IT- und Medienrecht

Kein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch wegen eines durch einen Hotelgast verursachten Wasserschadens

Aktenzeichen  29 O 7932/18

Datum:
15.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46472
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 906 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 S. 2 BGB scheidet aus, wenn der Schaden durch einen beliebigen Dritten ausgelöst wurde, wie es beispielsweise bei einer Brandstiftung durch einen beliebigen Dritten und Übergreifen der Flammen auf das Nachbarhaus der Fall ist. Denn in diesem Fall ist ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Brandlegung und dem Eigentümer des zunächst brennenden Hauses vollkommen ausgeschlossen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Tatsache, dass der Betrieb eines Hotels ganz allgemein die Gefahr in sich trägt, dass die Hotelgäste Dritte in irgendeiner Weise schädigen, kann nicht ausreichen, um eine Haftung gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog zu begründen. Denn der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, keine allgemeine Gefährdungshaftung für den Fall zu schaffen, dass jemand eine abstrakte Gefahrenquelle, und darunter kann man den Betrieb eines Hotels fassen, einrichtet und/oder beherrscht. Diese gesetzgeberische Wertung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass quasi durch die Hintertür durch die Rechtsprechung eine Gefährdungshaftung gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog eingeführt wird. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.156,31 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und hat somit keinen Erfolg.
A.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 20.156,31 €, eine Haftung des Beklagten scheidet aus jedem Rechtsgrund aus. Mangels vertraglicher Beziehungen oder deliktischer Handlungen/Unterlassungen des Beklagten ist einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog. Dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben.
I.
Grundsätzlich liegen die Voraussetzungen des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog vor. Denn die Einwirkung des vom Hotel des Beklagten ausgehenden Wassers konnte die Klägerin aus tatsächlichen Gründen nicht verhindern, bevor der Schaden an ihrem Studio bereits entstanden war. Der Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog ist damit grundsätzlich eröffnet.
II.
Auch ist der Beklagte grundsätzlich passivlegitimiert, obwohl er nicht der Eigentümer des betreffenden Grundstücks ist. Denn nach der zutreffenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nicht nur der Eigentümer Anspruchsgegner des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog, sondern auch derjenige Nutzer, der die Nutzungsart bestimmt, beispielsweise der Mieter (BGH NJW-RR 2011, 739).
III.
Jedoch fehlt es an der Störereigenschaft des Beklagten. Unabdingbare Voraussetzung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog ist nach ganz herrschender, zutreffender Auffassung, dass der Anspruchsgegner als Störer anzusehen ist.
In Frage kommt hier – mangels direkter Auslösung durch den Beklagten – nur eine Einstandspflicht als mittelbarer Störer. Auch als mittelbarer Störer würde der Beklagte nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog haften.
Problematisch ist hier jedoch, dass nicht nur keine Handlung des Beklagten den Wasserschaden ausgelöst hat (wie es beispielsweise bei einem Wasserrohrbruch der Fall wäre), sondern darüber hinaus die zielgerichtete Handlung eines Dritten, des Hotelgasts …, den Schaden ausgelöst hat. Für die Handlungen dieses Dritten hat der Beklagte jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht einzustehen.
Eine Haftung gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog scheidet nach Auffassung des Gerichts in jedem Fall aus, wenn der Schaden durch einen beliebigen Dritten ausgelöst wurde, wie es beispielsweise bei einer Brandstiftung durch einen beliebigen Dritten und Übergreifen der Flammen auf das Nachbarhaus der Fall ist (vgl. Palandt, § 906, Rn. 37a unter Verweis auf OLG Hamm NJW-RR 87, 1315). Denn in diesem Fall ist ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Brandlegung und dem Eigentümer des zunächst brennenden Hauses vollkommen ausgeschlossen.
Jedoch ist auch im vorliegenden Fall der Zurechnungszusammenhang zwischen der Handlung des Hotelgasts und dem Beklagten ausgeschlossen, so dass eine Störereigenschaft des Beklagten nicht angenommen werden kann.
