IT- und Medienrecht

Kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Kaufvertrag über ein Diesel-Fahrzeug

Aktenzeichen  29 O 2578/18

Datum:
21.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 57684
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 28 Abs. 2, § 31, § 166 Abs. 1, Abs. 2, § 323, § 346, § 434, § 437, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
HGB § 377 Abs. 3
ZPO § 3, § 12, § 17, § 32,  § 138 Abs. 3, § 139 Abs. 5, § 348a, § 756
AktG § 78
EG-FGV § 27
StGB § 263
GVG § 23 Nr. 1, § 71

 

Leitsatz

1. Gemäß § 377 HGB muss der Kaufmann beim beidseitigen Handelskauf bestehende Sachmängel unverzüglich rügen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Hinblick auf verdeckte Mängel trägt der Käufer die Beweislast dafür, dass der Mangel bei der Untersuchung nicht erkennbar war sowie für den Zeitpunkt seiner Entdeckung. Die Beweislast für die rechtzeitige Absendung der Rüge trägt ebenfalls der Käufer.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 86.030,30 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht München I ist gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich und gemäß §§ 12, 17, 32 ZPO örtlich zuständig. Das Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu 2) ergibt sich aus § 756 ZPO.
B.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 86.030,30 € an die … GmbH & Co. KG Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
A.
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Zahlung von 86.030,30 € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Ein solcher könnte sich nur ergeben aus §§ 346, 437, 434, 323 BGB, besteht jedoch nicht.
A.
Grundsätzlich ist der Kläger berechtigt gegenüber der Beklagten zu 1) das Rücktrittsrecht auszuüben. Zwar besteht ein Kaufvertrag nur zwischen der … GmbH & Co. KG und der Beklagten zu 1), jedoch hat die … GmbH & Co. KG dem Kläger in ihren wirksam einbezogenen Leasingbedingungen wirksam ihre Sachmängelrechte, einschließlich des Rücktrittsrechts, abgetreten. Somit konnte der Kläger grundsätzlich das Rücktrittsrecht gegenüber der Beklagten zu 1) ausüben. Der Kläger konnte jedoch zu Recht nur Leistung an die … GmbH & Co. KG fordern, da dies in XIII. 2. a. der Leasingbedingungen so vereinbart ist.
A.
Die Ausübung des Rücktrittsrechts ist jedoch wegen § 377 HGB nicht mehr möglich.
Gemäß § 377 HGB muss der Kaufmann beim beidseitigen Handelskauf bestehende Sachmängel unverzüglich rügen. Ein solcher beidseitiger Handelskauf liegt hier vor. Es kommt dabei zwar nicht darauf an, ob der Kläger das Leasinggeschäft in seiner Eigenschaft als Kaufmann geschlossen hat, sondern darauf ob der zugrunde liegende Kaufvertrag zwischen der … GmbH & Co. KG und der Beklagten zu 1) ein Handelskauf darstellt. Dies ist der Fall. Sowohl die Beklagte zu 1) als auch die … GmbH & Co. KG sind Handelsgesellschaften, für sie war der Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs zwingend Teil ihres Handelsgewerbes. Somit oblag der … GmbH & Co. KG grundsätzlich die Rügeobliegenheit des § 377 HGB. Der Kläger wiederum macht das abgetretene Recht der … GmbH & Co. KG geltend, wodurch aber keine Änderung des Inhalts der Rechte eintritt. Somit kann auch der Kläger die Mängelrechte nur unter Beachtung der Rügeobliegenheit des § 377 HGB geltend machen.
A.
