IT- und Medienrecht

Bestattungsrecht – Uneinheitliche Rechtsanwendung durch verschiedene Behörden desselben Rechtsträgers

Aktenzeichen  AN 4 K 17.02431

Datum:
27.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2019, 150
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBestV § 1, § 14 Abs. 2 S. 2, § 15
BayBestG Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 15, Art. 18 Abs. 1 Nr. 10
GG Art. 20 Abs. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 155 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Die Mutter eines Verstorbenen ist als bestattungspflichtige Angehörige verpflichtet, die Kosten der Bestattung ihres Sohnes zu tragen, auch wenn sie nicht geschäftsfähig ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Rechtsträger muss sich gegenüber demselben Bürger widerspruchfrei verhalten. Dagegen wird verstoßen, wenn das Sozialamt dem Bürger zur Klage gegen den Bescheid der eigenen Friedhofsverwaltung rät. (Rn. 19 und 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin konnte unabhängig von der Frage der vorliegenden Geschäftsfähigkeit zur Erstattung der Bestattungskosten herangezogen werden (Ziffer 1). An diese Entscheidung sind die Beteiligten – einschließlich sämtlicher behördlicher Organisationseinheiten – gebunden (Ziffer 2). Da die Beklagte das Verfahren selbst verschuldet hat, ist sie vorliegend entgegen des gesetzlichen Regelfalls zur Kostentragung heranzuziehen (Ziffer 3).
1. Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Bescheid als zuständige Behörde erlassen. Die Gemeinde ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Bestattungsgesetzes (BestG) ermächtigt, von einem Pflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten zu verlangen.
Die Klägerin ist als Mutter des Verstorbenen bestattungspflichtige Angehörige (Art. 15 BestG i.V.m. §§ 15, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. c BestV) und damit nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Erstattung der notwendigen Kosten der Bestattung verpflichtet. Hinsichtlich der Höhe der Kosten wurden keine Einwendungen gemacht und die Geltendmachung nicht notwendiger Kosten ist nicht erkennbar.
Nichts anderes ergibt sich vorliegend aus der fehlenden Geschäftsfähigkeit der Klägerin. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung (VG Ansbach, U.v. 28.1.2015 – Az. AN 4 K 14.01108) geht der erkennende Einzelrichter davon aus, dass der Verweis in § 15 Satz 1 BestV durch seine Formulierung mit Bezug auf „die in § 1 BestV genannten Angehörigen“ nicht auch das in § 1 BestV formulierte Erfordernis der Geschäftsfähigkeit mitumfasst. Die Vorschrift nimmt bewusst nur auf die Aufzählung Bezug. Der weiteren – in der Vergangenheit gemachten – Begründung (VG Ansbach, a.a.O.) tritt das Gericht zwischenzeitlich nicht mehr näher. Insbesondere die Argumentation, nur der geschäftsfähige Bestattungspflichtige könne eine Bestattung im Sinne des Verstorbenen vornehmen, vermag in dem ordnungsrechtlichen Zusammenhang der Vorschrift nicht zu überzeugen.
2. Die Beiladung war vorliegend ausnahmsweise geboten, um das rechtliche Interesse an der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gegenüber der Klägerin sicherzustellen (§ 65 Abs. 1 VwGO). Das rechtliche Interesse ergibt sich unmittelbar aus der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG).
Die Besonderheit des vorliegenden Falles ergibt sich daraus, dass die Beklagte als einheitliche Rechtsträgerin durch ihre unterschiedlichen Organisationseinheiten eine gespaltene Rechtsauffassung vertreten hat: während die Friedhofsverwaltung der Geschäftsfähigkeit keine Erheblichkeit für die Frage der Erstattungspflicht zugerechnet hat, hat die Sozialverwaltung die Klägerin dahingehend beraten (Bl. 20 der Gerichtsakte), gegen den Bescheid der (eigenen) Friedhofsverwaltung vorzugehen, da die Klägerin nicht geschäftsfähig sei. Die Sozialverwaltung war der Auffassung, dass aufgrund der Rechtswidrigkeit des Bescheides der (eigenen) Friedhofsverwaltung eine Erstattung nach Art. 74 SGB XII nicht in Betracht komme.
Diese uneinheitliche Behandlung des identischen Sachverhalts stellt unter den gegebenen Umständen einen eklatanten Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip dar, ohne dass auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz des venire contra factum proprium vorliegend Bezug genommen werden muss. Die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) bedeutet, dass ein Rechtsträger sich – unabhängig von möglichen Rechtsauffassungen – jedenfalls gegenüber demselben Bürger widerspruchsfrei verhält. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass interne Meinungsverschiedenheiten zu Lasten des Bürgers ausgelebt werden. Dies ist so offensichtlich und grundlegend, dass sie sogar dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) vorgehen, aus dem ein Anspruch aus einer Verwaltungspraxis bei vergleichbaren Sachverhalten für unterschiedliche natürliche Personen hergeleitet werden kann (sog. Selbstbindung der Verwaltung). Die Grundsätze der Bestandskraft stehen diesen Überlegungen nicht entgegen.
Vorliegender Gerichtsbescheid bindet jede Behörde der Beklagten sowie jeden weiteren Beteiligten und ist bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen ggf. auch vollstreckbar. Dabei ist klarzustellen, dass die Bindungswirkung sich nach dem Streitgegenstand richtet und ein Auseinanderfallen mit der Entscheidung des Sozialamtes zu Art. 74 SGB XII aus anderen Gründen möglich bleibt.
3. Die Klage war daher abzuweisen. Die Kosten waren vorliegend nach § 155 Abs. 4 VwGO der Beklagten aufzuerlegen, da es zu der Klage durch ihr Verschulden gekommen ist. Das der Beklagten zurechenbare Verhalten ihrer Behördenvertreter gegenüber der Klägerin verstößt gegen oben angeführte rechtsstaatliche Grundsätze, namentlich gegen die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG).
Entgegen dem Grundsatz, dass der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt (§ 154 Abs. 1 VwGO) enthält § 155 Abs. 4 VwGO eine Spezialregelung dahingehend, dass Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden können. Hiervon macht das Gericht Gebrauch.
Anlass der Klage war die Empfehlung der Sozialverwaltung der Beklagten sich gegen den Bescheid zu wenden. Diesem Vorbringen ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Auch im Nachhinein war die Beklagte nicht dahin zu bewegen, für eine einheitliche Rechtsanwendung zu sorgen – wenn auch unter dem möglicherweise missverständlichen Hinweis auf das Verbot des venire contra factum proprium. Letztendlich bleibt es aber dabei, dass die Kosten des Verfahrens nur deswegen entstanden sind, weil die Beklagte die Klägerin zur Erhebung der Klage beraten hat und die Beklagte offensichtlich organisatorisch keine geeigneten Möglichkeiten vorgesehen hat, eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen. Es handelt sich daher jedenfalls um ein Organisationsverschulden.


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