IT- und Medienrecht

Keine Rechtsberatung durch Rechtsantragsstelle

Aktenzeichen  15 O 5811/19

Datum:
23.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21084
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 117 Abs. 1 S. 1
PAG § 80

 

Leitsatz

1. Die Aufgaben und Kompetenzen der Rechtsantragsstelle liegen für jedermann erkennbar darin, bei der Klageerhebung und Klagebegründung Formulierungshilfe zu leisten. Die Funktion einer Rechtsberatung im eigentlichen Sinne kommt ihr dagegen gerade nicht zu. ( (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gemäß Art. 80 PAG ist bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges Verletzten, soweit es nötig ist und die Lage es zulässt, Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag des Klägers vom 10.10.2019 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger erhob zunächst am 27.12.2018 zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts … eine Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gegen … und beantragte hierfür die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Ausführungen zur Sache waren nicht enthalten; solche folgten auf Hinweis des Amtsgerichts … erstmals mit Telefax vom 19.02.2019.
Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Abgabe des Verfahrens an das Landgericht … wies die Kammer mit Verfügung vom 11.07.2019 auf die fehlende Passivlegitimation des Beklagten zu 1) hin. Mit Schriftsatz vom 26.09.2019 erweiterte der Kläger die Klage auf den Beklagten zu 2) und stellte unter dem 10.10.2019 Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch insoweit. Die Klage gegen den Beklagten zu 1) wurde zwischenzeitlich zurückgenommen.
II.
Der Klage liegt zugrunde, dass der Kläger am 07.02.2015 gegen 19.00 Uhr auf der vereisten Treppe zur U-Bahn … gestürzt sein soll und das Bewusstsein verloren habe. Er sei dann – in Verkennung seiner Behandlungsbedürftigkeit und aufgrund irrtümlicher Annahme einer Trunkenheit – durch die Polizei in eine Zelle der … verbracht worden. Dort habe er aufgrund starker Schmerzen an Schulter und Hüfte wiederholt um ärztliche Behandlung gebeten, welche ihm durch die diensthabenden Beamten jedoch verweigert worden sei. Am Morgen des 08.02.2015 habe er auch den Beklagten zu 1) auf die starken Schmerzen hingewiesen. Dieser habe jedoch ebenfalls zunächst ärztliche Hilfe verweigert und stattdessen ohne erkennbaren Grund und gegen den Willen des Klägers Fotos von dessen … im … gefertigt. Dazu habe er in schmerzhafter Weise seine Arme zur Seite gedreht und seine Beine fixiert. Die hinzugezogenen Sanitäter hätten schließlich eine Verbringung des Klägers ins Krankenhaus veranlasst, wobei der Beklagte zu 1) während der Fahrt dorthin wiederholt mit dessen Schulter gegen die schmerzende Schulter des Klägers gedrückt habe.
Der Kläger meint, dass Verhalten des Beklagten zu 1) am Morgen des 08.02.2015 stelle eine Verletzung der Amtspflichten nach Art. 80 PAG dar. Außerdem sei er durch das Fotografieren des … in seiner Würde und seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden.
Der Beklagte zu 2) bestreitet eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 1), weswegen auch keine Einstandspflicht des Beklagten zu 2) bestehe. Der Beklagte zu 1) habe erstmals am Morgen des 08.02.2015 von den Schmerzen des Klägers erfahren und den Rettungsdienst gerufen. Schmerzhafte Übergriffe des Beklagten zu 1) zum Zweck der Fixierung werden ausdrücklich bestritten. Das … sei nicht als solches erkannt worden. Vielmehr habe die Vermutung bestanden, dass es das Ergebnis einer Auseinandersetzung sei. Die Fotodokumentation sei zu Beweissicherungszwecken erfolgt.
Der Beklagte zu 2) erhebt ferner die Einrede der Verjährung.
III.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist daher abzulehnen.
1. Der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten zu 2) ist verjährt.
Amtshaftungsansprüche verjähren gemäß § 195 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Nachdem sich der vefahrensgegenständliche Vorfall bereits am 08.02.2015 ereignet und der Kläger unstreitig auch bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Vorfall erlangt hatte, trat grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2018 Verjährung ein.