Es liegt ein versteckter Mangel i.S.d. § 377 HGB vor, da der etwaige Sachmangel einer Abschalteinrichtung nicht bei einer Untersuchung ohne weiteres erkennbar war. Somit musste der Kläger den Mangel gemäß § 377 Abs. 3 HGB unverzüglich nach der Entdeckung rügen. Im Hinblick auf verdeckte Mängel trägt der Käufer die Beweislast dafür, dass der Mangel bei der Untersuchung nicht erkennbar war sowie für den Zeitpunkt seiner Entdeckung. Die Beweislast für die rechtzeitige Absendung der Rüge trägt ebenfalls der Käufer (vgl. Baumbach/Hopt, § 377 HGB, Rn. 55). Nach dem Vortrag der Klagepartei wurde der Mangel im Juli 2017 aufgrund eines Artikels von Focus Online vom 28.7.2017 (Anlage K12) allgemein bekannt. Laut der übereinstimmenden Erklärungen in der Hauptverhandlung meldete sich der Kläger am 30.08.2018 bei der Beklagten zu 1). Laut des Vortrags der Beklagten zu 1) rügte der Kläger den Mangel erstmals am 18.08.2017 bei der Beklagten zu 1) (Bl. 48 d.A.). Der Kläger konnte nicht darlegen und beweisen, dass dies unverzüglich i.S.d. § 377 HGB war. In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger zu dieser Frage darüber hinaus angehört. Er erklärte, dass er das Fahrzeug abgeholt habe und einen Tag später die Schlagzeile in den Medien mitbekommen habe. Er habe Herrn … von der Beklagten zu 1) angerufen und gefragt, ob die Schlagzeile auch sein Auto betreffe, was Herr … verneint habe. Im Lauf der Zeit habe sich dann herausgestellt, dass sein Fahrzeug doch betroffen sei. Auf Nachfrage der Beklagtenvertreterin bekräftigte der Kläger nochmals, dass er einen Tag nach der Abholung seines Fahrzeugs am 23. März 2016 die Schlagzeile zum … Diesel gesehen habe und sich darauf bei Herrn … gemeldet habe. Auf nochmalige Nachfrage des Gerichts, wie lang es gedauert habe bis er sich bei der Beklagten gemeldet habe, nachdem der Kläger erfahren hat, dass sein Fahrzeug entgegen der ursprünglichen Aussage des Herrn … doch betroffen sei, erklärte der Kläger, dass es seit September 2017 bis Januar 2018 ein ständiges Gespräch mit Herrn … gab. Genaueres zum Zeitpunkt seiner Kenntnis vom Mangel gab der Kläger auch auf Nachfrage nicht an.
Dies genügt nicht, um der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast des Klägers zu genügen. Der Kläger hätte eindeutig vortragen müssen, wann er Kenntnis davon erlangt hat, dass sein Fahrzeug von dem Mangel betroffen war und wann er sodann diesen Mangel bei der Beklagten zu 1) rügte. Dies ist jedoch nicht geschehen. Dem Vortrag des Klägers ist diesbezüglich kaum etwas zu entnehmen. Auch in der mündlichen Anhörung gelang des dem Kläger nicht, die Umstände zu erhellen. Insoweit war die Beklagte zu 1) nicht in der Lage konkrete Tatsachen zu bestreiten, weil solche vom Kläger bereits nicht vorgetragen werden. Auch in seinem Schriftsatz vom 06.12.2018 wird hierzu nichts weiter vorgetragen.
Somit konnte der Kläger weder darlegen noch beweisen, dass der Kläger Kenntnis vom Mangel zu einem Zeitpunkt Kenntnis erlangte, dass eine Rüge am 18.08.2017 oder 30.08.2017 bei der Beklagten ausreichen würde. Dies ergibt sich aus dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers, der nach dem Vortrag der Beklagten zu 1) nicht weitergehend vorträgt. Auch die informatorische Anhörung des Klägers hat nichts Gegenteiliges ergeben. Hinsichtlich der Aussage, dass der Kläger bereits am 24. März 2017 von dem Diesel-Skandal hinsichtlich des … erfahren haben soll, ist dies schon nicht plausibel, da dieser Skandal erst im Juli 2017 aufkam. Wie der Kläger schon vorher davon erfahren haben soll, ist nicht ersichtlich. Hinsichtlich des weiteren Vortrags bleibt der Kläger vage und nennt keine konkreten Daten, wann er von der Betroffenheit seines Fahrzeugs erfahren haben will, die dem ursprünglichen unwidersprochenen (§ 138 Abs. 3 ZPO) Vortrag der Beklagten zu 1) widersprechen würden, dass Kenntnis bereits Ende Juli 2017 vorlag. Somit konnte der Kläger nicht darlegen und beweisen, dass er den Mangel rechtzeitig gerügt hat. Zwar gibt es hierfür keine starre zeitliche Grenze, jedoch billigt die h.M. dem Betroffenen in der Regel nicht mehr als einige Tage zu. Der Kläger hätte somit konkret zu den Kenntniszeitpunkten und Rügezeitpunkten vortragen müssen. Dies ist unterblieben.
Der Kläger ist somit mit der Geltendmachung der Sachmangelrechte hinsichtlich der Mängel bezüglich der Abschalteinrichtung ausgeschlossen.
