IT- und Medienrecht

Herstellungsbeitrag für die Neuherstellung einer Entwässerungseinrichtung

Aktenzeichen  B 4 K 18.743

Datum:
26.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 58207
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 2 Abs. 1 S. 1,Art. 5 Abs. 5
VwGO § 82 Abs. 1 S. 3,§ 86 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 167
ZPO § 708 Nr. 11

 

Leitsatz

Aus dem Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehung der Beitragspflicht verlangt ihre Festsetzung das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabensatzung nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG, weil nur so die rechtliche Voraussetzung für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen wird (vgl. BayVGH, B. v. 11.05.2005 Az. 23 ZB 04.3348). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 08.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 14.06.2018, mit dem sie Vorauszahlungen auf den Herstellungsbeitrag für die Neuherstellung ihrer Entwässerungseinrichtung festsetzte, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Hierzu zählen auch öffentlich betriebene Entwässerungsanlagen.
Das Recht, Vorauszahlungen auf den künftigen Beitrag zu fordern, ergibt sich unmittelbar aus Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG. Danach können für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht nicht oder noch nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden, wenn mit der Herstellung der Einrichtung begonnen worden ist.
Damit ist nicht gesagt, dass bereits ein planloses Vorhaben, dessen rechtlich zulässige Durchführung im Dunkeln liegt, schon mit dem „ersten Spatenstich“ eine Vorauszahlungspflicht auslösen kann; einen – ungeschriebenen – Rechtssatz, dass der eine Vorauszahlungspflicht auslösende Baubeginn die vollständige Planung der Maßnahme und das Vorliegen aller notwendigen behördlichen Genehmigungen voraussetzt, gibt es aber nicht (BayVGH, B. v. 23.05.2013 – 20 CS 13.766, juris).
Aus dem Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehung der Beitragspflicht und aus der darin begründeten Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe verlangt ihre Festsetzung jedoch das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabensatzung nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG, weil nur so die rechtliche Voraussetzung für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen wird (vgl. BayVGH, B. v. 11.05.2005 Az. 23 ZB 04.3348 – Juris).
Die Beklagte verfügt mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 21.07.2014 (BGS-EWS 2014) über eine wirksame Abgabensatzung. Gründe, die gegen die Wirksamkeit der Satzung sprechen, wurden nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich.
Mit den Baumaßnahmen für die Erneuerung der Entwässerungseinrichtung wurde bereits in den Jahren 1987 bis 1992 begonnen. Insbesondere wurden im Ortsteil L. im Rahmen des Bauabschnitts 11 die Ortskanäle hergestellt, die der neuen Einrichtung zuzuordnen sind. Die Grundvoraussetzungen für die Erhebung von Vorauszahlungen lagen damit bei Bescheiderlass vor, ohne dass es darauf ankam, dass noch planerische Entscheidungen über die Abwasserbehandlung ausstanden (vgl. BayVGH, B. v. 23.05.2013 – a.a.O.). Jedoch sind inzwischen auch die diesbezüglichen Argumente der Klägerseite ausgeräumt, denn wie die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung erklärten, hat der Stadtrat Anfang 2019 entschieden, in welcher Form die Abwasserbeseitigung in L. erfolgen soll. Es wurde die dritte Alternative gewählt, nämlich die Ableitung des Abwassers in Richtung L. und die Einleitung in die Kläranlage in P. Die Realisierung des ersten Bauabschnitts stehe bevor; für den zweiten Bauabschnitt sei der Auftrag schon vergeben.
1.2 Auch mit den weiteren Einwendungen kann der Kläger nicht durchdringen.
