IT- und Medienrecht

DS-GVO, Verwaltungsgerichte, Aufsichtsbehörde, Kein Verwaltungsakt, Feststellender Verwaltungsakt, Notwendige Beiladung, Datenschutzgrundverordnung, Verpflichtungsklage, Zurückweisung der Beschwerde, Zurückweisung einer Beschwerde, Beschwerdeführer, Wert des Beschwerdegegenstandes, Weitere Beschwerde, Beschwerderecht, Befähigung zum Richteramt, Datenschutzaufsichtsbehörde, Grundstücknachbar, Videoüberwachungsanlage, Streitwert, Allgemeine Leistungsklage

Aktenzeichen  AN 14 K 18.02503

Datum:
7.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41160
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DS-GVO Art. 57, 58, 77, 78

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden,
wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Aufgrund des Verzichts auf mündliche Verhandlung beider Beteiligter gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Der Kläger hatte zwar zunächst den Freistaat Bayern als Beklagten aufgeführt; allerdings war hier durch Auslegung zu ermitteln, dass der Kläger die Klage gegen das Landesamt für Datenschutzaufsicht (LDA), das die angegriffene Abschlussmitteilung an ihn gesandt hat, richten wollte (vgl. § 20 Abs. 5 Nr. 2 BDSG). Entsprechend § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO ergibt sich, dass die fehlerhafte Bezeichnung des Beklagten unerheblich ist, wenn erkennbar ist, gegen wen sich die Klage richtigerweise richten sollte. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn – wie hier – die Klage zunächst gegen den Rechtsträger gerichtet ist, auch wenn die Behörde Klagegegnerin ist (Kintz, in: BeckOK VwGO, 54. Ausgabe Juli 2020, § 78 Rn. 43). Die Kammer hat daher das Rubrum dahingehend von Amts wegen geändert, dass Beklagter das LDA ist.
1.
Die Klage ist zulässig.
1.1.
Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist für Rechtsansprüche aus der DS-GVO gemäß Artikel 78 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 (DS-GVO) der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Ansbach ergibt sich sachlich aus § 45 VwGO und örtlich aus § 20 Abs. 3 BDSG als Sondervorschrift zu § 52 VwGO. Gemäß § 20 Abs. 3 BDSG (vgl. auch Art. 78 Abs. 3 DS-GVO) ist für Verfahren nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG – wie hier – das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat, mithin das Verwaltungsgericht Ansbach.
1.2.
Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 BDSG sind die Beteiligten eines Verfahrens nach Absatz 1 Satz 1 die natürliche Person als Kläger sowie die Aufsichtsbehörde selbst als Beklagter. Deren unionsrechtlich beabsichtigte Unabhängigkeit verdeutlicht sich darin, dass gem. § 20 Abs. 6 BDSG kein Vorverfahren stattfände, selbst wenn es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 26. November 2018 – wie nicht – um einen Verwaltungsakt gehandelt hätte
1.3.
