IT- und Medienrecht

Festsetzung der Sondernutzungsgebühr für einen Altkleidercontainer

Aktenzeichen  W 4 K 17.1325

Datum:
8.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50655
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 18 Abs. 2a S. 5
KAG Art. 10 Nr. 2, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2
AO § 88, § 162

 

Leitsatz

Die Schätzung des wirtschaftlichen Interesses an der Aufstellung eines Altkleidercontainers ist für die Festsetzung der Sondernutzungsgebühr unzulässig, wenn im Zeitpunkt des Bescheiderlasses der Betroffene noch nicht einmal angehört worden ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Sondernutzungsgebührenfestsetzung unter Ziffer 5 des Bescheides der Beklagten vom 25. Oktober 2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Die Sondernutzungsgebührenfestsetzung unter Ziffer 5 des Bescheides der Beklagten vom 25. Oktober 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Sondernutzungsgebührenfestsetzung ist § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 der Sondernutzungsgebührensatzung (SGS) der Stadt Schweinfurt. Ob die von der Klägerin vorgebrachten Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten mit Blick auf die Tatbestandsmäßigkeit der Abgabenschuld sowie das Äquivalenzprinzip durchgreifen, kann mangels Entscheidungserheblichkeit vorliegend dahinstehen. So wäre die Festsetzung der Sondernutzungsgebühr mangels wirksamer Rechtsgrundlage zwar aufzuheben, wenn die SGS unwirksam wäre. Aber auch, wenn man die Wirksamkeit der SGS vorliegend unterstellt, wäre die Klage erfolgreich, da die Sondernutzungsgebühr fehlerhaft ermittelt wurde und Ziffer 5 des Bescheides der Beklagten vom 25. Oktober 2017 schon deswegen aufzuheben war.
2. Nach § 2 Abs. 2 SGS bemessen sich bei Sondernutzungen, für die das Gebührenverzeichnis Rahmensätze vorsieht oder die nicht im Gebührenverzeichnis aufgeführt sind, die Gebühren im Einzelfall nach Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie nach dem wirtschaftlichen Interesse des Gebührenschuldners. § 2 Abs. 2 SGS beruht dabei im Wesentlichen auf der Regelung des Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG.
Im vorliegenden Fall wurden diese Vorgaben aber nicht beachtet bzw. nicht richtig ermittelt. So hat bereits eine Bemessung der Gebühr nach Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch nicht stattgefunden. Eine diesbezügliche Begründung ist dem Bescheid vom 25. Oktober 2017 jedenfalls nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat insofern im gerichtlichen Verfahren schriftsätzlich lediglich ausgeführt, dass die Beklagte nicht unerhebliche Kosten hatte, um den Standort des Wertstoffsammelplatzes baulich zu befestigen und herzurichten sowie diesen Standort dauerhaft und regelmäßig zu unterhalten. Feststellungen oder Ausführungen zu Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch durch den Altkleidercontainer der Klägerin wurden seitens der Beklagten jedoch nicht getroffen. Schon aus diesem Grund ist die festgesetzte Sondernutzungsgebühr materiell rechtswidrig.
Aber auch mit Blick auf die weitere, in Übereinstimmung mit Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG vorgesehene Bemessungsgrundlage des „wirtschaftlichen Interesses des Gebührenschuldners“ ist die Festsetzung der Sondernutzungsgebühren materiell rechtswidrig. Denn die Beklagte hat insoweit das wirtschaftliche Interesse der Klägerin nicht richtig ermittelt. Hierbei handelt es sich um einen Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz aus § 88 AO i.V.m. Art. 10 Nr. 2, 13 Abs. 1 Nr. 2 KAG. Eine entsprechende Anhörung vor Erlass des Bescheids hat ausweislich der vorgelegten Behördenakten nicht stattgefunden. Eine Begründung hierzu findet sich im Bescheid vom 25. Oktober 2017 ebenfalls nicht. Im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte lediglich Bezug genommen auf Urteile des OVG Münster (Az. 20 BV 331/13) sowie des VGH Kassel (Az. 5 B 2343/16). Diese Vorgehensweise stellt allerdings keine ausreichende Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses der Gebührenschuldnerin im konkreten Fall dar, dies schon deswegen nicht, weil unklar bleibt, ob die tatsächlichen Verhältnisse der in Bezug genommenen, obergerichtlichen Entscheidungen auf den vorliegenden Fall überhaupt übertragbar sind. Denn das wirtschaftliche Interesse wird zum einen regelmäßig davon abhängen, an welchem Ort der Altkleidercontainer konkret aufgestellt ist und welche Altkleidercontainerdichte in der jeweiligen Stadt vorzufinden ist. Im Grunde hat die Beklagte mit ihrer Vorgehensweise eine Schätzung der Bemessungsgrundlagen vorgenommen. Eine solche ist auch im Rahmen der Festsetzung von Sondernutzungsgebühren grundsätzlich möglich (vgl. Art. 10 Nr. 2 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) aa KAG) i.V.m. § 162 AO). Nach § 162 AO kann die Beklagte die Bemessungsgrundlagen schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind dabei alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Nach § 162 Abs. 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabenpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflichten verletzt. Die Voraussetzungen des § 162 AO lagen angesichts der Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses die Beklagte die Klägerin noch nicht einmal angehört hatte, offensichtlich nicht vor. Dass darüber hinaus die Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin im konkreten Einzelfall anhand vergleichbarer Sammelcontainer unmöglich wäre, wurde zudem weder vorgetragen noch ist dies vorliegend ersichtlich.
Aus den genannten Gründen ist die Sondernutzungsgebührenfestsetzung unter Ziffer 5 des Bescheides der Beklagten vom 25. Oktober 2017 rechtswidrig und war daher entsprechend aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben