IT- und Medienrecht

Festsetzung eines Zwangsgelds

Aktenzeichen  AN 14 V 20.01444

Datum:
13.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22191
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 167, § 168 Abs. 1 Nr. 2, § 172
ZPO § 888, § 929 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Der in der VwGO geregelte Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes nach § 172 VwGO ist dahingehend zu beschränken, dass er nur die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung gegen die öffentliche Hand erfasst, mit der die Verwaltung zu Maßnahmen verpflichtet wird, mit denen sie eine spezielle hoheitliche Regelungsbefugnis in Anspruch nimmt, wie zB den Erlass eines Verwaltungsakts. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO beginnt mit Erlass der Beschwerdeentscheidung über eine einstweilige Anordnung erneut zu laufen. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen die Antragsgegnerin wird wegen der Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Beschluss der Kammer vom 2. Juni 2020 ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR festgesetzt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegenüber der Antragsgegnerin zur Vollstreckung der einstweiligen Anordnung der Kammer vom 2. Juni 2020 (AN 14 E 20.435)
Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 9. März 2020 den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden sollte, verschiedene Fragen rund um das „… Gemeindeblatt“ zu beantworten. Als Rechtsgrundlage wurde der presserechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 4 Abs. 1 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG) genannt.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 2. Juni 2020 stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss Bezug genommen. Der Beschluss wurde den Beteiligten am 4. Juni 2020 per Telefax gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Das unterschriebene Empfangsbekenntnis des Bevollmächtigten der Antragstellerin trägt das Datum 4. Juni 2020, das unterschriebene Empfangsbekenntnis des Bevollmächtigten der Antragsgegnerin (das am 8. Juni 2020 wieder beim Verwaltungsgericht einging) enthält an der vorgesehenen Stelle kein Datum.
Mit beim Verwaltungsgericht am 17. Juni 2020 eingegangenem Schriftsatz ließ die Antragsgegnerin Beschwerde gegen den Beschluss vom 2. Juni 2020 erheben. Diese wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Juli 2020 (7 CE 20.1450) zurück.
Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2020, der am 24. Juli 2020 beim Verwaltungsgericht einging, beantragte die Antragstellerin, gegen die Antragsgegnerin ein hinreichend bemessenes Zwangsgeld (§ 167 Abs. 1 VwGO, § 888 ZPO) festzusetzen, damit diese ihren Auskunftsverpflichtungen gemäß dem Beschluss vom 2. Juni 2020 nachkomme. Auf die Fristsetzungen durch die Antragstellerin mit Schreiben vom 5. Juni 2020 und vom 18. Juni 2020 (dem Schriftsatz in Kopie beigefügt) sei bis zu diesem Tag keine Auskunftserteilung erfolgt. Mit Schreiben vom 5. Juni 2020 (dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin vorab per Fax übermittelt) wurde der Antragsgegnerin zunächst eine Frist bis 17. Juni 2020 zur Auskunftserteilung gesetzt. Mit Schreiben vom 18. Juni 2020 ließ die Antragsgegnerin mitteilen, dass Beschwerde eingelegt worden sei und dass sie mit Hochdruck an der Auskunftserteilung arbeite, urlaubs- und krankheitsbedingt aber noch einige Zeit brauchen werde. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin setzte der Antragsgegnerin darauf mit Telefax vom gleichen Tag eine letzte Frist bis zum 24. Juni 2020 und kündigte die Einleitung der Vollstreckung an.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 29. Juli 2020 entgegengetreten. Ihrer Auffassung nach sind die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Weder sei der Titel zugestellt, noch liege eine entsprechende vollstreckbare Ausfertigung vor im Sinne einer Klauselerteilung. Darüber hinaus sei Beschwerde eingelegt worden.
