IT- und Medienrecht

Kein Anspruch auf Beisetzung eines Verstorbenen außerhalb der gesetzlichen Bestattungsfrist

Aktenzeichen  AN 4 S 16.00522

Datum:
30.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 44424
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BestG Art. 5, 14 I, II
BestV § 19 I, II 1
VwGO VwGO § 123 I

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin und Klägerin (im Folgenden: Antragstellerin) ist die Witwe des am 11. März 2016 verstorbenen Herrn … Unter dem 18. März 2016 erließ die Antragsgegnerin und Beklagte (im Folgenden: Antragsgegnerin) folgenden
Bescheid:
1. Die Konservierung des Leichnams mit chemischen Stoffen, insbesondere mit dem Produkt Freedom Art wird hiermit untersagt.
2. Das Einfrieren mit dem Ziel einer Bestattung außerhalb der gesetzlichen Bestattungsfrist wird abgelehnt.
3. Der Verstorbene ist spätestens bis Donnerstag, den 24. März 2016 beizusetzen.
In der Begründung wurde u. a. ausgeführt: Die in Ziffer 1 des Bescheides angesprochene Konservierung des Leichnams habe zu unterbleiben, weil die dabei eingesetzten chemischen Stoffe den Zersetzungsprozess hemmen sollten und hierdurch die satzungsrechtlichen Ruhefristen auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin nicht mehr eingehalten werden könnten. Im Übrigen gehe von dem zu verwendenden Konservierungsmittel „Freedom Art“ eine toxische Gefährdung aus, nämlich eine umweltgefährdende Wirkung auf Böden und Gewässer. Auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin würden generell solche chemischen Stoffe abgelehnt, dies gelte insbesondere beim Bestatten von verstorbenen Personen und sonstigen Körpern. Bei dem in Ziffer 2 des Bescheids angesprochenen Einfrieren des Leichnams komme es zu langen, spitzen Eiskristallen. Diese würden die Zellwände des Leichnams verletzen und bei einem Auftauen zu einem schnelleren Zerfall- und Zersetzungsprozess des Körpers führen, mit der Folge der vermehrten Geruchs- und Flüssigkeitsbildung. Gegen Auswirkungen dieser Art seien Särge generell nicht geschützt. Ein Einfrieren des Leichnams mit dem Ziel einer viel späteren Bestattung als gesetzlich vorgesehen scheide aus Pietätsgründen aus. Bezüglich Ziffer 3 des Bescheides werde auf § 19 der Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (Bestattungsverordnung) – BestV) verwiesen. Nach 19 Abs. 2 Satz 1 BestV könne die Gemeinde Ausnahmen von der Bestattungsfrist von 96 Stunden nach Feststellung des Todes zulassen, wenn gesundheitliche Gefahren nicht zu befürchten seien. Die Antragsgegnerin genehmige mit diesem Bescheid, dass die Beisetzung von Herrn … bis spätestens Donnerstag, 24. März 2016, zu erfolgen habe. Eine längere Frist scheide aus, sie sei aus Pietäts- und biologischen Gründen (Zersetzungsprozess) nicht statthaft.
Mit am 24. März 2016 mit einfacher Post beim Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz vom 22. März 2016 wurde unter dem Aktenzeichen AN 4 K 16.00523 Klage erhoben mit den Anträgen:
I.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2016 – zugestellt am 18. März 2016 – wird aufgehoben.
II.
Der Klägerin wird Fristverlängerung für die Erdbeisetzung ihres verstorbenen Ehemannes, …, geboren am …1935, verstorben am 11. März 2016, bis 8. April 2016 gewährt.
hilfsweise
die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Fristverlängerung bis 8. April 2016 zu gewähren.
Mit gleichem Schriftsatz ließ die Antragstellerin unter dem Aktenzeichen AN 4 S 16.00522 beantragen,
„im Wege einer einstweiligen Anordnung bzw. einer einstweiligen Verfügung die in Ziffer 3 des Bescheides der Beklagten vom 18.03.2016 verfügte Frist zur Beisetzung des Leichnams von Herrn … bis 08.04.2016 zu verlängern.“
Zur Begründung wird u. a. ausgeführt: Die Antragstellerin wolle ihren verstorbenen Mann am 8. April 2016 würdevoll beerdigen. Nachdem der Verstorbene innerhalb seines Wirkungsbereiches eine exponierte Persönlichkeit gewesen sei, zahlreiche Verwandte und Freunde des Verstorbenen aus aller Welt an der Bestattung teilnehmen wollten und insbesondere die engste Familie des Verstorbenen groß sei, könne eine zeitlich frühere Beisetzung nicht unter Wahrung der Pietät organisiert werden. Des Weiteren sei beabsichtigt, eine spezielle religiöse Zeremonie unter Beteiligung von mehreren Pastoren durchzuführen, die allesamt ebenfalls aus dem Ausland anreisen müssten. Konservierungsstoffe der genannten Art oder aber auch solche anderer Hersteller würden generell eingesetzt, es sei nicht zu erkennen, weshalb eine höhere umweltgefährdende Wirkung bedingt werden solle, wenn der Leichnam erst zwei Wochen später als von der Antragsgegnerin vorgegeben beigesetzt werde. Der Leichnam sei derzeit nicht eingefroren, sondern gekühlt. Nach Aussage des Bestattungsinstitutes müsse ein Einfrieren auch nicht in die Wege geleitet werden, weil es unter Einsatz konventioneller chemischer Konservierungsstoffe genüge, wenn der Leichnam noch am 8. April 2016 beigesetzt werde, was dem Wunsch der Antragstellerin entspreche. Die gesetzlich vorgesehene primäre Bestattungsfrist von 96 Stunden sei in der Praxis verlängerbar, weshalb eine solche Verlängerung gerade nur bis zum 24. März 2016 erfolgen könne, sei nicht nachvollziehbar und werde im angefochtenen Bescheid auch nicht schlüssig dargestellt. Vorliegend finde eine Verstorbenenversorgung durch das beauftragte Bestattungsinstitut bereits statt. Die Versorgung erfolge ohne Einsatz von chemischen Stoffen. Auch ein Einfrieren des Leichnams sei nicht durchgeführt worden und sei auch nicht beabsichtigt. Der Leichnam werde vielmehr lediglich gut gekühlt. Um den biologischen Verwesungsprozess hinauszuzögern, habe das Bestattungsinstitut den Verstorbenen in mit Desinfektionsmittel getränkte Tücher gebettet, um ihn zumindest vor äußeren Einflüssen zu schützen. Die Tücher würden vor der Beisetzung entfernt und nicht mit im Erdreich bestattet. Der Leichnam werde niedrig gekühlt. Damit sei gewährleistet, dass die im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Gefahren für die Umwelt ausgeschlossen seien, jedenfalls innerhalb des Zeitfensters bis 8. April 2016. Die gewählte Verfahrensweise sei sicher. Ergänzend werde angefügt, dass andere Kommunen im Umland die Gefahrensituation gänzlich anders als hier die Antragsgegnerin einschätzen würden. Die Verfahrensweise des involvierten Bestattungsinstituts unterliege auch bei anderen Kommunen, die eigene Friedhöfe unterhalten würden, keinen Bedenken. Eine konkrete Gefahr für die Umwelt werde dort nicht gesehen.
Mit am 29. März 2016 beim Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach vorab per Telefax eingegangenem Schriftsatz vom 24. März 2016 ließ die Antragsgegnerin beantragen,
den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.
Zur Begründung wird u. a. ausgeführt: Klage und Eilantrag seien unbegründet. Nach Auskunft des Gesundheitsamtes könne der Fäulnisprozess über mehr als drei Wochen nach dem Todeszeitpunkt nicht mehr in ausreichendem Maße aufgehalten werden. Eine pietätvolle Bestattung könne unter solchen Umständen nach einer Frist von vier Wochen nicht mehr erfolgen, da sie weder für die Angehörigen noch für die Friedhofsmitarbeiter noch als zumutbar bezeichnet werden könne. Das zu verwendende Konservierungsmittel „Freedom Art“ sei für Wasserorganismen giftig, es könne in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben; ferner könnten die von dem Konservierungsmittel ausgehenden Dämpfe Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen. Dies ergebe sich aus den entscheidenden Seiten 2 und 3 des sog. Sicherheitsdatenblattes für den einzusetzenden Stoff. Diese Seiten habe die Antragstellerseite dem Gericht jedoch nicht vorgelegt. Der „Antrag auf Verlängerung der Bestattungsfrist im Wege der einstweiligen Anordnung“ sei zwar zulässig, insbesondere könne ein Anordnungsgrund angenommen werden, jedoch bestehe kein Anordnungsanspruch, weshalb der Antrag als unbegründet abzulehnen sei. Soweit er als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auszulegen wäre, sei er jedoch durch Zeitablauf unzulässig geworden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz hat keinen Erfolg.
Gegenstand des Eilverfahrens ist ausweislich der schriftsätzlichen Antragsbegründung Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 18. März 2016.
