Insolvenzrecht

Bewilligung, Insolvenzverwalter, Kaufvertrag, Leistungen, Eintragung, Berufung, Kaufpreis, Leistung, Anfechtung, Grundbuchamt, Rechtshandlung, Gutachten, Widerruf, Zeitpunkt, anfechtbare Rechtshandlung, unentgeltliche Leistung, Zug um Zug

Aktenzeichen  5 U 1524/17

Datum:
15.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10370
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 129
InsO § 134

 

Leitsatz

Jedenfalls dann, wenn sich der durch eine anfechtbare Rechtshandlung des Insolvenzschuldners weggegebene Gegenstand noch im Vermögen des Anfechtungsgegners befindet, ist für die Berechnung des Wertersatzes auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen, auch wenn der Anfechtungsgegner schon zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch Wertersatz schuldete (Abgrenzung von BGH, Urteil vom 09.07.1987, IX ZR 167/86).

Verfahrensgang

21 O 1178/14 2017-07-27 Endurteil LGAMBERG LG Amberg

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 27.07.2017, Az. 21 O 1178/14, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 155.780,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 40.500,00 € seit 13.03.2020 und aus weiteren 115.280,00 € seit 14.3.2020 an den Kläger zu bezahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 1/4 und der Beklagte 3/4 zu tragen.
Der Beklagte trägt 3/4 der im Berufungsverfahren entstandenen Kosten der Nebenintervention, im übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.
III. Dieses Urteil sowie das Endurteil des Landgerichts Amberg in dem aufrechterhaltenen Umfang sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers sowie der Streithelferin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger bzw. die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 200.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 19.05.2011, Az. 511 IK 63/11, zum Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des W… F.. S… (im Folgenden: Schuldner) ernannt worden. Er nimmt den Beklagten aus insolvenzrechtlicher Anfechtung eines am 10.07.2007 von dem Notar Dr. V… in J… beurkundeten Teilerbauseinandersetzungsvertrags in Anspruch. Erstinstanzlich hat er die Auflassung eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem Grundstück in D… sowie die Bewilligung der Eintragung der Rechtsänderung gefordert. Zweitinstanzlich macht er hilfsweise einen Wertersatzanspruch geltend.
Mit dem genannten Vertrag vom 10.07.2007 hatte sich eine aus dem Schuldner und dem Beklagten – dem Bruder des Schuldners – bestehende Erbengemeinschaft im Hinblick auf ein in den Nachlass fallendes, mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück in D…-B…h (E…) in der Weise auseinandergesetzt, dass das genannte Grundstück dem Beklagten zu alleinigem Eigentum zugewiesen und übertragen wurde. Der Beklagte hatte sich verpflichtet, an den Schuldner als Ausgleich für die Übertragung einen Betrag in Höhe von 140.000 € zu zahlen, wobei ein Betrag von 20.000 € für bereits gezahlt erklärt wurde. Weitere 119.220 € hat der Beklagte in der Folgezeit durch Banküberweisung geleistet. In dem Vertrag wird darauf hingewiesen, dass sich die Erbengemeinschaft ausschließlich hinsichtlich des genannten Grundbesitzes auseinandersetze.
Über das Vermögen des Schuldners ist mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 19.05.2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Anwaltsschreiben vom 25.09.2013 machte der Treuhänder gegenüber dem Beklagten einen Anfechtungsanspruch in Bezug auf die Übertragung des Grundstücks mit der Begründung geltend, der Betrag von 140.000 € liege weit unter dem Markt- und Verkehrswert; das Gesamtgrundstück hätte für 410.000 € verkauft werden können, weshalb sich der Vorgang als gemischte Schenkung darstelle. Bei einem tatsächlichen Wert des hälftigen Miteigentumsanteils von 205.000 € belaufe sich der Schenkungsanteil auf 65.000 €. Diese Schenkung unterliege gemäß § 134 InsO der Anfechtung. Dem Beklagten werde angeboten, durch Zahlung von 55.000 € die gerichtliche Durchsetzung des Anfechtungsanspruches abzuwenden.
In dem Schreiben vom 25.9.2013 ist ausgeführt, dass die Gläubigerversammlung am 12.09.2013 beschlossen habe, den Anfechtungsanspruch geltend zu machen und hiermit den Kläger zu beauftragen.
Mit der am 15.04.2015 zugestellten Klage hat der Kläger sodann die Verurteilung des Beklagten zur Auflassung eines hälftigen Miteigentumsanteils an dem vorbezeichneten Grundstück und zur Bewilligung der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch begehrt. Ein hierauf bezogenes Prozesskostenhilfegesuch war am 23.12.2014 bei dem Landgericht eingereicht worden.
