Handels- und Gesellschaftsrecht

Zurückweisung eines dinglichen Arrestes

Aktenzeichen  35 O 4118/21

Datum:
12.4.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41068
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2, § 824, § 826
HGB § 331

 

Leitsatz

Ein Arrest- bzw. Verfügungsgrund ergibt sich nicht daraus, dass gegen einen Antragsgegner ein Strafverfahren durchgeführt wird. Aus der glaubhaft gemachten Straftat muss sich vielmehr die Besorgnis begründen lassen, der Antragsgegner werde auch in Zukunft gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre grob rücksichtslos verfahren und dabei auch vor Vermögensverschiebungen nicht zurückschrecken.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag vom 26.03.2021 auf Erlass eines dinglichen Arrestes wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.707,42 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrestbefehls war zurückzuweisen.
I.
Der Antragstellerin begehrt als Anleger der … Sicherungsmaßnahmen gegen den Beklagten aufgrund deliktischer Ansprüche.
Die Antragstellerin trägt vor, am 24.10.2018 50 Aktien der … zum Kaufpreis in Höhe von 8.130,50 EUR netto erworben zu haben. Abzüglich einer Dividendenauszahlung in Höhe von 7,37 EUR netto sei ein Vertragsabschussschaden von insgesamt 8.123,13 EUR entstanden. Die Antragstellerin habe die Aktien am 08.12.2020 zum Gesamtpreis von 0,87 EUR verkauft.
Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen in Bezug auf Geschäfte mit sog. Third-Party-Acquirern seit 2015 falsch angegeben worden seien, die … tatsächlich Verluste gemacht habe und Vermögenswerte in Höhe von zuletzt 1,9 Milliarden Euro nicht existiert hätten. Bei Kenntnis dieser Tatsachen hätte sie die Aktien nicht erworben.
Die Antragstellerin trägt vor, der Antragsgegner, der seit 2005 bei der … und ab Januar 2018 als Chief Financial Officer der … tätig war, an den fraglichen Marktmanipulationen sei der Antragsgegner als Mittäter beteiligt, entsprechend werde gegen ihn strafrechtlich ermittelt.
Die Antragstellerin meint, er habe einen Arrestanspruch. Ein Arrestgrund sei aufgrund der vermögensrechtlichen Straftaten indiziert.
Die Antragstellerin beantragt:
I. Wegen einer Forderung der Antragstellerin gegen den Antragsgegner in Höhe von 8.123,13 EUR sowie einer Kostenpauschale von 406,15 EUR wird der dingliche Arrest in das Vermögen des Antragsgegners angeordnet.
II. Durch Hinterlegung von 8.529,28 EUR wird die Vollziehung dieses Arrestes gehemmt und der Antragsgegner berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrestes zu beantragen.
Mit Verfügung vom 31.03.2021 (Bl. 5) hat das Gericht Hinweise erteilt.
Zur Ergänzung wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 26.03.2021 und 08.04.2021 verwiesen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin war zurückzuweisen. Es fehlt an einer ausreichenden Darstellung und Glaubhaftmachung des Anspruchs gegen den Antragsgegner und an einer Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes.
1. Voraussetzung für einen deliktischen Anspruch gegen den Antragsgegner aus § 823 Abs. 2 BGB, 824 BGB oder § 826 BGB wäre es, dass die Antragstellerin im Einzelnen darlegt, welche Handlungen der Antragsgegner im Einzelnen vollzogen hat und welche Kenntnisse er hierbei im Einzelnen hatte.
Der Vortrag der Antragstellerin entbehrt auch nach entsprechendem Hinweis durch das Gericht insgesamt einer geordneten, auf den Antragsgegner bezogenen Sachverhaltsdarstellung, noch im zuletzt eingereichten Schriftsatz befinden sich auf andere Beteiligte bezogene Textbausteine.
Soweit die Antragstellerin auf Presseberichterstattung verweist, ersetzt dies von vornherein keinen substantiierten Sachvortrag und entbindet die Antragstellerin nicht, die tatbestandsbegründenden Tatsache vorzutragen. Auch stellt eine Presseberichterstattung kein Mittel der Glaubhaftmachung dar. Auch die Tatsache, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Antragsgegner geführt werden, führt vorliegend nicht dazu, dass der Arrestanspruch ausreichend dargelegt oder glaubhaft gemacht wurde.
Die Darstellung erschöpft sich vielmehr in dem Hinweis, der Antragsgegner müsse in seiner Position Kenntnis gehabt haben und Mittäter gewesen sein. Der einzelne Vortrag ist dabei teilweise schlicht falsch (der Antragsgegner sei der Untersuchungshaft durch Hinterlegung einer Kaution entgangen), teilweise spekulativ (der Antragsgegner sei entsprechend der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft „Mittäter“). Glaubhaft gemacht ist – neben der Position des Antragsgegners bei der … – allein, dass gegen den Antragsgegner ein Ermittlungsverfahren gem. § 331 HGB geführt werde. Dies rechtfertigt für sich besehen aber noch nicht die Annahme, der Antragsgegner sei Mittäter hinsichtlich der Vortäuschung von Geschäften mit sog. Third-Party-Acquirern oder habe gewusst, dass Vermögenswerte von zuletzt 1,9 Milliarden Euro nicht existierten.
2. Die Antragstellerin hat zudem auch einen Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Ein Arrest – bzw. Verfügungsgrund ergibt sich nicht daraus, dass gegen den Antragsgegner ein Strafverfahren durchgeführt wird (Zöller/Vollkommer § 917 ZPO Rn. 6). Aus der glaubhaft gemachten Straftat muss sich vielmehr die Besorgnis begründen lassen, der Antragsgegner werde auch in Zukunft gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre grob rücksichtslos verfahren und dabei auch vor Vermögensverschiebungen nicht zurückschrecken. Das ist hier nicht der Fall. Die dem Strafverfahren zugrundeliegenden Tatsachen sind hier nicht hinreichend dargestellt und auch nicht glaubhaft gemacht, sodass Rückschlüsse auf einen Arrestgrund nicht möglich sind. Nicht verkannt werden kann in diesem Zusammenhang auch, dass gegen den Antragsgegner offenbar allein wegen untergeordneter Vorwürfe (§ 331 HGB) ermittelt wird.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.


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