vom 18.11.2004 ist nichts darüber zu entnehmen, dass dem Käufer K. der Mustervertragstext seitens des Verkäufers oder Vermittlers nicht fristgerecht überlassen worden sei. Die Bitte um Auskunft darüber, wann der Notartermin vereinbart und wann die Kaufangebotssowie Kaufvertragsurkunde gefertigt worden seien, ist wie der tendenziöse Vorwurf einer gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen Vermittler und Verkäufer nicht geeignet, die Möglichkeit einer falschen Beantwortung der Frage nach der Fristeinhaltung durch den Käufer selbst als naheliegend erscheinen zu lassen.
Der Käufer L. hat zwar mit Schreiben vom 13. und 25.10.2005 unlautere Vertriebsmethoden geschildert. Danach soll die Wahrnehmung des Notartermins mittels unzutreffender Aussagen über die Verbindlichkeit des notariellen Angebots herbeigeführt worden sein, ohne dass zuvor ein Vertragsentwurf überlassen worden sei. Bei der Würdigung dieser Schreiben ist allerdings zu berücksichtigen, dass die dortigen Schilderungen dem Beklagten wenig belastbar erscheinen durften. Die Ausführungen sind aufgrund fachkundiger Beratung des sich selbst als naiv beschreibenden Verfassers formuliert, so dass eine interessengesteuerte Färbung der Darstellung nicht ausgeschlossen werden kann. Insbesondere aber erhob der Verfasser der Schreiben neben Vorwürfen gegen den Vermittler und dessen Verhalten auch Beanstandungen gegen die Gestaltung des Beurkundungstermins, die der Notar aus der Sicht seiner eigenen Wahrnehmung abweichend beurteilen durfte (wie in seinem Schreiben vom 18.10.2005 ausgeführt). Schließlich kommt nach dem Inhalt der Schreiben auch eine nachträgliche Kaufreue wegen veränderter Umstände, nämlich eingetretener Arbeitslosigkeit, in Betracht. Zu dem erscheint der nachträglich erhobene Vorwurf des Wuchers befremdlich, durfte doch dem selbst vor Ort wohnhaften Käufer der Einblick in den örtlichen Immobilienmarkt offen gestanden haben. Der aufgestellten Behauptung, dass entgegen der beurkundeten Darstellung die Regelfrist nicht eingehalten worden sei, steht die ebenfalls von Herrn L. unterzeichnete Bestätigung über die Entwurfsübergabe vom 12.06.2005 entgegen. Die Erläuterung im Schreiben vom 25.10.2005, „wohl“ diese Bestätigung deshalb unterschrieben zu haben, weil der Vermittler dies als reine Formalität dargestellt habe, kann die Zweifel an der Belastbarkeit der Darstellung nicht ausräumen. Dazu kommt, dass die Darstellungen keinen Generalverdacht gegen die von der „S.-Gruppe“ eingesetzten Vermittler dahingehend erlauben, diese würden die Regelfrist generell unterlaufen und alle Käufer zu diesbezüglichen Falschangaben beim Notar anhalten. Zudem hat Herr L. in seinen Schreiben vom 13. und 25.10.2005 nicht einmal vom Vermittler P. behauptet, dieser habe ihn dazu bestimmt, gegenüber den Notar im Beurkundungstermin eine unzutreffende Bestätigung zur Fristeinhaltung abzugeben. Aus diesen Schreiben des Herrn L. war für den Beklagten deshalb der Einsatz einer solchen Vertriebsmethode nicht erkennbar. Sie ergab sich auch nicht als Schlussfolgerung aus dessen sonstigen Schilderungen unseriösen Vertriebsverhaltens.
Der Darstellung im Schreiben des Rechtsanwalts S. für die Eheleute H. vom 10.05.2006 konnte der Beklagte gleichfalls nicht als naheliegende wahrscheinliche Möglichkeit entnehmen, dass der Vertrieb die rechtzeitige Überlassung der Vertragsentwürfe versäume. Wenn dort geschildert wird, dass in dem vom langjährig berufserfahrenen Notar a. D., dem Vater des Beklagten, durchgeführten Beurkundungstermin auf die an die Käufer gerichtete Frage nach der Fristeinhaltung der Vermittler in einer dem Notar nicht verständlichen Sprache interveniert habe, so darf der Beklagte dieser Schilderung mit deutlicher Skepsis begegnen.
Die Mail der Käuferin H. vom 31.01.2008 kann unter der Voraussetzung, dass die Darstellung den Tatsachen entsprochen hat, auf mangelnde Seriosität der Vermittlerin H. hinweisen, weil die von der Vermittlerin mündlich behauptete Renovierungsverpflichtung der Verkäuferin nicht verbrieft und somit nicht vereinbart worden ist, für die Beurteilung des Preis-/Leistungsverhältnisses durch den Käufer aber essentiell wäre. Allerdings ist der Beklagte dem Vorwurf nachgegangen, indem er die Vermittlerin zur Stellungnahme aufgefordert hat. Es trifft daher nicht zu, dass er seine Augen vor Anhaltspunkten für unseriöses Verhalten verschlossen hätte. Hinweise darauf, dass die Regelfrist wegen verspäteter Überlassung des Vertragsentwurfs seitens der Vermittlerin nicht eingehalten gewesen sei, ergeben sich unabhängig davon weder aus diesem Vorwurf noch sonst aus den Ausführungen der Käuferin H.
Auch aus den wechselnden Inhalten der mit dem Käufer S. W. geführten Telefonaten vom 01., 03. und 10.04.2008 ergeben sich keine belastbaren Anhaltspunkte für mangelnde Seriosität des Vermittlers, erst recht nicht Anhaltspunkte dafür, dass der Vermittler den Vertragsentwurf nicht rechtzeitig vor dem Notartermin weitergegeben hätte.
Abweichend von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 02.07.2014, 5 StR „.(veröffentlicht u. a. in NStZ 2014, 517), zugrunde gelegen hat, lagen dem Beklagten nicht wiederholt Widerrufs- und Anfechtungsschreiben von Käufern mit teilweise dezidierter Darstellung des Täuschungs- und Überrumpelungsverhaltens der Vermittler, die für die „S.-Gruppe“ tätig waren, vor.