A.
Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) ist somit unbegründet.
A.
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Zahlung von 86.030,30 € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Ein solcher könnte sich nur ergeben aus §§ §§ 826, 31 bzw. 823 Abs. 2, 263 StGB, 823 Abs. 2 i.V.m. 27 EG-FGV BGB, besteht jedoch nicht. Aus Prospekthaftung kann sich ein solcher Anspruch nicht ergeben, da die zur Prospekthaftung im Rahmen der Kapitalanlage aufgestellten Grundsätze nicht auch für den Fahrzeugkauf Anwendung finden.
A.
Unabhängig davon, welchen Schaden der Kläger schlüssig dargelegt hat, wäre Voraussetzung für jede Art von deliktischen Anspruch, dass die Beklagte zu 2) in irgendeiner Form Kenntnis von der als Sachmangel geltend gemachten Motorsteuerungssoftware im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs hatte. Kann der Kläger eine solche Kenntnis der Beklagten zu 2) nicht nachweisen, so entfällt die Grundlage für jede Art deliktischer Haftung. Die Kenntnis von diesem Mangel konnte der Kläger jedoch nicht nachweisen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem nachzulassenden Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 06.12.2018.
A.
Eine eigene Kenntnis der Vorstände oder Repräsentanten der Beklagten zu 2) hat die Klagepartei nicht dargelegt. Denn die Beklagte zu 2) ist unstreitig nicht Herstellerin des streitgegenständlichen Motors. Unabhängig davon, ob die Beklagte zu 2) im Sinne einer sekundären Beweislast dann verpflichtet wäre, hinsichtlich des tatsächlichen Herstellers vorzutragen, ist zumindest unstreitig, dass die Beklagte zu 2) selbst nicht Herstellerin ist. Es gibt somit keinerlei tatsächliche Vermutungen dahingehend, dass die Beklagte zu 2) in Form ihrer Repräsentanten und Vorstände Kenntnis von der Abschalteinrichtung haben musste, wie es von der Rechtsprechung teilweise für die … AG bejaht wird. Im Übrigen trägt die Klagepartei keine konkreten Tatsachen zur Kenntnis der Beklagten zu 2) vor. Allein der Vortrag, es sei in Fachkreisen bekannt, dass die … AG zusammen mit den Töchtern … AG und der Beklagten zu 2) eine gemeinsame Motorenentwicklung betreibt, in welcher der streitgegenständliche Motor entwickelt wurde, genügt für einen substantiierten Vortrag nicht. Auch das es „allgemein bekannt und auch üblich“ sei, dass dass die konkrete Fahrzeug-Getriebekombination von Mitarbeitern der Beklagten zu 2) selbst angepasst wurde, genügt nicht. Denn es ist schon nicht klar, ob eine solche etwaige Anpassung auf die konkrete FahrzeugGetriebekombination überhaupt zum Erkennen der Abschalteinrichtung hätte führen müssen. Diesbezüglich wird nichts vorgetragen. Auch fehlt es sodann an Vortrag dazu, inwieweit die Kenntnis von Mitarbeitern der Beklagten zu 2) dem Vorstand oder Repräsentanten der Beklagten zu 2) zugerechnet werden könnte. Die Beklagte zu 2) konnte aufgrund dieses unsubstantiierten Vortrags sich darauf berufen, die Kenntnis pauschal zu bestreiten. Die sekundäre Beweislast würde nur dann greifen, wenn aufgrund von besonderen Umständen vom Kläger naheliegend vorgetragen worden wäre, dass eine Kenntnis der Beklagten zu 2) besteht. Selbst wenn man vertreten würde, dass dies bei der … AG möglich ist, so wurde in Bezug auf die Beklagte zu 2) keinerlei konkreten Tatsachen vorgetragen, die eine Kenntnis der relevanten Personen bei der Beklagten zu 2) nahe legen würden. Im Gegenteil ist die Beklagte zu 2) nicht Herstellerin des streitgegenständlichen Motors und trägt vor, sie kaufe den Motor zu. Der insoweit beweisbelastete Kläger ist somit beweisfällig geblieben. Eine Einvernahme der angebotenen Zeugen (Bl. 104) war angesichts der unsubstantiierten Behauptungen nicht nachzugehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Beweis nicht auf Ausforschung gerichtet sein darf.
