IT- und Medienrecht

Beschwerde, Prozesskostenhilfeantrag, Unterlassungsantrag, Unterlassung, Unterlassungsbegehren, Prozesskostenhilfegesuch, Streitgegenstand, Schriftsatz, Umfang, Klage, Rechtsauffassung, Erstbegehungsgefahr, Briefkasten, Dritte, begehrte Unterlassung

Aktenzeichen  3 W 175/21

Datum:
25.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44542
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

10 O 3309/19 2020-10-30 Bes LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.10.2020, Az. 10 O 3309/19, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 23.06.2020 (Az. 3 W 1837/20) führte der Senat aus, warum für die Rechtsverteidigung der Beklagten keine Erfolgsaussicht bestehe.
Den Antrag der Beklagtenvertreterin im Schriftsatz vom 02.10.2020 legte der Senat als neuen Prozesskostenhilfeantrag aus und übersandte ihn an das Landgericht Nürnberg-Fürth. Daraufhin wies das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Beschluss vom 30.10.2020 das Prozesskostenhilfegesuch der Beklagten (erneut) zurück.
Dagegen wendet sich die Beklagte in ihrer sofortigen Beschwerde. Antragsgemäß wurde vom Landgericht die Frist zur Begründung der Beschwerde bis 10.01.2021 verlängert. Innerhalb dieser Frist ging keine Beschwerdebegründung ein.
Mit Beschluss vom 14.01.2021 half das Landgericht der Beschwerde nicht ab.
Eine Beschwerdebegründung ging beim Oberlandesgericht am heutigen Tag ein.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet und daher zurückzuweisen. Denn für die Rechtsverteidigung der Beklagten besteht (weiterhin) keine Erfolgsaussicht.
1. Die mit klägerischem Schriftsatz vom 30.09.2020 erfolgte Klageänderung macht entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten die Klage nicht unzulässig. Denn damit wurde klargestellt, dass sich das Unterlassungsbegehren gegen vier konkrete Aussagen im (ausdrücklich wiedergegebenen) Schreiben der Beklagten vom April 2019 richtet. Durch diese Formulierung ist der Unterlassungsantrag hinreichend deutlich gefasst, sodass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, die Beklagte sich deshalb erschöpfend verteidigen kann und dem Vollstreckungsgericht nicht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was der Beklagten verboten ist (vgl. BGH, GRUR 2019, 813, Rn. 23).
2. Im Übrigen wird auf den ausführlich begründeten Beschluss des Senats vom 23.06.2020 (Az. 3 W 1837/20) Bezug genommen. Die Ausführungen der Beklagten in der Beschwerdebegründung, die am 25.01.2021 beim Oberlandesgericht einging, führen zu keiner anderen Beurteilung.
a) Der Senat hält an seiner im Beschluss vom 23.06.2020 geäußerten Einschätzung fest, dass es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen in Ziffern I.1. und I.3. um Tatsachenbehauptungen und bei den Äußerungen in Ziffern I.2. und I.4. um Werturteile handelt.
b) Zutreffend führt die Beklagte aus, dass die angegriffenen Meinungsäußerungen weder als Formalbeleidigung noch als Schmähung einzustufen sind. Daher ist über die Rechtswidrigkeit im Rahmen einer Gesamtabwägung zu entscheiden, die im vorliegenden Fall dazu führt, dass der Eingriff in die Ehre und das Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtswidrig war.
c) Es besteht eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr in Bezug auf die begehrte Unterlassung des Behauptens und des Verbreitenlassens bzw. Verbreitens der Behauptungen.
Nicht nachvollzogen werden kann der Einwand der Beklagten, es handele sich bei dem im Antrag aufgeführten Schreiben vom April 2019 mit den streitgegenständlichen Behauptungen „nicht um ein Schreiben der Beklagten“. Das Schreiben ist mit ihrer Unterschrift versehen. In der Klageerwiderung führte sie unter Vorlage von Anlage B 11 – welche dieses Schreiben enthielt – aus, dass es sich um ein Schreiben von ihr handele. Die Wiederholungsgefahr wird somit in Bezug auf die begehrte Unterlassung des Behauptens der in den Schreiben enthaltenen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen vermutet (vgl. BGH, NJOZ 2020, 454, Rn. 20).
In Bezug auf die Tatsache, dass die Beklagte das streitgegenständliche Schreiben nicht nur verfasste, sondern auch in mehrere Hausbriefkästen in Nürnberg einwerfen, die in dem Schreiben aufgestellten Behauptungen somit verbreiten ließ, ist die Beklagte zumindest mittelbare Störerin (vgl. BGH, NJW 1989, 902). Im Rahmen der dabei vorzunehmenden Beweiswürdigung (vgl. dazu OLG München, Beschluss vom 01.09.2010 – 5 W 1810/10, juris-Rn. 13) ist einerseits zu berücksichtigen, dass es aufgrund der Formulierung des streitgegenständlichen Schreibens – welches sich ersichtlich an Dritte richtet – naheliegt, dass das Schreiben nicht nur in den Briefkasten des Klägers eingeworfen, sondern auch an Dritte weitergeleitet wurde. Zum anderen kann nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Beklagte nach eigenem Vortrag als Patientenschützerin engagiert und die Kritik „deshalb geäußert hat, da sie anderen Personen helfen möchte, insbesondere Menschen […] die sich nicht ohne weiteres durchsetzen können gegenüber Ärzten“, was ebenfalls den Schluss nahelegt, dass das Schreiben an Dritte gerichtet ist. Schließlich ist in die Würdigung einzubeziehen, dass die Beklagte einräumt, das Schreiben im April 2019 in den Briefkasten des Klägers eingeworfen zu haben, und die Tatsache, dass dieses Schreiben in verschiedenen Hausbriefkästen von Dritten aufgefunden wurde, von der Beklagten nicht bestritten ist (in ihrer persönlichen Stellungnahme vom 28.08.2019 hat die Beklagte sogar ausdrücklich zugestanden, dass die diesbezüglichen Beobachtungen der klägerseits benannten Zeugen umstreitig seien).
Es besteht vor dem Hintergrund der dargestellten unstreitigen Tatsachen und der Vorgaben des § 138 Abs. 2 ZPO zumindest eine Erstbegehungsgefahr, dass die Beklagte die aufgestellten Behauptungen auch selbst verbreitet. In diesem Zusammenhang ist auch der Sachverhalt, der Grundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 20.02.2019, Az. 10 O 457/19 (Anlage K 10), war und im gerichtlichen Protokoll festgehalten ist (§§ 415, 418 ZPO), zu berücksichtigen. Es sind daher ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden, die Beklagte werde in naher Zukunft an Verbreitungshandlungen mitwirken, was einen vorbeugenden, auf Erstbegehungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch begründet (OLG Köln, NZM 2009, 600).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Für die Zurückweisung der Beschwerde fällt kraft Gesetzes an Gerichtsgebühren eine Festgebühr in Höhe von 60,00 € nach KV 1812 GKG an. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).


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