3.5.2.4. Dass der Beklagte Kenntnis von überhöhten Kaufpreisen oder offenbarungspflichtigen Preisanteilen gehabt habe, ist nicht nachweisbar. Weder in die Preisgestaltung der Verkäufer noch in die Höhe der Vertriebsprovisionen hatte er Einblick. Soweit der Beklagte auch das Erwerbsgeschäft der „S.-Gruppe“ beurkundet hatte und deshalb Kenntnis von den Einstandspreisen hatte, durfte er von der Werthaltigkeit der bereits fertiggestellten oder laut Urkunden noch vorzunehmenden baulichen Investitionen im Zuge der Weiterveräußerung – nach Aufteilung in Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten – ausgehen.
Auch bei dem Verkauf an R. J. kann von einer für den Beklagten offensichtlichen Kaufpreisüberhöhung keine Rede sein. Darauf, dass zwischen dem Ankauf im August und dem Verkauf im Oktober desselben Jahres keine werterhöhenden Investitionen in die Immobilie vorgenommen wurden, kommt es nicht an. Schon der Umfang der früheren Belastung des Grundbesitzes legt einen Beleihungswert der Immobilie nahe, der mit den telefonisch geäußerten Behauptungen des Rechtsanwalts zum angeblichen Verkehrswert nicht in Einklang zu bringen ist. Aus der vom Anwalt geäußerten Frage, ob Unterlagen im Notariat des Beklagten die Behauptung des angeblichen Ankaufspreises stützen würden, ergibt sich außerdem, dass dem Anwalt selbst diesbezüglich keine belastbaren Erkenntnisse vorlagen und die Richtigkeit seiner Vermutung somit fraglich ist. Aus dem Inhalt des Ankaufvertrags ergibt sich darüber hinaus, dass der Ankauf unter dem Druck eines laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens stattgefunden hat, was die Höhe des Ankaufspreises beeinflusst haben kann. Für ein betrügerisches oder wucherisches Ketten geschäft (vgl. BGH vom 14.12.2009 – NotSt (B) 2/09, ZNotP 2010, 116) hatte der Beklagte somit trotz der anwaltlichen Wortwahl keine Anhaltspunkte.
Dass in den Erwerbsangeboten des D. H. überhöhte Kaufpreise ausgewiesen worden seien, weil Kickback-Zahlungen an den Käufer zurückfließen sollten, lässt sich – wie bereits ausgeführt – dem Schreiben des Herrn H. vom 01.03.2005 nicht entnehmen. Aus der Mitteilung des Herrn H. kann darüber hinaus nicht auf Kickback-Anteile in den Kaufpreisen der sonstigen Immobilienverkäufe der „S.-Gruppe“ geschlussfolgert werden, denn hier lag mit dem Erwerb von sechs Einheiten ein Sonderfall vor, der mit den übrigen Erwerbsgeschäften nicht vergleichbar ist.
Hinreichende Anhaltspunkte für die angeblich „offensichtliche“ Unverhältnismäßigkeit der Kaufpreise fehlen. In den Strafverfahren gegen Mitglieder der „S.-Gruppe“ wurden Gutachten über die Grundstückswerte eingeholt. Diese wurden ihrerseits im Hauptverfahren einer gutachterlichen Überprüfung dahingehend unterzogen, ob sie zur Beurteilung der Angemessenheit der für das jeweilige Bewertungsobjekt vereinbarten Kaufpreise geeignet seien (vgl. 2 LO Gutachten; sachverständige Stellungnahme vom 29.02.2012 in Bd. 1). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Beklagten als Laien in Bausachen eine derart krasse Kaufpreisüberhöhung vor Augen gestanden habe, dass er den Schluss auf mangelnde Seriosität der Verkäufer und auf Überrumpelung der Käufer hätte ziehen müssen. Von der Werthaltigkeit mitbeurkundeter Renovierungsleistungen sowie Um- und Ausbauten durfte der Beklagte mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ausgehen. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.12.2009 – NotSt (B) 2/09 (ZNotP 2010, 116) zugrunde gelegen hat.
3.5.2.5. Dass die Immobilien der „S.-Gruppe“ in der Regel unter Einschaltung gewerblicher Vermittler als Anlageobjekte erworben wurden und der Urkundsnotar vom Verkäufer bzw. Vertrieb vorgegeben wurde, lässt auch in Zusammenschau damit, dass die Beurkundungstermine in der Regel kurzfristig und ohne vorherigen Kontakt zwischen Notar und Verbraucher vereinbart wurden, keine Rückschlüsse auf unseriöse Vertriebsmethoden zu. Die Umstände unterschieden sich vielmehr gravierend von denjenigen, die den Anlass für die Gesetzesänderung gegeben haben. Während die vom Gesetzgeber maßgeblich in den Fokus genommenen Modelle (vgl. BT-Drucks. 14/9266 Seite 35; hierzu auch Rieger MittBayNot 2002, 325, 326) so konzipiert waren, dass beim Notar unter Nutzung von Vorratsterminen lediglich Erklärungen der künftigen Käufer über die Begründung eines Treuhandverhältnisses mit einer dem Lager der Vertriebsgesellschaft zuzurechnenden Person und entsprechende umfangreiche Vollmachten beurkundet wurden, während die eigentlichen Vertragstexte unter Ausübung der erteilten Vollmacht zustande kamen, war Gegenstand der Beurkundungen des Beklagten das Erwerbsverhältnis zwischen Verbraucher und Unternehmer selbst. Weil dem Unternehmer vorab Textentwürfe und Bezugsurkunden zur rechtzeitigen Unterrichtung des Verbrauchers überlassen worden waren, lässt die kurzfristige Terminsvereinbarung einen Verdacht auf Überrumpelung des Verbrauchers oder auf die Vorspiegelung von Entscheidungsdruck nicht zu. Als sogenannter „Mitternachtsnotar“ war der Beklagte gerade nicht tätig.
Die räumliche Entfernung zwischen dem Wohnsitz der Verbraucher und dem Sitz des Notariats lässt es zwar verständlich erscheinen, wenn Verbraucher ein „Platzen“ des Beurkundungstermins zu vermeiden suchen. Dies rechtfertigt aber nicht den Verdacht, die Bestätigung über die Fristeinhaltung entspreche nicht den Tatsachen, wenn sie – nach Vorlesen des entsprechenden Urkundentexts und Nachfrage des Notars – von Verbrauchern abgegeben wird, deren Wohnsitz in (größerer) Entfernung zum Notariat liegt, und deshalb auch nicht die Überzeugung, diese seien durch den Vertrieb überrumpelt worden. Dies gilt erst recht deshalb, weil den Verbrauchern stets die Erläuterung gegeben wurde, dass die Fristeinhaltung zu ihrem Schutz diene. Darüber hinaus hat der Notar selbst die Erfahrung gemacht, dass einzelne Käufer die Frage nach der Fristeinhaltung verneint oder Einschränkungen vorgenommen haben, etwa dahingehend, dass sie einen Entwurf nur zu einem anderen Objekt erhalten hätten. Die Erklärungen über fehlende, verspätete oder zur Zweckerfüllung untaugliche Entwurfsübersendungen hat der Beklagte jeweils selbst in den Urkunden dokumentiert (siehe die klagegegenständlichen 19 Fälle unter Ziff. I. 4.1.1.).
Dadurch, dass sich in diesen Einzelfällen im Beurkundungstermin eine Fristunterschreitung herausgestellt hat, wurde der Beklagte nicht auf eine generelle Unzuverlässigkeit des Vertriebs bei der Weitergabe der Textentwürfe an die Verbraucher gestoßen, zumal die Verbraucher in der weit überwiegenden Zahl der Beurkundungen die Fristeinhaltung bestätigten. Erst recht war aus dem Umstand der fehlenden Fristeinhaltung in einzelnen Fällen nicht abzuleiten, dass die die Fristeinhaltung bestätigenden Angaben der anderen Verbraucher inhaltlich unzutreffend seien.
Weder wegen der räumlichen Entfernung noch sonst lag deshalb eine auf Überrumpelung angelegte Vertriebsmethode derart nahe, dass dem Notar eine – hier unterstellte – Falschbeantwortung vor Augen getreten wäre.
Die beschriebenen Auslassungen, Streichungen, Ausbesserungen oder inhaltlichen Ungereimtheiten und Widersprüche in den Bestätigungsformblättern vermittelten schon wegen der – nicht widerlegten – Einlassung des Beklagten, die in die Nebenakte eingelegten Bestätigungsformblätter in der Regel nicht zur Kenntnis genommen und gegengeprüft zu haben, dem Beklagten keine Kenntnis von einer auf Überrumpelung angelegten Vertriebsstrategie und von der – angeblichen – Unrichtigkeit der in den klagegegenständlichen 51 Fällen abgegebenen Bestätigung. Zudem erschließt sich aus den als „Auffälligkeiten“ bezeichneten Auslassungen in der Unterschriftszeile und den Ausbesserungen beim Ausstellungs- oder Übergabedatum mangels Aussagekraft weder einzeln noch gemeinsam betrachtet eine auf Überrumpelung angelegte Vertriebsstrategie. Soweit von den beschriebenen „Auffälligkeiten“ darauf geschlossen werden kann, dass Formblätter teils nicht vom Käufer selbst, sondern vom Vertriebsmitarbeiter ausgefüllt wurden (z.B. bei falscher Schreibweise des Namens, ggfls. bei einem vom Wohnsitz des Käufers abweichenden Ausstellungsort), lässt dies keinen Rückschluss auf Unseriosität oder inhaltliche Unzuverlässigkeit zu.
Auch die Beurkundungen an Wochenenden erlauben hier nicht den Verdacht einer unseriösen und auf Überrumpelung angelegten Vertriebspraxis. Schon die geringe Anzahl dieser Wochenendbeurkundungen zeigt auf, dass der Beklagte Samstagstermine nur ausnahmsweise vergeben und der Vertrieb dies hingenommen hat, und zwar obwohl ein etabliertes Notariat in R. regelmäßig am Samstagvormittag geöffnet hatte. Die Beurkundungen an einem Sonntag sind nach der unwiderlegten Einlassung des Beklagten auf eine vom Notar veranlasste Terminsverschiebung zurückzuführen, weil der für Samstag gewünschte Beurkundungstermin mit einem Fortbildungstermin des Notars kollidierte.
3.5.2.6. Die Aufspaltung der Verträge in Angebot und Annahme erhöht die Gefahr einer missbräuchlichen Verfahrensgestaltung nicht unter dem hier maßgeblichen Blickwinkel. Die Frage des Notars danach, ob der Verbraucher den Textentwurf rechtzeitig erhalten habe, ist in erster Linie an den Verbraucher selbst zu richten und von diesem zu beantworten, denn er ist die Person, die durch die gesetzliche Vorgabe geschützt wird und als Empfänger eigene Kenntnis über den Zeitpunkt des Zugangs hat. Auf die Anwesenheit des Verkäufers kommt es zur Abklärung der Fristeinhaltung nicht an. Dies gilt auch dann, wenn der Notar den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts diesem zur Weitergabe an den Kaufinteressenten zur Verfügung gestellt hatte.
3.5.2.7. Die Anzahl von Vertragsaufhebungen und ausgebliebenen Annahmen mögen für eine übereilte Entscheidung der jeweiligen Käufer sprechen. Sie weisen aber nicht darauf hin, dass deren Bestätigung über die eingehaltene Regelfrist inhaltlich unzutreffend gewesen sei und die rechtzeitige Weitergabe des Textentwurfs durch den Vertrieb nicht verlässlich erfolge. Sie sind gleichfalls kein Indiz für die Verfolgung unerlaubter oder unredlicher Zwecke, insbesondere für wucherisches, betrügerisches oder sonst übervorteilendes Handeln.
War die Regelfrist aber nach der Überzeugung des Notars eingehalten, so war -selbst bei objektiv übereiltem Handeln des Verbrauchers, nicht geklärter Finanzierung, unterlassener Besichtigung des Kaufobjekts oder unterlassener Erkundigung über den Mietmarkt – die erbetene Beurkundung vorzunehmen. Dass die „S.Gruppe“ in die Finanzierung eingebunden war, also sich in die Beschaffung der Kaufpreisfinanzierung durch Banken mit eigenen Bemühungen einbrachte, ist für sich genommen wiederum weder anstößig noch sonst verdächtig. Anhaltspunkte für unlauteres Verhalten in diesem Zusammenhang, wie die später angeklagten Urkundenfälschungen, hatte der Beklagte nicht und erschlossen sich nicht aus der Anzahl der nicht zustande gekommenen oder nicht durchgeführten Kaufverträge.
3.5.2.8. Die Aufforderungen vom 14.10.2005 und 08.02.2008, den erbetenen (personalisierten) Entwurf nicht dem jeweiligen Käufer zu übersenden, erlauben keinen Rückschluss auf eine Überrumpelung der Verbraucher. Es sind unterschiedliche und unverfängliche Erklärungen für diesen Wunsch möglich. Zudem erschließt sich daraus nicht, der Angabe des jeweiligen Käufers über den rechtzeitigen Erhalt des Mustervertragstexts dürfe nicht geglaubt werden.
3.5.2.9. Auch bei einer Gesamtschau aller objektiven Umstände drängte sich nicht als naheliegende Möglichkeit auf, dass entgegen den von den Verbrauchern gemachten Angaben die gesetzliche Regelfrist jeweils nicht eingehalten gewesen sei und somit die vom Beklagten grundsätzlich zulässigerweise zur Erfüllung der ihm obliegenden Hinwirkungspflicht ergriffenen Maßnahmen (Überlassung von Musterentwürfen und Bezugsurkunden an die Verkäufer zur rechtzeitigen Weiterleitung – auch mithilfe des Vertriebs – an die Verbraucher) unzureichend seien. Aus dem objektiven Sachverhalt kann auch unter Berücksichtigung des eigenen Gebühreninteresses des Notars nicht abgeleitet werden, der Beklagte habe mit der nicht ganz fernliegenden Möglichkeit gerechnet, dass die im Beurkundungstermin seitens der Käufer auf notarielle Nachfrage mündlich gegebene Bestätigung zur Fristeinhaltung nicht zutreffend sei, und habe dies billigend in Kauf genommen
3.5.2.8. oder sich jedenfalls um eines verfolgten eigenen Gebühreninteresses willen hiermit abgefunden.
3.6. Auch eine fahrlässige Dienstpflichtverletzung liegt nicht vor.
3.6.1. Waren die relevanten Umstände bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt (vgl. BGH vom 19.10.1995 – IX ZR 104/94, NJW 1996, 520, 521; vom 20.09.2017 – 1 StR 64/17, juris Rn. 28; Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder StGB 29. Aufl. § 15 Rn. 11) für den Beklagten erkennbar, so rechtfertigt dies (nur) den Fahrlässigkeitsvorwurf (BGH vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404 Rn. 10; vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 12 je m.w.N.; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 95 Rn. 35).
3.6.2. Die fahrlässige Begehung einer Dienstpflichtverletzung in Form unzureichender Hinwirkung nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG setzt danach fahrlässige Unkenntnis vom Vorliegen des – hier unterstellten – objektiven Sachverhalts der Regelfristunterschreitung voraus (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 StGB; Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder § 16 Rn. 10; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 95 Rn. 34).
Nach umfassender Würdigung sämtlicher Umstände konnte der Beklagte aber trotz Einhalten der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten nicht erkennen, dass die ihm gegenüber erklärte Bestätigung der Käufer über die Einhaltung der Regelfrist – beeinflusst von den Vertriebsmitarbeitern – wahrheitswidrig war. Die Verkäufer der „S.-Gruppe“ hatten vom Notar die Entwürfe nebst Bezugsurkunden zur rechtzeitigen Weiterleitung an die Kaufinteressenten erhalten. Die Käufer bestätigten nach Vorlesen und Nachfrage die Fristeinhaltung. Die vereinzelten Beschwerdeschreiben, deren inhaltliche Richtigkeit der Beklagte zudem bezweifeln durfte, waren nicht geeignet, das unseriöse Verhalten der für die „S.-Gruppe“ tätigen Vertriebsmitarbeiter und insbesondere deren generelle Unzuverlässigkeit hinsichtlich der rechtzeigen Entwurfsweitergabe bei gleichzeitiger Einflussnahme auf die Verbraucher zur Abgabe wahrheitswidriger Erklärungen vor dem Notar aufzudecken. Die Gesamtheit der dem Beklagten bekannten Umstände war nicht geeignet, den Verdacht zu erregen, dass die Kunden der „S.-Gruppe“ durch unseriöse Vertriebspraktiken überrumpelt worden seien und die von ihnen abgegebene Bestätigung in Bezug auf die Einhaltung der Regelfrist nicht den Tatsachen entsprochen habe.
Der Beklagte musste daher die Richtigkeit der ihm gegenüber gegebenen Bestätigungen der Verbraucher nicht anzweifeln. Er war weder gehalten, im Beurkundungstermin insistierend nachzufragen und sich die näheren Umstände der Übergabe darlegen zu lassen, noch verpflichtet, sich die Rechtzeitigkeit der Textüberlassung nachweisen zu lassen. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass dem Notar mit § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. über seine Verantwortlichkeit für das Beurkundungsverfahren hinaus eine Pflicht in Bezug auf den Verbraucherschutz auferlegt worden ist, traf ihn nicht die Verpflichtung, vorsorglich mit Blick auf ein abstrakt immer mögliches Fehlverhalten des Vertriebs die Entwurfsversendung selbst zu übernehmen oder im Beurkundungstermin die näheren Umstände der Übergabe an den Verbraucher zu erfragen. Weil er sich als Notar vielmehr – wie ausgeführt – auf die Angabe der Verbraucher verlassen durfte, war eine Fristunterschreitung, sofern sie vorgelegen hat, für ihn jedenfalls nicht erkennbar.
Dass er eine – hier unterstellte – objektive Unzulänglichkeit seines Hinwirkens durch Entwurfsüberlassung an Personen, welche die fristgerechte Weitergabe an die Verbraucher nicht zuverlässig durchführten, nicht erkannt hat, gereicht ihm daher nicht zum Vorwurf der fahrlässigen Tatsachenverkennung und deshalb fahrlässiger Verwirklichung eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F..
4. Indem der Beklagte im Zeitraum vom 07.04.2004 bis zum 12.11.2008 in 195 Fällen das bindende Erwerbsangebot des Verbrauchers und die vom gewerblichen Verkäufer erklärte Vertragsannahme ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes getrennt beurkundet hat, hat er die Immobilienkaufverträge systematisch unter Verstoß gegen Ziff. II Nr. 1 Satz 4 Buchst. d der nach § 67 Abs. 2 BNotO erlassenen Richtlinien für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der L. B. aufgespalten. Dies begründet eine Verletzung seiner sich aus § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO ergebenden Amtspflichten.
4.1. Die getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme ist belegt durch die Urkunden. Das zahlenmäßige Verhältnis der an Verkäufer der „S.-Gruppe“ gerichteten Kaufangebote zu den mit Verkäufern aus der „S.-Gruppe“ beurkundeten Kaufverträgen beruht auf der vom Beklagten insoweit nicht beanstandeten Auswertung der Urkunden laut Ermittlungsbericht.