Das Gericht hat in der Hauptverhandlung vom 06.12.2018 nochmals konkret darauf hingewiesen, dass der Vortrag des Klägers nicht genügt, um eine Kenntnis der Beklagten zu 2) nachzuweisen. Die Entscheidung über die diesbezügliche Schriftsatzfrist sollte im Verkündungstermin erfolgen, da die Beklagte zu 2) bereits schriftsätzlich dargelegt hat, dass der Vorsatz der Beklagten zu 2) durch die Klagepartei nicht ausreichend substantiiert dargelegt worden sei, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beklagte zu 2) nicht Herstellerin des streitgegenständlichen Motors ist.
Der Schriftsatz der Klagepartei vom 06.12.2018, in dem diese Gelegenheit hatte, hierzu nochmals Stellung zu nehmen, berücksichtigt das Gericht gemäß § 139 Abs. 5 ZPO. Die Schriftsatzfrist war zu gewähren, da angesichts der mannigfaltigen Entscheidungen zur Thematik, der umfangreichen schriftsätzlichen Stellungnahmen und der Schwierigkeit eines substantiierten Vortrags zum Vorsatz der Beklagten zu 2), dem Kläger nochmals die Gelegenheit gegeben werden musste, zum Vorsatz der Beklagten zu 2) vorzutragen.
Jedoch hat der Kläger auch in seinem Schriftsatz vom 06.12.2018 nicht ausreichend zum Vorsatz der Beklagten zu 2) vorgetragen. Die Ausführungen sind weiterhin nicht ausreichend substantiiert. Es wird vorwiegend dargestellt, was allgemein bekannt gewesen sein soll, was angeblich jeder in der Automobilbranche gewusst haben soll. Es fehlt jedoch an konkreten Anhaltspunkten, die nahelegen würden, dass eine solche Kenntnis tatsächlich vorlag, um eine sekundäre Beweislast der Beklagten zu 2) auslösen zu können.
Der Vortrag des Klägers genügt folglich nicht, um den Vorsatz der Beklagten zu 2) darlegen und beweisen zu können. Auch war der Vortrag weder ausreichend substantiiert, um eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast der Beklagten zu 2) auslösen zu können. Denn dies würde auf eine Ausforschung hinauslaufen.
b. Auch liegt keine Zurechnung über § 831 BGB vor.
Denn die Angestellten eines Schwester-/Tochterkonzerns sind in keinem Fall Verrichtungsgehilfen der Beklagten zu 2). Voraussetzung wäre, dass diese den Weisungen der Beklagten zu 2) Folge leisten müssten. Dies ist aber auch in einer Konzernstruktur bei gesellschaftsrechtlich eigenständigen Unternehmen nicht der Fall. Diesbezüglich scheidet eine Zurechnung nach § 831 BGB deshalb aus.
c. Ein etwaiger Vorsatz der … AG kann der Beklagten zu 2) auch nicht zugerechnet werden.
Die … AG hält alle Anteile an der Beklagten zu 2), diese ist somit eine 100%ige Tochter der … AG.
Eine Zurechnung innerhalb des Konzerns ist höchstrichterlich nicht geklärt.
Nach nahezu einhelliger Meinung kann eine Wissenszurechnung nicht schon aufgrund einer faktischen Konzernierung erfolgen. Die zentrale Begründung dafür liegt in dem konzernrechtlichen Trennungsprinzip: Das deutsche Recht betrachtet den „Konzern“ nicht als verfasste Einheit, sondern sieht die „verbundenen Unternehmen“ als selbständige Rechtssubjekte an. Diese rechtliche Vielheit lässt sich nur überwinden, wenn ein überzeugender Zurechnungsgrund – jenseits der Konzernierung als solcher – vorliegt (Spindler/Stilz, § 78 AktG, Rn. 56b). Aufgrund des Fehlens einer Pflicht zur Konzernleitung (zugunsten Dritter) kann die Zurechnung von Wissen nur in engen Ausnahmefällen begründet werden. Anhand einer wertenden Betrachtung unter Berücksichtigung der Interessenlage aller Beteiligten muss für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden, ob eine Zurechnung gerechtfertigt erscheint. Dabei ist zu beachten, dass es an einer gefestigten dogmatischen Grundlage fehlt, denn eine Analogie zu § 166 Abs. 1 und Abs. 2 BGB sowie zu §§ 28 Abs. 2, 31 BGB kommt im Konzernverhältnis nicht in Betracht. Während sich § 166 Abs. 2 und Abs. 2 BGB auf das Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem beziehen, was lediglich bei der Vertretung der Gesellschaft durch den Vorstand gegeben ist, behandeln die §§ 28 Abs. 2, 31 BGB die Vertretung durch ein Organmitglied und nicht durch den (beherrschenden) Gesellschafter. Gleichwohl kann den Normen eine gewisse Wertung entnommen werden, etwa die Behandlung von Repräsentanten des Unternehmens als Veranlasser von Rechtsgeschäften (MüKo, § 78 AktG, Rn. 99).
