IT- und Medienrecht

Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für eine Zweitwohnung

Aktenzeichen  7 ZB 20.2880

Datum:
25.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1728
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3
RBStV § 4a Abs. 1

 

Leitsatz

Sofern eine Doppelbelastung durch tatsächliche Zahlung des Rundfunkbeitrags für mehr als eine Wohnung nicht vorliegt, besteht kein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für eine Zweitwohnung. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 20.165 2020-10-22 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 367,50 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 124 Abs. 2 VwGO geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
I.
Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
1. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage auf Befreiung des Klägers von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung S* …str. …, … B* …, in der er mit Zweitwohnsitz gemeldet ist, mit angefochtenem Urteil vom 22. Oktober 2020 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Befreiung für seine Zweitwohnung in B* …, weil er zwar auch Inhaber der Erstwohnung in F* … sei, er jedoch für die Wohnung in F* … weder derzeit noch in der Vergangenheit seiner Rundfunkbeitragspflicht nachgekommen sei. Für die Wohnung in F* … zahle derzeit und in der Vergangenheit nicht der Kläger selbst die Rundfunkbeiträge, sondern ein Herr R.H.
2. Durch die Einwendungen des Klägers im Zulassungsverfahren werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
Der Kläger wendet zusammengefasst ausschließlich ein, das Verwaltungsgericht unterscheide in seiner Urteilsbegründung nicht hinreichend zwischen Nr. 1 und Nr. 2 des Tenors der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 18. Juli 2018 und verwende die Begriffe „herangezogen werden“ und „nachkommen“ ohne nähere Begründung inhaltsgleich. Daraus, dass die Voraussetzungen der Nr. 1 des Urteilstenors der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung nicht gegeben seien, könne nicht zugleich geschlossen werden, dass auch die Voraussetzungen der Nr. 2 des Urteilstenors nicht vorlägen. Nach Nr. 2 des Urteilstenors sei entscheidend, dass die Person als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs. 1 und 3 RBStV nachkomme, so dass dann unter den weiteren Voraussetzungen der Nr. 2 des Urteilstenors zu befreien sei. Es sei nicht verständlich, dass das Verwaltungsgericht nicht geprüft habe, ob diese Voraussetzungen beim Kläger vorlägen. Es könne nicht ausschließlich auf die mehrfache Heranziehung abgestellt werden. Für den Befreiungsanspruch sei die Auslegung der Formulierung „nachkommen“ und nicht die Formulierung „herangezogen werden“ entscheidend. Somit liege ein Fehler bei der Rechtsanwendung vor, der sowohl Normauslegung als auch Subsumtion umfasse. Zweifel an der Subsumtion begründeten zwingend und regelmäßig Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils auf. Der Kläger rügt im Wesentlichen ausschließlich eine nach seiner Ansicht fehlerhafte und ohne Begründung erfolgte inhaltsgleiche Auslegung der Begriffe „herangezogen werden“ und „nachkommen“, ohne jedoch deutlich zu machen, warum es hierauf im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts, ein Anspruch auf Befreiung scheitere im Fall des Klägers, weil dieser nicht für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung zu insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag herangezogen werde bzw. worden sei, überhaupt ankommt. Wenn der Kläger insoweit lediglich darauf verweist, dass „es für die Entscheidung der vorliegenden Fallkonstellation sehr wohl entscheidend“ sei, „ob die Beitragsschuld für die Erstwohnung erlischt“, verkennt er die Gründe, warum nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – (BGBl I 2018, 1349 Rn. 106 ff.) die Bemessung des Rundfunkbeitrags bei Zweitwohnungen gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit verstößt. Hierzu hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass es dabei nicht entscheidend um das Erlöschen der Betragspflicht für die Erstwohnung in F* … geht, sondern es auf eine – monetäre – Doppelbelastung des Klägers für denselben Vorteil aus dem Rundfunkempfang ankommt. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausführlich und unter teilweise wörtlicher Wiedergabe der maßgeblichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – (a.a.O.) erläutert, dass der Kläger als Zweitwohnungsinhaber eben nicht – wie es die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltende, mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Rechtslage vorsah – für denselben personenbezogenen Vorteil aus dem Rundfunkempfang zahlungsmäßig doppelt, d.h. tatsächlich durch (eigene) Zahlung des Rundfunkbeitrags für die Wohnungen in B* … und in F* … herangezogen wurde und wird. Dass das Verwaltungsgericht bei der Prüfung des Befreiungsanspruchs von falschen Tatsachen hinsichtlich der Person des die Rundfunkbeiträge für die Wohnung in F* … Zahlenden ausgegangen ist, hat der Kläger nicht gerügt. Da eine Doppelbelastung des Klägers durch tatsächliche Zahlung des Rundfunkbeitrags für mehr als eine Wohnung weder vorlag noch vorliegt, ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger weder auf Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 noch gemäß dem seit 1. Juni 2020 geltenden § 4a Abs. 1 RBStV einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für seine Zweitwohnung in B* … hat.
II.
Ungeachtet dessen, dass der Kläger bereits nicht seinen Darlegungspflichten aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO im gebotenen Maß nachgekommen ist, weist die Rechtssache vorliegend keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei stets die Qualität, nicht die Quantität (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27). Der Senat vermag besondere rechtliche Schwierigkeiten aus den unter Nr. I genannten Gründen nicht zu erkennen.
III.
Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Diesen Darlegungspflichten kommt der Kläger bereits nicht nach. Der Zulassungsantrag wirft weder eine klärungsbedürftige Frage auf, noch enthält er irgendwelche i.S.d. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Ausführungen. Ungeachtet dessen hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Frage der Befreiung eines Zweitwohnungsinhabers durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 geklärt ist. Für ab dem 1. Juni 2020 geltend gemachte Ansprüche auf Befreiung des Zweitwohnungsinhabers sind die Voraussetzungen in § 4a Abs. 1 Satz 1 RBStV normiert. Klärungsbedürftig sind nur Fragen, die nicht bereits rechtlich geklärt oder ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 38).
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO
Streitwertfestsetzung: § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.


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