Insolvenzrecht

Keine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz trotz Nichtbedienung einer Darlehensforderung

Aktenzeichen  6 O 3391/19

Datum:
11.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2020, 608
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 129 Abs. 1, § 130 Abs. 1 Nr. 1, § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Kommt es lediglich zu einer vorübergehenden Nichtbedienung der Darlehensforderung, wobei der jeweilige Rückstand im Verhältnis zum Gesamtkreditbetrag nicht sonderlich hoch ist, muss ein Kreditinstitut nicht zweifelfrei auf unüberwindliche Zahlungsschwierigkeiten eines Verbrauchers schließen. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 9.967,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 129 Abs. 1 InsO.
1. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO liegen im Ergebnis nicht vor.
a) Zwar handelt es sich bei den streitgegenständlichen, zwischen Januar 2012 und Juli 2015 erfolgten Zahlungen des Schuldners an die Beklagte um Rechtshandlungen i.S.v. § 129 Abs. 1, die die Gläubiger des Schuldners objektiv benachteiligt haben, weil sie die Masse verkürzten.
Diese Zahlungen erfolgten auch innerhalb eines Zeitraums vom 10 Jahren vor dem Eröffnungsantrag.
b) Es kann offen bleiben, ob der Schuldner seit Anfang 2012 zahlungsunfähig war, er diese Zahlungsunfähigkeit kannte und aufgrund dieser Kenntnis vom Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, ausgegangen werden kann. Denn es fehlt an einer positiven Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Diese Kenntnis nachzuweisen, oblag dem klagenden Insolvenzverwalter (vgl. Ganter/Weinland in: K.Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 133 Rn. 74; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl., § 133 Rn. 22). Einen solchen Beweis ist der Kläger indessen fällig geblieben.
aa) Er kann sich nicht auf die – widerlegliche – Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO berufen. Denn die hierfür erforderliche Kenntnis der Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist bestritten worden und steht ihrerseits nicht zweifelsfrei fest. Diese subjektive Voraussetzung der Vorsatzanfechtung ist vom erkennenden Gericht gem. § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen. Objektive Tatsachen, aus deren Vorliegen die subjektiven Voraussetzungen hergeleitet werden können, stellen in diesem Rahmen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen dar, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch angewandt werden dürfen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 06.07.2017 – IX ZR 178/16, NZI 2017, 850 Rn. 12 und vom 13.08.2009 – IX ZR 159/06, NZI 2009, 768 Rn. 8 mwN).
bb) Vor diesem Hintergrund streitet gegen die Beklagte, dass es zwischen Januar 2012 und August 2015 in einer nennenswerten Anzahl – nämlich in 15 Fällen – zur Rückbuchung von Lastschriften kam. Dies kann, wie der Kläger zu Recht geltend macht, ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und für dessen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2010 – IX ZR 70/08, BeckRS 2010, 19843 Rn. 10; OLG Schleswig, ZInsO 2014, 1619). Allerdings sind im vorliegenden Fall zahlreiche Umstände zu berücksichtigen, die das Gewicht der vorbenannten Indizien deutlich verringern.
cc) Die Beklagte vergibt, was gerichtsbekannt ist, Verbraucherdarlehen i.S.d. §§ 491 ff. BGB. Hierunter fällt aus Sicht der Beklagten auch der mit dem Schuldner geschlossene Vertrag. Der als Anlage B 1 vorgelegten Vertragsurkunde ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Es ist insbesondere nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagten die Art und der Umfang der gewerblichen Tätigkeit des Schuldners bekannt waren oder dass ein entsprechender Verwendungszweck vereinbart worden ist. Ebenso wenig kannte die Beklagte die Betriebsnotwendigkeit der sonstigen Zahlungen des Schuldners.
Zwar ist der Schuldner gegenüber der Beklagten mit einzelnen Raten mehrfach in Verzug geraten. Kenntnis von anderen Gläubigern und diesen gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten des Schuldners hatte die Beklagte jedoch nicht. Zumindest hat der Kläger dies nicht nachgewiesen. Eine solche Kenntnis ist auch fernliegend, denn bei der Beklagten handelte es sich nicht um die „Hausbank“ des Schuldners. Der Zahlungsverkehr des Schuldners wurde über Konten abwickelt, die nicht bei der Beklagten geführt wurden und folglich konnte die Beklagte auch keine Informationen über diesen Zahlungsverkehr gewinnen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte auf andere Weise Einblick in die wirtschaftliche Situation des Schuldners hatte. Sie konnte und musste insbesondere nicht erkennen, dass der Schuldner – was hier zu unterstellen ist – am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierte.
