IT- und Medienrecht

Irreführende und aggressive Praktiken eines Softwareunternehmens beim Vertrieb so genannter Upgrades

Aktenzeichen  6 U 3509/19

Datum:
23.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2020, 366
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 5
UWG § 4a Abs. 1 S. 1
MPG § 4 Abs. 1 Nr. 1
MPSV § 2 Nr. 1
MPSV § 2 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Die Ankündigung eines Software-Entwicklungsunternehmens gegenüber einem Vertragspartner – einem Arzt – mit der Weiterverwendung der L.-Software ohne die Durchführung des angebotenen Upgrades sei ein Sicherheitsrisiko im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verbunden, stellt einen innerbetrieblichen Vorgang des Softwareunternehmens dar, über den der Vertragspartner keine genaue Kenntnis haben kann, während die Beklagte hierüber zur weiteren Aufklärung in der Lage ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die gleichzeitige Ankündigung des Software-Unternehmens, es werde ihrer Meldepflicht gemäß §§ 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 oder 3 MPSV nachkommen müssen und unverzüglich eine entsprechende Mitteilung an das BfArM erstatten, wenn der Adressat des Schreibens nicht binnen der gesetzten Frist von zwei Wochen eine Bestätigung übermittele, wonach sich die „alte“ L.-Software nicht mehr im Einsatz befinde, stellt sich als eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG dar. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

17 HK O 2149/18 2019-05-31 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.05.2019, Az. 17 HK O 2149/18, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
1. der Unterlassungstenor zu Ziff. I. lautet wie folgt:
„…zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Kunden zur Bestellung eines Upgrades dadurch zu veranlassen, dass diesen erklärt wird, diese dürften bereits erworbene Software ohne ein solches Upgrade nicht mehr benutzen, und anderenfalls – schon wegen Fehlens eines Upgrades die Sicherheit der Patienten über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinaus gefährdet sei, sofern dies geschieht wie mit dem als Anlage K 3 beigefügten Schreiben.“
2. festgestellt wird, dass der klägerische Unterlassungsantrag im Übrigen erledigt ist.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des Landgerichts München I vom 31.05.2019, Az. 17 HK O 2149/18, wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungstenors (Ziff. I.) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,- EUR und hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
sowie folgenden Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

II.
Die gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg.
Soweit der Kläger den Unterlassungsantrag (Ziff. I.) im Berufungsverfahren teilweise für erledigt erklärt hat, war die Erledigung antragsgemäß festzustellen. Der weiterhin anhängige Teil des Unterlassungsantrags ist im Übrigen – mit der vom Kläger vorgenommenen Klarstellung in Bezug auf den Begriff „Upgrade“ – zulässig und begründet. Demzufolge hat das Landgericht dem Kläger auch den geltend gemachten Abmahnkostenerstattungsanspruch zu Recht zugesprochen.
Im Einzelnen:
A.)
Die Klage ist zulässig.
1. Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungs- und klagebefugt.
a) Nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts ist der Kläger nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der Lage.
b) Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
aa) Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sind Verbände anspruchsberechtigt, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Dabei kommt es im Lauterkeitsrecht nach der Rechtsprechung darauf an, ob sich die betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH GRUR 2015, 1240 Rn. 15 m.w.N. – Der Zauber des Nordens). Es reicht aus, dass die Mitgliedsunternehmen eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung durch die Wettbewerbsmaßnahme mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2006, 778 Rn. 19 – Sammelmitgliedschaft IV; BGH GRUR 2007, 610 Rn. 17 – Sammelmitgliedschaft V; BGH GRUR 2007, 809 Rn. 14 – Krankenhauswerbung; BGH GRUR 1998, 498, 499 – Fachliche Empfehlung III). Es muss also ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Mitgliedsunternehmen und dem Verletzer bestehen, das in der Regel durch die Zugehörigkeit zur selben oder zumindest zu angrenzenden Branchen begründet wird, wobei grundsätzlich auf den Branchenbereich abzustellen ist, dem die beanstandete Wettbewerbsmaßnahme zuzurechnen ist (BGH a.a.O. – Sammelmitgliedschaft IV; BGH a.a.O. – Sammelmitgliedschaft V; BGH a.a.O. – Krankenhauswerbung); dagegen ist nicht maßgeblich, ob der Mitbewerber gerade bei den Waren oder Dienstleistungen, die mit den beanstandeten Wettbewerbsmaßnahmen beworben worden sind, mit den Mitgliedsunternehmen im Wettbewerb steht (BGH GRUR 2007, 809 Rn. 14 – Krankenhauswerbung; siehe auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 3.35 ff.).
