IT- und Medienrecht

Diesel-Abgasskandal: Kein Anspruch auf Nacherfüllung durch Lieferung eines aliud

Aktenzeichen  8 U 1710/17

Datum:
2.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24016
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 241 Abs. 2, § 243 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 311, § 433, § 434, § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 3, § 291

 

Leitsatz

1. Der Käufer eines vom Diesel – Abgasskandal betroffenen PKWs hat keinen Anspruch auf Nacherfüllung durch Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion eines Herstellers, wenn dieses aufgrund eines zwischenzeitlichen Modellwechsels einhergehend mit wesentlichen technischen Änderungen (hier: leistungsstärkere Motorisierung, Zertifizierung für eine höhere Abgasnorm, Einsatz eines sog. Modularen Querbaukastens) nicht mehr als gleichartig und gleichwertig zum Kaufgegenstand, mithin als aliud anzusehen ist. (Rn. 18 – 21)
2. Zur Feststellung der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit von ursprünglichem Kaufgegenstand und dem im Wege der Nacherfüllung begehrten Gegenstand kann auf der Grundlage substantiierten Parteivortrages zur Vermeidung unnötiger Beweisaufnahmen auf allgemein einfach zugängliche, zuverlässige Quellen, wie z.B. Wikipedia, zurückgegriffen werden, so dass sich etwaige Abweichungen als offenkundig im Sinn von § 291 ZPO erweisen können. (Rn. 16)
3. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage bedarf es auch deshalb nicht, weil es sich bei der Frage, ob der Klagegegenstand vom Anspruch auf Nachlieferung umfasst ist, um eine Rechtsfrage handelt, die dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist. (Rn. 17)

Verfahrensgang

4 O 298/16 2017-04-20 Endurteil LGPASSAU LG Passau

Tenor

1. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 20.04.2017, Az. 4 O 298/16, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 17.08.2018.
3. Innerhalb dieser Frist können sich die Parteien auch zum Streitwert äußern, den der Senat beabsichtigt auf bis zu 35.000 € festzusetzen.

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.
I. Berufungsrelevanter Sach – und Streitstand
Die Parteien streiten um die Nacherfüllung eines Kaufvertrages über einen fabrikneuen Audi A 3 Sportback 2.0 TDI quattro, 103 kW /140 PS, den der Kläger am 19.03.2012 bei der Beklagten, einem Vertragshändler der Audi AG, mit umfangreicher Sonderausstattung zu einem Preis von 39.240 Euro bestellt hatte (Anlage K 1). Dem Kaufvertrag wurden sog. Neuwagen – Verkaufsbedingungen zugrunde gelegt, wo in Ziff. IV. 6. S. 1 bestimmt ist: „Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen ober Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind.“ In dem am 28.06.2012 ausgelieferten PKW ist ein Dieselmotor des Herstellers VW AG aus der Motorbaureihe EA189 verbaut, der für die Abgasnorm Euro 5 zertifiziert und werkseitig mit einer Steuersoftware ausgestattet ist, die zwischen Testbetrieb (sog. NEFZ – Test = Neuer europäischer Fahrzyklus) und normalen Fahrbetrieb unterscheidet. Außerhalb des Testbetriebs werden die Schadstoffgrenzwerte für die Abgasnorm 5 nicht eingehalten. Vor diesem Hintergrund begehrt der Kläger von der Beklagten erstinstanzlich u.a. Nachlieferung eines „mangelfreien fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug Audi A 3, FIN: WAUZZZ8P3CA164082 Zug um Zug gegen Rückübereignung“ des gekauften Fahrzeugs.
Der kaufvertragsgegenständliche Audi A 3 wird unstreitig nicht mehr hergestellt. In der aktuellen Serienproduktion ist – abgesehen von der Änderung der Software – ein Motor verbaut, der mit der Abgasnorm EURO 6 zertifiziert und mit 110 kW (150 PS) leistungsstärker ist.