Danach hat der Beklagte beurkundet:
– im Zeitraum von November 2004 bis Dezember 2005 zwölf Kaufangebote, die sich an C. S. richteten, aber keinen einzigen Kaufvertrag mit C. S. als Verkäuferin;
– im Zeitraum von Dezember 2004 bis Oktober 2008 13 Kaufangebote, die sich an M. S. richteten, und einen Kaufvertrag mit M. S.;
– im Zeitraum von November 2004 bis November 2007 16 Kaufangebote an die E. Immobilien … GmbH & Co. KG bei acht Kaufverträgen;
– im Zeitraum von Oktober 2005 bis November 2008 zehn Kaufangebote an die IMS Immobilien . M.S. GmbH bei drei Kaufverträgen;
– im Zeitraum von April 2007 bis Februar 2009 18 Kaufangebote an die L. Bau GmbH bei sechs Kaufverträgen;
– im Zeitraum von Juni 2005 bis Oktober 2008 60 Kaufangebote an die L. Immobilien GmbH bei 32 Kaufverträgen;
– im Zeitraum von Mai 2005 bis Mai 2008 sechs Kaufangebote an die Ma. S. Immobilien GmbH bei zwei Kaufverträgen;
– im Zeitraum von Mai 2005 bis September 2008 sechs Kaufangebote an die Ma. S. Immobilien GmbH bei zwei Kaufverträgen sowie
– im Zeitraum von April 2004 bis November 2006 60 Kaufangebote an die MS Immobilien . GmbH bei zwei Kaufverträgen.
4.2. Die Aufspaltung beruhte nach der eigenen Einlassung des Beklagten auf einer entsprechenden Bitte aus der „S.-Gruppe“, nämlich des M. S. Nachdem anfänglich nur Kaufverträge beurkundet worden seien, sei mit steigendem Beurkundungsaufkommen von der „S.-Gruppe“ die Aufspaltung in Annahme und Angebot gewünscht worden, weil die Beurkundung mit An- und Abreise jedes Mal einen Zeitaufwand von drei bis vier Stunden in Anspruch nehme und die Terminfindung kompliziert sei. Dem habe der Beklagte stattgegeben, wobei es sich um eine Grundsatzentscheidung gehandelt habe. Kaufverträge seien (nur noch) beurkundet worden, wenn der Verkäufer erklärt habe, zur Beurkundung kommen zu können. In wenigen Einzelfällen sei hinzugekommen, dass die Käufer eine eigene Bindung deshalb nicht gewollt hätten, weil die Finanzierung noch nicht gesichert gewesen sei. In diesen Fällen sei als Annahmebedingung das Vorliegen eines Grundschuldauftrags in die Urkunde aufgenommen worden.
4.3. Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO (in der hier maßgeblichen Fassung vom 31.08.1998) hat der Notar jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein eines Verstoßes gegen die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten erzeugt, insbesondere den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit. Die zuständige Landesnotarkammer Bayern hat aufgrund der ihr gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 Nr. 2 BNotO verliehenen Kompetenz in Richtlinien bestimmte Verhaltensweisen als mit § 14 Abs. 3 BNotO unvereinbar erklärt, weil sich aus ihnen der Anschein der Parteilichkeit und Abhängigkeit ergeben könnte. Diese Berufsrichtlinien der Landesnotarkammer sind für den Beklagten bindendes Recht (vgl. Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 14 Rn. 30, 215).
Ziff. II Nr. 1 Satz 1 mit Satz 4 Buchst. d der Richtlinien für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der L. B. bestimmt hierzu, dass die systematische Aufspaltung von Verträgen in Angebot und Annahme in der Regel unzulässig ist und bei einer aus sachlichen Gründen gerechtfertigten Aufspaltung das Angebot vom belehrungsbedürftigeren Vertragsteil ausgehen soll. Da sich die Bestimmungen in Ziff. II Nr. 1 Satz 1 mit Satz 4 Buchst. d der Richtlinien im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung halten, ist die dort als unzulässig bezeichnete Verfahrensweise der systematischen Vertragsaufspaltung dem Beklagten berufsrechtlich verboten (vgl. BGH vom 20.07.2015 – NotSt (Brfg) 3/15, DNotZ 2016, 72 Rn. 15; Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler § 67 Rn. 26).
4.4. In den klagegegenständlichen Fällen hat der Beklagte systematisch, nämlich planmäßig und missbräuchlich (vgl. BGH vom 14.03.2016 – NotSt(Brfg) 6/15, MittBayNot 2016, 439, 440; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 14 Rn. 216, Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler § 67 Rn. 32), Immobilienkaufverträge in die jeweils getrennt beurkundeten Angebote der Käufer und die Annahmeerklärungen der Verkäufer aufgespalten. Er hat mit diesem Verhalten seine Amtspflichten aus der genannten Richtlinienbestimmung und somit aus § 14 Abs. 3 BNotO verletzt.
4.4.1. Die in Umsetzung der getroffenen Grundsatzentscheidung vorgenommene Vertragsaufspaltung ist als planmäßig zu beurteilen, denn ihr liegen keine auf den jeweiligen Einzelfall und die ihn prägenden individuellen Umstände abstellenden Erwägungen zugrunde.
Dementsprechend war das Terminvergabesystem nicht darauf ausgelegt, einen gemeinsamen Termin für beide Vertragsparteien zu finden. Vielmehr bedurfte es einer ausdrücklichen Mitteilung des Verkäufers/Vermittlers, wenn ausnahmsweise die Anwesenheit eines Vertreters der Verkäuferseite für den Beurkundungstermin geplant war.
Die Planmäßigkeit der Verfahrensgestaltung erschließt sich zudem schon aus der großen Anzahl gleichgelagerter Fälle und dem zahlenmäßig erheblichen Übergewicht der getrennt beurkundeten Vertragserklärungen gegenüber den beurkundeten Kaufverträgen in „S.-Fällen“.
