IT- und Medienrecht

Kein Anspruch auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages in Bezug auf den sogenannten „VW-Abgasskandal“ nach einvernehmlicher Durchführung eines Software-Updates

Aktenzeichen  32 O 453/16

Datum:
30.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155546
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 323, § 434 Abs. 1 S. 1, § 437, § 826, § 831

 

Leitsatz

1. Es kann letztlich dahinstehen, ob der streitgegenständliche Pkw als mangelhaft anzusehen ist, weil an dem Fahrzeug zwischenzeitlich ein sogenanntes Software-Update zur Beseitigung der streitgegenständlichen Abgasproblematik durchgeführt wurde und vom Kläger jedenfalls nicht explizit dargelegt wird, dass diese Nachbesserungsmaßnahme zur Erreichung besserer Abgaswerte per se erfolglos verlief. (Rn. 29 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 05.11.2008 (BeckRS 2008, 25323) ist das Festhalten eines Käufers an einem wirksam erklärten Rücktritt jedenfalls dann treuwidrig (§ 242 BGB), wenn der in Rede stehende Mangel nachträglich mit dessen Zustimmungen beseitigt wird.  (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3.  Ein von der Volkswagen AG rechtlich selbständiger Kfz-Händler ist weder Organ (§ 31 BGB) der Herstellerin, noch ist umgekehrt die Herstellerin des Pkw als Verrichtungsgehilfin (§ 831 BGB) der Beklagten als Verkaufsfirma oder gar als Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB) der hiesigen Beklagten anzusehen.  (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger kann nicht Rückabwicklung des streitgegenständlichen Pkw-Kaufvertrages gemäß den §§ 434, 437 Ziff. 2, 323 BGB von der Beklagten fordern.
1. Ein Sachmangel dergestalt, dass das Fahrzeug nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) kann vorliegend nicht angenommen werden.
Das Einhalten eines konkreten maximalen Stickoxidausstoßes beim streitgegenständlichen Fahrzeug war offenkundig nicht Vertragsgegenstand geworden, was zum einen in der Regel bereits lebensfremd wäre, sich im übrigen im konkreten Fall aus den informatorischen Angaben des Klägers (S. 3 Mitte des Protokolls vom 23.05.2017 = Bl. 184 d.A.) ergibt, dass er „ja die Abgaswerte nicht vorher auswendig lerne“ bevor er ein Fahrzeug kaufe.
Letztlich war nach den weiteren Angaben des Klägers (S. 2 des Protokolls vom 23.05.2017 = Blatt 2 d.A.) den Umständen nach maßgebliches Kaufkriterium, welches auch in einer zumindest schlüssig erfolgten Beschaffenheitsvereinbarung insoweit seinen Niederschlag gefunden hatte, die „volle Ausstattung und der günstige Preis des Fahrzeuges“ vor dem Hintergrund, dass es sich im konkreten Fall um ein Ausstellungsfahrzeug gehandelt hatte.
Soweit die klägerseits im vorgenannten Zusammenhang ebenfalls genannte „Euro 5“-Spezifikation in Rede steht, räumt der Kläger in Seite 3 oben des Protokolls selbst ein (Bl. 184 d.A.), dass jedenfalls behördliche Anordnungen und Maßnahmen, welche die letztgenannte Beschaffenheit jedenfalls in Frage stellen würden, nicht erfolgt sind.
2. Es kann letztlich dahinstehen, ob hingegen der streitgegenständliche Pkw – unabhängig von etwaigen Beschaffenheitsvereinbarungen (siehe die Ausführungen oben) – aus dem Umkehrschluss des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB als mangelhaft anzusehen ist.
Unstreitig wurde nämlich am Fahrzeug des Klägers zwischenzeitlich ein sogenanntes Software-Update zur Beseitigung der streitgegenständlichen Abgasproblematik durchgeführt (vgl. insoweit wiederum die informatorischen Angaben des Klägers in Seite 3 oben im Protokoll vom 23.05.2017 = Bl. 184 d.A.), wobei vom Kläger jedenfalls nicht explizit dargelegt wird, dass diese Nachbesserungsmaßnahme zur Erreichung besserer Abgaswerte per se erfolglos verlief.
Die vorgenannten Maßnahmen wurden auch nicht gleichsam „hinter dem Rücken“ des Klägers als Käufer gleichsam ohne dessen Wissen, bzw. im Rahmen eines etwaigen sonstigen allgemeinen Inspektionstermins durchgeführt. Vielmehr erfolgte diese Maßnahme mit Wissen und Wollen des Klägers im Rahmen der Vereinbarung eines besonderen Werkstatttermins speziell für die in Rede stehende Maßnahmen (vgl. Protokoll, ebenda).
Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 05.11.2008, Aktenzeichen: VIII ZR 166/07 ist das Festhalten eines Käufers an einem wirksam erklärten Rücktritt jedenfalls dann treuwidrig (§ 242 BGB) wenn der in Rede stehende Mangel nachträglich mit dessen Zustimmungen beseitigt wird. Auf diese Rechtsfolge wurde seitens des Bundesgerichtshofs bereits im Zusammenhang mit dem früheren sogenannten Wandlungsrecht, das dem nunmehrigen Rücktrittsrecht der sogenannten Schuldrechtsreform ähnelte, im Urteil vom 19.06.1996 (Aktenzeichen: VIII ZR 252/95) hingewiesen.
Ein vertragliches Rücktrittsrecht scheidet demzufolge aus.
3. Auch Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 826, 831 BGB sind nicht begründet.
Der Kläger stützt derartige Ansprüche aus unerlaubter Handlung unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 21.03.2017 (Bl. 100 a d.A.) auf das dort zitierte Urteil des Landgerichtes Hildesheim vom 17.01.2017, Aktenzeichen: 3 O 139/16 (abgedruckt in anonymisierter Form in Bl. 104 ff. der hiesigen Zivilgerichtsakte).
Wie den Entscheidungsgründen dieses Urteils trotz Anonymisierung zumindest mittelbar entnommen werden kann, richtete sich die dortige Klage jedoch nicht gegen einen Kfz.- Händler, sondern gegen die Herstellerin.
Die hiesige Beklagte ist jedoch weder Organ (§ 31 BGB) der Herstellerin, noch ist umgekehrt die Herstellerin des Pkws als Verrichtungsgehilfin (§ 831 BGB) der Beklagten als Verkaufsfirma oder gar als Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB) der hiesigen Beklagten anzusehen.
Die Verrichtungsgehilfeneigenschaft fehlt, weil die Herstellerin (Volkswagen-Werk) ein selbstständiges Unternehmen ist (vgl. auch Palandt, Kommentar zum BGB, 73. Auflage, Rd-Nr.: 5 am Ende zu § 831 BGB mit weiteren Nachweisen), währenddessen die Erfüllungsgehilfeneigenschaft ausscheidet, weil die Beklagte im Rahmen eines Kaufvertrages gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB lediglich zur Eigentums- und Besitzverschaffung eines Fahrzeuges, nicht aber zu einer Herstellung desselben verpflichtet wird.
Die Klage erweist sich im Ergebnis demzufolge als unbegründet.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO:
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 709 ZPO.
Verkündet am 30.06.2017


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