Die Beklagte hat den Einwand der Unmöglichkeit der Nachlieferung erhoben und unter Antritt von Zeugen-, Sachverständigen – und Urkundenbeweis sowie Vorlage von Lichtbildern erstinstanzlich mit Schriftsätzen vom 16.01.2017, S. 31 ff. (Bl. 329 ff.) und vom 09.03.2017, S. 3 ff. (Bl. 376 ff.) – und erneut in der Berufungserwiderung vom 30.10.2017, S. 13 ff. (Bl. 591 ff.) – vorgetragen, dass das kaufvertragsgegenständliche Fahrzeug der sog. zweiten Modellgeneration angehöre, die seit Oktober 2012 nicht mehr hergestellt werde. Dieses unterscheide sich grundlegend von den Fahrzeugen aus der aktuellen Serienproduktion nicht nur hinsichtlich des Motortyps, der Motorleistungen und der Ausstattung mit der Euro – 6 – Typengenehmigung, sondern auch hinsichtlich der Baureihe (3. Modellgeneration), des Typs (internen Typenbezeichnung 8V statt 8P), der Karosserie, des erstmals dort eingesetzten sog. Modularen Querbaukastens und sonstigen technischen Weiterentwicklungen. Es handele sich bei der aktuellen Modellgeneration des Audi A 3 um eine komplette Neukonstruktion, die mit dem (zum Zeitpunkt des Schriftsatzes) fünf 1/ 2 Jahre alten Fahrzeug des Klägers nichts mehr gemein habe. In dem als Anlage B 12 vorgelegten Artikel des Audikonzerns „Erfolgsmodell Audi 3: zwei Jahrzehnte, drei Generationen“ sind detailliert die Neuerungen bei Cockpit, Antrieb, Kraftübertragung, Licht und den Assistenzsystemen dargestellt.
Das Erstgericht hat durch Urteil vom 20.04.2017 die Klage abgewiesen und dies primär auf die Unverhältnismäßigkeit der begehrten Ersatzlieferung gestützt.
Mit Kaufvertrag vom 23.10.2017 (Anlage R 145) hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 117.900 km zu einem Preis von 6.200 Euro weiterveräußert.
In der Berufungsinstanz trägt der Kläger vor (S. 29/ 30 der Berufungsbegründung, Bl. 557 f.), die darlegungs – und beweisbelastete Beklagte sei ihrer Darlegungslast bezüglich einer Unmöglichkeit der begehrten Nachlieferung nicht nachgekommen, sondern habe dazu lediglich pauschal ins Blaue hinein vorgetragen. Sie hätte stattdessen im Detail darlegen müssen, warum (anstelle des vom Kläger bestrittenen Modellwechsels) nicht lediglich ein Facelift mit geringen Änderungen vorliege. Für die Beantwortung der Frage der Unmöglichkeit bedürfe es der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Lieferung eines nicht manipulierten Fahrzeug mit dem Motor EA189 wie auch dessen Herstellung noch möglich seien (Bl. 558).
Mit Verfügung vom 08.03.2018 (Bl. 615) hat der Senat darauf hingewiesen, dass es für die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf die beantragte Ersatzlieferung zusteht, darauf ankommt, ob das von ihm begehrte Fahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion zur alten „gleichartig und gleichwertig“ ist und Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 04.06.2018 (Bl. 625/ 631) Stellung genommen, erachtet weiterhin den Vortrag der Beklagten für unsubstantiiert und begehrt nunmehr in Abänderung seines ursprünglichen Berufungsantrages Ziff. 2 Nachlieferung eines „mangelfreien fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit gleichartiger und gleichwertiger technischer Ausstattung … Zug um Zug gegen Zahlung eines von der Beklagten noch darzulegenden Wertersatzes.“ Der Senat geht davon aus, dass er dies weiterhin hilfsweise neben dem ursprünglich von ihm gestellten Hauptantrag, der auf Aufhebung und Zurückverweisung gerichtet ist (Bl. 530), begehrt, ggfs. möge sich der Kläger hierzu äußern.
II. Offensichtliche Aussichtslosigkeit der Berufung des Klägers, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
Die Berufung des Klägers hat nach der derzeitigen Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Berufungsbegründung vom 10.08.2017 (Bl. 530/ 564) sowie die ergänzenden Ausführungen des Klägers vom 04.06.2018 (Bl. 625/ 631) vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, denn das Landgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Nachlieferung eines fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion (und damit auch ein Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten und auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten) kommt vorliegend unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.