Zur Begründung hat der Kläger erstinstanzlich geltend gemacht, die Veräußerung des Miteigentumsanteils an den Beklagten sei erfolgt, um die Immobilie aus der – zu erwartenden – Insolvenz herauszuhalten und für die Familie der Beteiligten vor dem Zugriff von Gläubigern des Schuldners zu sichern. Diese Überlegungen habe der Beklagte selbst in einem „Memorandum“ vom 30.10.2006 festgehalten. Sowohl der Schuldner als auch der Beklagte hätten gewusst, dass der Miteigentumsanteils des Schuldners einen erheblich höheren Wert als der vorgesehene Zahlungsbetrag gehabt habe. Anfang des Jahres 2007 sei nämlich bereits eine Veräußerung an einen außenstehenden Dritten vorgesehen gewesen; der entsprechende Kaufvertrag habe bereits im Entwurf vorgelegen, wobei ein Kaufpreis von 410.000 € vorgesehen gewesen sei. Dieser Verkauf sei gescheitert. Tatsächlich sei das Grundstück wohl noch deutlich wertvoller gewesen; ein Verkehrswertgutachten vom 10.11.2014 sei für den Stichtag 01.07.2007 zu einem Verkehrswert von 540.000 € gelangt. Somit habe es sich bei der Übertragung des Miteigentumsanteils des Schuldners an den Beklagten um eine teilweise unentgeltliche Leistung gehandelt; die Übertragung unterliege der Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO, weshalb der Beklagte zur „Rückgabe“ des Miteigentumsanteils durch Rückauflassung und Abgabe der erforderlichen Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt verpflichtet sei. Die Anfechtungsfrist von 4 Jahren nach § 134 InsO sei gewahrt. Im Übrigen seien auch die Anfechtungsvoraussetzungen nach § 133 Abs. 2 InsO gegeben. Der Beklagte sei von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausgegangen und auch davon, dass die Eigentumsübertragung dazu habe dienen sollen, den Gläubigern des Schuldners die Immobilie vorzuenthalten. Dieselbe Kenntnis und dieselbe Absicht hätten auch bei dem Schuldner selbst vorgelegen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat im Wesentlichen geltend gemacht, ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz habe nicht vorgelegen. Zum damaligen Zeitpunkt hätten die Schulden des späteren Insolvenzschuldners nur etwa 70.000 € betragen, so dass sie ohne weiteres aus dem vereinbarten „Kaufpreis“ hätten beglichen werden können. Es liege auch keine gemischte Schenkung vor. Ein Schenkungswille habe nicht bestanden. Vielmehr seien der Beklagte wie auch sein Bruder der Auffassung gewesen, der vereinbarte Ausgleichsbetrag sei ein „adäquater Kaufpreis“. Die Beteiligten hätten den ihnen zustehenden weiten Beurteilungsspielraum bei der Preisbildung jedenfalls nicht überschritten. Der Hinweis auf das „Memorandum“ des Beklagten gehe fehl. Die damaligen Überlegungen seien dahin gegangen, eine unentgeltliche Übertragung des Gesamtanwesens auf den Beklagten gegen Einräumung eines Wohnrechts zu Gunsten des Schuldners vorzunehmen. Diese Absicht sei nicht verwirklicht worden, vielmehr sei die Übertragung der Haushälfte gegen Zahlung eines üblichen Kaufpreises vereinbart worden. Zwar habe ein ursprünglich eingeschalteter Makler einen deutlich höheren Kaufpreis avisiert, der sich jedoch am Markt nicht habe verwirklichen lassen. Der vom Kläger angeführte Käufer habe schließlich vom Kauf abgesehen. Auch ein weiterer Interessent sei nicht bereit gewesen, einen Preis in der damals gewünschten Größenordnung zu bezahlen. Das vom Kläger angeführte Verkehrswertgutachten vom 10.11.2014 sei unbrauchbar. Eine korrekte Begutachtung werde ergeben, dass der im Jahr 2007 vereinbarte Betrag dem tatsächlichen Verkehrswert entsprochen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der vor dem Landgericht zuletzt gestellten Haupt- und Hilfsanträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Amberg vom 27.07.2017 (Bl. 471-481 d.A.) verwiesen, Mit diesem Endurteil hat das Landgericht der Klage gemäß dem Hauptantrag, gerichtet auf uneingeschränkte Verurteilung des Beklagten zur Auflassung und Bewilligung der Eintragung, stattgegeben. Den Hilfsantrag des Beklagten auf Einräumung einer Abwendungsbefugnis hat es nicht berücksichtigt.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe den „Verkauf des Miteigentumsanteils an den Beklagten“ wirksam gemäß §§ 129 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO angefochten. Die vom Landgericht beauftragte Sachverständige habe zum Stichtag 01.07.2007 den Verkehrswert des Gesamtanwesens mit 361.000 € ermittelt; der hälftige Miteigentumsanteil habe daher einen Wert von rund 180.000 € gehabt. Bei einer Differenz des vereinbarten Kaufpreises zum tatsächlichen Verkehrswert von 40.000 € sei der in der Rechtsprechung anerkannte Bewertungsspielraum der Beteiligten überschritten. Dieser Spielraum erlaube eine Unterschreitung des Marktpreises um etwa 10%, nicht aber, wie hier, um etwa 22%. Ein sog. Notverkauf könne nicht angenommen werden. Die Übertragung des Miteigentumsanteils benachteilige die Gläubiger; die Anfechtungsfrist von 4 Jahren sei gewahrt. Gemäß § 143 Abs. 1 InsO müsse deshalb der Beklagte den erhaltenen Miteigentumsanteil zurückgewähren. Eine Abwendungsbefugnis – durch Zahlung des zum Verkehrswert noch fehlenden Betrages – stehe dem Beklagten nicht zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Endurteils vom 27.07.2017 verwiesen.