1.2.1 Nach ständiger Rechtsprechung darf sich die Vorauszahlung auf die volle Höhe der voraussichtlichen Beitragsforderung erstrecken, d. h. bis zur vollen Deckung des beitragsfähigen Investitionsaufwandes (vgl. BayVGH, U. v. 27.11.2003 – 23 B 03.1250 – BeckRS 2003, 31487, beck-online; Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungs- und Unternehmensrecht, Teil III, Frage 11, Nr. 3). Es ist somit nicht zu beanstanden, dass der Stadtrat mit Beschluss vom 17.07.2017 die Erhebung der Vorauszahlung in Höhe von 100% des voraussichtlichen Beitrags beschlossen hat.
1.2.2 Da bei der Erhebung der Vorauszahlung noch nicht alle planerischen Einzelheiten bis ins Detail vorliegen müssen, lässt sich erst nach Fertigstellung der Maßnahme konkret feststellen, ob und welche Teile der Altanlage noch Verwendung gefunden haben und in welcher Weise diese aufwandsmindernd in die dann vorzunehmende Kalkulation einzustellen sind. Die (endgültigen) Herstellungsbeiträge werden dann in der neu zu erlassenden Beitrags- und Gebührensatzung festgesetzt.
Im Übrigen hat die Klägerseite nur pauschal gerügt, dass die Verwendung alter Anlagenteile bei der Kalkulation der Beitragssätze der BGS-EWS vom 21.07.2014 nicht aufwandsmindernd berücksichtigt worden seien. Nach der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (zuletzt B. v. 19.03.2018 – 20 ZB 17.1681 -, juris, Rn. 6), der sich die Kammer anschließt, genügt es nicht, wenn eine Klagepartei ohne jegliche substantiierte Belegung lediglich behauptet, die bestimmten Beitragssätze seien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet erscheinen, die dafür erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Diese Pflicht findet aber in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten eine Grenze. Diese besteht nicht nur darin, dass das Gericht die Beteiligten zur Erforschung des Sachverhalts mit heranziehen kann, sondern auch und gerade darin, dass die Kläger die zur Begründung ihrer Rechtsbehelfe oder ihrer Einwendungen dienenden Tatsachen und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO angeben sollen. Solange sie dieser Pflicht nicht nachkommen, überprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, U. v. 17.04.2002 – 9 CN 1/01 – BVerfGE 116, 188; BayVGH, B. v. 02.08.2006 – 23 ZB 06.643 – juris).
1.2.3 Soweit der Kläger eine Ungleichbehandlung gegenüber Beitragsschuldner rügt, denen ein früherer Beitrag angerechnet wurde, hat er Vergleichsfälle nicht konkret dargelegt.
Die auf einem Stadtratsbeschluss vom 11.01.1995 beruhende Härtefallregelung, die eine (teilweise) Anrechnung von Beiträgen, „welche längstens 10 Jahre, gerechnet vom Entstehen der neuen, endgültigen Beitragsschuld bezahlt wurden“, vorsieht, dürfte für den Kläger nicht einschlägig sein. Er hat nicht angegeben, wann er einen Herstellungsbeitrag zur alten Einrichtung geleistet hat. Da er die Zehn-Jahres-Regelung für nicht ausreichend hält, ist aber davon auszugehen, dass seine erste Beitragsleistung deutlich weiter zurückliegt. Die Beklagte erwähnt in ihrem Schreiben vom 16.12.2017 an den Bevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren einen Zeitraum von „gut 20 Jahren“.
Die Härtefallregelung soll Billigkeitsgesichtspunkten i. S. d. Art. 13 Abs. 1 Nr.4 b) KAG i.V. m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO Rechnung tragen und dem Schutz derjenigen dienen, die zeitnah vor dem Entstehen der Beitragspflicht für die neue Anlage noch zur alten Anlage Herstellungsbeiträge entrichtet haben. Selbst wenn man hier nicht den noch in der Zukunft liegenden Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht für die neue Einrichtung, sondern den Zeitpunkt der Entstehung der Vorauszahlungspflicht in Betracht zieht, ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung, eine Anrechnung nicht über einen Zehn-Jahres-Zeitraum hinaus zu gewähren, sachfremde, ermessensfehlerhafte Erwägungen angestellt hat. Die Regelung ist zum Vorteilsausgleich tauglich und nicht zu beanstanden.
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abzuweisen. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.


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