IT- und Medienrecht

Identifizierende Verdachtsberichterstattung bei Vergewaltigungsvorwurf

Aktenzeichen  18 U 778/17 Pre

Datum:
9.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45814
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 5 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Verdachtsberichterstattung ist nicht rechtmäßig, wenn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nur der für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens genügende bloße Anfangsverdacht besteht und weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Staatsanwaltschaft in dem kurzen Zeitraum seit Anzeigeerstattung irgendwelche Ermittlungsmaßnahmen ergriffen und über den Inhalt der Strafanzeige hinausgehende Erkenntnisse gewonnen hätte und dies in dem beanstndeten Artikel nicht ausreichend kenntlich gemacht wird. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die aufgrund der begangenen Rechtsverletzung vermutete Wiederholungsgefahr bleibt auch dann bestehen, wenn im Laufe des einstweiligen Verfügungsvefahrens die Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgt ist. Das zu erlassene Verbot betrifft nur die Äußerungen in dem gegebenen Kontext, der auch die Mitteilung der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bekannten Beweistatsachen und die sich daraus ergebende niedrige Verdachtsstufe umfasst. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 O 8402/15 2017-02-15 TeU LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Landgerichts München I vom 15.2.2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10.10.2017 dahin abgeändert, dass es lautet wie folgt:
1. Der Beklagten zu 1) wird unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, bei Nichteinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, wegen jeder Zuwiderhandlung untersagt,
wiederzugeben, zu veröffentlichen, zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen bzw. wiedergeben, veröffentlichen, verbreiten und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen,
– es sei gegen den Kläger Strafanzeige erstattet worden, und/oder
– er sei Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, und/oder
– der Kläger habe eine Studentin bzw. Mitarbeiterin vergewaltigt und/oder in diesem Kontext das folgende Bildnis

des Klägers wiederzugeben, wenn dies jeweils geschieht wie in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ auf …b. de vom 23.02.2015.
2. Der Beklagten zu 2) wird unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, bei Nichteinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Vorstand, wegen jeder Zuwiderhandlung untersagt,
wiederzugeben, zu veröffentlichen, zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen bzw. wiedergeben, veröffentlichen, verbreiten und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen,
– es sei gegen den Kläger Strafanzeige erstattet worden, und/oder
– er sei Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, und/oder
– der Kläger habe eine Studentin bzw. Mitarbeiterin vergewaltigt, und/oder
– der Kläger habe eine Studentin im Außenbereich des Lokals C. auf eine abgelegene Treppe gedrückt und ihr Obszönitäten ins Ohr geflüstert, unter anderem „Du bist die geilste Sau“, und/oder
– in diesem Zusammenhang habe sich die Studentin gegen den Kläger gewehrt, so dass ihr Dirndl zerrissen sei, und/oder
– sie habe ihn angefleht, endlich aufzuhören, dies habe den Kläger kalt gelassen, er habe ihr den Slip ausgezogen und seine Hose geöffnet, und/oder
– der Kläger habe behauptet, er habe die Studentin bzw. Mitarbeiterin „gebusselt“
und/oder in diesem Kontext das folgende Bildnis des Klägers wiederzugeben,

wenn dies jeweils geschieht wie in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ in B. a. S. vom 22.02.2015.
2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen
– der Kläger 14% der Gerichtskosten, 19% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 12% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2),
– die Beklagte zu 1) 31% der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers und
– die Beklagte zu 2) 55% der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte zu 1) kann die Zwangsvollstreckung aus Ziffer I.1. dieses Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 €, die Beklagte zu 2) die Zwangsvollstreckung aus Ziffer I.2. dieses Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung aus Ziffer III. dieses Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1) Unterlassung einer Wortberichterstattung über einen gegen ihn erhobenen Vergewaltigungsvorwurf und der zugehörigen Bildnisveröffentlichung, wie geschehen in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ auf … b. de vom 23.2.2015, und von der Beklagten zu 2) Unterlassung der entsprechenden Wort- und Bildberichterstattung, wie geschehen in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ in der B. a. S. vom 22.2.2015, sowie von beiden Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über den Umfang der Veröffentlichungen und Ersatz der dadurch verursachten materiellen und immateriellen Schäden.
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen. Ergänzend wird festgestellt:
Der Kläger, ein Steuerberater, war von 2008 bis Oktober 2014 Partner der Kanzlei L. und dort für Personalangelegenheiten zuständig. Das mutmaßliche Tatopfer, Frau R., war vor dem angeblichen Vorfall im September 2014 bei der Kanzlei drei Jahre als studentische Mitarbeiterin beschäftigt.
Der Oktoberfestbesuch, an dem Frau R. und der Kläger teilnahmen, fand am 26.9.2014 statt. In den frühen Morgenstunden des 27.9.2014 hielten sich der Kläger und Frau R. allein im Außenbereich des Restaurants „C. T.“ auf. Dabei soll es zu der dem Kläger vorgeworfenen Vergewaltigung gekommen sein. Noch in derselben Nacht versetzte Rechtsanwalt L. Sch., damals ebenfalls Partner der Kanzlei L., dem Kläger drei Faustschläge ins Gesicht, derentwegen er vom Amtsgericht München im Verfahren 824 Cs 451 Js 140669/15 zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (vgl. Anlage BK2). Rechtsanwalt Sch. schied zum 31.12.2014 aus der Kanzlei L. aus.
Im Januar 2016 erhob die Staatsanwaltschaft München I im Verfahren 451 Js 115945/15 gegen den Kläger Anklage zum Landgericht wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 52 StGB, der der streitgegenständliche Vorfall zugrunde lag. Wegen des Inhalts der Anklageschrift wird auf die Anlage BK1 Bezug genommen. Die Strafkammer hat die Hauptverhandlung eröffnet und seit Juli 2017 umfangreich Beweis erhoben, u.a. durch Vernehmung der Zeugin R., die das mutmaßliche Tatgeschehen in öffentlicher Verhandlung detailliert schilderte. Über den Prozess gegen den Kläger wurde deutschlandweit in etlichen Medien berichtet (Anlagenkonvolut BK3). Das Strafverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Das Landgericht verurteilte die Beklagten mit Teilurteil vom 15.2.2017, berichtigt mit Beschluss des Landgerichts München I vom 10.10.2017, unter Abweisung der Unterlassungs- und Auskunftsanträge im Übrigen wie folgt:
1. Der Beklagten zu 1) wird unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, bei Nichteinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, wegen jeder Zuwiderhandlung
untersagt,
im Zusammenhang mit der wörtlichen oder sinngemäßen Behauptung,
– er habe eine strafbare Behandlung (sic!) begangen,
– es sei gegen ihn Strafanzeige erstattet worden, oder
– er sei Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren den Kläger identifizierende Angaben und/oder Bilder wiederzugeben, zu veröffentlichen, zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen bzw. wiedergeben, veröffentlichen, verbreiten und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ auf … b. de vom 23.02.2015.
2. Der Beklagten zu 2) wird unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, bei Nichteinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Vorstand, wegen jeder Zuwiderhandlung
untersagt,
im Zusammenhang mit der wörtlichen oder sinngemäßen Behauptung,
– er habe eine strafbare Behandlung (sic!) begangen,
– es sei gegen ihn Strafanzeige erstattet worden, oder
– er sei Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren den Kläger identifizierende Angaben und/oder Bilder wiederzugeben, zu veröffentlichen, zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen bzw. wiedergeben, veröffentlichen, verbreiten und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn dies jeweils geschieht wie in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ auf Seite 08 der B. a. S. vom 22.02.2015.
3. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1 dieses Urteils bezeichneten Handlungen, wie geschehen in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ auf b. de vom 23.02.2015, vorgenommen hat; dabei hat die Beklagte zu 1) die Dauer der öffentlichen Zugänglichmachung sowie die Anzahl der Abrufe des Artikels durch Nutzer, auch soweit der vollständige Artikel über den kostenpflichtigen Dienst B.p. aufgerufen wurde, anzugeben.
4. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 2 dieses Urteils bezeichneten Handlungen, wie geschehen in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ auf Seite 08 der B. a. S.vom 22.02.2015, vorgenommen hat; dabei hat die Beklagte zu 2) Auskunft über das Verbreitungsgebiet der B. a. S. vom 22.02.2015 sowie über die Höhe der Auflage zu geben.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
Über die Klage sei durch Teilurteil zu entscheiden, da sie hinsichtlich der geltend gemachten Unterlassungsansprüche entscheidungsreif sei, nicht aber hinsichtlich der Ansprüche auf Geldentschädigung und (materiellen) Schadensersatz.
Der Kläger habe gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Unterlassung der Berichterstattung, soweit er dabei durch ein Foto oder Angaben zu seiner Person identifizierbar gemacht werde, denn dadurch werde sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Er sei sowohl auf dem veröffentlichten Foto zu erkennen als auch durch die Angaben in der Wortberichterstattung identifizierbar.
Bei der Darstellung des Geschehens „am Abend des Oktoberfestes“ handle es sich um Tatsachenbehauptungen, die geeignet seien, das Ansehen des Klägers herabzuwürdigen, und nicht erweislich wahr seien. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers sei nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen, insbesondere nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung, gerechtfertigt. Zwar gebe der Artikel die für den Vorwurf der Vergewaltigung relevanten Anknüpfungstatsachen wieder und mache zugleich deutlich, dass es sich nur um Vorwürfe, nicht um feststehende Tatsachen handle. Der Kläger habe Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, und der berichtete Tatverdacht sei gravierend. Jedoch habe der sehr gravierende Vorwurf auf einem damals „nur wenig gefestigten Ermittlungsfundament“ beruht, nämlich im Wesentlichen auf den Angaben des anderen ehemaligen L.-Partners, der teilweise allenfalls Zeuge vom Hörensagen gewesen sei. Dessen Angaben und das Bestreiten des Klägers hätten sich gegenübergestanden. Der Wahrheitsgehalt des vom Zeugen erhobenen Vorwurfs sei zum damaligen Zeitpunkt keineswegs zuverlässig gesichert gewesen. Weitergehende Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft seien nicht berichtet worden. Der Vorwurf der Vergewaltigung sei in besonderem Maße geeignet, den Kläger, der keine Person des öffentlichen Interesses sei, herabzuwürdigen. Die Berichterstattung stigmatisiere den Kläger in besonderer Weise und sei im Falle einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eines Freispruchs nicht adäquat auszugleichen.
Der Kläger habe gegen die Beklagte zu 2), soweit die Berichterstattung demnach unzulässig sei, einen Anspruch auf Auskunft über ihre Verbreitung, denn er habe einen Anspruch auf Ausgleich des dadurch entstandenen materiellen Schadens, dessen Höhe u.a. von der zu erteilenden Auskunft abhänge. Wegen des Gewichts der Rechtsbeeinträchtigung, des Verschuldens der Beklagten zu 2) und der Tatsache, dass die Stigmatisierung nicht anders ausgeglichen werden könne, habe der Kläger außerdem einen Anspruch auf Geldentschädigung, für den der Umfang der Verbreitung der Berichterstattung ebenfalls von Bedeutung sei.
Demgegenüber habe der Kläger gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Unterlassung der einzelnen Tatsachenbehauptungen zum Geschehen am Abend des Oktoberfestbesuchs, denn insoweit seien die Voraussetzungen für eine Verdachtsberichterstattung erfüllt, sofern der Kläger nicht in identifizierbarer Weise dargestellt werde. Insoweit sei die Klage daher abzuweisen.
Aus den dargestellten Erwägungen habe der Kläger auch gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung und einen Auskunftsanspruch in dem zuerkannten Umfang.
Hinsichtlich des Antrags auf Unterlassung der Aussage, der Kläger habe eine Studentin bzw. Mitarbeiterin vergewaltigt, sei die Klage abzuweisen, denn diese Behauptung sei unter dem Gesichtspunkt der Verdachtsberichterstattung zulässig, soweit die Berichterstattung in nicht identifizierender Weise erfolge.
Gegen dieses beiden Parteien am 27.2.2017 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 7.3.2017 und der Kläger am 27.3.2017 Berufung eingelegt. Die Parteien haben ihre jeweilige Berufung mit Schriftsätzen vom 29.6.2017, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tag, begründet, nachdem die Begründungsfrist mit Beschlüssen vom 24.4.2017, 25.4.2017 und 24.5.2017 verlängert worden war, zuletzt bis 29.6.2017.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass ihre Berichterstattungsfreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im vorliegenden Fall das Anonymitätsinteresse des Klägers überwögen. Den verantwortlichen Redakteuren Ö. und T. hätten aufgrund ihrer Recherchen ausreichende Beweistatsachen für den Wahrheitsgehalt des mitgeteilten Verdachts gegen den Kläger vorgelegen, nämlich neben der umfangreichen und sehr detaillierten Strafanzeige des Rechtsanwalts Sch., der die darin enthaltenen Angaben auch gegenüber den Redakteuren widerspruchsfrei dargestellt habe, insbesondere das Ausscheiden des Klägers aus der Kanzlei L., die Bestätigung der Vorwürfe gegen den Kläger durch die internen Ermittlungen des Kanzleimanagements von L. und der Geschehensablauf, soweit er unstreitig sei. Daher habe sich den Redakteuren den Schluss aufgedrängt, dass Rechtsanwalt Sch. den Kläger wegen eines Verhaltens geschlagen haben müsse, das L. als deutlich gravierenderes Fehlverhalten (als dasjenige Sch.) eingestuft habe.
Die Beklagten tragen vor, der Vorfall sei Gegenstand einer internen Untersuchung in der Kanzlei gewesen. Zwei L.-Anwälte, darunter der Pressesprecher der Kanzlei, hätten dem Redakteur Ö. erklärt, dass sich dabei „große Teile der Vorwürfe bestätigt“ hätten, und u.a. das folgende in der Berichterstattung abgedruckte Zitat autorisiert: „Ein internationales Komitee hat sofort eine interne Untersuchung eingeleitet, die mehrere Tage andauerte. Als Konsequenz haben wir uns von dem betroffenen Partner getrennt.“ Das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer R. habe sich zwar nicht gegenüber den Beklagten geäußert. Die Redakteure hätten aber erfahren, dass das mutmaßliche Opfer zum Zeitpunkt der Recherche immer noch traumatisiert gewesen sei. Dies sowie die Tatsache, dass die Kanzlei der betroffenen Mitarbeiterin psychologische, rechtliche und finanzielle Hilfe angeboten habe, habe L. gegenüber den Redaktionen von J., L. T. Online und F. Magazin öffentlich bestätigt. Auch habe die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen Vergewaltigung/sexueller Nötigung unter Angabe des Aktenzeichens bestätigt.
Die vom Kläger zu seiner Verteidigung vorgebrachten Argumente (nämlich dass ein einvernehmlicher sexueller Kontakt stattgefunden habe) hätten die Redakteure vor diesem Hintergrund als klassische Schutzbehauptungen einordnen dürfen, auch weil die Betroffene R. in einer glücklichen Beziehung lebe und vor dem streitgegenständlichen Vorfall noch nie „entsprechend aufgefallen“ sei. Ein Grund, warum sie den Kläger fälschlich beschuldigen sollte, sei für die Beklagten nicht ersichtlich gewesen. Schließlich sei weder L. noch der Kläger vor der Berichterstattung der Beklagten gegen die zahlreichen Artikel vorgegangen, in denen über den streitgegenständlichen Vorfall berichtet worden sei. Die Beklagten sind daher der Ansicht, sie hätten die von der Rechtsprechung an die pressemäßige Sorgfalt gestellten Anforderungen erfüllt. Demgegenüber sei der berichtete Vorgang so gravierend, dass er die Öffentlichkeit besonders berühre. Nicht nur sei eine Vergewaltigung grundsätzlich dem Bereich der besonders schweren Kriminalität zuzuordnen. Im vorliegenden Fall komme erschwerend hinzu, dass der Kläger seine Machtposition und die Abhängigkeit des – mutmaßlichen – Opfers ausgenutzt habe. Auch an den Gründen für das Ausscheiden des Klägers bei L. habe ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse bestanden, was die Berichterstattung darüber in zahlreichen Medien zeige. Aufgrund dieser Berichterstattung seien die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe jedenfalls in Anwaltskreisen und in seinem sozialen Umfeld bereits bekannt gewesen.