Dieses Endurteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 31.07.2017 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 14.08.2017, am gleichen Tag bei dem Oberlandesgericht Nürnberg eingegangen, hat der Beklagte Berufung eingelegt; mit weiterem Schriftsatz vom 27.10.2017, der am 02.11.2017 und damit innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist, hat der Beklagte sein Rechtsmittel begründet.
Der Beklagte verfolgt im Berufungsverfahren seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Hilfsweise beantragt er, das Ersturteil dahin abzuändern, dass ihm gestattet werde, die Verpflichtung zur Übertragung des hälftigen Hausanteils durch Zahlung von 40.000 € abzuwenden.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass eine Verpflichtung, den erworbenen hälftigen Hausanteil auf den Kläger zu übertragen, nicht bestehe. Der tatsächlich bezahlte Kaufpreis von 139.220 € liege um rd. 40.000 € unter dem hälftigen Verkehrswert des Gesamtanwesens, wie ihn die Sachverständige ermittelt habe. Eine solche Differenz bewege sich innerhalb des den Beteiligten zustehenden Bewertungsspielraumes. Die Parteien des Vertrages seien von einem Verkehrswert des Gesamtanwesens von etwa 300.000 € ausgegangen. Nachdem der zunächst ins Auge gefasste Verkauf, für den bereits ein Vertragsentwurf gefertigt gewesen sei, nicht zustande gekommen sei, weil der Interessent abgesagt habe, habe man sich zu einer Reduzierung des Kaufpreises entschlossen, habe jedoch auch weiterhin keinen Interessenten gefunden. Hiernach habe sich der Beklagte auf Drängen seines Bruders bereit erklärt, den hälftigen Hausanteil entgeltlich zu übernehmen. Bei der Festlegung des Preises hätten die Beteiligten auch berücksichtigen dürfen, dass sich der von verschiedenen Gläubigern bedrängte Schuldner in einer Notlage befunden und keine Möglichkeit gesehen habe, den bestehenden Schuldenstand zurückzuführen, zumal seine Ehefrau, die für ihn sämtliche Finanzangelegenheiten getätigt habe, in keinster Weise bereit gewesen sei, auf die angespannte Finanzlage Rücksicht zu nehmen. Sehr wohl habe deshalb ein sog. Notverkauf vorgelegen, der dem Schuldner jedenfalls die vollständige Ausschöpfung des Bewertungsspielraumes gestattet habe. Auf das sog. Memorandum des Beklagten dürfe, wie bereits erstinstanzlich dargelegt, nicht abgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rückabwicklung gemischter Schenkungen müsse zudem auf den Schwerpunkt des Rechtsgeschäftes abgestellt werden, der hier im entgeltlichen Bereich gelegen habe.
Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren,
das Urteil des Landgerichts Amberg vom 27.07.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Hilfsweise wird beantragt,
das Urteil des Landgerichts dahingehend abzuändern, dass dem Beklagten gestattet wird, eine Verpflichtung zur Übertragung des hälftigen Hausanteils durch Zahlung von 40.000,00 € abzuwenden.
Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass nach dem Scheitern des vorgesehenen Verkaufs an den Rechtsanwalt Dr. Z. der Schuldner und der Beklagte ihre Kaufpreisvorstellung zwar in der Tat reduziert hätten, jedoch nur auf 399.000 €. Somit habe die Wertvorstellung der Beteiligten nicht bei 300.000 €, sondern bei rund 400.000 € gelegen. Das bestätige die Behauptung des Klägers, dass der vom Beklagten zu leistende Ausgleichsbetrag deutlich unter dem Verkehrswert des hälftigen Miteigentumsanteils gelegen habe und dies den Beteiligten auch bewusst gewesen sei. Eine nähere Betrachtung der Verbindlichkeiten des Schuldners zum damaligen Zeitpunkt und der Vollstreckungsversuche einiger Gläubiger zeige auch, dass von einem Notverkauf nicht die Rede sein könne. Der Schuldner habe nämlich eine Reihe von Verbindlichkeiten in der Größenordnung von (lediglich) dreistelligen Beträgen nicht gezahlt und dieses Verhalten auch nach dem Erhalt der Zahlung des Beklagten fortgesetzt. Der eingeräumte Kontokorrentkredit sei nicht überschritten worden. Die finanzielle Lage des Schuldners habe sich auch nicht etwa vor der Vereinbarung mit dem Beklagten zugespitzt gehabt. Das Vorbringen zum Verhalten der (inzwischen geschiedenen) Ehefrau des Schuldners – der Streithelferin des Klägers – treffe nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme es für die Anfechtbarkeit einer gemischten Schenkung auch nicht darauf an, ob der entgeltliche oder der unentgeltliche Teil des Rechtsgeschäfts überwiege. Ebenso wenig bestehe ein Recht des Anfechtungsgegners, die Verpflichtung zur Rückübertragung des in anfechtbarer Weise weggegebenen Gegenstandes durch anteiligen Wertersatz – wie mit dem Hilfsantrag des Beklagten begehrt – abzuwenden.