Die Klage ist nach Auslegung (§ 88 VwGO) als allgemeine Leistungsklage statthaft. Es handelt sich beim Schreiben des Beklagten vom 26. November 2018 um eine vom Verwaltungsgericht gemäß Art. 78 DS-GVO überprüfbare Maßnahme mit Außenwirkung, jedoch nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG mit Regelungscharakter, so dass nicht die Versagungsgegenklage, sondern die allgemeine Leistungsklage statthaft ist. Das Schreiben des Beklagten vom 26. November 2018 ist auch kein sog. feststellender Verwaltungsakt, also ein Bescheid mit der verbindlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder sich daraus ergebender Rechte und Pflichten, die mit Rechtsbeständigkeit festgestellt werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2002 – 24 ZB 01.592 -, juris). Hier sollte dem Kläger eine Rechtsauskunft erteilt werden, es sollten aber nicht mit verbindlicher Feststellung i.S. des Art. 35 BayVwVfG strittige Rechte oder Pflichten geregelt werden (Kläger im Verhältnis zum Grundstücksnachbarn). Zwar kommt es dafür, ob ein behördliches Schreiben eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt enthält, auf eine Auslegung nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Norm des § 133 BGB an. Maßgeblich ist hierbei nicht der innere Wille der Behörde, sondern der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte, wobei Unklarheiten zu Lasten der Verwaltung gehen. Hier hat der Beklagte zu erkennen gegeben, dass er keinen Anlass für ein (weiteres) datenschutzaufsichtliches Einschreiten erkennt, aber nicht, dass in einer rechtlich ungewissen Situation die Sach- und Rechtslage in diesem Einzelfall durch eine verbindliche Feststellung mit Bindungswirkung als bestehend oder nicht bestehend festgestellt, konkretisiert oder individualisiert wird (so OVG NRW, B.v. 29.9.2016 – 14 B 1056/16 -, juris). Eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage würde voraussetzen, dass man die Ablehnung der Beschwerde im konkreten Fall als einen Verwaltungsakt qualifiziert (a.A., Verwaltungsakt als Handlungsform für das abschließende Schreiben generell nicht möglich, Engelbrecht ZD 2020, 217, 219).
Lehnt man einen Verwaltungsakt – wie hier – ab, tritt anstelle der Verpflichtungsklage die allgemeine Leistungsklage. Insofern, als sie die 1-Monats-Frist setzt, ist die Rechtsbehelfsbelehrung:des Beklagten unrichtig. Es ist zwar korrekt und durch Art. 77 Abs. 2 DS-GVO geboten, den Kläger auf seine Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels hinzuweisen, aber die in der Rechtsbehelfsbelehrung:enthaltene Monatsfrist würde einen Verwaltungsakt voraussetzen, der nicht vorliegt. Der Antrag des Klägers ist nicht auf einen bestimmten Verwaltungsakt des Beklagten, sondern auf ein allgemein aufsichtliches Einschreiten gerichtet. Die Leistungsklage ist also deshalb die statthafte Klage, weil die Abschlussmitteilung des Beklagten vom 26. November 2018 nicht als Verwaltungsakt einzuordnen ist. Hätte der Kläger eine ganz konkrete Maßnahme im Sinne eines Verwaltungsaktes vom Beklagten verlangt, hätte er also seine Beschwerde gemäß Art. 77 DS-GVO in diesem Sinne an die Aufsichtsbehörde gerichtet, und hätte der Beklagte diese so gestaltete Beschwerde abgelehnt, wäre die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft gewesen. Dann wäre die Ablehnung der Beschwerde als ein Verwaltungsakt anzusehen, der den Erlass eines Verwaltungsaktes ablehnen würde.
Die Leistungsklage ist nach Art. 78 DS-GVO statthaft. Das Klagerecht aus Art. 78 Abs. 1 DS-GVO erfasst damit umfassend auch die Ablehnung oder Zurückweisung einer Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO (vgl. 143. Erwägungsgrund zur DS-GVO zur Ablehnung oder Abweisung von Beschwerden). Wird eine Maßnahme von der Aufsichtsbehörde erbeten, die ein sonstiges Verwaltungshandeln zum Gegenstand hat, ist die allgemeine Leistungsklage die statthafte Klageart, so dass umfassender Rechtsschutz besteht. Zulässige Streitgegenstände können nach Art. 78 Abs. 1 DS-GVO sämtliche Maßnahmen einer Aufsichtsbehörde sein, also nicht nur Verwaltungsakte, sondern sämtliche Handlungen, die Außenwirkung besitzen, also Auswirkungen auf die Rechte ihres Adressaten haben können. Solche Auswirkungen sind auf allen Ebenen eines Verwaltungsverfahrens denkbar. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Januar 2019 (AZ. VG 1 L 1.19), der bei Beschwerden nach der DS-GVO von Petitionen ausgeht, geht dabei zu weit, da der Bürger nach der DS-GVO nicht nur einen Anspruch auf Verbescheidung – und sonst nichts weiter – hat, sondern ggf. einen Anspruch auf Einschreiten des Landesamtes, das aufgrund Art. 57 und 58 DS-GVO umfassende Eingriffskompetenzen hat (i.d.R. im Gegensatz zum Petitionsadressaten). Das Schreiben des Beklagten vom 26. November 2018 ist aber nicht lediglich die Beantwortung einer Petition. Die Frage, ob ein eine Petition beantwortender Bescheid ein Verwaltungsakt im Sinne von § 42 VwGO ist, ist entschieden (BVerwG, B.v. 1.9.1976 – VII B 101.75 -, juris): es liegen keine Verwaltungsakte vor (unstreitig, keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung, sondern nur die tatsächliche Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 17 GG; kein Gebot der Möglichkeit Anfechtungsklage aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) (wie hier i. E. bereits VG AN, K.v. 8.8.2019 – AN 14 K 19.00272 – juris).
