IT- und Medienrecht

Erstattung von Bestattungskosten

Aktenzeichen  M 12 K 19.2355

Datum:
17.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28955
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBestG Art. 14 Abs. 2 S. 2, Art. 15
BayBestV § 1, § 15
BGB § 421
VwGO § 88, § 102 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Da die Gemeinde mit der von ihr veranlassten Bestattung in das Recht auf Totenfürsorge der Angehörigen eingreift, hat sie zunächst zu ermitteln, ob Bestattungspflichtige vorhanden sind. Im Hinblick auf die zu beachtenden Bestattungsfristen muss die Gemeinde dabei nicht alle im Einzelfall möglichen Ermittlungen anstellen, sondern kann sich auf die ihr zumutbaren Maßnahmen beschränken. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Notwendige Kosten der Bestattung sind sämtliche Kosten, die die Gemeinde diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG aufwenden musste, um eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren (Anschluss an VGH BW BeckRS 9998, 44267). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Gleichrangig Pflichtige sind Gesamtschuldner im Sinne von § 421 BGB. Die Entscheidung, welchen von mehreren Gesamtschuldnern die Gemeinde heranzieht, fällt in ihren weiten Ermessensspielraum. Grenzen ergeben sich lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unrichtigkeiten. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleiche Höhe leistet.