Nach einem rechtlichen Hinweis des Senats beantragt der Kläger und Berufungsbeklagte im Berufungsverfahren in erster Linie die Zurückweisung des Rechtsmittels des Beklagten; hilfsweise beantragt er,
das Urteil des Landgerichts Amberg vom 27.07.2017 dahin abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn F… S… einen Betrag in Höhe von Euro 200.500,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. ab 13.03.2020 zu zahlen.
Diesen Hilfsantrag hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2020 in Höhe eines Teilbetrages von 40.500 € zuzüglich anteiliger Zinsen anerkannt. Im Übrigen beantragt er die Zurückweisung des Hilfsantrages.
Der Senat hat ein ergänzendes Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S… M… zum Verkehrswert des Anwesens E… in D… eingeholt, das die Sachverständige unter dem 30.07.2020 zum Stichtag 21.07.2020 erstellt hat. Auf dieses Gutachten (Bl. 744-874 d.A.) wird Bezug genommen.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der dem Beklagten nicht nachgelassene Schriftsatz vom 10.03.2021 hat dem Senat vorgelegen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat in der Sache aber im Ergebnis keinen Erfolg.
Der vom Kläger in erster Linie verfolgte Anspruch auf Auflassung eines hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück in D… sowie auf Bewilligung der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch besteht allerdings nicht. Jedoch ist der Beklagte entsprechend dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag zur Zahlung von Wertersatz zu verurteilen, wenn auch nicht in der vom Kläger beantragten Höhe von 200.500 €, sondern nur in Höhe von 155.780 € entsprechend der Differenz zwischen dem Hälftebetrag des von der Sachverständigen ermittelten gegenwärtigen Verkehrswerts des Gesamtgrundstücks und dem vom Beklagten als Ausgleich für die Rechtsübertragung auf ihn geleisteten Betrag.
1) Bei der am 10.07.2007 mit notariellem Vertrag vereinbarten Teilerbauseinandersetzung zwischen dem Schuldner und dem Beklagten, gegenständlich beschränkt auf das Grundstück in D…, und dem anschließenden Vollzug dieser Vereinbarung handelt es sich um eine anfechtbare Rechtshandlung i. S. d. § 129 Abs. 1 InsO in Gestalt einer unentgeltlichen Leistung des Schuldners, die nicht früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und die Insolvenzgläubiger benachteiligt; sie kann deshalb – jedenfalls – nach § 134 Abs. 1 InsO angefochten werden und ist vom Kläger wirksam angefochten worden.
a) Der Kläger bezeichnet sich zwar im Verfahren durchgehend als Insolvenzverwalter. Tatsächlich ist er aber vom Insolvenzgericht ausweislich des als Anlage K1 vorgelegten Beschlusses vom 21.03.2011 zum Treuhänder gemäß dem (inzwischen aufgehobenen) § 313 InsO ernannt worden. Als Treuhänder war der Kläger an sich gemäß § 313 Abs. 2 Satz 1 InsO zur Anfechtung von Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 InsO nicht berechtigt. Das Anfechtungsrecht hatte das Gesetz zunächst allein den Insolvenzgläubigern zugewiesen. Mit Gesetz vom 26.10.2001 (BGBl. I, S. 2710) ist der Gläubigerversammlung allerdings die Möglichkeit gegeben worden, den Treuhänder mit der Anfechtung zu beauftragen. Von dieser Möglichkeit hat hier die Gläubigerversammlung im Hinblick auf das in Rede stehende Rechtsgeschäft mit dem Beklagten am 12.09.2013 Gebrauch gemacht, wie sowohl in dem Zwischenbericht des Klägers vom 19.01.2015 als auch in dem als Anfechtungserklärung in Betracht kommenden Schreiben an den Beklagten vom 26.09.2013 (Anlage K6) dargelegt ist. Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten, so dass es einer Vorlage der Niederschrift über die Gläubigerversammlung vom 12.09.2013 nicht bedarf.
b) Die am 10.07.2007 vereinbarte und nachfolgend vollzogene Teilerbauseinandersetzung zwischen dem Schuldner und dem Beklagten stellt, wie das Landgericht richtig entschieden hat, wenngleich unter Verkennung des rechtlichen Gehalts des Vorganges, eine gläubigerbenachteiligende anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners dar.
Der Schuldner hat nicht, wie vom Landgericht allerdings dargestellt, einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück in D… auf den Beklagten übertragen und sich hierfür einen Betrag von 140.000 € als Gegenleistung versprechen lassen (und bis auf einen geringfügigen Rest auch erhalten), vielmehr hat eine aus dem Schuldner und dem Beklagten bestehende Erbengemeinschaft nach einer von den Parteien nicht genannten Person ein in den Nachlass fallendes Grundstück, an dem während des Bestehens der Erbengemeinschaft weder der Schuldner noch der Beklagte einen Miteigentumsanteil innehatten (§ 2033 Abs. 2 BGB), dem Beklagten als Miterben zu Alleineigentum zugewiesen und nachfolgend auf ihn übertragen. Damit ist dieser Gegenstand aus dem Vermögen der Gesamthandsgemeinschaft – der Erbengemeinschaft – ausgeschieden und in das alleinige Eigentum des Beklagten übergegangen. Dieser Vorgang hat zu einer Minderung des Wertes des dem Schuldner zustehenden Miterbenanteils, auf den künftige Insolvenzgläubiger allein hätten Zugriff nehmen können (§ 859 Abs. 2 ZPO), geführt. Steht dieser Wertminderung keine gleichwertige Mehrung des Schuldnervermögens durch Zufluss einer entsprechenden Gegenleistung gegenüber, so ist eine Verkürzung des dem Gläubigerzugriff zur Verfügung stehenden Vermögens des Schuldners eingetreten, und zwar durch eine Rechtshandlung des Schuldners, denn es genügt für die Anfechtbarkeit, dass der Schuldner an der Rechtshandlung in seiner Eigenschaft als Miterbe mitgewirkt hat (BGHZ 72, 39). So liegt es hier.
Im Zwei-Personen-Verhältnis ist eine Leistung als unentgeltlich anzusehen, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zu Gunsten der anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll. Für die Bewertung ist in erster Linie die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers ausschlaggebend, denn andernfalls könnten die Beteiligten allein dadurch, dass sie einer für den Schuldner objektiv wertlosen Leistung in ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen einen subjektiven Wert beimessen, den Zweck des Gesetzes vereiteln (BGH, ZIP 2016, 2329). Dabei gebietet der Zweck des Gesetzes, Gläubiger entgeltlich begründeter Rechte gegen die Folgen unentgeltlicher Übervorteilung des Schuldners innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vor Insolvenzeröffnung zu schützen, eine weite Auslegung des Begriffs der Unentgeltlichkeit (BGHZ 204, 231). Eine vertragliche Einigung über die Unentgeltlichkeit als solche ist nicht vorausgesetzt (BGHZ 71, 61). Allerdings steht den Beteiligten hinsichtlich der Bewertung der beiderseitigen Leistungen ein Spielraum – der sog. Bewertungsspielraum – zu. Beweist der Insolvenzverwalter ein Missverhältnis des objektiven Werts von Leistung und Gegenleistung – wobei es auf das Wertverhältnis zum Zeitpunkt der potentiell anfechtbaren Verfügung ankommt -, so kann die Anwendung des § 134 Abs. 1 InsO dennoch daran scheitern, dass beide Teile nach den objektiven Umständen der Vertragsanbahnung, der Vorüberlegungen der Parteien und des Vertragsschlusses selbst von einem Austauschgeschäft ausgegangen sind und zudem in gutem Glauben von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung überzeugt waren (BGH, ZIP 2016, 2329), jedoch müssen objektive Umstände vorgelegen haben, die eine solche Annahme der Vertragsparteien erlaubten (BGH, ZIP 2020, 2348). Das Fehlen solcher objektiven Umstände steht zur Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzverwalters, wobei er aber nur diejenigen Umstände auszuräumen hat, die vom Anfechtungsgegner substantiiert dargelegt werden (BGH, a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ein Austausch-Marktgeschäft handelt, bei dem grundsätzlich davon auszugehen ist, dass jeder Vertragsteil zum Schutz gegen eine Übervorteilung seine eigenen Interessen bei der Bewertung von Leistung und Gegenleistung hinreichend wahrnimmt (BGH, ZIP 2016, 2329). Bei Verträgen zwischen nahestehenden Personen, insbesondere Verwandten wie im Streitfall, kann dies nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden. Die Bestimmung einer Gegenleistung wird dann oft durch persönliche Verhältnisse beeinflusst, zudem besteht bei Verträgen zwischen nahestehenden Personen die Gefahr, dass sie bloße Scheingeschäfte darstellen, um Gegenstände vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen (BGH, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Nachweis eines objektiven Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, bezogen auf den Zeitpunkt der beeinträchtigenden Verfügung des Schuldners, geführt. Nach dem vom Landgericht eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S… M…, dessen Richtigkeit von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, betrug der Verkehrswert des Gesamtgrundstückes zum Stichtag 01.07.2007 361.000 €; bei einer Erbquote von 1/2 bedeutete die Teilerbauseinandersetzung einen Wertverlust des Miterbenanteils des Schuldners von 180.500 €. Dem stand eine Gegenleistung in vereinbarter Höhe von 140.000 € gegenüber, so dass der Wert der vom Beklagten zu erbringenden Gegenleistung nur knapp 78% des Wertes der vom Schuldner zu erbringenden Leistung betrug.
Entgegen der Auffassung des Beklagten setzt die Anfechtbarkeit einer gemischten Schenkung nicht voraus, dass der unentgeltliche Charakter des Geschäfts überwiegt. Dies wird für den Widerruf einer gemischten Schenkung wegen groben Undanks gefordert (BGHZ 107,156), nicht aber für die Anfechtung; aus der von Kayser/Freudenberg (Münchener Komm. zur Insolvenzordnung) in Fn. 323 zu § 134 InsO angeführten Entscheidung BGHZ 57, 123 – zu § 3 AnfG – ergibt sich nichts anderes. Auch dort hatte der Bundesgerichtshof – wie in späteren Entscheidungen – nur ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung unter Überschreitung des Bewertungsspielraumes verlangt.