Es sind jedoch – mangels anderer Anhaltspunkte – zumindest zwei Voraussetzungen zu fordern, anhand derer entschieden werden kann, ob eine Zurechnung im Konzern erfolgen kann. Zum einen muss als notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung die konzernangehörige Gesellschaft, der das in Rede stehende Wissen zugerechnet werden soll, über eine rechtlich abgesicherte Zugriffsmöglichkeit auf die betreffende Information verfügen. Grundlage hierfür kann im faktischen Konzern – soweit zulässig – eine konzerninterne Informationsordnung oder eine sonstige vertragliche Vereinbarung sein, im Vertragskonzern das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens nach § 308 Abs. 1 S. 1. Zum anderen ist nach besonderen tatsächlichen Umständen zu fragen, die im Rahmen einer wertenden Betrachtung eine Wissenszurechnung erlauben oder gebieten (Spindler/Stilz, § 78 AktG, Rn. 56e). Hier kann eine Vielzahl an Umständen in Betracht kommen. Genannt werden beispielsweise die Doppelmandatschaft bzw. Personenidentität von Vorstandsmitgliedern in beiden Gesellschaften, der aktive Datenaustausch oder die Auslagerung von Aufgaben (Spindler/Stilz, § 78 AktG, Rn. 56e).
Wendet man vorstehende Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so liegen die Voraussetzungen für eine Wissenszurechnung nicht vor.
Die darlegungs- und beweisbelastete Klagepartei hat schon nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) über eine rechtlich abgesicherte Zugriffsmöglichkeit auf die betreffenden Informationen der … AG verfügt. Im Gegenteil trägt die Klagepartei nur dahingehend vor, dass die … AG die Beklagte zu 2) beherrschen konnte. Dies wäre aber nur relevant für die Zurechnung von Informationen der Tochtergesellschaft zur Muttergesellschaft. Hier geht es jedoch um die Zurechnung von Wissen von der Muttergesellschaft (… AG) zur Tochtergesellschaft (Beklagte zu 2). Diesbezüglich hätte die Klagepartei einen Zugriff der Beklagten zu 2) auf Informationen der … AG darlegen müssen. Dies ist unterblieben.
Auch fehlt es an der Darlegung besonderer Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass ausnahmsweise eine Wissenszurechnung im Konzern von der Mutterzur Tochtergesellschaft stattfindet. Die Klagepartei trägt weder zu einer etwaigen Personenidentität der Vorstandsmitglieder, einem aktiven Datenaustausch oder sonstigen besonderen Umständen vor. Allein die Tatsache, dass eine Konzernstruktur besteht, genügt nach herrschender Meinung eben nicht für eine Wissenszurechnung.
Es kann also dahinstehen, ob die Klagepartei eine Kenntnis (der Vorstandsmitglieder oder Repräsentanten) der … AG ausreichend dargelegt und bewiesen hat, denn zumindest könnte eine solche nicht der Beklagten zu 2) zugerechnet werden.
Eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) scheidet somit aus.
A.
Vertragliche Ansprüche sind schon nicht ersichtlich.
Ein Anspruch der Klagepartei auf Ersatz von Schäden gegen die Beklagte zu 2) besteht folglich nicht.
A.
Der Kläger hat keine Ansprüche gegen die Beklagten zu 1) und zu 2).
Die Nebenansprüche folgen dem Schicksal des Hauptanspruchs.
C.
Die Entscheidung zu den Kosten ergibt sich aus § 91 ZPO, zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.
Der Streitwert war in Höhe des zuletzt geltend gemachten Geldbetrags anzusetzen (§§ 48 GKG, 3 ZPO). Die Feststellung des Annahmeverzugs und die Nebenansprüche sind streitwertneutral.
Die Entscheidung erging durch den Einzelrichter (§ 348a ZPO).


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