Zu berücksichtigen sei auch, dass alle in der Berichterstattung mitgeteilten Umstände im Zusammenhang mit einer Sexualstraftat stünden und deshalb nicht die Privat- oder Intimsphäre des Klägers, sondern nur seine Sozialsphäre beträfen. Gerade an den in dem Artikel mitgeteilten Details, die sämtlich aus der gegen den Kläger erstatteten Strafanzeige stammten, bestehe ein schützenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, da sie belegten, dass es sich nicht um eine haltlose und detailarme Strafanzeige eines rachsüchtigen Nebenbuhlers handelte.
Schließlich hätten sich die Beklagten in presseüblicher Form um die Anonymisierung des Klägers bemüht. Dessen Identität werde durch die in dem Artikel enthaltenen Informationen nicht preisgegeben, sondern der Kläger werde nur für die Personen identifizierbar, die ihn auch anhand der bloßen Schlagzeile erkannt hätten, nämlich für seinen engeren Bekanntenkreis und diejenigen Leser aus Anwaltskreisen, die zuvor die Berichterstattung in branchenspezifischen Medien verfolgt hätten. Ein Verbot, den Kläger identifizierende Angaben oder Fotos zu veröffentlichen, käme einer Zensur gleich, da dadurch eine Berichterstattung über den Vorfall unmöglich würde. Auch dann, wenn der Kläger im Rahmen der Berichterstattung nur als „erfolgreicher Partner einer Großkanzlei“ bezeichnet würde, könnte ihn nämlich jeder interessierte Leser mit einer kurzen Internetrecherche identifizieren.
Unabhängig davon scheide ein Unterlassungsanspruch schon deshalb aus, weil zwischenzeitlich die Wiederholungsgefahr wegen der Erörterung der streitgegenständlichen Vorwürfe in öffentlicher Sitzung der Strafkammer entfallen sei. Zudem lägen spätestens seit Anklageerhebung so gewichtige Beweistatsachen vor, dass die „zurückhaltende Identifizierung“ des Klägers zulässig sei. Wenn der Kläger im Strafverfahren verurteilt werde, sei sogar der Wahrheitsbeweis erbracht. Für die Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs komme es nämlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an.
Die Beklagten beantragen zu ihrer Berufung,
das Teilurteil des Landgerichts München I vom 15. Februar 2017 – Az. 9 O 8402/15 – abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit durch Teilurteil vom 15. Februar 2017 über sie entschieden worden ist.
Der Kläger beantragt hierzu:
Die mit Schriftsatz vom 02.03.2017 eingelegte Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Nach teilweiser Berufungsrücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2018 beantragt der Kläger zu seiner Berufung nunmehr:
Unter Abänderung des am 15.02.2017 verkündeten Teilurteils des Landgerichts München I, Az.: 9 O 8402/15 wird
1. der Beklagten zu 1) unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, bei Nichteinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, wegen jeder Zuwiderhandlung
untersagt,
wiederzugeben, zu veröffentlichen, zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen bzw. wiedergeben, veröffentlichen, verbreiten und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen,
– es sei gegen den Kläger Strafanzeige erstattet worden, und/oder
– er sei Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, und/oder
– der Kläger habe eine Studentin bzw. Mitarbeiterin vergewaltigt und/oder in diesem Kontext das Bildnis des Klägers wiederzugeben, wenn dies jeweils geschieht wie in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ auf … b. de vom 23.02.2015.
2. Der Beklagten zu 2) wird unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, bei Nichteinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Vorstand, wegen jeder Zuwiderhandlung
untersagt,
wiederzugeben, zu veröffentlichen, zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen bzw. wiedergeben, veröffentlichen, verbreiten und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen,
– es sei gegen den Kläger Strafanzeige erstattet worden, und/oder
– er sei Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, und/oder
– der Kläger habe eine Studentin bzw. Mitarbeiterin vergewaltigt, und/oder
– der Kläger habe eine Studentin im Außenbereich des Lokals C. auf eine abgelegene Treppe gedrückt und ihr Obszönitäten ins Ohr geflüstert, unter anderem „Du bist die geilste Sau“, und/oder
– in diesem Zusammenhang habe sich die Studentin gegen den Kläger gewehrt, so dass ihr Dirndl zerrissen sei, und/oder
– sie habe ihn angefleht, endlich aufzuhören, dies habe den Kläger kalt gelassen, er habe ihr den Slip ausgezogen und seine Hose geöffnet, und/oder
– der Kläger habe behauptet, er habe die Studentin bzw. Mitarbeiterin „gebusselt“, und/oder in diesem Kontext das Bildnis des Klägers wiederzugeben, wenn dies jeweils geschieht wie in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ auf Seite 8 der B. a. S. vom 22.02.2015.
Hierzu beantragen die Beklagten,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger führt aus:
Das Landgericht habe den Klageanträgen I. bis IV. zu Recht überwiegend stattgegeben, da die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung nicht erfüllt seien. Die Beklagten hätten die journalistische Sorgfaltspflicht grob missachtet. Sie stützten die angegriffenen Äußerungen ausschließlich auf die von hohem Belastungseifer getragenen Behauptungen des Anzeigeerstatters Sch., der den behaupteten Vorgang selbst nicht beobachtet habe, wegen seines eigenen tätlichen Angriffs auf den Kläger ein großes Interesse an der Beschädigung von dessen Person habe und die Strafanzeige erst Monate nach dem Vorfall erstattet habe. Die Beklagten nähmen zu Unrecht an, dass Sch., ein bereits vorbestrafter Straftäter, der auch als Jurist keine Skrupel habe, eine gefährliche Körperverletzung zu begehen, vor den Folgen einer möglichen falschen Verdächtigung zurückschrecke. Ohne die Einlassung der Zeugin R. seien Schlüsse auf die Gründe ihrer – vom Anzeigeerstatter Sch. angeblich beobachteten – Verfassung nach der behaupteten Tat nicht möglich; diese könne durchaus auf schlechtes Gewissen wegen einer etwaigen „Grenzüberschreitung“ oder auf einen alkoholbedingten emotionalen Einbruch zurückzuführen sein.
Jedoch verletzten auch die von der Verurteilung nicht umfassten Äußerungen, deren Unterlassung mit der Berufung begehrt werde, den Kläger in seinen Rechten. Es handle sich dabei um reißerisch formulierte Details aus den behaupteten Vorgängen, die der Intimsphäre zuzuordnen seien und ausschließlich dem Erregen und Schüren des Sensationsinteresses der Leserschaft, letztlich also den eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beklagten, dienten. Der Kläger sei davon persönlich betroffen, da er in den streitgegenständlichen Artikeln „als Person identifiziert“ dargestellt sei. Eine Beschränkung der Unterlassungsverpflichtung auf identifizierende Angaben sei nicht angezeigt. Für die unter Antrag 1., dritter Spiegelstrich, und Antrag 2., dritter bis achter Spiegelstrich, genannten Äußerungen bestehe auch keine Rechtfertigung der Presse für eine Veröffentlichung ohne Identifizierbarkeit.
Etwaige interne Untersuchungen der Kanzlei L. seien als Beweistatsachen nicht geeignet, zumal nicht ersichtlich sei, inwiefern diese die Vorwürfe bestätigt haben sollten. Auch habe sich nicht die Kanzlei vom Kläger getrennt, sondern dieser habe die Kanzlei aus eigenem Entschluss verlassen. Weder L. noch das vermeintliche Opfer selbst habe Strafanzeige gegen den Kläger erstattet.
Sollte die Wiederholungsgefahr entfallen, wovon auch im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung des Klägers nicht ohne Weiteres auszugehen sei, wären die auf Unterlassung gerichteten Klageanträge ggf. umzustellen auf Feststellung.
Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird ergänzend Bezug genommen auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 29.6.2017 (Bl. 187/200 d. A.), die Berufungsbegründung des Klägers vom 29.6.2017 (Bl. 201/206 d. A.), den Klägerschriftsatz vom 24.7.2017 (Bl. 213/214 d. A.), den Beklagtenschriftsatz vom 10.8.2017 (Bl. 216 d. A.), die Berufungserwiderung der Beklagten vom 28.8.2017 (Bl. 220/230 d. A.) mit Anlagen, die Berufungserwiderung des Klägers vom 28.8.2017 (Bl. 231/234 d. A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9.1.2018 (Bl. 246/256 d. A.).