Zwar behauptet der Beklagte, dass die Parteien von einer Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ausgegangen seien. Objektive Umstände, die eine derartige Annahme der Vertragsparteien erlaubt hätten, hat er jedoch nicht dargelegt; im Gegenteil sprechen die Umstände der Vertragsanbahnung sowie die in dem Memorandum des Beklagten dargelegten Überlegungen deutlich dafür, dass den Parteien die Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung durchaus bewusst gewesen ist, sie also gerade nicht in gutem Glauben der Überzeugung waren, bei der Bemessung von Leistung und Gegenleistung einen allen Interessen gerechten Ausgleich gefunden zu haben (BGH, ZIP 2016, 2329).
Der Beklagte hatte in erster Instanz lediglich behauptet, beide Vertragsparteien seien damals der Meinung gewesen, einen „adäquaten Kaufpreis“ vereinbart zu haben. Im Berufungsverfahren behauptet er, die Parteien des Teilauseinandersetzungsvertrags hätten das Grundstück mit rd. 300.000 € bewertet. Objektive Anhaltspunkte für eine Bewertung in dieser Größenordnung – etwa eine Bewertung durch einen Sachverständigen oder zumindest eine Werteinschätzung durch einen mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Makler – hat der Beklagte nicht vorgetragen. Sein Hinweis darauf, der Schuldenstand seines Bruders habe damals nur bei 70.000 € gelegen, ist für die Frage der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ohne Relevanz. Dafür, dass die Parteien des im Juli 2007 geschlossenen Vertrages sich der Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung durchaus bewusst gewesen waren, spricht dagegen der Umstand, dass noch im Februar 2007 ein Verkauf zum Preis von 410.000 € an die Eheleute Dr. Z…/W… bis zur Vorbereitung eines notariellen Vertrages gelangt war, wobei die schließliche Absage seitens der vorgesehenen Käufer nicht mit der Höhe des Preises, sondern mit Schwierigkeiten bei der Finanzierung begründet worden war, und sodann die Bemühungen um einen Verkauf des Gesamtobjektes mit einer Preisvorstellung von sogar 445.000,00 € fortgesetzt wurden, schließlich dem Maklerbüro Immobilien M… GmbH am 06.06.2007 ein Alleinauftrag mit einer Kaufpreisvorstellung von 399.000,00 € erteilt worden war. Noch im gleichen Monat war dann der Entwurf des Teilerbauseinandersetzungsvertrags von dem beauftragten Notariat gefertigt worden, wobei bereits in diesem Entwurf der vom Beklagten zu zahlende Ausgleichsbetrag mit 140.000 € festgelegt worden war. Der Senat sieht deshalb die Behauptung des Beklagten, die Parteien seien der Auffassung gewesen, einen „adäquaten Kaufpreis“ vereinbart zu haben, ebenso als widerlegt an wie die später aufgestellte Behauptung, man sei von einem Verkehrswert von 300.000 € ausgegangen. Dass der Beklagte bei seinem Übernahmeangebot „aus verwandtschaftlicher Rücksichtnahme“ (so ausdrücklich Protokoll des Landgerichts vom 08.09.2016, Bl. 311 d.A.) einen „Abschlag vorgenommen“ hatte, bestätigt, dass gerade nicht ein (subjektiv) wertadäquater Übernahmepreis vereinbart wurde. Unabhängig davon, wie groß der sog. Bewertungsspielraum zu bemessen ist, bedeutet das bewusste Unterschreiten des von den Parteien selbst angenommenen Verkehrswertes bei der Bemessung der Gegenleistung zugleich eine Überschreitung dieses Spielraumes.
Im übrigen spricht auch das vom Beklagten gefertigte „Memorandum“ vom 30.10.2006 gegen die Behauptung des Beklagten, man sei damals von einem dem (hälftigen) Verkehrswert des Grundstücks entsprechenden Übernahmepreis ausgegangen. Zwar ist die damals erwogene Übernahme des Grundstücks durch den Beklagten unter Einräumung eines Wohnrechtes für den Schuldner – und zwar im Wege einer Übernahme sogar des gesamten Miterbenanteils – später nicht verwirklicht worden. Dass aber schon diese Gestaltung eine gemischte Schenkung – und zwar mit einem erheblichen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, sollte doch das Wohnrecht nur eine der beiden Wohnungen erfassen – bedeutet hätte, wobei das Motiv der „Heraushaltung“ der Immobilie aus der Insolvenz explizit zum Ausdruck gebracht wurde, legt ausgesprochen nahe, dass auch bei der später tatsächlich gewählten Vertragsgestaltung die Bemessung der vom Beklagten zu erbringenden Gegenleistung nicht in erster Linie an der Gleichwertigkeit ausgerichtet wurde.
