IT- und Medienrecht

Einstweilige Anordnung und die Wirkungen einer Petition

Aktenzeichen  W 4 E 20.287

Datum:
21.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4059
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
BV Art. 115 Abs. 1, Art. 141 Abs. 3 S. 1
BNatSchG § 39, § 44
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller beantragt die einstweilige Untersagung von Baumfällungen.
1. Im Rahmen einer geplanten Erweiterung der Grundschule in der Stadt Bad Königshofen im Grabfeld sollen im Vorfeld der diesbezüglichen Baumaßnahme 16 Bäume gefällt werden. Die Baumfällarbeiten sind in der Zeit vom 24. Februar bis 7. März 2020 geplant. Insoweit wurde der Antragsgegnerin vom Landratsamt Rhön-Grabfeld mit Bescheid vom 10. Februar 2020 bereits eine Befreiung vom Verbot des § 39 Abs. 5 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), gültig bis 7. März 2020, erteilt.
2. Mit Schreiben vom 13. Februar 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Antragsteller sinngemäß beantragen,
Der Antragsgegnerin wird einstweilen untersagt, Baumfällungen am geplanten Standort der neuen Grundschule in Bad Königshofen im Grabfeld vorzunehmen.
Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass für das Vorhaben bislang weder eine Baugenehmigung noch ein entsprechender Förderbescheid vorliege, sodass durch die Fällung der Bäume keine voreiligen und vollendeten Tatsachen geschaffen werden dürften. Der Antragsteller habe zusammen mit weiteren Personen in der Sache eine Petition beim Bayerischen Landtag eingereicht, mit der erreicht werden solle, dass eine Umplanung zu einem stimmigen Gesamtkonzept für den Schulcampus vor Ort, der die Bedürfnisse von Grund- und Mittelschule bedarfsgerecht wiederspiegle, erfolgt. Die Antragsberechtigung des Antragstellers ergebe sich aus dieser u.a. vom Antragsteller eingereichten, noch nicht entschiedenen Petition. Deren Ausgang sei vorliegend abzuwarten.
3. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2020, eingegangen bei Gericht per Fax am 17. Februar 2020, beantragte die Antragsgegnerin sinngemäß, den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass vorliegend bereits eine Antragsbefugnis fraglich sei. Unabhängig davon würden durch die Baumfällungen keine voreiligen Tatsachen geschaffen, sondern ein bestehender Stadtratsbeschluss umgesetzt. Auch das Landratsamt Rhön-Grabfeld habe bereits eine Befreiung für die geplanten Baumfällungen bis 7. März 2020 erteilt. Des Weiteren bestünde ein Rechtsanspruch auf die beantragte Baugenehmigung, sodass die Bäume gefällt werden müssten, um den Anbau zu realisieren. Eine spätere Rodung wäre erst ab Oktober 2020 möglich, sodass die entsprechenden Baumaßnahmen nicht in den Sommerferien 2020 begonnen werden könnten, mit der Folge, dass die Baumaßnahmen insgesamt um ein Jahr verschoben werden müssten. Vorliegend gäbe es für den betroffenen Bereich auch keine Baumschutzverordnung. Es sei lediglich eine Gestaltungssatzung vorhanden, nach der am Bauort grundsätzlich keine Bäume beseitigt werden dürften. Hiervon habe die Antragsgegnerin durch entsprechenden Stadtratsbeschluss jedoch eine Befreiung erteilt. Darüber hinaus handle es sich nicht um besonders wertvolle oder schützenswerte Bäume, da die Bäume zum Teil wegen Pilzbefalls ohnehin gefällt werden müssten. Nach Abwägung aller hier relevanten Belange überwiege vorliegend das Interesse an der Baumfällung im geplanten Zeitraum.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
1. Der Antrag ist bereits mangels Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) unzulässig.
Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO kann grundsätzlich nur stellen, wer antragsbefugt ist. Die Antragsbefugnis entspricht der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren, die sich für Leistungsklagen aus einer analogen Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO ergibt. Da mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Anspruch gesichert werden soll, der im Hauptsacheverfahren zu verfolgen ist, ist auch für einen Antrag nach § 123 VwGO eine Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich (vgl. hierzu etwa Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 41). Der Antragsteller muss daher geltend machen können, durch ein behördliches Handeln oder Unterlassen in eigenen Rechten verletzt oder gefährdet zu sein.
Eine solche Rechtsbeeinträchtigung ist im Anordnungsverfahren geltend gemacht, wenn sie nach dem dem Gericht vorliegenden Sachverhalt zumindest als möglich erscheint. Daran fehlt es dagegen, wenn offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, dass eigene Rechte des Antragstellers verletzt oder in ihrer Verwirklichung gefährdet sein können und dem Antragsteller auch sonst keine Rechtsbehelfsbefugnis zur Seite steht (vgl. hierzu etwa Sodan/Ziekow, VwGO, § 123 Rn. 59; Happ, Eyermann, VwGO, § 123 Rn. 41 m.w.N. zur Rechtsprechung).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann das Gericht unter keinem Gesichtspunkt eine Rechtsverletzung des Antragstellers erkennen.