1. Anspruch gemäß §§ 434, 437 Nr. 1, 439 BGB
Dem Kläger steht das einzig von ihm geltend gemachte Gewährleistungsrecht der Nachlieferung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB bereits deshalb nicht zu, weil die Nachlieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion nicht von einem etwaigen Nacherfüllungsanspruch des Klägers umfasst ist (dazu nachfolgend unter Ziff. II. 1. a.) Eine Nachlieferung aus der alten Serienproduktion begehrt der Kläger nicht, sie wäre im Übrigen auch gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich (dazu nachfolgend unter Ziff. II. 1. b.). Ob die übrigen Voraussetzungen eines Gewährleistungsanspruchs vorliegen, kann deshalb dahin gestellt bleiben.
a.) Nacherfüllungsanspruch bezüglich eines Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion
aa.) Ob eine Nacherfüllung in der vom Käufer gewünschten Form in Betracht kommt, ist nach dem im Wege der Auslegung anhand der Interessenlage und der Verkehrsanschauung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss zu beurteilen. Der BGH führt dazu mit Urteil vom 07.06.2006 (Az.: VIII ZR 209/ 05, NJW 2006, 2839, Rz. 23) aus: „Möglich ist die Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Parteien dann, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann.“
Zu Sinn und Zweck der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers führt der BGH im Urteil vom 17.10.2012 (Az.: VIII ZR 226/ 11, BeckRS 2012, 24126, Rz. 24) wie folgt aus: „Bei dem Nacherfüllungsanspruch aus § 439 Abs. 1 BGB handelt es sich nach der gesetzgeberischen Konzeption der Schuldrechtsreform um eine Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs aus § 433 Abs. 1 BGB (BT – Drucks. 14/ 6040, S. 221). Bei der in § 439 Abs. 1 BGB als eine der beiden Alternativen der Nacherfüllung vorgesehenen Lieferung einer mangelfreien Sache decken sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers, wie schon aus der gesetzlichen Formulierung hervorgeht, der Nacherfüllungsanspruch und der ursprüngliche Erfüllungsanspruch hinsichtlich der vom Verkäufer geschuldeten Leistungen; es ist lediglich anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie – im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige – Sache zu liefern. Die Ersatzlieferung erfordert daher eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu der der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB verpflichtet ist; der Verkäufer schuldet nochmals die Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums einer mangelfreien Sache – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Denn mit der Nacherfüllung soll nach der gesetzgeberischen Konzeption der Schuldrechtsreform lediglich eine nachträgliche Erfüllung der Verkäuferpflichten aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB durchgesetzt werden; der Käufer soll mit der Nacherfüllung das erhalten, was er vertraglich zu beanspruchen hat…“. Mithin ist die Nacherfüllung darauf beschränkt, die nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB vom Verkäufer geschuldete Erfüllung im zweiten Anlauf zu bewerkstelligen (BGH, aaO, Rz. 25).
bb.) In technischer Hinsicht steht auf der Grundlage des beiderseitigen Parteivortrages bezüglich des ursprünglichen Kaufgegenstandes und des Gegenstands der begehrten Nacherfüllung folgendes fest:
– Das kaufvertragsgegenständliche Fahrzeug entstammt der sog. zweiten Modellreihe des Kompaktklassefahrzeugs Audi A 3, die bis zum Jahr 2013 produziert wurde. Die interne Typenbezeichnung lautet 8V. Bei dem Audi A 3, 2.0 TDI des Klägers wurde ein Motor der Baureihe VW EA189 mit einer maximalen Leistung von 103 kW /140 PS verbaut, der (allenfalls) die Abgasnorm Euro 5 erfüllt.
– Fahrzeuge der aktuellen Serienproduktion des Audi A 3 bilden die sog. dritte Generation/ Modellreihe. Es hat mithin ein Modellwechsel stattgefunden. Die interne Typenbezeichnung lautet 8P. Es wird bei dem Audi A 3, 2.0 TDI ein Motor der Baureihe VW EA288 verbaut mit einer maximalen Leistung von 110 kW/ 150 PS, der mit der Abgasnorm Euro 6 zertifiziert ist. Zum Einsatz kommt der sog. Modulare Querbaukasten nebst technischen Neuerungen beim Cockpit, Antrieb, Licht und den Assistenzsystemen.
Entgegen der Behauptung des Klägers hat die Beklagte substantiiert – und zwar bereits in 1. Instanz, so dass sich die vom Kläger aufgeworfene Frage der Präklusion von Sachvortrag in der Berufungsinstanz nicht stellt – zu den zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen zwischen dem kaufvertragsgegenständlichen Fahrzeug und dem begehrten Fahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion vorgetragen. Der Kläger seinerseits ist dem nicht substantiiert entgegengetreten mit der Folge der Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO. Ob einfaches Bestreiten genügt, hängt vom Einzelfall ab, insbesondere davon, wie substantiiert der Vortrag der Gegenpartei ist und ob die Partei den Geschehnissen so fern steht, dass ihr ein substantiiertes Bestreiten gar nicht möglich ist (Thomas/ Putzo – Seiler, § 138 ZPO, Rn. 16). Nachdem dem Kläger die wesentlichen Eckdaten zu seinem (ehemaligen) Fahrzeug bekannt sind, wäre es ihm auch ohne Weiteres möglich gewesen sich substantiiert/ inhaltlich zu dem Beklagtenvortrag zu äußern.
Im Übrigen sind die dargestellten Abweichungen auch offenkundig im Sinn von § 291 ZPO, da sie sich aus allgemein einfach zugänglichen, zuverlässigen Quellen, wie z.B. Wikipedia (Stichwort Audi A 3 8P und Audi A 3 8V) ergeben. Zur Vermeidung unnötiger Beweisaufnahmen kann auf der Grundlage von substantiiertem Parteivortrag auf diese zurückgegriffen werden (so auch OLG Bamberg, Beschluss vom 18.12.2017, Az.: 1 U 106/ 17; BeckOK – Bacher, § 291 ZPO, Rn. 5; Zöller – Greger, § 291 ZPO, Rn. 1).
Soweit der Kläger zu seinem Vortrag der nicht gegebenen Unmöglichkeit der von ihm begehrten Nacherfüllung die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, bedurfte es dieser Beweiserhebung nicht. Die technischen Daten sind nicht beweiserhebungsbedürftig, da sie aufgrund des beiderseitigen Parteivortrags feststehen bzw. offenkundig sind. Ob der auf Nachlieferung eines Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion gerichtete Gewährleistungsanspruch des Klägers angesichts der Abweichungen der Fahrzeuge aus der zweiten und dritten Modellgeneration durchgreift, ist eine Rechtsfrage, die dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist.
cc.) Auf der vorgenannten rechtlichen und tatsächlichen Grundlage steht dem Kläger der geltend gemachte Nachlieferungsanspruch nicht zu.
Auch wenn im Falle eines Neuwagenkaufs eine absolute Identität im Hinblick auf alle Ausstattungsmerkmale nicht zu fordern ist (Reinking/ Eggert, Der Autokauf, Rz. 727), fehlt es vorliegend an der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit zwischen dem kaufvertragsgegenständlichen Fahrzeug und dem vom Kläger begehrten Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion, die auch nicht dadurch erreicht werden kann, dass der Kläger diese in seinen geänderten Klageantrag Ziff. 2 integriert, indem er ein Ersatzfahrzeug mit “gleichartiger und gleichwertiger technischer Ausstattung“ begehrt (dazu nachfolgend unter Ziff. II. 1. b.)
Die Parteien haben sich vorliegend unstreitig auf eine Gattungsschuld geeinigt (Bl. 559 und 593). Die Beklagte war mithin gemäß § 243 Abs. 1 BGB verpflichtet, ein Fahrzeug mittlerer Art und Güte aus der Gattung zu leisten. Eine Gattung bilden alle Gegenstände, die durch gemeinschaftliche Merkmale gekennzeichnet sind und die sich dadurch von anderen Gegenständen unterscheiden. Ob ein Gegenstand zur Gattung gehört, entscheidet der Parteiwille, wobei die Parteien Qualitätsmerkmale und Eigenschaften festlegen können, und ggfs. auch die Verkehrsanschauung (BGH, Urteil vom 23.11.1988, Az.: VIII ZR 247/ 87, NJW 1989, 218; Palandt – Grüneberg, § 243 BGB, Rn. 2). Ein Fahrzeug wird im Wesentlichen durch Marke, Baureihe, Typ, Karosserie, Motorisierung, Abgasnorm und äußeres Erscheinungsbild charakterisiert (OLG Nürnberg, Urteil vom 15.12.2011, Az.: 13 U 1161/ 11). Beim Neuwagenkauf ist eine Ersatzlieferung grundsätzlich so lange möglich, als es Sachen mit den der Gattung beigelegten Merkmalen und in sonst vertragsgemäßer Beschaffenheit gibt, mithin dann unmöglich, wenn die gesamte Gattung untergegangen oder mangelhaft ist (Witt, Der Dieselskandal und seine kauf – und deliktsrechtlichen Folgen, NJW 2017, 3681, 3683).