1.4.
Es besteht für den Kläger eine Klagebefugnis aus Art. 78 Abs. 1 DS-GVO gegen die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers nach Art. 77 DS-GVO. Der Kläger ist zwar auch klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, denn § 42 Abs. 2 VwGO ist für die Klagebefugnis nach herrschender Ansicht analog auf die Leistungsklage deshalb anzuwenden, da die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG dann greift, wenn ein Bürger durch die öffentliche Gewalt in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Es ist aber fragwürdig, ob neben Art. 78 DS-GVO (Unionsrecht mit Anwendungsvorrang) § 42 VwGO insoweit überhaupt noch anwendbar ist, da die Betroffenheit in subjektiv-öffentlichen Rechtspositionen eine namentlich deutsche Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage darstellt. So geringe Hürden europarechtlich für die Klageberechtigung bestehen, so weit ist – europarechtlich – der Ermessensspielraum zu interpretieren (vgl. unter zu 2.).
Da betreffend Maßnahmen nach Art. 58 DS-GVO der Kläger aber auch im Hinblick auf § 42 VwGO möglicherweise in seinen Rechten tangiert sein könnte, wären auch die Voraussetzungen des § 42 VwGO erfüllt, so dass der Kläger jedenfalls klagebefugt ist.
1.5.
Aufgrund des Vorliegens einer Leistungsklage war im gegebenen Verfahren keine Klagefrist zu wahren. Die auf eine Monatsfrist hinweisende Rechtsbehelfsbelehrung:in der Abschlussmitteilung des Beklagten vom 26. November 2018 ist insofern unrichtig.
1.6.
Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 BDSG sind die Beteiligten eines Verfahrens nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG der Kläger sowie die Aufsichtsbehörde als Beklagter. Der Kläger ist Beteiligter gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BDSG. Beklagter sowie passivlegitimiert ist das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht selbst. Zwar wäre gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Klage gegen den Rechtsträger des Landesamtes zu richten, hier also gegen den Freistaat Bayern. Vorrangig vor § 78 VwGO ist aber § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BDSG als lex specialis, wonach die Aufsichtsbehörde direkt als Beklagte beteiligt ist. Mithin liegt eine durch die Selbstständigkeit der Aufsichtsbehörde unionsrechtlich bedingte abweichende bundesrechtliche Spezialregelung vor (so auch Mundil, in BeckOK, Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 28. Edition, 1.5.2018, Rn. 5 zu § 20 BDSG; Lapp, in Gola/Heckmann, BDSG, Kommentar, 13. Auflage 2019, Rn. 12 zu § 20 BDSG; Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 2. Auflage 2018, Rn. 10 zu § 20 BDSG; a. A. wohl nur Frenzel in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage 2018, Rn. 10 zu § 20 BDSG, ohne Begründung hierfür).
1.7.