bb) Der Kläger hat anhand der vorgelegten Mitgliederliste (Anlagen K 1) dargelegt, dass ihm unter anderem Unternehmen der Heilmittelbranche, Hersteller und Händler von Medizinprodukten, Arzneimitteln und Naturheilmitteln, eine Apothekerkammer, Apothekenvereine und Apotheken angehören. Die von der Beklagten angebotene Software dient zur präoperativen Planung eines Gelenkersatzes in einer digitalen Umgebung. Dabei ist entgegen der Einlassung der Beklagten der Kreis der potentiellen Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht auf die Anbieter aktiver Medizinprodukte beschränkt. Denn die Behandlung eines Patienten mit Gelenkbeschwerden kann auch durch die Verabreichung von Arzneimitteln, Naturheilmitteln oder unter Verwendung bestimmter Medizinprodukte angestrebt werden. Die Hersteller und Händler dieser Branchen, also auch die dem Kläger in erheblicher Anzahl angehörigen Unternehmen aus der Heilmittelbranche, Hersteller und Händler von Arzneimitteln und von Naturheilmitteln, stehen folglich mit den von ihnen angeboten Waren und Dienstleistungen ihrer Art nach der streitgegenständlichen Software so nahe, dass der Absatz dieser Mitglieder des Klägers durch ein wettbewerbswidriges Handeln der Beklagten beeinträchtigt werden kann.
2. Soweit der Kläger den Unterlassungsantrag teilweise für erledigt erklärt hat – nämlich soweit sich dieser auf die Ankündigung der Beklagten in dem streitgegenständlichen Schreiben (Anlage K 3) bezog, wonach durch die Beklagte eine Meldung an das BfArM erfolge, obgleich tatsächlich keine Meldung eines entsprechenden Rückrufs angezeigt worden ist (2. Spiegelstrich des ursprünglichen Klageantrags zu I.) -, liegt darin eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung (vgl. MüKo/Schulz, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 91 a Rn. 79 m.w.N.). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, da die Klägerin die mit dem Feststellungsantrag verbundene günstige Kostenfolge – soweit tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist – nur durch die Antragsänderung erreichen kann (MüKo/Schulz, a.a.O., § 91 a Rn. 81).
B.)
Die Klage ist begründet.
1. Der Unterlassungsantrag ist – soweit dieser im Berufungsverfahren nicht vom Kläger teilweise für erledigt erklärt wurde – gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG begründet. Die Behauptung der Beklagten in dem Schreiben vom 08.09.2017 (Anlage K 3), wonach der Adressat des Schreibens die von ihm verwendete L.-Software ohne das von der Beklagten angebotene Upgrade nicht mehr benutzen dürfe und anderenfalls schon wegen Fehlens eines Upgrades die Sicherheit der Patienten über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinaus gefährdet sei, stellt eine irreführende Angabe über wesentliche Merkmale einer Ware oder Dienstleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG dar.
a) Gem. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die im Gesetz aufgeführten Umstände beinhaltet. Für die Unrichtigkeit einer behaupteten Tatsache im Rahmen des Irreführungstatbestands nach § 5 UWG trägt grundsätzlich die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast. Allerdings kommen ihr Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute, wenn es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich der Beklagtenseite fallen, insbesondere wenn es sich um innerbetriebliche Vorgänge handelt, deren genaue Kenntnis sich der außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Klagepartei entzieht, so dass es ihr nicht möglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während der Beklagte über diese Kenntnisse verfügt und die notwendige Aufklärung ohne weiteres leisten kann. In solchen Fällen entspricht es dem auch im Prozess geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass der Beklagte die erforderliche Aufklärung leistet, sofern sie ihm nach den Umständen zuzumuten ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 5 Rn. 1.245, 1.246, § 12 Rn. 2.92; BGH GRUR 1963, 270, 271 – Bärenfang; BGH GRUR 1975, 78, 79 – Preisgegenüberstellung; BGH GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise; BGH GRUR 2007, 251 Rn. 31 – Regenwaldprojekt II; BGH GRUR 2013, 1058 Rn. 23 – Kostenvergleich bei Honorarfactoring; BGH GRUR 2014, 578 Rn. 14 – Umweltengel für Tragetasche). Bei dem Umstand, ob mit der Weiterverwendung der L.-Software ohne die Durchführung des angebotenen Upgrades ein Sicherheitsrisiko im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verbunden ist, handelt es sich um einen innerbetrieblichen Vorgang, über den der Kläger keine genaue Kenntnis haben kann, während die Beklagte hierüber zur weiteren Aufklärung in der Lage ist. Somit trifft die Beklagte nach den dargelegten Grundsätzen insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht jedoch dahingehend, dass damit auch eine Umkehr der Beweislast einhergehen würde. Die sekundäre Darlegungslast führt in aller Regel nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, sondern schränkt die volle Darlegungs- und Beweislast des Klägers nur ein (vgl. Harte/Henning, 4. Aufl. 2016, UWG § 5 M Rn. 13 m.w.N.; s.a. BGH GRUR 2017, 386 Rn. 15 – Afterlife; BGH GRUR 2016, 1280 Rn. 33 – Everytime we touch; a. A. Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 1.245 am Ende; § 12 Rn. 2.92).
b) Die sekundäre Darlegungslast greift allerdings erst ein, wenn der Kläger seine primäre Darlegungslast erfüllt hat, indem er – im Rahmen seiner Möglichkeiten – greifbare Anhaltspunkte für die geltend gemachte Irreführung dartut. Der Kläger hat insoweit bereits mit Klageschrift vom 12.02.2018, Seite 12, unter Bezugnahme auf das Schreiben der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 07.12.2017 (Anlage K 4) ausgeführt, dass die Nichtvornahme eines Upgrades einer Stand-Alone-Software weder zu einem Sicherheitsrisiko führe, noch eine Melde- oder Rückrufpflicht auslöse. Ein Upgrade führe lediglich dazu, dass dem Anwender der Software weitere Möglichkeiten angeboten würden, ohne dass er diese Möglichkeiten zwingend in Anspruch nehmen müsse. Fehler würden bei einem Upgrade nicht behoben und seien vorliegend auch nicht bekannt, vielmehr habe die streitgegenständliche Software bei dem Adressaten des streitgegenständlichen Schreibens (Anlage K 3), Herrn Dr. W., bislang fehlerfrei gearbeitet. Damit hat der Kläger seiner primären Darlegungslast genüge getan. Denn ohne weitere Darlegungen seitens der Beklagten erschließt sich für einen Außenstehenden nicht, aus welchen Gründen – entsprechend der Behauptung der Beklagten – bei fehlender Inanspruchnahme des angebotenen Upgrades eine Weiterverwendung der hier streitgegenständlichen L.-Software die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinausgehend unmittelbar oder mittelbar gefährden könnte im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG bzw. dass die Software Mängel aufwiese, durch die Patienten gefährdet werden könnten. Demgegenüber kann von der Beklagten, die derartige Behauptungen aufgestellt hat, erwartet werden und ist es ihr auch zumutbar, dass sie hierüber nähere Aufklärung leistet.
c) Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass derjenige, der keine aktuelle Software nutze, seiner Instandhaltungspflicht nicht nachkomme und gegen § 14 S. 2 MPG verstoße. Die medizinische und technische Qualität könne nur durch regelmäßige Udates/Upgrades gewährleistet werden. Die Nichtvornahme von Upgrades bei nicht weiter beobachteter Software – also bei solcher, für die die gesetzliche Gewährleistungsfristen abgelaufen seien – führe zu einem abstrakten Sicherheitsrisiko (vgl. LGU, Seite 5, 2. Abs.; Klageeerwiderung vom 09.04.2018, Seiten 6 ff.). Die gegenständliche L.-Software werde inzwischen von der L. GmbH nicht mehr beobachtet, betreut und fortentwickelt, die Gewährleistung für die gekauften Produkte sei ausgelaufen und es gebe daher keinen Anspruch des jeweiligen Käufers gegen den Hersteller, die L.GmbH, auf Beobachtung, Betreuung und Fortentwicklung, so dass eine Beobachtung und Wartung des Produktes, insbesondere auch für Herrn Dr. W., gerade nicht mehr erfolge (LGU Seite 8 unter Ziff. 2.). Die Beklagte sei durch die L. GmbH mit Teilen der Abkündigung der gegenständlichen Software betraut worden (Schriftsatz vom 04.03.2019, Seite 7 unter 3.a), Bl. 110 d. A.). Dadurch, dass die Software durch einen Hersteller abgerufen oder aber ein Software-Upgrade durch den Hersteller durchgeführt werde, ergebe sich ein abstrakter Fehlerverdacht in Bezug auf die „alte“ Software. Ein Software-Upgrade sei die Instandsetzung der Software, die zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit führe. Damit sei aber zugleich klargestellt, dass eine nicht instandgesetzte Software als nicht funktionsfähig gelte (vgl. Schriftsatz vom 04.03.2019, Seite 5 unter (dd) (Bl. 108 d. A.).
d) Mit diesem in sich nicht schlüssigen Vortrag hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt.
aa) Das Vorbringen der Beklagten ist bereits deshalb unsubstantiiert, weil die ohne Durchführung des Upgrades angeblich bestehenden Mängel bzw. die angeblichen Fehlfunktionen der Software und deren Ursachen nicht beschrieben werden bzw. die von der Software ausgehenden Risiken nicht dargestellt werden (vgl. auch § 14 Abs. 2 S. 2 MPSV). Insbesondere hat die Beklagte im Hinblick auf die streitgegenständliche, von dem Adressaten des Schreibens (Anlage K 3) verwendete Software nicht konkret vorgetragen, dass und inwiefern diese aufgrund einer Aktualisierung eines zugrunde liegenden Betriebssystems nur noch fehlerhaft funktioniere. Soweit die Beklagte erstinstanzlich ausgeführt hat, es liege „durchaus im Bereich des Möglichen“, dass durch ein geändertes Betriebssystem eine fehlerhafte OP-Planung berechnet werde, wobei wesentlich sei, was am Betriebssystem geändert worden sei und ob die Änderungen insbesondere Schnittstellen der Software beträfen (vgl. Schriftsatz vom 30.08.2018, Seite 10 unter gg), Bl. 78 d. A.), fehlen substantiierte Ausführungen dazu, dass in Bezug auf die vorliegend streitgegenständliche L.-Software entsprechende Änderungen an einem gängigen Betriebssystem zu einer möglichen Störung der Zusammenarbeit zwischen der Software und Betriebssystem führen würden und wie diese Störung sich in der Verwendung manifestieren würde. Auch der seitens der Beklagten ins Feld geführte Umstand, dass der Hersteller eines Software-Upgrades aufgrund einer neuen Version eines Betriebssystems den Konformitätsprozess (§ 6 Abs. 2 MPG) erneut durchlaufen muss, ist in vorliegendem Zusammenhang unbehelflich, denn dieser beruht darauf, dass das Upgrade als solches einer neuen Überprüfung zu unterziehen ist, vermag aber nicht zu dem Schluss zu führen, dass die bisherige Software-Version abstrakte oder gar konkrete Sicherheitsmängel aufweisen würde. Letztlich handelte es sich bei dem von der Beklagten angebotenen „Cross-Update“ (vgl. Schreiben vom 09.09.2017, 3. Abs., Anlage K 3) auch nicht um ein Upgrade im Sinne einer überarbeiteten Version der streitgegenständlichen L.-Software, sondern, wie die Beklagte selbst einräumt, um eine eigenständige Software der Beklagten, die sie alternativ zu dem bisherigen L.-Produkt anbietet und vertreibt (vgl. Schriftsatz vom 30.10.2019, Seite 9, erster Abs., Bl. 193 d. A.: „Es bestand seitens der Beklagten kein Interesse daran, das immaterielle Wirtschaftsgut L. Orthoplanner zu erwerben, da sie, die Beklagte, zum einen über eine eigene Software verfügte und zum anderen der Erwerb der Assets L. OrthoPlanner sich als zu aufwändig erwiesen hätte. So hätte der Erwerb einer solchen Software eine komplexe Due Diligence erfordert.“).
bb) Es erschließt sich weiterhin auch nicht, dass – wie von Beklagtenseite argumentiert – aufgrund einer abgelaufenen Gewährleistungsfrist keine Wartung einer Software mehr erfolgen würde. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung beanstandet, das Erstgericht habe sich nur mit der Veröffentlichung auf der Webseite der L. GmbH auseinandergesetzt, nicht jedoch mit deren von der Beklagten vorgelegten Anschreiben (vom 15.07.2016), so ergibt sich auch aus dem Anschreiben nicht, dass die gegenständliche L.-Software aufgrund einer künftig nicht mehr erfolgenden Wartung, insbesondere auch betreffend das von Dr. W. verwendete Produkt, nicht mehr sicher eingesetzt werden kann. Dagegen spricht vielmehr, wie auch das Landgericht bereits festgestellt hat (vgl. LGU Seite 9 oben), dass die L. GmbH gegenüber ihren Kunden erklärt hat, dass bestehende Installationen im Rahmen der Wartungsvertrage weiter betreut würden. Es ist auch nicht dargetan, dass die Beklagte einen zwischen der L. GmbH und Dr. W. bestehenden Vertrag übernommen hätte, insbesondere geht eine solche Vertragsübernahme mit dem – tatsächlich bereits erstinstanzlich seitens der Beklagten vorgetragenen (vgl. Klageerwiderung, Seite 3, vorletzter Abs., Bl. 23 d. A.) – Erwerb des Kundenstamms/der Kundenadressen nicht ohne Weiteres einher. Etwaige Kündigungen von Seiten der Beklagten wären daher ohne Bedeutung (vgl. Anlage K 3 letztes Blatt: „von uns abgekündigte mediC.l.Software“). Ebenso wenig kann aus dem Anschreiben der L. GmbH vom 15.07.2016 (oder aus den sonstigen vorgetragenen Umständen) gefolgert werden, dass die Beklagte von dieser als deren Vertreterin wirksam im Sinne von §§ 164 ff. BGB zur Kündigung eines Vertrags mit Herrn Dr. W. bevollmächtigt worden wäre, vielmehr ist dort lediglich von einer „Kooperation“ die Rede. Die im vorletzten Absatz des Schreibens angekündigten Erläuterungen hinsichtlich der für den Kunden sich ergebenden Änderungen sind im Übrigen nicht vorgelegt worden. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch der Vortrag der Beklagten, wonach sie durch die L. GmbH „mit Teilen der Abkündigung der Software L. OrhoPlanner betraut worden“ sei, als unsubstantiiert.
cc) Auch soweit die Beklagte rügt, das Landgericht habe seiner Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt, weil es nicht berücksichtigt habe, dass es dem Adressaten Herrn Dr. W. im Schreiben vom 08.09.2017 auch freigestanden habe, mitzuteilen, dass er auf die Nutzung der Software verzichte, greift dieser Einwand nicht durch. Denn das Schreiben war jedenfalls auch darauf gerichtet, den Adressaten im Sinne des ersten Klageantrags, zur Bestellung eines Upgrades zu veranlassen (Anlage K 3, Bl. 1: „Wir bieten Ihnen daher letztmalig die Chance, in ihrem Hause veraltete L. Anwendung durch die aktuellste mediC.®Classic Version, mit Hilfe unseres einmaligen Angebots zu „crossupdaten“.“).
e) Es handelt sich um eine relevante Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG, da diese geeignet ist, bei dem Adressaten irrige Vorstellungen über das angebotene Software-Produkt der Beklagten hervorzurufen – nämlich dass diese ein sicherheitsrelevantes Funktionsdefizit und ein daraus folgendes Benutzungsverbot der L.-Software auszugleichen vermag -, wodurch der Adressat zu einer geschäftlichen Entscheidung – den Erwerb des angebotenen Software-Upgrades – veranlasst werden soll, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.
f) Auch die Abwägung der widerstreitenden Interessen und die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, a.a.O., § 5 Rn. 1.200 ff.) führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis, da keine Gesichtspunkte vorgetragen oder erkennbar sind, die ein zu berücksichtigendes Interesse der Beklagten an einer derartigen Verhaltensweise begründen könnten.
g) Die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die Verletzungshandlungen indiziert und besteht mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung seitens der Beklagten fort.
2. Soweit der Kläger den Unterlassungsantrag teilweise für erledigt erklärt hat – nämlich soweit sich dieser auf die Ankündigung der Beklagten in dem streitgegenständlichen Schreiben (Anlage K 3) bezog, wonach durch die Beklagte eine Meldung an das BfArM erfolge, obgleich tatsächlich keine Meldung eines entsprechenden Rückrufs angezeigt worden ist -, war dem nunmehr gestellten Feststellungsantrag stattzugeben, nachdem die ursprüngliche Klage auch insoweit zulässig und begründet war und nach Klageerhebung mit der erfolgten Meldung an das BfArM ein erledigendes Ereignis eingetreten ist.
a) Die Ankündigung der Beklagten in dem streitgegenständlichen Schreiben (Anlage K 3), sie werde ihrer Meldepflicht gemäß §§ 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 oder 3 MPSV nachkommen müssen und unverzüglich eine entsprechende Mitteilung an das BfArM erstatten, wenn der Adressat des Schreibens, Dr. W., nicht binnen der gesetzten Frist von zwei Wochen eine Bestätigung übermittele, wonach sich die „alte“ L.-Software nicht mehr im Einsatz befinde, stellt sich als eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG dar, mit der Folge dass der geltend gemachte, zulässige Unterlassungsantrag ursprünglich gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG begründet war.
aa) Gem. § 4a Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG ist eine geschäftliche Handlung aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch eine unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen. Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt (§ 4a Abs. 1 S. 3 UWG). Eine Machtposition i.S.d. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG ist eine überlegene Stellung, die situativ oder strukturell begründet sein kann (BGH GRUR 2018, 1251 Rn. 60 – Werbeblocker II).
bb) Vorliegend ergibt sich eine derartige Machtposition der Beklagten daraus, dass sie für sich in Anspruch nimmt, als – vermeintlich – meldepflichtige Verantwortliche gem. § 3 Abs. 1, Abs. 3 MPSV eine Mitteilung über ein angebliches Vorkommnis im Sinne von § 2 Nr. 1 MPSV in dem Praxisunternehmen des Herrn Dr. W. zu erstatten. Hierdurch ist sie in der Lage, Druck auf den Adressaten ihrer Ankündigung auszuüben, indem dieser vor die Wahl gestellt wird, entweder die Nutzung der Software einzustellen, oder das von der Beklagten angebotene Upgrade in Anspruch zu nehmen, um eine derartige Meldung zu vermeiden. Die Beurteilung, ob durch die Ausübung von Druck die Fähigkeit des Adressaten zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt ist, richtet sich danach, ob das Urteilsvermögen des durchschnittlichen Adressaten so beeinträchtigt wird, dass er die Vor- und Nachteile des Geschäfts nicht mehr hinreichend wahrnehmen und gegeneinander abwägen kann (BGH a.a.O. Rn. 68 – Werbeblocker II). Vorliegend handelt es sich bei dem angesprochenen Adressaten um einen Arzt, dessen Entscheidungsfreiheit dadurch beeinflusst werden soll, dass er mit einer drohenden Verhaltensweise im Sinne von § 4a Abs. 3 Nr. 2 UWG – Ankündigung einer Meldung an das BfArM – zu einer geschäftlichen Entscheidung – Erwerb des Upgrades der Beklagten – veranlasst werden soll. Dies stellt eine unangemessene und unzulässige Beeinflussung dar, nachdem es – unabhängig davon, ob die Beklagte überhaupt als meldepflichtige Person im Sinne von § 3 Abs. 1, 3 MPSV angesehen werden kann – jedenfalls an der Feststellung eines Meldungsgrundes im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 2 Nr. 1 MPSV fehlt. Ein meldepflichtiges Vorkommnis im Sinne von § 2 Nr. 1 MPSV ist eine Funktionsstörung, ein Ausfall, eine Änderung der Merkmale oder der Leistung oder eine unsachgemäße Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung eines Medizinproduktes, die oder der unmittelbar oder mittelbar zum Tod oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, eines Anwenders oder einer anderen Person geführt hat, geführt haben könnte oder führen könnte; als Funktionsstörung gilt auch ein Mangel der Gebrauchstauglichkeit, der eine Fehlanwendung verursacht. Wie oben (unter 1.) bereits ausgeführt, tragen die zugrunde liegenden Feststellungen die Annahme einer derartigen Funktionsstörung der von dem Adressaten des streitgegenständlichen Schreibens (Anlage K 3) verwendeten L.-Software jedoch nicht.
b) Der zulässige und gem. § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 4a UWG begründete Unterlassungsantrag ist mit der nach Rechtshängigkeit erfolgten Meldung an das BfArM unbegründet geworden, hat sich also hierdurch erledigt, da die seitens der Beklagten aufgestellte Drohkulisse und damit einhergehende Druckausübung auf den Adressaten infolge der tatsächlichen Ausführung des angedrohten Verhaltens nicht mehr bestand.
3. Die geltend gemachten Abmahnkosten stehen dem Kläger gegenüber der Beklagten aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu, nachdem die klägerische Abmahnung aus den vorgenannten Gründen berechtigt war.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 S. 1 GKG. Da die Teil-Erledigterklärung erst im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgt ist, hat sie auf den Streitwert keinen Einfluss (§ 40 GKG).


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