Die Auslegung des Kaufvertrages unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien und der allgemeinen Verkehrsanschauung ergibt, dass ein Fahrzeug, wie vom Kläger als Nacherfüllung begehrt, das einem Modellwechsel einhergehend mit wesentlichen technischen Änderungen unterzogen wurde, das mit einem anderen, auch leistungsstärkeren Motor ausgestattet ist und das die Abgasnorm Euro 6 (statt Euro 5) erfüllt, nicht mehr gleichartig und gleichwertig ist. Neue Modellreihen, höhere Motorisierungen und Zertifizierungen für bessere Abgasnormen gehen in den einschlägigen Käuferkreisen/ nach der Verkehrsanschauung regelmäßig mit einer höheren Wertigkeit einher, die sie z.B. wegen der uneingeschränkten Einsetzbarkeit im Straßenverkehr wegen der Erfüllung der Abgasnorm 6 auch tatsächlich haben. Das vom Kläger begehrte Fahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion gehört mithin nicht zu der Gattung des Kaufobjektes, das Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages war, so dass der Kläger Lieferung einer anderen Sache als die, die er gekauft hat, begehrt. Ein solches Nacherfüllungsverlangen geht jedoch über seinen ursprünglichen Erfüllungsanspruch und damit auch über die Pflichten des Verkäufers bei einer etwaigen Nacherfüllung hinaus (so auch OLG Bamberg, Beschluss vom 20.09.2017, Az.: 6 U 5/ 17 und Beschluss vom 18.12.2017, Az.: 1 U 106/ 17; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 06.03.2018, Az.: 16 U 110/ 17, BeckRS 2018, 8837, Rz. 8; OLG München, Hinweisbeschluss vom 27.02.2018, Az.: 27 U 2793/ 17).
dd.) Nichts Anderes ergibt sich aus der vom Kläger ins Feld geführten Klausel Ziff. IV.6. der Neuwagen – Verkaufsbedingungen. Vor dem Hintergrund, dass der Verkäufer es zwischen Kaufvertragsschluss und Fahrzeugauslieferung nicht in der Hand hat, dass der Fahrzeughersteller Modelländerungen vornimmt, beinhaltet diese Klausel lediglich ein einseitiges, auf Änderungen während der Lieferzeit beschränktes Leistungsbestimmungsrecht des Verkäufers gemäß § 315 Abs. 1 BGB, d.h. eine einseitige Erweiterung der Rechte des Verkäufers bei gleichzeitiger Beschränkung des Rechts des Käufers auf eine Billigkeitskontrolle und kann daher nicht im Gegenteil zur Begründung einer Benachteiligung des Verkäufers bei gleichzeitiger Erweiterung der Rechte des Käufers herangezogen werden. Ein Rechtsanspruch des Käufers auf ein Fahrzeug mit den jeweils neuesten Änderungen aus einer neuen Modellreihe kann hieraus ersichtlich nicht abgeleitet werden (OLG Bamberg, Beschluss vom 18.12.2017, Az.: 1 U 106/ 17; OLG Köln, aaO, Rz. 11, 12 m.w.N. zur Rechtsprechung; OLG München, Beschluss vom 27.02.2018, Az.: 27 U 2793/ 17).
b.) Unmöglichkeit der Nacherfüllung, § 275 Abs. 1 BGB
Soweit der Kläger nunmehr die Nachlieferung eines mangelfreien fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit gleichartiger und gleichwertiger technischer Ausstattung begehrt, ist eine solche Nacherfüllung unmöglich, da Fahrzeuge mit gleichartigem und gleichwertigem Motor nicht mehr hergestellt werden.