Die Voraussetzungen der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen nicht vor. Die zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle erhobene Klage vom 27.12.2019 erfolgte ausdrücklich gegen den Beklagten zu 1) persönlich. Die auf einen anderen materiell-rechtlichen Anspruch gestützte Klageerweiterung auf den Beklagten zu 2) erfolgte erst nachdem die Kammer auf die fehlende Passivlegitimation des Beklagten zu 1) hingewiesen hat mit Schriftsatz vom 26.09.2019, mithin zu einem Zeitpunkt, als Verjährung bereits eingetreten war.
Der Umstand, dass es sich bei dem Kläger um einen juristischen Laien handelt, der sich zur Antragstellung der Hilfe der Rechtsantragsstelle bediente, vermag daran nichts zu ändern und führt auch nicht dazu, dass dem Beklagten zu 2) unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Berufung auf den Verjährungseinwand verwehrt wäre. Die Aufgaben und Kompetenzen der Rechtsantragsstelle liegen für jedermann erkennbar darin, bei der Klageerhebung und Klagebegründung Formulierungshilfe zu leisten. Die Funktion einer Rechtsberatung im eigentlichen Sinne kommt ihr dagegen gerade nicht zu (vgl. nachdem LAG Köln, Beschluss vom 05.09.2011 – 7 Ta 200/11, BeckRS 2011, 76985). Nachdem der Kläger offensichtlich auch keine nachvollziehbaren Ausführungen zur Sache und zu dem behaupteten Anspruch gemacht hat – solche sind jedenfalls dem Protokoll zur Klageerhebung nicht zu entnehmen -, wäre durch die Rechtspflegerin aber ohnehin keine Beratung in der Sache möglich gewesen.
2. Die Kammer misst dem geltend gemachten Amtshaftungsanspruch aber auch in der Sache keine Erfolgsaussichten zu.
Ein solcher Anspruch dürfte bereits dem Grunde nach daran scheitern, dass eine schuldhafte Amtspflichtverletzung durch den … nicht schlüssig dargelegt ist.
Bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers ist die behauptete schuldhafte Verletzung von Art. 80 PAG nicht ersichtlich. Gemäß Art. 80 PAG ist bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges Verletzten, soweit es nötig ist und die Lage es zulässt, Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen. Nachdem gerade auf Veranlassung des Beklagten zu 1) aufgrund der mitgeteilten Schmerzen des Klägers die Sanitäter hinzugezogen wurden und diese nach dem klägerischen Vortrag auch bei der Fertigung der Lichtbilder zugegen waren, ist die Verletzung einer etwaigen Beistands- und Hilfspflicht hier nicht gegeben. Es kann daher dahinstehen, ob es überhaupt zu der vom Kläger behaupteten und von den Beklagten bestrittenen Anwendung unmittelbaren Zwanges durch den Beklagten zu 1) gekommen ist. Insoweit fehlt es jedenfalls auch an jeglichem Beweisantritt durch den beweisbelasteten Kläger.
Auch die Fotodokumentation des klägerischen … begründet keine schuldhafte Pflichtverletzung. Zwar mag sich der Kläger für das … schämen und er dieses nur ungern zeigen wollen. Einen Eingriff in die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG stellt das Fotografieren des … aber zweifelsfrei nicht dar. Soweit durch die Fotodokumentation das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eigenen Bild gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG tangiert werden, sind die Eingriffe jedenfalls gerechtfertigt. Denn anders als der Kläger meint, ist eine Dokumentation festgestellter Verletzungen im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz sowohl zu Beweissicherungszwecken (mögliche Sturzverletzungen, Verletzungen aufgrund vorangegangener Auseinandersetzungen, etc.) als auch zum Zweck der Eigensicherung (bei eventueller späterer Inanspruchnahme aufgrund des Polizeieinsatzes) dringend geboten. Sie ist auch verhältnismäßig, da insoweit die hoheitlichen Interessen an einer zuverlässigen Beweisdokumentation den im Einzelfall nur geringfügigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiegen. Dies gilt im konkreten Fall selbst dann, wenn für die Fertigung der Lichtbilder tatsächlich der beschriebene unmittelbarer Zwang zur Anwendung gekommen sein sollte. Denn letztlich war es der Kläger selbst, der gegenüber dem Beklagten zu 1) Schmerzen im Schulterbereich im Zusammenhang mit dem Treppensturz vortrug. Dass der Beklagte zu 1) zweifelsfrei hätte erkennen können und müssen, dass es sich nicht um eine Verletzungsfolge des Sturzes oder einer Auseinandersetzung, sondern tatsächlich um ein dauerhaftes Geschwulst handelt, ist durch den Kläger weder schlüssig vorgetragen, noch für das Gericht anderweitig ersichtlich.


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