Schließlich kann auch nicht von einem Notverkauf gesprochen werden, der ein Unterschreiten des Verkehrswertes ermöglicht hätte, ohne dass das Rechtsgeschäft seinen (rein) entgeltlichen Charakter verloren hätte. Ein Notverkauf kann in Betracht kommen, wenn ein dringendes Liquiditätsbedürfnis durch den Verkauf eines Gegenstandes – insbesondere einer Immobilie – unter Wert befriedigt werden soll; die Parteien sehen die objektiv zu geringe Gegenleistung unter den besonderen Umständen als vollwertig an (s. Ganter, NZI 2015, 249, 257).
Dazu hat der Beklagte aber lediglich vorgetragen, der Schuldner habe ständig einen Dispositionskredit in Anspruch genommen und den ihm eingeräumten Betrag weitgehend ausgeschöpft, wiederholt seien Zahlungen mittels EC-Karte mangels Deckung nicht möglich gewesen, der Schulder habe wegen seines geringen Einkommens auch keine Möglichkeit gesehen, aus dieser finanziellen Bedrängnis herauszukommen. Dem Vortrag des Klägers, die Forderungen einiger Gläubiger, die nicht bezahlt worden seien, hätten sich durchwegs in der Größenordnung niedriger dreistelliger Beträge gehalten, hat der Beklagte nicht widersprochen. Damit ist eine finanzielle Notlage, in der ein von mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen drohenden Gläubigern bedrängter Schuldner zum Verkauf einer werthaltigen Immobilie deutlich unter dem Verkehrswert greift, weil er keinen anderen Ausweg mehr sieht, nicht dargelegt. Dass eine solche Situation damals nicht bestand, zeigt auch der vom Landgericht hervorgehobene Umstand, dass über wenigstens ein halbes Jahr – bis Juni 2007 – versucht wurde, das Zweifamilienhaus in D… unter Einschaltung eines Maklers zu verkaufen, obwohl der Schuldner nach Einschätzung des Beklagten, die dieser in seinem Memorandum festhielt, bereits im Oktober 2006 „im Prinzip bankrott“ war. Eine Zuspitzung der finanziellen Lage des Schuldners bis zum Juli 2007 gab es nach Darstellung des Klägers, der der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist, nicht. Demnach dürfte ein Liquiditätsbedürfnis des Schuldners zwar bestanden haben, und zwar schon seit geraumer Zeit, jedoch keine besondere Dringlichkeit seiner Befriedigung, die den Schuldner gezwungen hätte, auf das den Verkehrswert deutlich unterschreitende Angebot des Beklagten einzugehen.
2) Als Rechtsfolge einer teilweisen unentgeltlichen Leistung – wie hier – ist vorrangig der Wertüberschuss der schuldnerischen Leistung an die Insolvenzmasse zurückzugewähren. Soweit die Leistung teilbar ist, bleibt die Rechtsfolge der Anfechtung gemäß § 134 InsO auf den überschießenden Teil, der als unentgeltlich gilt, beschränkt. Ist aber – wie hier – die höherwertige Leistung des Schuldners unteilbar, richtet sich die Anfechtung grundsätzlich auf Rückgewähr der Leistung insgesamt, allerdings Zug um Zug gegen Rückgabe der erbrachten Gegenleistung (BGHZ 107, 156 zum Schenkungswiderruf; BGH, NJW 2017, 1035 zum Anfechtungsgesetz; BGH, ZIP 2020, 2348 zu § 134 InsO).
Im Streitfall besteht aber die Besonderheit, dass eine Rückgewähr der Leistung rechtlich nicht möglich ist. Wie bereits dargelegt, hat nicht der Schuldner einen Miteigentumsanteil veräußert, der grundsätzlich nach Vereinigung aller Miteigentumsanteile in einer Hand neu gebildet und rückübertragen werden könnte (Kirchhof/Piekenbrock, MünchKomm zur Insolvenzordnung, Rdz. 51 zu § 143 InsO m. Literaturnachweisen in Fn. 268); vielmehr ist, wie bereits dargelegt, eine auf einen einzelnen Nachlassgegenstand beschränkte Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erfolgt, die – ebenso wenig wie eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft insgesamt – in der Weise rückgängig gemacht werden kann, dass hinsichtlich des ausgeschiedenen Nachlassgegenstandes eine Neubegründung der Erbengemeinschaft vorgenommen wird (Palandt-Weidlich, 80. Aufl., Rdz. 18 zu § 2042 BGB m. Nachweisen aus der Rspr.). Eine Rückgewähr des in anfechtbarer Weise weggegebenen Gegenstandes in Natur scheidet deshalb aus (Kirchhof/Piekenbrock, a.a.O., Rdz. 38; BGHZ 72, 39 zu § 37 KO). Der Anspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO richtet sich bei einer solchen Fallgestaltung von vorneherein auf Wertersatz (BGH, a.a.O.).