4.4.2. Diese Gestaltung des Beurkundungsverfahrens war außerdem missbräuchlich.
Die räumliche Distanz zwischen Käufer und Verkäufer oder zwischen Verkäufer und Sitz des Notariats stellt regelmäßig keinen Sachgrund für die Aufspaltung dar, wenn – wie hier – die Erklärungen beider Vertragsparteien von demselben Notar beurkundet werden sollen. Die Aufspaltung in ein vom sogenannten Ortsnotar zu beurkundendes Angebot des Käufers und eine vom sogenannten Zentralnotar zu beurkundende Annahmeerklärung des Verkäufers kann zwar in Fällen, in denen die Immobilie als Kapitalanlage und zur Steueroptimierung erworben wird, von einem sachlichen Grund getragen sein (BGH vom 14.03.2016 – NotSt(Brfg) 6/15, MittBayNot 2016, 439, 440). Sollen aber ohnehin beide Vertragserklärungen von demselben Notar beurkundet werden, besteht für eine Aufspaltung in der Regel kein sachlicher Grund. Die Sachgründe, die eine getrennte Beurteilung bei dem Ortsnotar einerseits und dem Zentralnotar andererseits rechtfertigen können, kommen bei Notaridentität nicht zum Tragen. Vielmehr wird einseitig die Verkäuferseite durch dieses Vorgehen bevorzugt, denn für sie führt die Aufspaltung zu einer erheblichen Zeitersparnis, zum einen deshalb, weil der Zeitaufwand für die Beurkundung der Annahmeerklärung unter Ausschöpfung der Bezugnahmemöglichkeiten hinter dem für die Beurkundung des Vertrags zurückbleibt, zum anderen, weil damit auch die Möglichkeit besteht, mehrere Annahmeerklärungen in aufeinanderfolgenden Terminen desselben Tages beurkunden zu lassen und dadurch den Zeitaufwand für Fahrten zum Notar zu reduzieren. Der Käufer hingegen kommt nicht in den Genuss einer Beurkundung beim wohnsitznahen Ortsnotar seines Vertrauens und erfährt auch sonst keinerlei Verfahrenserleichterung.
Die räumliche Entfernung des Verkäufers zum Notarsitz und der damit verbundene Zeitaufwand für An- und Abreise kann jedenfalls dann, wenn der Notar – wie hier -von der Verkäuferseite ausgewählt und den Käufern vorgegeben wird, die Aufspaltung nicht rechtfertigen. Der Wunsch des teilenden Eigentümers, mit dem Verkauf der Sondereigentumseinheiten den die Teilungserklärung beurkundenden Notar zu betrauen, weil dieser mit den rechtlichen Gegebenheiten des konkreten Objekts vertraut ist, kann, wenn der Notar seinen Sitz nicht in der Nähe der Käuferwohnsitze hat, eine getrennte Beurkundung des Angebots durch den jeweiligen Ortsnotar der Käufer und der Annahme durch den vom Verkäufer beauftragten Notar rechtfertigen. Sollen die Käufer aber ohnehin den vom Verkäufer wegen dessen Sachkunde ausgewählten Notar aufsuchen, so fehlt es an einem sachlichen Anlass für eine Vertragsaufspaltung.
Nichts anderes gilt, soweit der Beklagte eine geringe terminliche Disponibilität auf Verkäuferseite als Sachgrund geltend macht. Dieser Gesichtspunkt hängt eng zusammen mit dem des Zeitaufwands für das Zurücklegen der Wegstrecken zum und vom Notariat. Er rechtfertigt es nicht, einseitig der Verkäuferseite entgegenzukommen und deren Wunsch entsprechend statt einer Vertragsbeurkundung unter gleichzeitiger Anwesenheit beider Beteiligter eine getrennte Beurkundung der Vertragserklärungen vorzunehmen, wenn beide Vertragsparteien zur Beurkundung vor demselben Notar erscheinen sollen.
Erst recht stellt es keinen Sachgrund für eine Aufspaltung dar, wenn sich der Kaufinteressent wegen noch ungeklärter Finanzierung nicht binden möchte. Fehlender Bindungswille des Käufers steht im Widerspruch zur Beurkundung eines bindenden Angebots. Das gilt auch dann, wenn im Angebot Voraussetzungen („Bedingungen“) für die Abgabe der Annahmeerklärung formuliert werden. Dass sich in diesem Fall auch die Verkäuferseite noch nicht binden wollte, rechtfertigt es nicht, trotz des fehlenden Bindungswillens des Käufers dessen Vertragserklärung schon mal zu beurkunden.
Das Vorliegen individueller Sachgründe für eine Aufspaltung trotz Beurkundung beider Vertragserklärungen durch denselben Notar, die in Einzelfällen ausnahmsweise denkbar sein können, hat der Beklagte nicht geprüft und sind auch nicht ersichtlich.
4.5. Die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens unter einseitiger Rücksichtnahme auf den Wunsch der gewerblich tätigen Verkäufer ist geeignet, den Ein druck der Parteilichkeit oder Abhängigkeit des Notars zu erwecken und verletzt deshalb die aus § 14 Abs. 3 BNotO fließenden Verhaltenspflichten, denn mit der atypischen Vertragsbeurkundung durch Aufspaltung ist der Beklagte den wirtschaftlichen Interessen der gegenüber dem Verbraucher ohnehin regelmäßig stärkeren Vertragspartei einseitig entgegen gekommen. Allein dieser Anschein weckt Zweifel an der gebotenen Unparteilichkeit des Beklagten und begründet eine Verletzung seiner sich aus § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO i.V.m. Ziff. II Nr. 1 Satz 1 mit Satz 4 Buchst. d der Berufsrichtlinien der Notarkammer ergebenden Amtspflichten (vgl. OLG Frankfurt vom 20.07.2015 – 1 Not 5/13, juris; nachgehend: BGH vom 14.03.2016 – NotSt(Brfg) 6/15, MittBayNot 2016, 439, 440).
Unerheblich ist insoweit, dass die Initiative für die getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme nicht vom Beklagten ausging (BGH vom 14.03.2016 -NotSt(Brfg) 6/15, MittBayNot 2016, 439, 440).
Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte weiter darauf, dass die Schutz- und Belehrungsfunktion des notariellen Beurkundungsverfahrens (vgl. Winkler BeurkG 18. Aufl. 2017 § 17 Rn. 57; Görk in Schippel/Bracker RLE/BNotK II. Rn. 29) durch die Gestaltung nicht beeinträchtigt worden sei, weil er jeweils das von der schutz- und belehrungsbedürftigen Partei abgegebene Angebot beurkundet und deshalb den Text des bei Annahme zustande kommenden Vertrags vollständig verlesen und erläutert habe. Dasselbe gilt, soweit der Beklagte geltend macht, die Verhandlungsfunktion des Beurkundungsverfahrens (Görk in Schippel/Bracker RLE/BNotK II. Rn. 45) sei schon deshalb nicht verkürzt worden, weil bei Bauträgerverträgen und Standardverträgen der hier vorliegenden Art eine Verhandlung zwischen dem Verbraucher und dem gewerblichen Verkäufer faktisch nicht stattfinde, nachdem die Verkäufer individuelle Änderungen wegen ihres Interesses an einheitlichen Vertragsbedingungen für alle Käufer nicht vornähmen. Dies ändert nichts daran, dass die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens aus den dargelegten Gründen das Neutralitätsgebot verletzte. Dass mit der deshalb dienstpflichtwidrigen Verfahrensgestaltung keine weiteren Pflichtenverstöße wegen Verkürzung der Schutz-, Belehrungs- und Verhandlungsfunktion des Beurkundungsverfahrens verbunden waren, ändert nichts am Verstoß gegen § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO.