Im vorliegenden Fall hat das Gericht von einer einfachen Beiladung des Grundstücksnachbarn abgesehen. In § 20 Abs. 5 Satz 2 BDSG ist festgelegt, dass § 63 Nr. 3 und 4 VwGO unberührt bleibt, was zur Folge hat, dass Beiladungen möglich sind. Der Zweck einer Beiladung besteht in der Prozessökonomie und Sicherung der Rechtseinheitlichkeit, wobei hier aber durch die Schaffung verwaltungsrechtlicher Rechtsbehelfe in Art. 78 DS-GVO und gleichzeitig der Möglichkeit, gegen den Verantwortlichen selbst gerichtlich vorzugehen, die Existenz sich widersprechender gerichtlicher Entscheidungen für denselben Sachverhalt vom Normgeber in Kauf genommen wird. Der Prozess des Betroffenen gegen die Aufsichtsbehörde, der Prozess (ggf.) des Verantwortlichen (hier wäre das der Grundstücksnachbar) gegen die Aufsichtsbehörde sowie der Prozess des Betroffenen (hier des Klägers) gegen den Verantwortlichen (hier den Grundstücksnachbarn) haben unterschiedliche Streitgegenstände, da zum Beispiel der Klageantrag gegen die Aufsichtsbehörde aufgrund des (unionsrechtlich bedingten) weiten Entschließungs- und Auswahlermessens der Aufsichtsbehörde normalerweise nur auf ein aufsichtliches Einschreiten – wie hier – gerichtet ist, wohingegen z.B. ein Anfechtungsantrag im Prozess des Verantwortlichen gegen eine Anordnung der Aufsichtsbehörde regelmäßig eine ganz konkrete Maßnahme betrifft.
1.7.1.
Es liegt hier mithin kein Fall der notwendigen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO vor, da der für eine notwendige Beiladung erforderliche unmittelbare Eingriff in die Rechtsposition des Grundstücksnachbarn (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 65 Rn. 14) nicht schon durch eine gerichtliche Verpflichtung des Beklagten zum aufsichtlichen Einschreiten gegeben wäre, sondern erst durch dieses Einschreiten selbst, also die Umsetzung durch die Aufsichtsbehörde, der Grundstücksnachbar unmittelbar betroffen wäre. Der Grundstücksnachbar ist deshalb an dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht derart beteiligt, dass die Entscheidung darüber auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann, wie § 65 Abs. 2 VwGO es fordert. Vergleichbar ist dies etwa mit der Verpflichtungsklage eines Bauherrn gegen die Bauaufsichtsbehörde, wo gefestigter Rechtsprechung zufolge der Nachbar nicht notwendig beizuladen ist, auch falls er bereits gegen das Bauvorhaben im Verwaltungsverfahren Einwendungen erhoben haben sollte (vgl. statt vieler BVerwG, B.v. 20.5.1992 – 1 B 22.92 -, NVwZ-RR 1993, 18).
1.7.2.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer einfachen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO sind allerdings gegeben, insofern als hier rechtliche Interessen des Grundstücksnachbarn tangiert werden können, und sich die Entscheidung in dieser Verwaltungsstreitsache auf die rechtlichen Interessen des Grundstücksnachbarn auswirken kann. Das Gericht sah von einer Beiladung, die im Ermessen des Gerichts steht, ab, da das Gericht die mögliche Verletzung von Rechten des Grundstücksnachbarn ohnehin von Amts wegen zu prüfen hatte und prüfte, und vor allen Dingen, weil das Gericht in keinem Stadium des Verfahrens nach Aktenlage davon auszugehen hatte, dass der Beklagte zu einer konkreten Maßnahme i.S.d. Art. 58 DS-GVO gegen den Grundstücksnachbarn zu verurteilen ist.
2.
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger weder einen Anspruch gegen den Beklagten auf weitere Befassung und Überprüfung seiner Beschwerde nach Art. 78 Abs. 2 DS-GVO i.V.m. Art. 57 DS-GVO hat (hierzu 2.1.) noch einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegenüber dem Grundstücksnachbarn gemäß Art. 58 DS-GVO (hierzu 2.2).
2.1.
Der Beklagte hat gemäß Art. 78 Abs. 2 DS-GVO in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO die Beschwerde des Klägers in angemessenem Umfang geprüft und dem Kläger rechtzeitig Bescheid gegeben. Ein darüber hinausgehender Anspruch des Klägers ist nicht ersichtlich.