Die 15 Rücklastschriften der von der Beklagten eingezogenen Darlehensraten erfolgten über einen verhältnismäßig langen Zeitraum von ca. 3 ½ Jahren hinweg und zum Teil mit sehr langen Intervallen von mehr als einem Jahr. Darüber hinaus handelte es sich jeweils um relativ geringe Beträge von nicht mehr als 246,00 €. Von einer kontinuierlichen Zahlungsstockung des Schuldners kann also keine Rede sein, zumal die rückständigen Raten jeweils zeitnah ausgeglichen worden sind (Anlage B 2), es demnach zu keinen erheblichen Rückständen bei der Beklagten kam. Zwar hat die Beklagte den Schuldner wegen der Rückstände mehrfach mit Mahngebühren belastet. Es ist jedoch bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass dies im Rahmen eines automatisierten Mahnwesens erfolgte und sich die maßgeblichen Personen bei der Beklagten hierüber keine weiteren Gedanken machen mussten. Dies gilt umso mehr, als auch die Mahngebühren seitens des Schuldners zeitnah beglichen worden sind. Die Beklagte musste also keinen weiteren Druck ausüben, um den Schuldner zur Zahlung zu bewegen. Ihre Maßnahmen der Forderungseinziehung erwiesen sich vielmehr als erfolgreich.
Der Beklagten musste sich folglich nicht aufdrängen, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten ständig verspätet zahlt und daher einen Berg an Verbindlichkeiten vor sich herschiebt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 06.12.2012 − IX ZR 3/12, NZI 2013, 140 Rn. 21). Es ist auch nichts darüber bekannt und insbesondere vom Kläger nicht vorgetragen worden, dass der Schuldner an die Beklagte mit der Bitte um vorübergehende Stundung, Prolongation oder Reduzierung der monatlichen Raten herangetreten ist.
dd) Im Ergebnis kam es aus Sicht der Beklagten also lediglich zu einer vorübergehenden Nichtbedienung der Darlehensforderung, wobei der jeweilige Rückstand im Verhältnis zum Gesamtkreditbetrag nicht sonderlich hoch war. Unter diesen Umständen musste die Beklagte nicht zweifelfrei auf unüberwindliche Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners schließen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.09.2018 – 12 W 7/18, juris Rn. 11). Auch die Kammer kann sich nach Würdigung aller aufgeführten Tatsachen nicht von der erforderlichen Kenntnis der Beklagten überzeugen.
2. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO liegen ebenfalls nicht vor.
Zwar erfolgten die an die Beklagte geleisteten Zahlungen auf fällige und durchsetzbare Ansprüche hin und es kann auch unterstellt werden, dass die sonstigen objektiven Voraussetzungen des genannten Anfechtungsgrundes gegeben waren.
Jedoch kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte im jeweiligen Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. den Eröffnungsantrag positiv kannte. Es gelten hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen die gleichen Beweisanforderungen wie im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO. Dies gilt namentlich für das Ergebnis der Gesamtwürdigung aller Umstände und Indizien. Die Kammer vermag – wie oben bereits dargelegt – insbesondere nicht zweifelfrei festzustellen, dass die Beklagte Kenntnis von solchen Umständen hatte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO). Der zwingende Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit kann nur dann gezogen werden, wenn sich ein redlich Denkender aufgrund der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.2009 – IX ZR 62/08, NJW 2009, 1202 Rn. 14 mwN). Hieran fehlt es im Streitfall. Die der Beklagten nachgewiesenermaßen bekannten Tatsachen mussten – wenn überhaupt – nur die ungewisse Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit befürchten lassen. Dies genügt im Rahmen des § 130 InsO jedoch nicht (vgl. MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, aaO, § 130 Rn. 33).
3. Mangels einer Hauptforderung schuldet die Beklagte weder Zinsen, noch die Erstattung von Mahnkosten und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
II.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
2. Bei der Festsetzung des Streitwertes bleiben außergerichtliche Rechtverfolgungskosten und sonstige Nebenforderungen außer Betracht (§ 43 Abs. 1 GKG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben