Handels- und Gesellschaftsrecht

Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit eines schriftlichen Vertrages

Aktenzeichen  10 HK O 13993/16

Datum:
24.4.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 141490
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157
ZPO 286

 

Leitsatz

Der schriftliche Vertrag hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Diese Vermutung ist zwar widerleglich, an den Beweis der Unvollständigkeit sind aber strenge Anforderungen zu stellen. Nicht ausreichend ist die Behauptung und der Nachweis, dass während der Vorverhandlung über einen bestimmten nicht beurkundeten Punkt Einigkeit bestand (hier bzgl. der Zusicherung einer zu erreichenden Zuschaueranzahl bei Public Viewing Veranstaltungen der Fußball EM). Es muss vorgetragen und auch nachgewiesen werden, dass die Parteien die Abrede auch noch bei Errichtung der Urkunde als Vertragsbestandteil wollten. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 29.607,82 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 25.07.2016 zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt,
dem Kläger Auskunft über die Anzahl der tatsächlichen Besucher der Public Viewing Veranstaltungen der Fußball EM auf dem Kesselbrink in Bielefeld am 12.06.2016 Türkei – Kroatien, am 12.06.2016 Deutschland – Ukraine, am 17.06.2016 Türkei – Spanien, am 02.07.2016 Viertelfinale Deutschland – Italien und am 07.07.2016 Deutschland – Frankreich zu erteilen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
IV. Das Urteil ist in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,– EUR vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist in Ziffer 1. und 2. der Klageanträge zulässig und begründet. Die Klage war insoweit entscheidungsreif, es konnte daher Teilurteil ergehen (§ 301 ZPO).
I. Die Beklagte schuldet der Klägerin unstreitig den mit Ziffer 1. der Klageanträge geltend gemachten Betrag in Höhe von 29.607,82 EUR.
Einwendungen gegen die rechnerische Richtigkeit der Forderung hat die Beklagte nicht erhoben. Die Klägerin hat diese Forderung aufgrund der von der Beklagten in der Anlage K 3 und von der Beklagten als richtig bezeichneten Zuschaueranzahl berechnet.
Diese Forderung ist auch nicht durch Aufrechnung erloschen. Die von der Beklagten behauptete Garantie findet sich nicht im Kooperationsvertrag, Anl. K 1. Der schriftliche Vertrag hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Diese Vermutung ist widerleglich, an dem Beweis der Unvollständigkeit sind aber strenge Anforderungen zu stellen. Insoweit obliegt der Beklagten die Darlegungs- und Beweislast. Nicht ausreichend in diesem Zusammenhang die Behauptung und der Nachweis, dass während der Vorverhandlung über einen bestimmten nicht beurkundeten Punkt Einigkeit bestand. Es muss vorgetragen und auch nachgewiesen werden, dass die Parteien die Abrede auch noch bei Errichtung der Urkunde als Vertragsbestandteil wollten. Dies ist dem Vortrag der Beklagtenpartei nicht zu entnehmen. Unstreitig fand das von der Beklagten geschilderte Gespräch ca. 2 Wochen vor dem Abschluss der streitgegenständlichen Kooperationsvereinbarung statt. Dass die Klägerin noch im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung zu der von der Beklagten behaupteten Garantie stand und diese gegenüber der Beklagten abgegeben hat, hat die Klagepartei auch auf Hinweis des Termins nicht schlüssig behauptet. Die Bezugnahme auf ein ca. 2 Wochen vor Vertragsschluss behauptetes Gespräch ist ohne weitere Erläuterungen diesbezüglich nicht ausreichend. Eine Beweisaufnahme war daher nicht erforderlich.
Die Beklagte war daher antragsgemäß zur Zahlung zu verurteilen.
II. Nebenforderungen: §§ 286 ff BGB.
III. Die Beklagte schuldet die begehrte Auskunft gemäß § 259 BGB i.V.m. dem Kooperationsvertrag.
Unstreitig hat die Beklagte sämtliche Tickets zu den streitgegenständlichen Veranstaltungen in Bielefeld verkauft. Es ist der Beklagten daher unschwer möglich, der Klägerin die begehrten Auskünfte anhand der verkauften Tickets nachvollziehbar zu beziffern.
Angesichts der in den Anl. K 2 und K 3, die sich im Übrigen durchaus auch auf Deutschland-Spiele bezogen, unterschiedlich mitgeteilten Zuschauerzahlen und auch den von der Beklagten auf ihrer eigenen Facebook-Seite veröffentlichten Zuschauerzahlen, ist der Anspruch der Klägerin begründet.
Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 149 ZPO war angesichts des Antrags der Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 06.04.2017 nicht veranlasst, da die von der Beklagten behaupteten Ermittlungen keinen Einfluss auf die Entscheidung haben. Wie bereits ausgeführt hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen, dass zwischen Parteien noch bei Abschluss des Vertrages Einigkeit über die Garantie von Zuschauerzahlen bestand.


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