Handels- und Gesellschaftsrecht

Zurückweisung eines nicht mehr zugelassenen Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigter in einem Berufungsverfahren

Aktenzeichen  9 U 4679/19 Bau

Datum:
19.12.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43655
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 78 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1, § 189 Abs. 1, § 244 Abs. 1, § 249 Abs. 3, § 522 Abs. 1
BRAO § 13

 

Leitsatz

1. Die Zurückweisung eines nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassenen Prozessbevollmächtigten durch das Gericht hat nur klarstellende Funktion (vgl. BGH BeckRS 2014, 15564 Rn. 6). (Rn. 1 – 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Berufungseinlegung und Berufungsbegründung eines nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Prozessbevollmächtigten sind mangels Postulationsfähigkeit unwirksam (vgl. BGH BeckRS 2005, 13246 Rn. 19). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch in Anwaltsprozessen können Entscheidungen mangels eines Prozessbevollmächtigten der Partei selbst zugestellt werden (vgl. BFH BeckRS 2002, 25001434 unter II.1 a.E.). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

24 O 14207/13 2019-07-12 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. A. M., K. Straße 4, … M. ist seit Ablauf des 30.04.2019 nicht mehr zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und wird daher als Prozessbevollmächtigter der Beklagten im vorliegenden Berufungsverfahren zurückgewiesen.
2. Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass die seit 30.04.2019 von A. M. für sie vorgenommenen Prozesshandlungen unwirksam sind, aber durch einen neu zu bestellenden Rechtsanwalt – allerdings ohne Rückwirkung in die Vergangenheit – für sie genehmigt werden können; § 89 Abs. 1 ZPO.
3. Zur Einreichung einer solchen Genehmigung erhält die Beklagte eine Frist bis 14.01.2020.

Gründe

Die Zurückweisung des A. M. als Prozessbevollmächtigen dient nur der Klarstellung (vgl. BGH NJW-RR 2015, 628 Rdnr. 6).
Er ist nach Auskunft der Rechtsanwaltskammer München vom 10.09.2019 (Bl. 195 der Akten) seit Ablauf des 30.04.2019 endgültig nicht mehr als Anwalt zugelassen und daher nicht mehr postulationsfähig. Da seine Postulationsfähigkeit fehlte, sind unter anderem seine Berufungseinlegung und Berufungsbegründung unwirksam (BGH NJW 2005, 3773). Allein deshalb ist die Berufung der Beklagten als unzulässig nach § 522 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Darauf hat der Senat bereits durch Verfügung vom 19.09.2019 hingewiesen. Diese Verfügung wurde am 11.12.2019 nun auch der Beklagten persönlich zugestellt, laut Postzustellungsurkunde durch Einlegung in den Briefkasten ihrer Wohnung. Am 04.11.2019 war die Verfügung laut Postzustellungsurkunde A. M. zugestellt worden.
Schon bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 14.06.2019 war A. M. nicht mehr als Anwalt zugelassen. In der Verhandlung war die Beklagte durch einen zugelassenen Rechtsanwalt vertreten, allerdings auf Grund einer von A. M. unterzeichneten „Untervollmacht“ vom 03.06.2019. Daher könnte bereits damals der erstinstanzliche Prozess nach § 244 Abs. 1 ZPO unterbrochen gewesen sein und das erstinstanzliche Urteil verfahrensfehlerhaft am 12.07.2019 verkündet worden sein; § 249 Abs. 3 ZPO. Ein Verfahrensfehler könnte auch darin liegen, dass Verkündungstermin auf den 16.08.2019 bestimmt war und nicht auf den 12.07.2019.
Gleichwohl handelt es sich jedenfalls nicht um ein ohnehin unwirksames „Nichturteill“. Es handelt sich allenfalls um ein möglicherweise fehlerhaftes und mit der Berufung anzugreifendes Urteil.
Dieses Urteil dürfte der Beklagten wirksam zugestellt worden sein. Entweder dürfte A. M. auch nach Verlust seiner Postulationsfähigkeit noch Vollmacht der Beklagten innegehabt haben (vgl. BGHZ 166, 117 Rdnr. 16 – zitiert nach juris). Dann hätte er zwar keine Prozesshandlungen für die Beklagte mehr wirksam vornehmen können, wie z.B. die Abgabe eines Empfangsbekenntnisses gegenüber dem Gericht (Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 40. Aufl. 2019, Einl. III Rdnr. 4). Der schlichte Empfang des Urteils stellt aber im Unterschied zum Empfangsbekenntnis wohl keine Prozesshandlung dar. Deshalb dürfte der Zugang des Urteils am 25.07.2019 bei A. M. auch gegenüber der Beklagten wirken. Anderenfalls wäre davon auszugehen, dass er das Urteil zeitnah der Beklagten übermittelt hat und dadurch ein etwaiger Zustelllungsmangel geheilt wurde; § 189 Abs. 1 ZPO. Auch in Anwaltsprozessen können Entscheidungen mangels eines Prozessbevollmächtigten der Partei selbst zugestellt werden (BFH, Beschluss vom 21.11.2002, VII B 58/02, Rdnr. 10 – zitiert nach juris).
Entgegen den Schriftsätzen des A. M. vom „25.04.2019“ (richtig: 25.11.2019) und 16.12.2019 ist er nicht mehr zugelassener Anwalt. Er teilt selbst mit, auf seine anwaltliche Zulassung zum 30.04.2019 verzichtet zu haben und einen dementsprechenden Bescheid der Rechtsanwaltskammer vom 08.01.2019 erhalten zu haben. Diesen Bescheid hat er nicht angegriffen, so dass er bestandskräftig wurde; § 13 BRAO. Sein Schreiben vom 10.04.2019 an die Rechtsanwaltskammer (hier vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz vom 16.12.2019) ändert daran nichts. Es enthält einen Antrag auf Änderung des Bescheids vom 08.01.2019 mit dem Ziel, das Erlöschen der Zulassung auf den 31.01.2020 zu verschieben. Dem ist die Rechtsanwaltskammer ausweislich der vorerwähnten Auskunft vom 10.09.2019 offenbar nicht nachgekommen.
Sollte die Beklagte die Prozesshandlungen des A. M. gemäß Ziffer 2 dieses Beschlusses nicht genehmigen, wären die Kosten des Berufungsverfahrens demjenigen aufzuerlegen, der das Auftreten des vollmachtlosen Vertreters veranlasst hat (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 89 Rdnr. 11). Das kann hier die nicht wirksam vertretene Beklagte sein, wohl eher aber Andreas Meyer-Miethke.


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