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass es sich bei der schadensauslösenden Handlung – anders als bei der Brandstiftung durch einen Unbekannten – nicht um eine von der Nutzung durch den Beklagten völlig abstrakte Gefahr handelt. Denn beim unmittelbaren Störer handelt es sich gerade um einen Hotelgast des Beklagten und nicht um einen beliebigen Dritten.
Jedoch genügt dies für die Begründung einer Störereigenschaft des Beklagten nicht. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der Haftung nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt. Der Anspruchsgegner kann sich also nicht exkulpieren. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, keine allgemeine Gefährdungshaftung für den Fall zu schaffen, dass jemand eine abstrakte Gefahrenquelle, und darunter kann man den Betrieb eines Hotels fassen, einrichtet und/oder beherrscht. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber sich für die Schaffung der § 823 BGB als verschuldensabhängiger Anspruchsgrundlage entschieden. Diese gesetzgeberische Wertung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass quasi durch die Hintertür durch die Rechtsprechung eine Gefährdungshaftung gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog eingeführt wird. Allein die Einrichtung oder Beherrschung einer Gefahrenquelle an sich kann somit nicht genügen, um die Störereigenschaft nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog zu begründen.
Daraus folgt, dass allein die Tatsache, dass der Betrieb eines Hotels ganz allgemein die Gefahr in sich trägt, dass die Hotelgäste Dritte in irgendeiner Weise schädigen, nicht ausreichen kann, um eine Haftung gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog zu begründen. Denn diese Betrachtungsweise würde gerade wieder auf eine Gefährdungshaftung hinauslaufen.
Außer dem grundsätzlichen Zusammenhang Hotel – Hotelgast jedoch besteht zwischen dem schadensauslösenden Ereignis und dem Beklagten keine Verbindung. Weitere Umstände trägt auch die Klägerin nicht vor.
Somit fehlt es an der Störereigenschaft des Beklagten gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog.
Dieses Ergebnis wird auch gestützt durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2006, 992), in der der Bundesgerichtshof statuiert, dass es keine Einstandspflicht des Vermieters für Handlungen des Mieters gibt, es sei denn „wenn er dem Mieter den Gebrauch seiner Sache mit der Erlaubnis zu den störenden Handlungen überlassen hat oder wenn er es unterlässt, den Mieter von dem nach dem Mietvertrag unerlaubten, fremdes Eigentum beeinträchtigenden Gebrauch der Mietsache abzuhalten“. Weiter führt der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung aus: „So liegt es hier jedoch nicht. Dass die Bekl. die Wohnung ihrem Mieter nicht mit der Erlaubnis zu feuergefährlichem Verhalten überlassen hat, bedarf keiner näheren Begründung. Veranlassung, ihren bislang nicht als Brandverursacher hervorgetretenen Mieter auf besondere Feuergefahren hinzuweisen, hatte sie nicht.“ Genauso liegt der Fall hier. Es bestehen keine Anhaltspunkte den Hotelgast anders zu behandeln als der Mieter. Denn auch der Hotelgast verfügt ohne Einwirkung des Hotelinhabers für eine gewisse Zeit über die Räumlichkeiten des Hotelinhabers und kann dadurch Gefahren schaffen. Wie im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall versteht sich auch hier von selbst, dass der Beklagte dem Hotelgast das Hotelzimmer nicht mit der Erlaubnis überlassen hat, das Hotelzimmer zu fluten. Veranlassung, den Hotelgast spezifisch darauf hinzuweisen, dass eine Überflutung des Hotelzimmers nicht erfolgen darf, hatte der Beklagte ebenfalls nicht. Entsprechend des vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall muss auch hier der Beklagte somit nicht für die Handlungen des Hotelgasts einstehen. Eine Störereigenschaft kann allein aus der Stellung als Hotelinhaber nicht begründet werden.
Sonstige besondere Umstände trägt die Klägerin nicht vor.
Ein Anspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog scheitert folglich an der Störereigenschaft des Beklagten.
Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
IV.
Das Schicksal des Nebenanspruchs auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten folgt dem Schicksal des Hauptanspruchs.
Die Klage ist vollumfänglich abzuweisen.
B.
Die Entscheidung zu den Kosten ergibt sich aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.
Der Streitwert war in Höhe des Zahlungsbetrags anzusetzen (§§ 39, 48 GKG, § 3 ZPO).
Die Entscheidung erging durch den Einzelrichter (§ 348a ZPO).


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