Gründe

1. Über die Verwaltungsstreitsache konnte entschieden werden, obwohl die Klägerin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Sie wurde mit Postzustellungsurkunde am 27. August 2019 zur mündlichen Verhandlung geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch bei ihrem Ausbleiben verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
2. Das Begehren der Klägerin, die keinen bestimmten Klageantrag gestellt hat, ist nach § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – dahingehend auszulegen, dass sie die Aufhebung des Bescheides vom 12. April 2019 begehrt. Da das Widerspruchsverfahren gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO i.V.m. Art. 15 AGVwGO unstatthaft ist und das Schreiben an das Gericht adressiert war, ist das Begehren daher als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) auszulegen.
3. Die so verstandene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 12. April 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Bayer. Bestattungsgesetz – BestG. Danach kann eine Gemeinde von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn sie gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG für die Bestattung des Verstorbenen Sorge tragen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Bestattungsverordnung – BestV – Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend gewesen sind. Da die Gemeinde mit der von ihr veranlassten Bestattung in das Recht auf Totenfürsorge der Angehörigen eingreift, hat sie zunächst zu ermitteln, ob Bestattungspflichtige vorhanden sind. Im Hinblick auf die zu beachtenden Bestattungsfristen muss die Gemeinde dabei nicht alle im Einzelfall möglichen Ermittlungen anstellen, sondern kann sich auf die ihr zumutbaren Maßnahmen beschränken (Klingshirn/Drescher/Thimet, Bestattungsrecht in Bayern, Stand April 2019, Erl. XIX, Rn.4). Kommt die Gemeinde im Zuge ihrer Ermittlungen zum Ergebnis, dass bestattungspflichtige Angehörige nicht vorhanden oder feststellbar sind oder dass deren rechtzeitiges Handeln nicht möglich ist, dann hat sie die Bestattung und die ihr vorausgehenden Verrichtungen selbst zu veranlassen. Die Gemeinde ist als Sicherheits- und Ordnungsbehörde zum Handeln verpflichtet.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Als Schwester des Verstorbenen gehört die Klägerin zum Kreis derjenigen Angehörigen, die gemäß Art. 15 Abs. 1 BestG i.V.m. §§ 15, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. f BestV bestattungspflichtig sind. Vorrangig bestattungspflichtige Angehörige sind nicht vorhanden. Die Bestattung des Verstorbenen musste vorliegend von dem Beklagten von Amts wegen durchgeführt werden, da die Klägerin trotz Aufforderung mit Fristsetzung und Kontakts mit dem Beklagten zunächst keinen Bestattungsauftrag an einen privaten Bestatter erteilt hatte und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG innerhalb der am nächsten Tag ablaufenden Bestattungsfrist von 96 Stunden gemäß § 19 Abs. 1 BestV nicht erfolgversprechend waren. Ob die Klägerin den Auftrag zunächst aus Überforderung mit der Situation oder anderen Gründen nicht erteilen konnte oder wollte, ist unerheblich. Wird die Bestattungspflicht innerhalb der vorgenannten Frist – aus welchen Gründen auch immer – nicht erfüllt, muss die Gemeinde die Ersatzvornahme anordnen und durchführen.
b) Die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Erstattung der notwendigen Kosten der Bestattung verpflichtet. Notwendige Kosten der Bestattung sind sämtliche Kosten der Beklagten, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG aufwenden musste, um eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 25.9.2001 – 1 S 974/01 – juris; a.A. VGH Baden-Württemberg, U.v. 15.11.2007 – 1 S 2720/06 – juris). Der Kostenrahmen darf hierbei den in § 74 SGB XII vorgegebenen erstattungsfähigen Rahmen nicht überschreiten. Anhaltspunkte, dass die geltend gemachten Kosten nicht notwendig im Sinne o.g. Vorschrift wären, sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
c) Auch die Entscheidung, die Klägerin als Schuldnerin in voller Höhe heranzuziehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Als Geschwister der Verstorbenen sind die Klägerin und ihre Schwestern im selben Grad mit dem Verstorbenen verwandt, § 15 Satz 2 BestV. Gleichrangig Pflichtige sind Gesamtschuldner im Sinne von § 421 BGB. Die Entscheidung, welchen von mehreren Gesamtschuldnern die Beklagte heranzieht, fällt in ihren weiten Ermessenspielraum. Grenzen ergeben sich lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unrichtigkeiten. Ausreichend ist deshalb, wenn die Wahl des Schuldners unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität geeignet und zweckmäßig erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – NJW 1993, 1667; VG München, U.v. 30.9.2004 – M 10 K 04.2800 – juris). Gemessen an diesen Vorgaben ist die Schuldnerauswahl des Beklagten vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat ein Wahlrecht, ob er die Gesamtschuldner anteilig oder in voller Höhe in Anspruch nimmt oder ob sie sich nur an einen der Gesamtschuldner wegen ihrer Forderung wendet (vgl. Beck‘sche Online-Kommentar BGB, § 421 Rn. 11). Unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte die Klägerin in Anspruch genommen hat, weil diese finanziell am ehesten dazu in der Lage erschien, die entstandenen Kosten zu tragen. Die Entscheidung ist auch vor dem Hintergrund, dass der Klägerin auf Antrag Ratenzahlung gewährt werden kann, nicht unbillig. Als Gläubiger kann der Beklagte die Leistung zwar insgesamt nur einmal beanspruchen; die Klägerin und ihre Geschwister sind vor einem Rechtsmissbrauch durch den Beklagten jedoch rechtlich dadurch geschützt, dass die Zahlung der Bestattungskosten durch einen der Gesamtschuldner nach § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für den anderen Gesamtschuldner wirkt und die Forderung gegenüber allen Gesamtschuldnern zum Erlöschen bringt. Die Klägerin kann bei ihren Geschwistern zivilrechtlich Regress nehmen. Zudem besteht die Möglichkeit, eine Kostenübernahme nach § 74 SGB XII beim zuständigen Sozialhilfeträger zu beantragen.
d) Soweit sich die Klage gegen die im streitgegenständlichen Bescheid festgesetzten Kosten richtet (vgl. Art. 12 Abs. 3 Kostengesetz – KG), sind keine Gründe vorgetragen worden oder ersichtlich, die gegen die Rechtsmäßigkeit der Kostenentscheidung sprechen. Insbesondere war auch nicht von der Kostenfestsetzung nach Art. 16 Abs. 5 KG abzusehen, da die zugrundeliegende Sachentscheidung nach dem oben ausgeführten Gründen rechtmäßig war.
4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.


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