Mit dem Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht hat die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde gehandelt. Der Anwendungsbereich der DS-GVO war eröffnet. Art. 57 Absatz 1 Buchst. a und f DS-GVO, wonach der Beklagte die Anwendung dieser Verordnung überwachen und durchsetzen muss sowie sich mit Beschwerden einer betroffenen Person befassen muss, den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang untersuchen und den Beschwerdeführer innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung unterrichten muss, wurde vom Beklagten beachtet.
Zwar können sich aus Art. 57 DS-GVO allein, einer reinen Aufgabennorm, grundsätzlich keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Betroffenen ergeben. Art. 57 Abs. 1 Buchst f DS-GVO ist ausschließlich an die Aufsichtsbehörde gerichtet und schafft per se keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Betroffenen. Die Untersuchungspflicht des Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO ist aber im Gesamtzusammenhang der DS-GVO von hohem Gewicht. Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO enthält dezidierte Vorgaben zum Verfahren und dessen Umfang, die über Art. 78 Abs. 2 DS-GVO zu einem Rechtsanspruch des Betroffenen führen können (so wohl auch Kühling/Buchner/Boehm, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 57 Rn. 12: „dem Bestehen eines Rechtsanspruchs ähnlich“, „weil die Vorschrift im Zusammenhang mit Art. 78 Abs. 2“ zu sehen ist), demzufolge jede betroffene Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtbehelfs das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf hat, wenn die nach den Art. 55 f. DS-GVO zuständige Aufsichtsbehörde sich nicht mit einer Beschwerde befasst oder die betroffene Person nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand oder das Ergebnis der gemäß Art. 77 DS-GVO erhobenen Beschwerde in Kenntnis gesetzt hat.
Gemäß Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO hat der Beklagte den Kläger innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung mit Schreiben vom 26. November 2018 unterrichtet, und zwar unter Beachtung von Art. 78 Abs. 2 DS-GVO, wonach der Beschwerdeführer spätestens innerhalb von drei Monaten über den Sachstand informiert werden muss.
Die Unterscheidung der DS-GVO von Aufgabennorm, Art. 57 DS-GVO, und Befugnisnorm, Art. 58 DS-GVO, ähnelt dogmatisch der Aufteilung im (nationalen) Sicherheits- und Polizeirecht. Im Bereich der DS-GVO besteht aber eine Besonderheit: Art. 57 DS-GVO, der ohnehin Aufgaben nicht abschließend normiert (vgl. Art. 57 Abs. 1 Buchst. v), ist in seiner Umfassendheit zum Beispiel nicht vergleichbar mit Art. 2 BayPAG (Bayerisches Polizeiaufgabengesetz), weil er bei der Aufgabenzuweisung dezidiert auf eine „Angemessenheit“ abstellt. Die Behandlung von individuellen Beschwerden wie hier ist unionsrechtlich restriktiv geregelt (vgl. auch Erwägungsgrund 141 Satz 2 zur DS-GVO). Zwar ist es eine der vorrangigsten Aufgaben des Beklagten, Beschwerden von Betroffenen nach Art. 77 DS-GVO zu bearbeiten, zumal für die Aufsichtsbehörden (ähnlich wie für die Sicherheitsbehörden) Hinweise und Beschwerden von Bürgern zur Erfüllung ihrer Aufgaben unverzichtbar sind. Allerdings nimmt Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO unzweifelhaft mit der Formulierung „in angemessenem Umfang“ auf die Ressourcen und Möglichkeiten der Aufsichtsbehörden Rücksicht. Die Angemessenheit der Untersuchung richtet sich nach der individuellen Bedeutung der Sache und nach der Schwere des Eingriffs in Rechte des Betroffenen (OVG Koblenz, U.v. 26.10.2020 – 10 A 10613/20OVG, BeckRS 2020, 32257; VG Ansbach, U.v. 8.8.2019 – AN 14 K 19.00272 – juris Rn. 41). Angesichts dessen hat der Beklagte hier mit der Einholung der Stellungnahme beim Datenverantwortlichen, die ausführlich erfolgte und keinen Datenschutzverstoß erkennen ließ, ermessengerecht reagiert.