Soweit der Kläger vorträgt, die Lieferung eines nicht manipulierten Fahrzeugs mit dem Motor EA189 wie auch dessen Herstellung seien noch möglich, geht dieser Einwand schon deshalb ins Leere, weil der Kläger Nachlieferung eines Fahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion begehrt, die mit einem anderen Motortyp (EA288 statt EA189) und einem leistungsstärkeren Motor ausgestattet ist. Mithin kommt es nicht darauf an, ob der Beklagten die Herstellung eines Fahrzeugs mit dem beim Kläger verbauten Motor noch möglich ist.
Abgesehen davon scheidet eine Nachlieferung des ursprünglichen (mangelfreien) Fahrzeuges aus der vorangegangenen Modellreihe wegen Unmöglichkeit, § 275 Abs. 1 BGB, aus, da feststeht, dass diese Modellreihe nicht mehr hergestellt wird und damit die Gattung mit den von den Parteien beigelegten Merkmalen nicht mehr existiert (OLG Bamberg, Beschluss vom 02.08.2017, Az.: 6 U 5/ 17; OLG Köln, aaO, Rz. 4 ff.; OLG München, Beschluss vom 27.02.2018, Az.: 27 U 2793/ 17; BeckOK, Großkommentar – Höpfner, § 439 BGB, Rn. 102.1 m.w.N. zur Rechtsprechung unter Fn. 498).
2. Anspruch gemäß §§ 311, 241 Abs. 2 BGB
Der Kläger kann sein Begehren auch nicht, wie vom Erstgericht zutreffend auf S. 13 der Urteilsgründe ausgeführt, auf die §§ 311, 241 Abs. 2 BGB stützen unter Berufung auf hinsichtlich der Umweltfreundlichkeit und des CO 2 – Ausstoßes des Fahrzeuges falsche (Prospekt-) Angaben des Herstellers.
Die von der Rechtsprechung entwickelte Prospekthaftung hat ihre Grundlage in dem seinerzeit nicht gesetzlich regulierten sog. Grauen Kapitalmarkt. Sie basiert maßgeblich auf dem Umstand, dass der Emissionsprospekt meist die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Anders als bei Kapitalanlagen steht für die Entscheidung über den Erwerb eines bestimmten Fahrzeugs eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen zur Verfügung. Mithin ist die vom Kläger ins Feld geführte sog. Prospekthaftung auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, da ein Pkw nicht mit einem Kapitalanlageprodukt vergleichbar ist und es sich bei dem einem Fahrzeugkauf zugrunde liegenden Verkaufsprospekt nicht um einen „Prospekt“ im Sinne der kapitalmarktrechtlichen Rechtsprechung handelt (so auch OLG München, Beschluss vom 27.02.2018, Az.: 27 U 2793/ 17; LG Braunschweig, Urteil vom 27.09.2017, Az.: 3 O 3457/ 16).
Eine Haftung aus c.i.c., kodifiziert in §§ 241 Abs. 2 und 311 Abs. 2 und 3 BGB, scheidet hier schon grundsätzlich aus, da ein Kaufvertrag zustande gekommen und der Gefahrübergang stattgefunden hat, so dass §§ 434 ff. BGB als abschließende Sonderregelung gelten und vorgehen (Palandt – Weidenkaff, § 437 BGB, Rn. 51a).
Soweit man etwaige falsche, öffentliche, werbende Äußerungen des Herstellers des streitgegenständlichen Fahrzeugs in der Werbung in den Blick nimmt, können diese zwar gemäß § 434 Abs. 1 S. 3 BGB bei der Frage des Vorliegens eines Sachmangels grundsätzlich Bedeutung erlangen, zu einer Haftung der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Lieferung eines fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion führt auch dieser Aspekt jedoch nicht, wie bereits unter Ziff. II. 1. ausgeführt.