4.6. Der Beklagte hat auch schuldhaft, und zwar vorsätzlich, gehandelt.
Unerheblich ist, dass mangels Rechtsprechung über vergleichbare Fälle und mangels ausdrücklicher Behandlung der hier gewählten Verfahrensgestaltung in der Li teraturmeinung die Unzulässigkeit eines solchen Verhaltens bis dahin nicht ausdrücklich thematisiert worden war. Die Auslegung der Richtlinienbestimmung, die der Beklagte für sich in Anspruch nimmt, ist nicht auf vernünftige Erwägungen gestützt, sondern unvertretbar. Indem der Beklagte sein Verhalten mit anerkannten Sachgründen zu erklären versucht, orientiert sich seine Argumentation am Buchstaben. Dass für die hier praktizierte Vertragsaufspaltung bei Beurkundung der beiderseitigen Vertragserklärungen durch ein und denselben Notar kein anderer Grund als ein einseitiges Zugeständnis an die wirtschaftlichen Interessen der überlegenen Vertragspartei vorlag, ist offenkundig und war dem Notar bewusst. Der daraus folgende Verstoß gegen die Berufspflicht gemäß § 14 Abs. 3 BNotO, den Eindruck von Parteilichkeit oder Abhängigkeit des Notars zu vermeiden, lag damit für den über den objektiven Sachverhalt insoweit vollständig informierten Beklagten offen zu Tage.
5. Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte schuldhaft seine Amtspflichten als Notar verletzt und damit ein einheitlich zu würdigendes Dienstvergehen (§ 95 Abs. 1 BNotO) begangen.
Der das Disziplinarrecht bestimmende Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens (BVerwG vom 22.06.1978 – 1 D 46.77, BVerwGE 63, 88 Rn. 18, zitiert nach juris; vom 13.05.1981 – 1 D 21/80, BVerwGE 73, 178 Rn. 7, zitiert nach juris) besagt, dass mehrere Pflichtverletzungen desselben Beschuldigten auch dann, wenn sie sich aus einer Mehrzahl einzelner Fehlhandlungen zusammensetzen, nur ein Dienstvergehen bilden, das unter Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten einheitlich zu beurteilen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Verhältnis die einzelnen Pflichtverletzungen zueinander stehen (Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 95 Rn. 41; Lohmann in Eylmann/Vaasen BNotO/BeurkG 4. Aufl. 2016 § 95 BNotO Rn. 20; Herrmann in Schippel/Bracker § 95 Rn. 7), es sei denn, die das Dienstvergehen ausmachenden einzelnen Verfehlungen stehen in keinerlei innerem oder äußerem Zusammenhang (BVerwG vom 22.06.1978 – 1 D 46.77, BVerwGE 63, 88 Rn. 18, zitiert nach juris; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 95 Rn. 47). Letzteres ist hier nicht der Fall.
Deshalb kommt auch Verjährung nicht in Betracht. Die nach § 95a Abs. 1 Satz 1 BNotO fünfjährige Verjährungsfrist war bei Einleitung des Disziplinarverfahrens am 20.06.2012 bei einem bis in das Jahr 2009 begangenen einheitlichen Dienstvergehen noch nicht abgelaufen. Sie wurde durch die Einleitung des förmlichen Diszipli narverfahrens unterbrochen und ist für die Dauer des Verfahrens gehemmt (§ 95a Abs. 1 Sätze 2 und 3 BNotO).
6. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 13 Abs. 1 BDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere der Amtspflichtverletzung unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Notars und des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit zu bemessen.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erachtet der Senat im vorliegenden Fall die Festsetzung einer Geldbuße in der verhängten Höhe für erforderlich, aber auch ausreichend.
6.1. Die dauerhafte Entfernung aus dem Amt (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BNotO) als schwerste Disziplinarmaßnahme kann lediglich dann verhängt werden, wenn der Notar in einer Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat, die sein Verbleiben im Amt aufgrund einer Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände untragbar machen (BGH vom 08.11.2013 – NotSt(B) 1/13, ZNotP 2013, 434 Rn. 10; vom 24.11.2014 – NotSt (Brfg) 1/14, BGHZ 203, 280 Rn. 52 und 63; Herrmann in Schippel/Bracker § 97 Rn. 3 f. mit Rn. 16; Lohmann in Eylmann/Vaasen § 97 BNotO Rn. 12; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 97 Rn. 9 mit 48). Mit einer Entfernung vom bisherigen Amtssitz (§ 97 Abs. 2 Satz 1 BNotO) als gravierender Disziplinarmaßnahme, deren Folgen auch die Angehörigen und Angestellten des Notars treffen, können schwerwiegende Dienstvergehen sanktioniert werden, die mit einer Geldbuße allein nicht ausreichend geahndet erscheinen. Sie kommt in Betracht, wenn es zwar vertretbar ist, den Notar im Amt zu belassen, er aber an seinem bisherigen Amtssitz nicht mehr tragbar ist, etwa weil seine Verfehlung in der Öffentlichkeit bekannt geworden und das Ansehen des Notars dadurch schwer geschädigt worden ist oder wenn er sich unter Verstoß gegen das Gebot der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zum Interessenvertreter von am Amtssitz ansässigen Beteiligten gemacht hat (Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler § 97 Rn. 34; Herrmann in Schippel/Bracker § 97 Rn. 10 f.).
6.2. In den vom Beklagten begangenen Dienstvergehen tritt noch kein derart schwerwiegender Mangel an dienstlicher Verantwortung und Einsicht in die Anfor derungen notarieller Amtsführung, die im Interesse der Allgemeinheit, der Rechtsuchenden und auch des Ansehens des Notarstands gestellt werden müssen, zu Tage, dass eine dauerhafte Entfernung aus dem Amt oder auch nur eine Entfernung vom bisherigen Amtssitz angemessen wäre.