Der Senat hat mit Beschluss vom 11.8.2017 (Bl. 217/219 d. A.) den Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Rechtsstreits bis zum Abschluss des Strafverfahrens gegen den Kläger zurückgewiesen.
II.
A.
Die Berufungen beider Parteien sind nach §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig.
B.
Die Berufungsanträge des Klägers in der zuletzt gestellten Form haben auch in der Sache Erfolg, während die Berufung der Beklagten im Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen war.
1. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1) zu Recht zur Unterlassung der Äußerungen verurteilt, gegen den Kläger sei Strafanzeige erstattet worden, und er sei Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Der hiermit zugesprochene Anspruch steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.. Die streitgegenständliche Berichterstattung war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung (vgl. BGH, Urteil vom 19.3.2013 – VI ZR 93/12, GRUR 2013, 965, Rn. 20) rechtswidrig und die Wiederholungsgefahr war zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Berufungsverhandlung nicht entfallen.
a) Beide genannten Aussagen befinden sich in der von der Beklagten zu 1) herausgegebenen Online-Ausgabe der Bildzeitung vom 23.2.2015 (Anlage K2) unter der Überschrift „Skandal in feinsten Juristen-Kreisen Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“.
aa) Maßgeblich für die Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts der Äußerungen ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden, noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Bei der Interpretation ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen, der ihren Sinn aber nicht abschließend festlegt. Dieser wird vielmehr auch von dem Kontext bestimmt, in dem die umstrittene Äußerung steht, und von den Begleitumständen, unter denen sie fällt, soweit diese für den Rezipienten erkennbar sind (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, NJW 1995, 3303). Die Äußerung darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteile vom 27.9.2016 – VI ZR 250/13; 22.9.2009 – VI ZR 19/08; vom 3.2.2009 – VI ZR 36 /07; vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03). Fernliegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn unter Zugrundelegung dieses Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich aber, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist bei der weiteren Prüfung von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98 Rnr. 31).
bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Artikel, in den die streitgegenständlichen Äußerungen eingebettet sind, folgenden Aussagegehalt: Mit der Überschrift wird ausgesagt, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen „Star-Anwalt“ ermittle, dieser also Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren sei. Die folgende Kopfzeile gibt an, weswegen ermittelt wird, nämlich weil der Anwalt eine Jura-Studentin vergewaltigt haben soll. Dann folgt das – hier nicht näher bezeichnete – Farbfoto einer großen, vollen Gaststätte; darin eingefügt ist das schwarz-weiße Porträtfoto eines Mannes, auf dem ein kleiner schwarzer Balken die Augen verdeckt. Der folgende Text enthält eine kurze, wertende Beschreibung der Bedeutung der Kanzlei L. und ihrer Partner, der die Feststellung entgegen gesetzt wird, dass jetzt die Staatsanwaltschaft „in feinsten Anwaltskreisen“ ermittle. Dem Kontext ist zu entnehmen, dass es sich bei den „feinsten Anwaltskreisen“ um die Kanzlei L. handelt. Schließlich wird angekündigt, dass man „mit B.p.“, wohin ein anschließender Link weiterleitet, lesen könne, „wie Top-Jurist T. E. (43) eine Mitarbeiterin … vergewaltigt haben soll, warum ihn ein Ex-Kollege anzeigte und was die Kanzlei zu den Vorwürfen sagte“. Dem verständigen und unvoreingenommenen Durchschnittsleser erschließt sich aus der Gestaltung des Porträtfotos ohne Weiteres, dass der Abgebildete der erwähnte „T. E.“ ist, dem die Vergewaltigung einer Mitarbeiterin vorgeworfen wird.
cc) Die Gesamtschau des streitgegenständlichen Kurzberichts lässt ausreichend deutlich erkennen, dass es sich dabei um den Kläger handelt.
Dafür genügt es, wenn die betroffene Person zumindest für einen Teil der Leserschaft auf Grund der mitgeteilten Umstände hinreichend erkennbar wird. Entscheidend ist nicht, ob alle oder ein erheblicher Teil der Leser oder gar die Durchschnittsleser einer Zeitung die gemeinte Person identifizieren können. Der begründete Anlass, auch nur vom Bekanntenkreis identifiziert zu werden, ist ausreichend. Eine Nennung des vollständigen Namens des Betroffenen ist nicht nötig, sondern es genügt bereits, wenn nur Teilinformationen übermittelt werden, aus denen sich seine Identität ergibt oder mühelos ermitteln lässt, so beispielsweise die Schilderung von Einzelheiten des Lebenslaufs oder die Nennung von Wohnort und Berufstätigkeit (BVerfG, Beschluss vom 14.7.2004 – 1 BvR 263/03, NJW 2004, 3619 m.w.N.; Weyhe in: Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3. Aufl., Kapitel 37 Rn. 38 m.w.N.; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl., 4. Kapitel, Rn. 9).
Diese Voraussetzungen sind bei dem streitgegenständlichen Artikel gegeben: Auf dem zur Illustration verwendeten Porträtfoto des Klägers sind nur die Augen verdeckt, andere charakteristische Merkmale wie Nase, Mund, Kinnpartie und den Oberkopf aber deutlich zu erkennen. Zusätzlich werden der Vorname, der Anfangsbuchstabe des Familiennamens und das Alter des Klägers angegeben und mitgeteilt, dass er Partner in der Kanzlei L. sei. Anhand dieser Angaben ist der Kläger nicht nur für Anwaltskollegen oder sonstige Mitarbeiter der Kanzlei L. und für ihm nahestehende Personen erkennbar, sondern auch für seinen weiteren Bekanntenkreis wie etwa Nachbarn oder Ladenbesitzer, zu denen er Kontakt hat.
Die Beklagte zu 1) kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine wirksame Anonymisierung nicht möglich wäre. Bereits das Weglassen des Fotos und der Namensnennung würde dazu führen, dass der Kläger für Personen, die über die streitgegenständlichen Anschuldigungen oder zumindest über Interna der Kanzlei L. nicht bereits Bescheid wissen, nicht identifizierbar wäre.
dd) Der Beitrag enthält somit u.a. die Tatsachenbehauptungen, dass gegen den Kläger Strafanzeige erstattet worden sei, und dass er Beschuldigter in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren sei. Er enthält ferner die Aussage, der Kläger habe „eine Jura-Studentin vergewaltigt“ bzw. „eine Mitarbeiterin … vergewaltigt“, dagegen nicht diejenige, der Kläger habe „eine Straftat“ begangen. Es handelt sich um kein direktes Zitat aus der angegriffenen Berichterstattung. Mit dieser Formulierung in den Klageanträgen und im landgerichtlichen Urteil werden die beiden genannten Äußerungen vielmehr ersichtlich grob umschrieben, so dass von einer weitgehenden Identität des zugrundeliegenden, in der Berufung nicht mehr aufrechterhaltenen Antrags mit dem Berufungsantrag 1., dritter Spiegelstrich, auszugehen ist.
b) Diese Behauptungen greifen in das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein. Betroffen ist seine Ehre, nicht dagegen seine Privat- oder Intimsphäre. Zwar gehören die Ausdrucksformen der Sexualität im Allgemeinen zum absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Das ist aber nicht zwangsläufig der Fall und gilt insbesondere nicht für Sexualstraftaten. Diese mögen intime Züge tragen. Mit ihnen geht aber ein gewalttätiger Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit des Opfers einher, so dass ihre Begehung keinesfalls als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters oder als zum unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung gehörig angesehen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 10.6.2009 – 1 BvR 1107/09, NJW 2009, 3357 m.w.N.; vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12, NJW 2014, 2019).
c) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, hier die Ehre, ist nicht aufgrund der Wahrung berechtigter Interessen – hier nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung – zulässig.
aa) Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Im Streitfall ist deshalb das Schutzinteresse des Klägers mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1) auf Meinungs- und Pressefreiheit abzuwägen. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 – AfP 2015, 41 Rnr. 21 m.w.N.). Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen in erster Linie vom Wahrheitsgehalt der Behauptung ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. BGH, Urteil vom 22.4.2008 – VI ZR 83/07 – BGHZ 176, 175 Rnr. 34; BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10 – AfP 2013, 57 Rnr. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rnr. 62, jeweils m.w.N.).
bb) Zwar sind die beiden dem landgerichtlichen Urteil zugrunde liegenden Behauptungen für sich genommen unstreitig wahr: Rechtsanwalt L. Sch. hatte gegen den Kläger Strafanzeige erstattet, und bei der Staatsanwaltschaft München I war zur Zeit der Berichterstattung unter dem Aktenzeichen 451 Js 115945/15 ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger anhängig. Wenn, wie hier, über von Dritten erhobene Vorwürfe und ein infolgedessen eingeleitetes Ermittlungsverfahren berichtet wird, liegt hierin aber nicht nur eine wahrheitsgemäße Berichterstattung darüber, dass solche Vorwürfe erhoben wurden und ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, sondern auch die Verbreitung des entsprechenden Tatverdachts selbst, die damit noch nicht gerechtfertigt ist (BGH NJW 1977, 1288 – Abgeordnetenbestechung; BGH GRUR 1986, 683 – Ostkontakte; BGH GRUR 2013, 312 Tz. 14; OLG Stuttgart NJW-RR 2014, 423; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 207). Der Schutz gegen das Ansehen und den Ruf schädigende Vorwürfe umfasst nicht nur das Behaupten, sondern auch das Verbreiten. Gegen die Weitergabe eines Verdachts ist der Betroffene grundsätzlich in gleicher Weise geschützt, wie gegen eine insoweit nicht eingeschränkte Behauptung, ansonsten könnten die Anforderungen an die Verdachtsberichterstattung ohne Weiteres dadurch umgangen werden, dass lediglich die Äußerungen Dritter, welche den Vorwurf beinhalten, wiedergegeben werden bzw. über diese berichtet wird (BGH NJW 1977, 1288; BGH NJW 1993, 525, 526 – Ketten-Mafia; OLG Stuttgart a.a.O.).
cc) Die Grundsätze, nach denen eine Verdachtsberichterstattung rechtmäßig sein kann (vgl. BGH 30.12.2012 – VI ZR 4/12, NJW 2013, 229; Wanckel in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 20 Rnr. 5 m.w.N.), hat die Beklagte zu 1) nicht beachtet.
(1) Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen. Bei einer – hier vorliegenden – Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren ist zu Gunsten des Betroffenen die Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, was mindestens eine ausgewogene Berichterstattung gebietet. Zudem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.3.2013 – VI ZR 93/12, GRUR 2013, 965 m.w.N.).
(2) Bei dem hier streitgegenständlichen Verdacht der Vergewaltigung, die gemäß § 177 Abs. 6, § 12 Abs. 1 StGB als Verbrechen eingestuft ist, handelt es sich um eine Angelegenheit von erheblichem öffentlichem Interesse, zumal die vorgeworfene Tat von einem Vorgesetzten zu Lasten einer ihm unterstellten Mitarbeiterin begangen worden sein soll. Allerdings ist der Kläger kein Rechtsanwalt, wie in dem Bericht unwahr behauptet wird, und damit kein Organ der Rechtspflege im Sinn § 1 BRAO, sondern ein Steuerberater.
(3) Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Kläger kein „Prominenter“ ist, sondern lediglich Partner einer bekannten Anwaltskanzlei war.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ein bloßer Anfangsverdacht, also eine sehr niedrige Verdachtsstufe, genügt, und weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Staatsanwaltschaft, die im Januar 2016 Anklage erhoben hat, in dem kurzen Zeitraum von 16 Tagen, der zwischen der Anzeigeerstattung und der Veröffentlichung des Online-Artikels am 23.2.2015 lag, irgendwelche Ermittlungsmaßnahmen ergriffen und über den Inhalt der Strafanzeige hinausgehende Erkenntnisse gewonnen hätte. Dies hat die Beklagte zu 1) weder in dem streitgegenständlichen Artikel ausreichend kenntlich gemacht, noch ist erkennbar, dass ihr ein ausreichender Mindestbestand an Beweistatsachen für das Vorliegen einer Straftat bekannt war. Der Kläger macht zu Recht geltend, dass für die Beklagten Anlass bestanden hätte, die Strafanzeige des L. Sch. kritisch zu betrachten und dies im Rahmen einer ausgewogenen Berichterstattung auch kenntlich zu machen, da dieser seinerseits strafrechtliche Konsequenzen seiner Faustschläge auf den Kläger befürchten musste und berufliche Nachteile in Form des Ausscheidens aus der Kanzlei Linklaters bereits erlitten hatte. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zu 1) haben ihre Redakteure nicht nur das mutmaßliche Tatopfer nicht befragt, sondern sich auch bei den weiteren in der Strafanzeige genannten Zeuginnen Bo. und Br. nicht rückversichert, sondern sich mit einer Stellungnahme der Kanzlei L. zufrieden gegeben. In den kanzleiinternenen Ermittlungsbericht hatten die Beklagten oder ihre Mitarbeiter keine Einsicht erlangt. Welchen genauen Inhalt diese Ermittlungsergebnisse von L. hatten, insbesondere ob sie substantiierte Angaben zur Beweislage enthielten, tragen die Beklagten nicht vor. Bei der Würdigung der oben unter Ziffer I. wiedergegebenen Äußerungen der Kanzleivertreter von L. ist zudem die naheliegende Möglichkeit zu berücksichtigen, dass gerade eine aus den USA stammende Großkanzlei gegen sexuelle „Grenzüberschreitungen“ eines Partners gegenüber einer Mitarbeiterin auch dann mit Nachdruck vorgehen könnte, wenn sie die Schwelle zur Strafbarkeit (nach der im September 2014 geltenden Rechtslage) nicht erreichen.
(4) Auch fehlt in dem Artikel eine Stellungnahme des Klägers zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen.
d) Die aufgrund der begangenen Rechtsverletzung vermutete Wiederholungsgefahr ist von der Beklagten zu 1) nicht widerlegt worden. Dabei ist unerheblich, ob die inzwischen erfolgte Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Kläger als Beweistatsachen für die in dem streitgegenständlichen Artikel berichtete Tat ausreichen, um jetzt eine identifizierende Berichterstattung darüber zu rechtfertigen. Das im vorliegenden Fall erlassene Verbot betrifft die streitgegenständlichen Äußerungen nämlich nur in dem gegebenen Kontext, der auch die Mitteilung der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bekannten Beweistatsachen und die sich daraus ergebende niedrige Verdachtsstufe umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10 – NJW 2013, 790 „IM Christoph“; für die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen BGH, Urteile vom 13.11.2007 – VI ZR 265/06, BGHZ 174, 262, und vom 6.10.2009 – VI ZR 314/08, VersR 2009, 1675 m.w.N.). In diesem Kontext bleiben die Äußerungen auch dann unzulässig, wenn sie in einem anderen Zusammenhang rechtmäßig wären.
Soweit sich die Beklagte zu 1) auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.3.2013 – VI ZR 93/12 – beruft, betrifft diese eine hier nicht einschlägige Fallgestaltung. Dort wurde die Wiederholungsgefahr als materielle Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs verneint, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des dortigen Klägers einer aktuellen Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht mehr entgegenstand, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. So ist es hier nicht. Nach wie vor steht im Strafverfahren gegen den Kläger nicht fest, ob er eine Vergewaltigung begangen hat. Wollte man für den Fall, dass das laufende Strafverfahren in der Beweiserhebung voranschreitet, stets die Wiederholungsgefahr für eine vorangegangene Verdachtsberichterstattung schon deswegen verneinen, weil sich das Maß an Beweistatsachen verändert hat, bestünde die Gefahr, dass eine Verdachtsberichterstattung in Kenntnis eines fehlenden Maßes an Beweistatsachen erfolgt, in der Hoffnung, dass sie bei fortschreitender Strafverhandlung zulässig wird. Der Beklagten zu 1) wird durch die streitgegenständliche Untersagung auch kein Nachteil gegenüber Konkurrenten aufgebürdet, weil nur diese die Möglichkeit hätten, über das Strafverfahren zu berichten, denn es wird nur die streitgegenständliche Berichterstattung in demjenigen Kontext, in dem sie erfolgt ist, untersagt (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10 am Ende).