2.2.
Der Kläger hat keinen Anspruch (wie beantragt) auf Aufhebung der Mitteilung des Beklagten vom 26. November 2018 sowie auf aufsichtliches Einschreiten des Beklagten nach Art. 58 DS-GVO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der der gerichtlichen Entscheidung, da der Kläger im Rahmen seiner allgemeinen Leistungsklage eine in die Zukunft gerichtete Handlung begehrt.
Umstritten ist, bereits wegen des Wortlauts von Art. 78 Abs. 2 DS-GVO, ob es überhaupt einen „Anspruch auf datenschutzaufsichtliches Einschreiten“ nach der DS-GVO gibt (vgl. hierzu OVG Koblenz, U.v. 26.10.2020 – 10 A 10613/20OVG – BeckRS 2020, 32257 Rn. 28 ff., „petitionsähnliches Recht“, Engelbrecht ZD 2020, 217ff.; Will ZD 2020, 97ff.; SG Frankfurt/Oder, GB v. 8.5.2019, SF 8//19 – juris). Dann würde die DS-GVO aber bei einem „ein wenig Mehr als eine Petition“ enden, und diese Auslegung würde Art. 47 GRCh angesichts des Stellenwerts des Datenschutzes widersprechen. Die weitgehenden und breitgefächerten Maßnahmemöglichkeiten des Art. 58 DS-GVO für die Aufsichtsbehörde, die unionsrechtlich bedingt selbstständig handelt, wären für den Betroffenen nutzlos, die Abschlussmitteilungen der Aufsichtsbehörden wären nurmehr, auch im Falle massiven Verstoßes gegen die DS-GVO, stets nur Rechtsauskünfte. Dies wäre ein Wertungswiderspruch, der im Rechtsvergleich mit dem Sicherheits- und Polizeirecht schwer nachvollziehbar wäre. Es darf durchaus berücksichtigt werden, dass das Beschwerderecht (Art. 77 Abs. 1 DS-GVO) und das Klagerecht gegenüber dem Datenverantwortlichen (Art. 79 Abs. 1 DS-GVO) bewusst nebeneinander existieren und nicht im Verhältnis etwa einer Subsidiarität. Das Verfahren nach der DS-GVO ist dabei zum einen nicht kontradiktorisch (so zurecht Engelbrecht ZD 2020, 217ff.), zum anderen setzt eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde nicht einmal eine Rechtsverletzung voraus. Um jedoch Ansprüche, gleich welcher Art, aus der DS-GVO herzuleiten, benötigt ein Kläger in jedem Fall, wie hier auch geltend gemacht, möglicherweise verletzte subjektive Rechte (analog zum Sicherheits- und Polizeirecht). Solche Ansprüche des Betroffenen generell zu verneinen, würde aber dem Grundsatz des effet utile widersprechen, demzufolge die europarechtlichen Regelungen möglichst Effizienz erlangen sollen. Wenn das nationale Recht unterschiedlich ausgelegt werden kann, ist grundsätzlich die Auslegung maßgeblich, bei der das Unionsrecht am wirkungsvollsten zur Geltung kommt (vgl. Nguyen in: Gola, DS-GVO, 2. Auflage 2018, Art. 58 Rn. 4).
Der effet-utile-Grundsatz als Grundsatz der praktischen Wirksamkeit ist in Art. 4 Abs. 3 EUV enthalten. Damit erfährt das Institut der teleologischen Interpretation – auch durch die Rechtsprechung des EuGH – in Gestalt des Grundsatzes der größtmöglichen praktischen Wirksamkeit, zurecht eine europarechtliche Komponente, zumal die DS-GVO unmittelbar geltendes Europarecht darstellt.