3) Für die Berechnung des in Geld zu leistenden Wertersatzes ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen (BGHZ 89, 189; Kirchhof/Piekenbrock, a.a.O., Rdz. 114 zu § 143 InsO). Dem steht die Entscheidung des BGH vom 09.07.1987 (BGHZ 101, 286) nicht entgegen. Zwar hat der BGH in dieser zu § 37 Abs. 1 der Konkursordnung ergangenen Entscheidung für den Fall, dass der Anfechtungsgegner schon zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens nur noch Wertersatz schuldete, für die Berechnung des Anspruchs der Höhe nach auf den Wert des anfechtbar weggegebenen Gegenstandes zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens abgestellt (in der Fn. 556 zur Rdnr. 114 bei Kirchhof/Piekenbrock, a.a.O., ist die Entscheidung unzutreffend zitiert). Dem lag aber die Gestaltung zugrunde, dass die weggegebenen Gegenstände zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits untergegangen waren bzw. nicht mehr im Eigentum der Anfechtungsgegnerin gestanden hatten. Der Streitfall liegt anders; der in anfechtbarer Weise weggegebene Gegenstand ist in rechtlich veränderter Form nach wie vor im Vermögen des Anfechtungsgegners, des Beklagten, vorhanden, so dass dieser an der inzwischen eingetretenen erheblichen Wertsteigerung der Immobilie teilgenommen hat. Die Rückgewähr in Natur scheidet nur aufgrund der rechtlichen Besonderheit der anfechtbaren Rechtshandlung aus, die in der (Teil-) Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft besteht; wäre diese bereits zuvor erfolgt gewesen und hätte demzufolge der Insolvenzschuldner tatsächlich – wie vom Landgericht irrig angenommen – in anfechtbarer Weise seinen Miteigentumsanteil auf den Beklagten übertragen, so bestünde der Rückgewähranspruch in Natur, dessen wirtschaftlicher Wert den Preisverhältnissen zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung über diesen Anspruch entspräche. Bei dieser Fallgestaltung ist es nach Auffassung des Senats gerechtfertigt, auch den Wertersatzanspruch nach den Wertverhältnissen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu bemessen, obwohl von Anfang an nur ein solcher Wertersatzanspruch bestand.
Nach der Ermittlung der Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S… M… beträgt der Wert des Gesamtgrundstückes zum Besichtigungsstichtag 21.07.2020 590.000 €, woraus sich der Wert der in das Vermögen des Beklagten gelangten Leistung zu 295.000 € ergibt. Gegen das Gutachten der Sachverständigen sind Einwendungen nicht erhoben worden, der Senat legt deshalb seiner Entscheidung die Feststellungen der Gutachterin zugrunde. Unter Anrechnung der vom Beklagten erbrachten Leistung von insgesamt 139.220 € verbleibt ein Anspruch des Klägers von 155.780 €.
4) Der Verurteilung des Beklagten zum Wertersatz in dieser Höhe steht der Umstand nicht entgegen, dass der Kläger erstinstanzlich ausschließlich einen (vermeintlichen) Anspruch auf Rückgabe der Leistung in Natur verfolgt hat. In der erst im Berufungsverfahren auf Hinweis des Senats erfolgten (hilfsweisen) Änderung des Klageantrages liegt lediglich eine notwendige Anpassung des Antrages an die Rechtslage (BGHZ 72, 39 unter Tz. 42); auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 533 ZPO kommt es nicht an. Der BGH hat bereits wiederholt entschieden, dass der Übergang vom Primäranspruch (Rückgewähr des Gegenstandes bzw. Duldung der Zwangsvollstreckung) auf den Sekundäranspruch (Wertersatz) keine Klageänderung i. S. d. § 264 ZPO darstellt und gleiches auch für den umgekehrten Fall gilt (siehe etwa BGH, ZIP 2017, 185).
5) Der Zahlungsanspruch ist gemäß § 291 BGB ab dem auf die mündliche Verhandlung vom 13.03.2020, in der der Anspruch erstmals geltend gemacht worden ist, folgenden Tag zu verzinsen. Die nur hilfsweise Geltendmachung des Zahlungsantrages steht dem Eintritt der Rechtshängigkeit nicht entgegen (BGH, NJW-RR 1990, 519).
In Höhe von 40.500 € einschließlich anteiliger Zinsen beruht die Verurteilung allerdings auf dem in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2020 erklärten – nicht widerrufbaren – Anerkenntnis. Da der Klägervertreter eine Verzinsung bereits ab dem 13.03.2020 beantragt hatte, führt das Teilanerkenntnis des Beklagten dazu, dass die Verzinsung aus 40.500 € ab diesem Tag zu erfolgen hat.
6) Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Dass der Beklagte nun nicht mehr, wie erstinstanzlich, zur Auflassung eines hälftigen Miteigentumsanteils verurteilt wird, sondern zum Wertersatz in entsprechender Höhe, stellt einen Erfolg der Berufung im kostenrechtlichen Sinne nicht dar. Für die Kostenverteilung im Berufungsverfahren kommt es deshalb nur auf das Verhältnis zwischen dem vom Kläger hilfsweise gestellten Zahlungsantrag in Höhe von 200.500,00 € zum Verurteilungsbetrag an. Entsprechendes gilt für die nach § 101 ZPO zu treffende Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention.
Für das erstinstanzliche Verfahren hat es mit der vom Landgericht getroffenen Kostenentscheidung sein Bewenden.
7) Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erfüllt sind.


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