2. Das Landgericht hat der Beklagten zu 1) außerdem zu Recht die Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Online-Bericht untersagt, denn dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 und 2 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu.
a) Durch die streitgegenständliche Bildberichterstattung, in die er unstreitig nicht eingewilligt hat, wird der Kläger nämlich rechtswidrig in seinem Recht am eigenen Bild verletzt.
aa) Ein Bildnis des Klägers liegt vor. Ein Bildnis im Sinn von § 22 Satz 1 KUG ist die Darstellung eines Menschen, die die äußere Erscheinung des Abgebildeten in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt. Wird zugleich eine Namensangabe mitgeteilt, erhält der Betrachter durch die Verbindung von Bild und Namensangabe den Eindruck, das Bild zeige die mit Namen genannte Person. Bei dieser Sachlage ist es im Gegensatz zu einer anonymen Bildwiedergabe nicht erforderlich, dass die Beziehung zwischen der Abbildung einer Person und der abgebildeten Person selbst, welche das Bild erst zu einem „Bildnis“ macht, nämlich die Erkennbarkeit des Abgebildeten, im Bilde (sichtbar) gegeben ist. Ist auf die Identität der in der Abbildung wiedergegeben Person mit dieser selbst durch Angabe des Namens des Abgebildeten hingewiesen, so bedarf es regelmäßig keiner Feststellung mehr, ob der Abgebildete in der Abbildung auch erkennbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.1965 – I b ZR 126/63, NJW 1965, 2148).
Vorliegend sind der Vorname und der erste Buchstabe des Nachnamens des Klägers, sein Alter sowie der Umstand, dass er Partner in der Kanzlei L. ist, in der zugehörigen Textberichterstattung angegeben. Der Kläger ist ferner auch auf dem Foto selbst erkennbar. Bis auf die Augenpartie ist das gesamte Gesicht des Klägers deutlich zu sehen, so dass seine Gesichtszüge des Klägers sind trotz des Balkens erkennbar sind.
Eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung läge im Übrigen schon dann vor, wenn der Abgebildete begründeten Anlass hätte anzunehmen, er könne nach der Art der Abbildung erkannt werden, denn dem Betroffenen ist es nicht zuzumuten, im einzelnen Beweis dafür anzutreten, wer ihn erkannt und dann den Eindruck gewonnen hat, er sei ein „Kinderschänder“ (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.1971 – VI ZR 95/70, NJW 1971, 698).
bb) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Zulässigkeit von Bildnisveröffentlichungen nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen, das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Einklang steht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07, NJW 2008, 1793; EGMR, Urteil vom 7.2.1012 – 40660/08 und 60641/08, NJW 2012, 1053; Urteil vom 7.2.2012 – 39954/08, NJW 2012, 1058; BGH, Urteil vom 28.5.2013 – VI ZR 125/12, NJW 2013, 2890). Danach stellt jede Veröffentlichung eines Bildnisses einer Person eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Grundsätzlich dürfen Bildnisse einer Person nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Abs. 1 KUG). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildnisses ist nur zulässig, wenn das Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der – hier nicht in Betracht kommenden – anderen Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (BGH, Urteil vom 24.1.2015 – VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500 m.w.N.).
cc) Die danach vorzunehmende Abwägung führt im vorliegenden Fall zur Verneinung eines zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG.
Soweit das Bildnis, wie das hier streitgegenständliche kontextneutrale Porträtfoto, nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 28.5.2013 – VI ZR 125/12, NJW 2013, 2890). Neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung ist für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (BGHZ 158, 218; BGH VersR 2005, 84, 86; BVerfGE 120, 180, 206 f.). Danach ist im vorliegenden Fall, wie oben ausgeführt, für den verständigen und unvoreingenommenen Durchschnittsleser ohne weiteres erkennbar, dass der nicht ausreichend unkenntlich gemachte Abgebildete der in der Wortberichterstattung erwähnte „Star-Anwalt“ „T. E.“ ist, dem die Vergewaltigung einer Mitarbeiterin vorgeworfen wird. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter 1. a) bb) Bezug genommen.
Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG soll dem Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen, das alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse umfasst, und den Rechten der Presse Rechnung tragen, in den gesetzlichen Grenzen und nach eigenen publizistischen Kriterien zu entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildnissen einerseits und der Berichterstattung durch Wortbeiträge andererseits verschieden weit reicht, da die Veröffentlichung eines Bildnisses einer Person grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet (vgl. BVerfG NJW 2011, 740). Bei der gebotenen Abwägung des Persönlichkeitsschutzes mit dem kollidierenden Informationsinteresse kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu.
Zugunsten des Persönlichkeitsschutzes ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die den Kläger identifizierende Bildberichterstattung über den Verdacht einer Straftat einen erheblichen Eingriff in seine Persönlichkeitssphäre darstellt, weil auch hierdurch die gegen ihn gerichteten Ermittlungen öffentlich bekannt gemacht werden und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (BGHZ 183, 353; BVerfGE 35, 202; BVerfG, NJW 2009, 3357). Zwar muss ein Täter, der den Rechtsfrieden gebrochen hat, es im Allgemeinen dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (BGH NJW 2011, 3153). Im Streitfall handelt es sich aber um die Berichterstattung über einen bloßen Verdacht gegen den Kläger, die aus den oben dargestellten Gründen bereits als Wortberichterstattung unzulässig ist. Gerade die Erinnerung an das Gesicht des Angeklagten aus der bebilderten Berichterstattung birgt die Gefahr, dass der Kläger – ggf, trotz späterem Freispruch – eine nachhaltige Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts erleidet, die im Einzelfall schwerwiegende Folgen haben kann. Dieselben Gründe, die das Informationsinteresse begründen, lassen die Gefahr entstehen, dass der Beschuldigte im Falle der Bildberichterstattung sich von dem Vorwurf der besonderen Verwerflichkeit des ihm vorgeworfenen Handelns nur schwer wird befreien können, auch wenn er freigesprochen wird (BVerfG, Beschluss vom 27.11.2008 – 1 BvQ 46/08 – NJW 2009, 350). Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger, abgesehen von fachlichen Veröffentlichungen in „Wirtschaftsblättern“, bislang nicht selbst an die Öffentlichkeit getreten war. Das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegt daher das von der Beklagten zu 1) verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer sachgerechten Unterrichtung über das Zeitgeschehen und ihr Recht auf Pressefreiheit.
dd) Da es somit bereits an einem Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 KUG fehlt, ist nicht mehr zu prüfen, ob durch die Verbreitung des Bildes auch ein berechtigtes Interesse des Klägers im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG verletzt wird.
b) Aus den oben unter 1. c) dargestellten Erwägungen besteht nach wie vor die als Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr
3. Soweit der Kläger sich mit seiner Berufung gegen die Abweisung des Antrags auf Unterlassung der Äußerung, er habe eine Studentin bzw. Mitarbeiterin vergewaltigt (Klageantrag I. 2.), wendet, war seinem Unterlassungsantrag unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils stattzugeben, denn auch insoweit steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG ein Unterlassungsanspruch zu.
a) Bei der Aussage, der Kläger habe jemanden „vergewaltigt“, handelt es sich zwar um eine rechtliche Subsumtion, jedoch verbindet der ´maßgebliche Durchschnittsleser mit dem Begriff „Vergewaltigung“ die Vorstellung eines bestimmten tatsächlichen Geschehens. Er entnimmt damit der Aussage, mag sie auch wertend eingekleidet sein, einen dem Beweis zugänglichen Sachverhalt, so dass sie ebenfalls als Tatsachenbehauptung zu werten ist (vgl. Wenzel/Burkhart, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 4 Rn. 43).