Ein aufsichtliches Einschreiten als solches scheidet in diesem Fall aber bereits deshalb aus, weil sich nach Befassung und Prüfung im Rahmen des Art. 57 DS-GVO keine Anhaltspunkte ergeben haben, die ein Einschreiten nach Art. 58 DS-GVO nahelegten. Ein Datenschutzrechtsverstoß des Verantwortlichen hat sich nicht aufgedrängt. Die Abschlussmitteilung des Beklagten vom 26. November 2018 ist damit inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Einwände des Klägers greifen in der Sache nicht durch. Der Grundstücksnachbar hat gegenüber dem Kläger und gegenüber dem Beklagten ausführlich auf die Anfragen des Klägers reagiert und alle Auskünfte erteilt. Daher war es insofern auch nicht erforderlich, dass der Beklagte per Verwaltungsakt einen öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO erhob und durchsetzte, dem der datenschutzrechtlich Verantwortliche grundsätzlich nachkommen müsste (vgl.VG Mainz, U.v. 9.5.2019 – 1 K 760/18.MZ -, juris), zumal der Grundstücksnachbar eine Bescheinigung der die beanstandete Kamera einbauenden Firma vorgelegt hat (s. Behördenakte), aus der sich ergibt, dass die streitbefangene Kamera so seitens dieser Firma installiert worden ist, dass eben keineswegs das Nachbargrundstück erfasst wird. Der Beklagte hat sich mit den Antworten des Nachbarn in angemessenem Umfang auseinandergesetzt, ihm wurde laut Behördenakten eine Erklärung über die Einbauvorgehensweise der betreffenden Firma vorgelegt. Zwar ergeben sich aus Art. 58 Abs. 2 DS-GVO Ansprüche des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung der Aufsichtsbehörde: diese hat aber ein weites Entschließungs- und Auswahlermessen. Hinsichtlich des Entschließungsermessens wäre sogar ein intendiertes Ermessen anzunehmen, wenn die Aufsichtsbehörde – wie hier nicht – einen Rechtsverstoß festgestellt hat (vgl. Mundil, in: BeckOK, Datenschutzrecht, 33. Ausgabe, Februar 2020, DS-GVO, Art. 77 Rn. 15; bis hin zu einer auch europarechtlich – effet-utile-Grundsatz – denkbaren Ermessensreduzierung auf Null, vgl. VG Ansbach, U.v. 8.8.2019 – AN 14 K 19.00272 -, juris, Rn. 46). Es ist im vorliegenden Fall aber kein Fehler bei der Ausübung des Ermessens zu erkennen. Der Beklagte hat insbesondere auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet und insofern auch die Problematik der Eingriffsintensität berücksichtigt. Der Beklagte hat ermessensfehlerfrei vom Ergreifen von Maßnahmen abgesehen, da seitens des Nachbarn keine erkennbaren Verstöße vorlagen. Bei Vorliegen von Verstößen wäre der Beklagte zur ordnungsgemäßen Ermessensausübung verpflichtet gewesen, ob und wie er einschreitet. Wenn nur Verdachtsmomenten vorliegen wie hier, besteht im Übrigen bereits ein Ermessen bezüglich der Art und Weise des Vorgehens bei den Ermittlungen der Aufsichtsbehörde. Hinsichtlich des Entschlusses zum Tätigwerden besteht ebenso Ermessen (vgl. das Wort „gestattet“ in Art. 58 Abs. 1 und 2 DS-GVO). Angesichts der Behauptung des Beklagten, dass eine Wohnungsdurchsuchung eines Amtsgerichtsbeschlusses infolge von Art. 13 Abs. 2 GG bedarf, ist allerdings die Annahme falsch, dass zwischen Bürogebäuden und Privatwohnungen bei der Ermittlungstiefe ein Unterschied zu machen sei, was der Prozessvertreter des Klägers zurecht gerügt hat. Dennoch tragen die übrigen Ermessenserwägungen die Abschlussmitteilung des Beklagten. Auch die Verhältnismäßigkeitserwägungen sind zutreffend ausgeführt, ebenso wie die Darstellung des generellen Vorgehens angesichts der Massenbeschwerden bei Videokameras.
3.
Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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