Zu Recht hat der anwaltliche Bevollmächtigte der Antragstellerin den einstweiligen Rechtsschutzantrag nicht als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, zumal die streitgegenständliche Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides weder kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist noch die sofortige Vollziehbarkeit der betreffenden Ziffer nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist, geschweige denn, dass Ziffer 3 des Bescheides mit einer – ihrerseits gemäß Art. 21 a BayVwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren – Zwangsmittelandrohung versehen wäre. Die gegen Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 18. März 2016 erhobene Klage hat bzw. hatte somit gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung.
Soweit mit dem gestellten einstweiligen Rechtsschutzantrag der Sache nach der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO des Inhalts begehrt wird, das Gericht möge die Antragsgegnerin verpflichten, die in § 19 Abs. 1 Satz 1 BestV angeordnete Bestattungsfrist von grundsätzlich maximal 96 Stunden nach Todesfeststellung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 BestV über den 24. März 2016 hinaus bis zum 8. April 2016 zu verlängern, hat dieser Antrag ebenfalls keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, sogar schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt jedoch – neben dem Bestehen eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses – die Glaubhaftmachung eines zu sichernden Anordnungsanspruchs (materiellen Anspruch) und eines Anordnungsgrundes (besondere Eilbedürftigkeit) voraus. Angesichts des naturgemäß summarischen Charakters des Verfahrens über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung darf durch eine solche einstweilige Anordnung grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg genommen werden, es darf auch nicht mehr zugesprochen werden, als im Hauptsacheverfahren zugesprochen werden könnte. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG kann aber eine die Entscheidung in der Hauptsache ganz oder teilweise vorwegnehmende einstweilige Anordnung ausnahmsweise dann ergehen, wenn dem Antragsteller bei einer Verweisung auf das Hauptsacheverfahren unzumutbare Nachteile drohen oder wenn er im Hauptsacheverfahren, das hier bereits eingeleitet worden ist, nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen wird. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt.
Ein allgemeines Rechtsschutzinteresse für die Beantragung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO dürfte hier im Hinblick auf die nach Art. 14 Abs. 1 und 2 BestG bestehenden ordnungsbehördlichen Handlungsmöglichkeiten bzw. Handlungspflichten zu bejahen sein.
Ob vorliegend ein Anordnungsgrund im o. g. Sinne dargetan und glaubhaft gemacht ist, kann letztlich dahinstehen, er wird zumindest von der Antragsgegnerseite nicht in Zweifel gezogen.
Jedenfalls ist, was zusätzlich erforderlich wäre, ein Anordnungsanspruch im o.g. Sinn nicht dargetan und glaubhaft gemacht. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausreichenden und auch nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage kann nämlich keine Rede davon sein, dass die Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin dahin haben würde, dass die gesetzliche Bestattungsfrist im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 BestV (96 Stunden nach Feststellung des Todes) im Ermessenswege bei Ermessensreduzierung auf Null auch hier 28 Tage (entsprechend dem Siebenfachen der gesetzlichen Bestattungsfrist) zu verlängern wäre.
Abgesehen von den zu berücksichtigenden gravierenden hygienischen Gesichtspunkten (vgl. dazu etwa die Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 24.03.2016) gebietet es allein schon die Würde des Verstorbenen und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit (vgl. Art. 5 BestG), die Bestattung hier nicht noch weiter hinauszuzögern. Der Antragstellerin kann und muss im hier vorliegenden Fall zugemutet werden, die Trauerfeier zu einem anderen Zeitpunkt abzuhalten als die eigentliche – notfalls von der Antragsgegnerin nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG in eigener Zuständigkeit zu besorgende – Bestattung.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.


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