In dem von der Beklagten zu 1) verantworteten Online-Beitrag finden sich allerdings nur die Äußerungen: „Er soll eine Jura-Studentin vergewaltigt haben.“ und „Wie Top-Jurist T. E. (43) eine Mitarbeiterin … vergewaltigt haben soll, …“ (Hervorhebungen durch den Senat). Damit wird klargestellt, dass die Beklagte zu 1) die entsprechenden Behauptungen nicht selbst aufstellt, sondern nur die Behauptungen eines Dritten wiedergibt, allerdings ohne sich davon zu distanzieren. Darin liegen die Wiedergabe, Veröffentlichung und Verbreitung des erhobenen Verdachts selbst, also gerade die Handlungen, deren Unterlassung der Kläger begehrt (BGH NJW 1977, 1288 f. „Abgeordnetenbestechung“; BGH GRUR 1986, 683 „Ostkontakte“; BGH GRUR 2013, 312 Tz. 14; OLG Stuttgart NJW-RR 2014, 423 Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 207). Der Schutz gegen das Ansehen und den Ruf schädigende Vorwürfe umfasst, wie bereits oben unter 1. c) bb) ausgeführt, nicht nur das Behaupten, sondern auch das Verbreiten und die Weitergabe eines Verdachts.
Anders als das Landgericht meint, lässt sich die Wiedergabe dieser Verdachtsbehauptung nicht von der übrigen, den Kläger identifizierenden Berichterstattung trennen. Aus dem Kontext des Artikels geht vielmehr eindeutig hervor, dass die darin enthaltenen Behauptungen gerade den Kläger betreffen. Der Kläger hat zu Recht die Verurteilung zur Unterlassung der Äußerung nur in diesem Kontext beantragt und auch erhalten („wenn dies jeweils geschieht wie in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ auf … B. de vom 23.02.2015“). Da ein Verbot der angegriffenen Äußerungen eine Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerungen voraussetzt, geht ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext grundsätzlich zu weit (BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10 – NJW 2013, 790 „IM Christoph“; für die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen BGH, Urteile vom 13.11.2007 – VI ZR 265/06, BGHZ 174, 262, und vom 6.10.2009 – VI ZR 314/08, VersR 2009, 1675 m.w.N.). Von den klägerischen Anträgen ist eine nicht identifizierende Berichterstattung über den streitgegenständlichen Vorfall gar nicht erfasst.
b) Zur Rechtsverletzung und zur Wiederholungsgefahr wird auf die Ausführungen oben unter 1. c) und d) Bezug genommen.
Hinsichtlich der Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit der Beklagten zu 1) kommt bei dieser Äußerung noch hinzu, dass sie die besondere Schwere der dem Kläger angelasteten Tat erkennen lässt. Dies kann nicht nur ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sondern auch die Gefahr begründen, dass der Kläger eine Stigmatisierung erfährt, die auch ein Freispruch möglicherweise nicht mehr zu beseitigen vermag. Je verwerflicher die Tat empfunden wird, umso mehr hat der Betroffene zu befürchten, dass er sich von dem durch die anfängliche Verdachtsberichterstattung erzeugten Eindruck auch nach einem Freispruch auf unabsehbare Zeit nicht mehr wird befreien können (BVerfG, Beschluss vom 27.11.2008 – 1 BvQ 46/08, NJW 2009, 350).
4. Dem Kläger steht auch gegen die Beklagte zu 2) aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen zu, gegen ihn sei Strafanzeige erstattet worden, und er sei Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die dahingehende Verurteilung durch das Landgericht erfolgte zu Recht.
a) Auch in dem Artikel „Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt“ in der von der Beklagten zu 2) herausgegebenen B. a. S. vom 22.2.2015 (Anlage K1) sind diese beiden Äußerungen jedenfalls sinngemäß enthalten. So heißt es im letzten Absatz der ersten Spalte: „Seit vergangener Woche ermittelt die Staatsanwaltschaft München ‚wegen Vergewaltigung/sexueller Nötigung‘ (Aktenzeichen: 451 Js 115945/15).“ und im zweiten Absatz der zweiten Spalte: „Doch zur Staatsanwaltschaft gelangte der Fall … durch eine 14-seitige Strafanzeige …“. Ferner trägt das dem Bericht beigefügte Porträtfoto des Klägers die Aufschrift „Der Beschuldigte“.
Aus den bereits oben unter 1. a) cc) dargestellten Gründen ist auch in diesem Bericht der Kläger als derjenige erkennbar, gegen den die Strafanzeige erstattet und die staatsanwaltlichen Ermittlungen eingeleitet wurden. Verstärkend kommt hinzu, dass der Zeitungsartikel im zweiten und dritten Absatz der ersten Spalte auch eine ausführliche Schilderung des beruflichen Werdegangs und der Tätigkeiten des Klägers enthält.
b) Hinsichtlich der Rechtsbeeinträchtigung des Klägers, deren Rechtswidrigkeit und der fortbestehenden Wiederholungsgefahr sowie hinsichtlich der Würdigung der Verurteilung zur Unterlassung der Aussage, der Kläger habe eine Straftat begangen, wird auf die insoweit für die Beklagte zu 1) dargelegten Erwägungen Bezug genommen, die für die Beklagte zu 2) entsprechend gelten.
5. Dem Kläger steht ferner auch gegen die Beklagte zu 2) gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 und 2 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK der ihm vom Landgericht zugebilligte Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung seines Bildnisses im Rahmen des streitgegenständlichen Zeitungsbeitrags zu, denn auch durch diese Bildberichterstattung wird er rechtswidrig in seinem Recht am eigenen Bild verletzt.
a) Die Beklagte zu 2) hat zur Illustration des Zeitungsartikels dasselbe, ebenfalls durch einen schwarzen Balken teilweise verdeckte Porträtfoto verwendet wie die Beklagte zu 1) in ihrem Online-Bericht. Sie hat lediglich einen geringfügig kleineren Ausschnitt gewählt und das Bild mit einem breiten schwarzen Rand und dem Aufdruck versehen: „T. E. (43) Der Beschuldigte“.
b) Für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit dieser Bildnisveröffentlichung und die Wiederholungsgefahr gelten dieselben Erwägungen wie für die Veröffentlichung durch die Beklagte zu 1) im Rahmen der Online-Berichterstattung. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird deshalb in vollem Umfang Bezug genommen.
6. Soweit der Kläger sich mit seiner Berufung gegen die Abweisung der Klageanträge Ziffer II. 2. wendet, war auf seinen Antrag das landgerichtliche Urteil abzuändern und dem Unterlassungsantrag stattzugeben.
a) Hinsichtlich des Vorwurfs der Vergewaltigung (Klageantrag II. 2. a.) kann in vollem Umfang auf die Ausführungen zu dem entsprechenden Antrag gegen die Beklagte zu 1) (oben 3.) verwiesen werden.
b) Die vier weiteren streitgegenständlichen Äußerungen (Klageanträge II. 2. b. bis c.) finden sich, ebenfalls in indirekter Rede und teilweise auch durch den Zusatz „soll“ als Wiedergabe der Äußerungen eines Dritten kenntlich gemacht, im ersten Absatz der dritten Spalte und im zweiten Absatz der vierten Spalte des in der B. a. S. veröffentlichten Artikels.
aa) Die Bezeichnung des dort abgebildeten Lokals als „Der Tatort“ und der anonymisiert abgebildeten Frau R. als „Das Opfer“ zusammen mit den im letzten Absatz gestellten rhetorischen Fragen: „Warum hat L. nicht sofort die Staatsanwaltschaft eingeschaltet? Wollte die Kanzlei einen Skandal vertuschen?“ versteht der unbefangene Leser naheliegend so, dass die Beklagte zu 2) sich die mitgeteilten Vorwürfe des Rechtsanwalts Sch. zu eigen macht.
bb) Bei den von den genannten Anträgen umfassten Äußerungen handelt es sich um eine Schilderung des – behaupteten – Tathergangs sowie die Wiedergabe einer – behaupteten – Einlassung des Klägers im Rahmen der „internen Befragung“ der Kanzlei L. und somit durchwegs um Tatsachenbehauptungen.
c) Deren Wahrheit wird vom Kläger bestritten und steht nicht fest, so dass ihre Rechtmäßigkeit nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zu beurteilen ist. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. c) cc) und 3. a) verwiesen.
Die Argumentation des Landgerichts, dass ein Verbot dieser weiteren Äußerungen nicht gerechtfertigt sei, weil die Tatsachenbehauptung in nicht identifizierender Weise zulässig sei, verfängt aus den dort dargestellten Gründen nicht.