1.1. Der Antragsteller beruft sich vorliegend auf Art. 115 BV (Petitionsgrundrecht) als hier zu sichernden Anspruch. Vor Verbescheidung der u.a. von ihm eingelegten Petition dürften keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Vielmehr sei der Ausgang des Petitionsverfahrens zunächst abzuwarten.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist allerdings geklärt, dass einer Petition keine aufschiebende Wirkung zukommt und Art. 115 Abs. 1 BV die Behörde nicht verpflichtet, die weitere Behandlung einer Sache zurückzustellen (vgl. BayVerfGHE 32, 1/11; Huber in: Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaats Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 115 Rn. 7). Hieraus folgt, dass der Antragsteller keinen Anspruch darauf hat, dass die Antragsgegnerin in Sachen Grundschulneu- bzw. -umbau zunächst den Ausgang des Petitionsverfahrens abwartet. Denn die Petition ist weder ein Rechtsmittel noch ersetzt sie die Einlegung von Rechtsmitteln (vgl. hierzu BayVerfGHE 32, 1/11; Huber in Meder-Brechmann, Die Verfassung des Freistaats Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 115 Rn. 7). Damit wird auch deutlich, dass es hier, im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, eines anderen, eigenständigen zu sichernden Rechts des Antragstellers bedarf. Allein die eingelegte, noch nicht verbeschiedene Petition reicht hierzu nicht. Andernfalls könnte jedermann jederzeit allein durch die Einlegung einer Petition ein bestimmtes behördliches Tun im Wege einer einstweiligen Anordnung zumindest vorübergehend stoppen. Dies wäre mit dem deutschen Rechtsschutzsystem, das grundsätzlich nur subjektiven Rechtsschutz gewährt, nicht vereinbar.
1.2. Aber auch sonst, das heißt unabhängig vom konkreten Vortag des Antragstellers, ist keine Rechtsbeeinträchtigung des Antragsellers ersichtlich, aus der sich vorliegend eine Antragsbefugnis ableiten ließe.
Denn unabhängig davon, dass eine Verletzung naturschutzrechtlicher Vorgaben gem. § 39 Abs. 5 BNatSchG oder § 44 BNatSchG hier weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dienen diese Vorschriften allein öffentlichen Interessen und vermitteln keinen subjektiven Drittschutz (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 22 ZB 17.2032 u.a. – juris Rn. 24; VG Augsburg, B.v. 11.4.2012 – Au 2 E 12.460 – juris). Auch durch die vom Landratsamt Rhön-Grabfeld erteilte Befreiung vom Verbot des § 39 Abs. 5 BNatSchG vom 10. Februar 2020 ist eine Verletzung der Rechte des Antragstellers weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.3. Des Weiteren ist eine Rechtsverletzung des Antragstellers nicht durch die erteilte Befreiung von der Gestaltungssatzung der Antragsgegnerin über besondere Anforderungen an die Gestaltung von baulichen Anlagen und Herbeanlagen (sic) im Altstadtbereich der Stadt Bad Köngishofen im Grabfeld (Gestaltungssatzung) vom 3. Februar 1993 (abrufbar im Internet) erkennbar. Denn schon naturschutzrechtliche Baumschutzverordnungen vermitteln keinen Drittschutz (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2004 – 2 CS 04.581 – juris), sodass erst recht nichts anderes für die vorliegende Gestaltungssatzung der Antragsgegnerin gelten kann. Auch diese schützt allein öffentliche Interessen. Etwas anderes lässt sich der vorgenannten Gestaltungssatzung nicht entnehmen.
1.4. Auch das Grundrecht nach Art. 141 Abs. 3 Satz 1 Bayerischen Verfassung, also das Grundrecht auf freien Zugang zu Naturschönheiten und Erholung in der freien Natur, kommt vorliegend nicht als zu sicherndes Recht des Antragstellers in Betracht. Denn nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs bezieht sich dieses Grundrecht nur auf die freie Natur in ihrem jeweils vorhandenen Bestand. Es gibt dem Einzelnen aber keinen Anspruch auf einen unveränderten Fortbestand der freien Natur (BayVerfGHE 66, 160; Möstl in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Auflage 2017, Art. 141 Rn.16). Bereits aus diesem Grund scheidet auch diese Grundrechtsbestimmung vorliegend als möglicher Anordnungsanspruch des Antragstellers aus, sodass es auf die Frage der Schutzbereichseröffnung dieses Grundrechts im Übrigen nicht mehr ankommt.
1.5. Des Weiteren räumt auch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kein (allgemeines) Grundrecht auf Umweltschutz ein, auf das sich der Antragsteller berufen könnte (vgl. hierzu etwa Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 2 Abs. 2 Rn. 95).
1.6. Schließlich ist auch eine sonstige Rechtsbehelfsbefugnis des Antragstellers, beispielsweise mit Blick auf § 64 BNatSchG oder dem Umweltrechtsbehelfsgesetz, vorliegend schon deswegen nicht erkennbar, da es sich beim Antragsteller um eine Einzelperson handelt.
Mangels Antragsbefugnis war der Antrag daher als unzulässig abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.


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