Die festgestellten Verstöße sind zwar von nicht unerheblichem Gewicht und betreffen den Kernbereich der notariellen Amtspflichten. Eine einseitige Rücksichtnahme auf die Interessen von Urkundsbeteiligten aus der Immobilienbranche, wie sie in der Amtspflichtverletzung des Beklagten auch zum Ausdruck kommt, ist grundsätzlich geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität des Notars erheblich zu beschädigen. Hinzu kommt, dass der Beklagte – obwohl er seine Beurkundungspraxis geändert hat – im Disziplinarverfahren wenig Einsicht zum Ausdruck gebracht, sondern sein Verhalten zu rechtfertigen versucht hat, sogar insoweit, als er die Beurkundung von Kaufangeboten trotz – wegen noch ungeklärter Finanzierung – fehlenden Bindungswillens des Käufers verteidigt hat. Gerade ein solches Verhalten, das sich als unzureichende Beachtung des offen zu Tage liegenden Interesses eines Urkundsbeteiligten darstellt, wird der den Notaren übertragenen Aufgabe vorsorgender Rechtspflege und des Schutzes rechtlich ungewandter Beteiligter nicht gerecht (vgl. BGH vom 24.11.2014 – NotSt (Brfg) 1/14 BGHZ 203, 280 Rn. 31; vom 08.11.2013 – NotSt(B) 1/13, ZNotP 2013, 434, Rn. 12; BVerfG vom 19.06.2012 – 1 BvR 3017/09, NJW 2012, 2639 Rn. 49). Schließlich fällt auch der erhebliche Zeitraum der Dienstpflichtverletzung ins Gewicht.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die durch Verletzung der Hinwirkungspflicht nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. begangene Dienstpflichtverletzung durch die Schwäche des Gesetzes selbst begünstigt worden ist und das vom Beklagten favorisierte Gesetzesverständnis, wonach trotz Unterschreitens der Regelfrist keine Pflicht zur Ablehnung der Beurkundung bei entsprechend geäußertem Wunsch des Verbrauchers bestehe, damals in der Literaturmeinung diskutiert und vertreten worden ist. Das Verhalten des Beklagten offenbart deshalb nicht schon seiner Art nach einen so schwerwiegenden Mangel an dienstlicher Verantwortung und Einsicht in die Anforderungen notarieller Amtsführung, dass eine Amtsenthebung angezeigt wäre. Dies gilt auch hinsichtlich des Richtlinienverstoßes, zumal die hohe Anzahl der Einzelverstöße bereits durch das tatbestandliche Erfordernis einer planmäßigen Begehung bedingt ist.
Das Ansehen des Notars an seinem Amtssitz hat durch die Verfehlungen nicht in einer Weise gelitten, dass die räumliche Entfernung des Beklagten angezeigt wäre. Lediglich drei Käufer haben gegen den Beklagten (erfolglos) ein zivilrechtliches Verfahren wegen Schadensersatz geführt. Seine Amtsführung vor Ort dauert an und hat zu keinen weiteren Beanstandungen Anlass gegeben. Die Mitglieder der „S.-Gruppe“ sind nicht im Amtsbereich des Beklagten ansässig, so dass der gesetzte Anschein von Parteilichkeit oder Abhängigkeit nicht latent fortwirkt.
Zugunsten des Beklagten spricht weiter, dass er disziplinarrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist und während des gesamten Verfahrens bei der Aufklärung des Sachverhalts kooperativ mitgewirkt hat. Die im Notariat des Beklagten vom ehemaligen Ermittlungsführer am 19.03.2015 durchgeführte Regelprüfung blieb beanstandungsfrei. Durch die lange Dauer der Untersuchungen, die letztlich den schwerwiegenden Vorwurf eines schuldhaften Verstoßes gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht erhärtet haben, war der Beklagte einer erheblichen emotionalen und wirtschaftlichen Belastung ausgesetzt. Es steht zu erwarten, dass dies einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Des Weiteren ist zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er seine Beurkundungspraxis bereits vor Einleitung des Disziplinarverfahrens geändert hat und zudem zur Selbstversendung übergegangen ist, als das Gesetz eine solche noch nicht vorschrieb. Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr bestehen deshalb nicht.
Unter Berücksichtigung aller Umstände kann mithin weder ein unwiederbringlicher Vertrauensverlust (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 13 Abs. 2 BDG) berechtigterweise geltend gemacht werden noch sonst die dauernde Entfernung des Beklagten aus dem Amt des Notars oder auch nur seine Entfernung vom bisherigen Amtssitz angemessen erscheinen.
Aufgrund einer Abwägung aller Gesichtspunkte erscheint es vielmehr angemessen, das Dienstvergehen mit einer deutlich spürbaren Geldbuße zu ahnden, § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNotO. Dass nach der aktuellen Gesetzeslage ein Notar gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. b BNotO bei einem wiederholten groben Verstoß gegen die Pflichten aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (in der seit 01.10.2013 geltenden Fassung) durch Verwaltungsmaßnahme (vgl. BGH DNotZ 2009, 290 Rn. 10; Schippel/Bracker § 95 Rn. 26) seines Amtes zu entheben ist, führt zu keiner anderen Wertung. Die vom Notar zur Verwirklichung des verbraucherschützenden Normzwecks zu erfüllenden Pflichten wurden erst mit der aktuellen Gesetzesfassung präzisiert und entsprechend weiterentwickelt (vgl. auch BT-Drucks. 17/12035 Seite 6). Obwohl dem Beklagten einerseits sein Fehlverständnis von der inzwischen überholten Gesetzesfassung vorwerfbar ist, ist andererseits im Rahmen der Ahndung zu berücksichtigen, dass erst die Schwäche der damaligen Gesetzes fassung das Dienstvergehen in dieser Form ermöglicht hat. Ein Verstoß gegen die in der reformierten Gesetzesfassung demgegenüber präzise formulierte Versendungspflicht wiegt daher grundsätzlich erheblich schwerer.
Die verhängte Höhe der Geldbuße erscheint erforderlich, um dem Beklagten das Gewicht seines Fehlverhaltens vor Augen zu führen. Sie ist auch im Übrigen, insbesondere unter Berücksichtigung des monatlichen Nettoeinkommens des Beklagten und seiner Unterhaltspflichten, angemessen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 3, 155 Abs. 1 VwGO (vgl. Neumann in Sodan/Ziekow VwGO 4. Aufl. § 155 Rn. 48, 49). Für eine Anordnung der Erstattung der der beigeladenen Landesnotarkammer erwachsenen außergerichtlichen Kosten sprechen keine Billigkeitsgesichtspunkte, § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 77 Abs. 1 BDG, § 162 Abs. 3 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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