Zudem werden mit den drei von den Klageanträgen II. 2. b., c. und d. umfassten Äußerungen Einzelheiten der angeblichen Tatbegehung berichtet, an deren Bedeutung für die Information der Öffentlichkeit Zweifel angebracht sind.
d) Hinsichtlich der fortbestehenden Wiederholungsgefahr wird auf die Ausführungen oben unter 1. d) Bezug genommen.
7. Die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) gegen ihre jeweilige Verurteilung zur Auskunft in Ziffern 3. und 4. des landgerichtlichen Urteils hat keinen Erfolg, denn der Kläger hat gegen beide Beklagte einen Auskunftsanspruch jeweils in dem zugesprochenen Umfang aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 186 StGB i.V.m. § 242 BGB.
a) Ein Anspruch auf Auskunftserteilung über alle zur Berechnung eines Schadens erforderlichen Angaben ist als Hilfsanspruch anerkannt, wenn eine Rechtsverletzung vorliegt, die Auskunft zur Rechtsverfolgung erforderlich ist und vom Verletzer unschwer erteilt werden kann (BGH, Urteile vom 24.6.2008 – VI ZR 156/06, NJW 2008, 3134 und vom 1.12.1999 – I ZR 226/97, NJW 2000, 221; Wenzel/Burkhardt a.a.O. Kap. 15 Rn. 7 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
b) Dabei kann dahinstehen, ob ausreichende Anhaltspunkte für einen durch die streitgegenständliche Berichterstattung verursachten materiellen Schaden vorliegen, denn jedenfalls können dem Kläger gegen die Beklagten Geldentschädigungsansprüche wegen des ihm entstandenen immateriellen Schadens zustehen.
aa) Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet nach ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dies beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BGH, Urteile vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 und vom 6.12.2005 – VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203; BVerfGE 34, 269, 292 f.; BVerfG, NJW 2000, 2187 f.).
Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (BGH, Urteile vom 24.5.2016 – VI ZR 496/15, NJW-RR 2016, 1136; vom 21.4.2015 – VI ZR 245/14, VersR 2015, 898; vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12; vom 24.11.2009 – VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, der zusammen mit den mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen oder sogar ausschließen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 30.6.2009 – VI ZR 340/08, juris).
bb) Hier liegt eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die – wie dargelegt – rechtswidrige Wort- und Bildberichterstattung sowohl der Beklagten zu 1) als auch der Beklagten zu 2) vor.
Es stellt ein zumindest fahrlässiges Verhalten der Beklagten dar, einen so stark in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreifenden Verdacht in identifizierender Weise in der vorliegenden Verletzungsform wiederzugeben und zu verbreiten. Die Beklagten als Inhaber erfahrener Presseverlage, denen die Voraussetzungen einer Verdachtsberichterstattung einschließlich der zugehörigen Bildberichterstattung bekannt sein mussten, haben im Rahmen dieser Berichterstattung und der vorangehenden Recherche die erforderliche und besonders von ihnen zu verlangende pressemäßige Sorgfalt außer Acht gelassen. Trotz einer erkennbar geringen Verdachtsgrundlage wurde der Kläger als möglicher Täter eines von der Öffentlichkeit als besonders verabscheuungswürdig eingeschätzten Verbrechens identifiziert.
cc) Vor allem sind jedoch die Folgen der Berichterstattung für den Kläger überaus gravierend, wobei besonders schwerwiegend die daraus resultierende Prangerwirkung ins Gewicht fällt. Dies gilt in erhöhtem Maß für die Berichterstattung in B. a. S., in der zusätzlich die angeblichen Einzelheiten der Straftat detailreich mitgeteilt werden.
(1) Eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass, wie von den Beklagten zu Recht vorgebracht, nur die Sozialsphäre des Klägers und nicht seine Privat- oder Intimsphäre berührt ist.
(2) Die Schwere des Eingriffs wird auch nicht durch die von den Beklagten angeführten anderweitigen Veröffentlichungen gemindert.
Zwar vermag der Umstand, dass eine – wahre – Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt ist und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitprägt, das Gewicht ihrer Weiterverbreitung gegenüber dem Ersteingriff erheblich zu mindern (BVerfG NJW-RR 2010, 1195; BGH NJW 1999, 2893; jeweils m.w.N.). Diese Gesichtspunkte greifen hier jedoch nicht ein, da zum einen die Wahrheit des Vergewaltigungsvorwurfs nicht feststeht und dieser zum anderen in den vor den streitgegenständlichen Artikeln erschienenen Internet-Berichten nicht enthalten ist.
Die Beiträge vom 17.11.2014 und 17.12.2014 in www.j. .de (Anlagen B3 und B6) ebenso wie der Artikel in J. Rechtsmarkt 02/15 (Anlage B10) berichten nur über das Ausscheiden des Klägers und des Rechtanwalts Sch. aus der Kanzlei L., ohne Anschuldigungen gegen den Kläger zu erwähnen, während der Beitrag in www.l. .com vom 11.2.2015 (Anlage B11) als Grund für das Ausscheiden nur einen Kampf („a fight on a staff party“) zwischen den beiden Partnern benennt. Der Bericht in www.s. .com vom 19.12.2014 (Anlage B9) gibt zwar als Grund für das Ausscheiden des Klägers und Schmitts einen Faustkampf („fist fight“) an, dessen Ursache nach Angaben eines „Insiders“ gewesen sein soll, dass der Kläger nach Ansicht Schmitts „was ‚standing to close‘ to a female student“. Was darunter zu verstehen ist, war dem Autor des Berichts, wie aus den Anführungszeichen ersichtlich, wohl selbst nicht klar; er äußert aber gegen Ende des Textes die Ansicht, dass allein das damit bezeichnete Verhalten jedenfalls kein ausreichender Grund für eine Entlassung des Klägers gewesen wäre. Derselbe Beitrag findet sich unter dem 10.12.2014 in www.r. .com (Anlage B8). Die übrigen Einträge vom Dezember 2014 in dieser und den weiteren englischsprachigen Plattformen transblawg.eu und www.le. .com (Anlagen B4, B5 und B7) umfassen ähnliche Angaben verbunden mit mehr oder weniger vagen Vermutungen, was der Kläger tatsächlich getan haben könnte, zum Teil in Form höhnischer Kommentare, die insbesondere auf den vermuteten Alkoholkonsum der Beteiligten anspielen. Auch der Beitrag in www.j. .de vom 23.2.2015 (Anlage B16) nennt keinen konkreten Grund für die dort erwähnten „schwere[n] Vorwürfe bezüglich des Verhaltens zweier Partner“.
Die weiteren von den Beklagten vorgelegten Veröffentlichungen (Anlagen B12, B13, B17 und B18) sind erst ab März 2015 und somit zeitlich nach den streitgegenständlichen Artikeln erschienen.
Gemeinsam ist allen genannten Beiträgen, dass sie an ein Fachpublikum gerichtet und zum großen Teil auch in englischer Sprache abgefasst waren. Demgegenüber wurde durch die Veröffentlichung in einer auflagenstarken deutschen Boulevardzeitung der Kreis der Rezipienten der streitgegenständlichen Behauptungen ganz erheblich erweitert.
cc) Ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers fehlt (vgl. etwa BGH NJW 2010, 763 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; BGH NJW 1996, 1131.)
Zwar sind bei der gebotenen Gesamtwürdigung die im einstweiligen Verfügungsverfahren und im vorliegenden Hauptsacheverfahren erwirkten Unterlassungstitel und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen zu berücksichtigen. Diese stellen jedoch keinen ausreichenden Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers dar. Angesichts der Eigenart der hier vorliegenden Rechtsverletzung ist die nur zukünftige Unterlassung nicht geeignet, dem schwerwiegenden Eingriff hinreichend zu begegnen. Dem steht vor allem entgegen, dass die in eine anschauliche und emotionale Erzählung eingebetteten Tatsachenbehauptungen und das Bildnis des Klägers geeignet sind, den Lesern lange Zeit in Erinnerung zu bleiben und so das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit auf Dauer erheblich zu beeinträchtigen, selbst dann, wenn sie sich später als unwahr erweisen sollten.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


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