Mit Schreiben vom 4. August 2020 wies das Gericht die Beteiligten darauf hin, dass die Vollziehungsfrist nach § 167 VwGO i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO abgelaufen sein dürfte. Diese habe nach dem Wortlaut des § 929 Abs. 2 ZPO mit der Zustellung der einstweiligen Anordnung an die Antragstellerin begonnen.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin nahm dazu mit Schriftsatz vom 5. August 2020 dahingehend Stellung, dass der „Zwangsgeldantrag“ vor dem Hintergrund des Geschehensablaufs nicht als verspätet gestellt angesehen werden könne. Mit dem Schreiben vom 5. Juni 2020 sei es für die Antragsgegnerin außer Zweifel gestanden, dass bei Auskunftsverweigerung Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet würden. Es bestehe damit faktisch kein Unterschied, als wenn bereits ein Zwangsgeldantrag gestellt worden sei. Das Schreiben vom 18. Juni 2020 habe der Antragsgegnerin gezeigt, dass die Antragstellerin auf der Auskunftserteilung beharre. Außerdem habe die Antragstellerin selbst mitgeteilt, dass die Auskunftserteilung „in Arbeit“ sei und damit zu erkennen gegeben, dass Vollstreckungsmaßnahmen aktuell nicht erforderlich seien. Darauf habe die Antragstellerin vertrauen dürfen. Es dürfe ihr auch nicht zum Nachteil gereichen, dass zunächst noch das Beschwerdeverfahren abgewartet worden sei. Dies schon deshalb, weil dem Vollstreckungsverlangen sonst entgegengehalten werden könne, dass eine Auskunftserteilung vor der Entscheidung über die Beschwerde vollendete Tatsachen schaffen würde. Im Übrigen käme es reiner Rechtsförmelei gleich, angesichts der aufgelisteten Umstände das Vollstreckungsbegehren als unzulässig zu werten.
Das Gericht hat den Schriftsatz der Antragstellerin vom 5. August 2020 am 10. August 2020 per Telefax an den Bevollmächtigten der Antragsgegnerin übermittelt mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 12. August 2020, insbesondere bis wann angesichts des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs die Informationen erteilt würden. Hierauf bat die Antragsgegnerseite mit einem Telefax vom 11. August 2020 um Fristverlängerung bis einschließlich 26. August 2020, da der alleinige Sachbearbeiter der Rechtsanwaltskanzlei sich vom 10. bis einschließlich 21. August 2020 in seinem Jahresurlaub befinde.
II.
Der gestellte Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 888 ZPO ist statthaft. Der in der VwGO geregelte Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes nach § 172 VwGO ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da er aus teleologischen Gründen dahingehend zu beschränken ist, dass er nur die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung gegen die öffentliche Hand erfasst, mit der die Verwaltung zu Maßnahmen verpflichtet wird, mit denen sie eine spezielle hoheitliche Regelungsbefugnis in Anspruch nimmt, z. B. den Erlass eines Verwaltungsakts (vgl. zum ganzen Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 172 Rn. 8, 2ff m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 21.11.2013 – 6 B 11027/13 – juris LS 2 und Rn. 6; als h.M dargestellt bei Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 37.EL Juli 2019, § 172, Rn. 16, die allerdings anderer Auffassung sind).
Im vorliegenden Fall geht es um die Verpflichtung der Antragsgegnerin, bestimmte Informationen an den Antragsteller herauszugeben und damit um einen Realakt. Damit ist der Antrag nach § 167 Abs. 1 VwGO, § 888 ZPO einschlägig.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen entgegen der Argumentation der Antragsgegnerin vor. Vollstreckungsfähiger Titel ist hier die einstweilige Anordnung vom 2. Juni 2020 (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Eine vollstreckbare Ausfertigung mit einer Klausel ist hierzu nicht erforderlich (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 168, Rn. 18; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 168 Rn. 13). Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die Vollziehung der einstweiligen Anordnung für oder gegen andere als die im Titel genannten Personen erfolgen soll, wie sich aus § 123 Abs. 3 VwGO, § 929 Abs. 1 ZPO ergibt. Darum geht es hier aber gerade nicht. Die Zustellung der einstweiligen Anordnung an die Antragsgegnerin ist vorliegend am 4. Juni 2020 erfolgt. Einer Zustellung im Parteibetrieb bedarf es nicht (VGH Baden-Württemberg, B.v. 28.4.2014 – 9 S 358/14 – juris Rn. 12)
Die Vollziehungsfrist nach § 167 VwGO, § 929 Abs. 2 ZPO ist vorliegend auch noch nicht abgelaufen. Grundsätzlich beginnt diese Frist zwar mit der Zustellung der einstweiligen Anordnung an den Vollstreckungsgläubiger zu laufen (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 28.4. 2014 – 9S358/14 – juris LS 1 und Rn. 9; BayVGH, B.v. 13.3.2003 – 4 C 03.640 – juris LS und Rn. 21). Dies war vorliegend der 4. Juni 2020 und damit wäre die Vollziehungsfrist inzwischen abgelaufen.
Im vorliegenden Fall ist dies jedoch aufgrund der Beschwerdeentscheidung des VGH noch nicht der Fall. Die Einlegung der Beschwerde durch die Antragsgegnerin allein lässt den Lauf der Vollziehungsfrist grundsätzlich noch unberührt (vgl. Drescher in Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 929 Rn. 6). Allerdings beginnt nach richtiger, wenn auch umstrittener Auffassung im zivilprozessualen Schrifttum die Vollziehungsfrist mit Erlass eines bestätigenden Urteils nach Widerspruch oder nach Berufung erneut zu laufen. Denn mit der Einlegung des Widerspruchs nach § 924 ZPO hat sich der Vollstreckungsschuldner des Schutzes der Vollziehungsfrist gemäß § 929 Abs. 2 selbst begeben und eine neue, bestätigende Entscheidung veranlasst. Er ist daher nicht schutzwürdig (vgl. Drescher a.a.O, Rn. 6 m.w.N.; OLG Zweibrücken, B.v. 27.8.2002 – 5 WF 60/02 – NJW-RR 2002, 1657; OLG Frankfurt a.M, B.v. 14.5.1985 – 20 W 421/84 – NJW 1986, 64).
Diese Argumentation gilt ebenso für die vorliegende verwaltungsprozessuale Konstellation, auf die § 929 Abs. 2 ZPO über § 167 VwGO Anwendung findet (OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 21.11.2013 – 6 B 11027/13 – juris LS 3 und Rn. 10-12): Auch hier hat die Antragsgegnerin das von der maßgeblichen Verfahrensordnung vorgesehene Rechtsmittel gegen die einstweilige Anordnung vom 2. Juni 2020 erhoben und damit den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Juli 2020 veranlasst. Damit durfte die Antragstellerin den Abschluss des Beschwerdeverfahrens abwarten. Sie hat darüber hinaus aber auch gegenüber der Antragstellerin nicht den Eindruck erweckt, dass sie auf die Vollstreckung der in der einstweiligen Anordnung ausgesprochenen Pflicht zur Auskunftserteilung verzichten werde. Im Gegenteil hat sie zwar noch kein Vollstreckungsverfahren eingeleitet, aber mit ihren Schreiben vom 5. und vom 18. Juni 2020 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie auf der Auskunftserteilung bestehe und die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen angedroht.
Die Antragsgegnerin ist vorliegend zudem bereits deswegen nicht schutzwürdig, als sie in ihrem eigenen Schreiben vom 18. Juni 2020 noch mitteilte, dass sie „mit Hochdruck“ an der Auskunftserteilung arbeite und nur aufgrund widriger Umstände daran gehindert sei. Sie hat damit den Eindruck erweckt, dass sie sich der Auskunftserteilung (vorbehaltlich der Beschwerdeentscheidung des VGH) nicht grundsätzlich verweigere. Nachdem der VGH inzwischen die Beschwerde zurückgewiesen hat besteht kein Grund mehr für ein weiteres Zuwarten.
Es ist daher vorliegend ausgeschlossen, dass durch den Neubeginn der Vollziehungsfrist mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die Beschwerde der Zweck des § 929 Abs. 2 ZPO, der darin besteht, den Vollstreckungsschuldner nicht über Gebühr im Ungewissen zu lassen, ob er noch aus dem Titel in Anspruch genommen wird (VGH Baden-Württemberg, B.v. 28.4.2014 – 9 S 358/14 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 13.3.2003 – 4 C 03.640 – juris RN 20; BVerfG, B.v. 27.4.1988 – 1 BvR 549/87 – juris Rn. 3), beeinträchtigt wird: Die Antragsgegnerin setzt vielmehr offenbar weiter auf Verzögerung, indem sie auf die Anfrage des Gerichts vom 10. August 2020, bis wann angesichts des Beschlusses des VGH die Informationen erteilt würden, mit einem Fristverlängerungsgesuch bis zum 26. August 2020, also einem Termin, an dem die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO wohl in jedem Fall abgelaufen wäre, gebeten hat.
Im Übrigen ist ein Grund für die Fristverlängerung auch nicht glaubhaft gemacht. Denn auch ein Einzelanwalt muss vor Antritt seines Jahresurlaubs für dringende Fälle wie den vorliegenden eine Vertretung organisieren. Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass die Fristverlängerung allein zur Verzögerung beantragt wurde.
Die Festsetzung eines Zwangsgeldes von 10.000 Euro ist angemessen, insbesondere angesichts der hartnäckigen Weigerung der Antragsgegnerin, den Verpflichtungen im Beschluss vom 2. Juni 2020 nachzukommen (OLG Karlsruhe, B.v. 2. 11. 1999 – 14 W 61/99 – NJW-RR 2000, 1312).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 ZPO.


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