Zudem scheidet eine Haftung der Beklagten für ein etwaiges arglistiges Verschweigen/ Handeln von Mitarbeitern des Herstellers auch deshalb aus, da sich die Beklagte deren Verhalten nicht zurechnen lassen muss. Die Zurechnung des arglistigen Verhaltens Dritter bestimmt sich nach den §§ 123 Abs. 2, 166, 278 BGB. Damit hätte die Beklagte für das Verhalten der Fahrzeugherstellerin bzw. deren Mitarbeitern nur dann einzustehen, wenn deren Verhalten dem der Beklagten deshalb gleichzusetzen wäre, weil die Herstellerin mit Wissen und Wollen der Beklagten als deren Erfüllungsgehilfin aufgetreten wäre. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Hersteller einer Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft, sondern vielmehr Dritter iSd § 123 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 02.04.2014, Az.: VIII ZR 46/ 13, NJW 2014, 2183, Rn. 31; so auch Witt, aaO, NJW 2017, 3681, 3685). Beide sind selbständige, rechtliche Personen mit jeweils eigenständigen Pflichtenkreisen und eigenständigen Absatz – und Gewinninteressen. Die Nutzung der Herstellerwerbung seitens der Beklagten entspricht den im Wirtschaftsleben üblichen Abläufen, die nicht den Eindruck erwecken kann, der Händler sei Teil der Fahrzeugkonzeption und – herstellung oder habe hierauf Einfluss (OLG Köln, aaO, Rz. 18; OLG München, Urteil vom 03.07.2017, Az.: 21 U 4818/ 16, NJW-RR 2017, 1238, Rz. 15, jeweils m.w.N.). Nichts Anderes ergibt sich auch aus der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des OLG München vom 23.03.2017, Az.: 3 U 4316/ 16, da sich diese mit der Frage einer etwaigen Zurechnung des Verhaltens des Herstellers als Dritten iSd § 123 Abs. 2 BGB nicht befasst.
3. Anspruch gemäß §§ 280, 241, 443, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. europarechtlichen Vorschriften
Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht aus den §§ 280, 241, 443, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 12, 18 der Richtlinie Nr. 2007/46/EG und §§ 4, 6, 25 EG – Fahrzeuggenehmigungsverordnung herleiten (so im Ergebnis auch: OLG Köln, aaO, Rn. 19; OLG München, Beschluss vom 27.02.2018, Az.: 27 U 2793/ 17).
Erstens würden auch diese Bestimmungen keinen auf Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichteten Anspruch des Klägers auf Lieferung eines fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion hergeben. Zweitens dienen die vom Kläger zitierten europarechtlichen Vorschriften dem Umwelt- und Gesundheitsschutz, jedoch nicht der Schaffung eines Individualanspruches, entfalten also keine Schutzwirkung zugunsten des Einzelnen.
Im Übrigen betrifft der vom Kläger erhobene Vorwurf wieder nicht ein eigenes Verhalten der Beklagten, sondern ein Verhalten des Herstellers, das nicht zurechenbar ist.
III. Weitere Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO
Der Zurückweisung steht auch weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, entgegen noch die Notwendigkeit der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Auch ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist (BGH, Beschluss vom 04.07.2002, Az.: V ZB 16/ 02; Zöller – Heßler, § 543 ZPO, Rn. 11). Der vorliegende Fall ist hingegen gekennzeichnet durch Fragestellungen in tatsächlicher Hinsicht zum Gegenstand des Nachlieferungsanspruchs, während zu den rechtlichen Fragestellungen höchstrichterlich bereits richtungsweisende Orientierungshilfen an die Hand gegeben worden sind. Abweichende obergerichtliche Entscheidungen sind bisher – soweit erkennbar – nicht ergangen, so dass auch ein Fall der Divergenz nicht inmitten liegt. Der Senat befindet sich vielmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte.
IV. Prozessuale Hinweise
1.) Aufgrund obiger Ausführungen regt der Senat aus Kostengründen – eine Rücknahme der Berufung würde zu einer Kostenersparnis in Höhe von zwei Gerichtsgebühren führen, Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses – an, die Berufung zurückzunehmen.
2.) Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit einer einmaligen Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss nur in absoluten Ausnahmefällen und bei Glaubhaftmachung triftiger Gründe – wozu im Allgemeinen nicht eine nur allgemein geltend gemachte Arbeitsüberlastung zählt – gerechnet werden kann (OLG Rostock OLGR 2004, 127 ff.).


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