IT- und Medienrecht

Keine Suchmaschinen-Privilegierung bei aufbereiteten Informationen

Aktenzeichen  7 ZB 18.708

Datum:
26.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36178
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JMStV § 4, § 6, § 20 Abs. 1, Abs. 4
RStV § 59 Abs. 3
TMG §§ 7 ff.
JSchG § 18
GG Art. 12, Art. 14 Abs. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 2, § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Wer einen Suchmaschinendienst für Bücher und verwandte Medienprodukte betreibt und hierbei auf seiner Internetpräsenz die Informationen Dritter nicht nur auflistet, sondern Informationen seiner Vertragspartner aufbereitet, dem Nutzer zu den jeweiligen Angeboten Detailinformationen liefert und die Ergebnisse auch optisch als eigene Inhalte zur Verfügung stellt, macht sich die Inhalte derjenigen Verkäufer, die indizierte Titel anbieten, zu eigen, wodurch aufsichtliche Maßnahmen nicht aufgrund von §§ 7 ff. TMG (“Suchmaschinen-Priveleg”) ausgeschlossen sind (s. auch OLG Hamburg BeckRS 2014, 19672). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 17 K 16.4916 2017-12-14 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin bietet unter den Internetadressen … und … einen Suchmaschinendienst für Bücher und verwandte Medienprodukte an. Die Suchmaschine liest nach Eingabe des gesuchten Titels durch den Nutzer automatisiert via Schnittstelle zur Anwendungsprogrammierung und in Echtzeitdatenbanken angeschlossene Vertriebsplattformen und Onlinehändler aus und zeigt die Suchergebnisse im Rahmen einer Suchmaske an. Die Treffer werden in einem Vorschaubereich kurz vorgestellt, zum Kauf selbst wird mittels eines vorhandenen Bestellbuttons auf externe Angebote verlinkt, die das Produkt vorrätig haben und vertreiben, für die Klägerin fällt eine Provision an. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2016 stellte die Beklagte fest und missbilligte, dass über die Internetadressen … und … mindestens seit dem 26. Februar 2015 entgegen § 6 Abs. 1 Satz 1 JMStV Werbung für indizierte Angebote nach § 18 JuSchG in Teil A und B der Liste jugendgefährdender Medien gemacht wird (Nr. 1). Dem Geschäftsführer der Klägerin wurde untersagt, über die Internetadressen … und … indizierte Inhalte, die nach § 18 JuSchG in Teil B der Liste jungendgefährdender Medien aufgenommen sind, zu bewerben (Nr. 2). Ihm wurde zudem untersagt, über die Internetadressen … und … indizierte Inhalte, die nach § 18 JuSchG in Teil A der Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen sind, außerhalb einer geschlossenen Benutzergruppe für Erwachsene zu bewerben (Nr. 3). Dem Geschäftsführer der Klägerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt, wobei eine Gebühr in Höhe von 250 Euro und Auslagen in Höhe von 3,45 Euro festgesetzt wurden (Nr. 4 und 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass unter anderem Daten zu den Werken „Auschwitz: Tätergeständnisse und Augenzeugen des Holocaust“, „Buben zwischen Wind und Wellen“, „Feuerzeichen – Die Reichskristallnacht“, „Geheimakte Gestapo Müller: Dokumente und Zeugnisse aus den US-Geheimarchiven“, „Geschichte der O“, „Der Jahrhundertbetrag“, „Der jüdische Ritualmord – Eine historische Untersuchung“, „Knuddelmäuschen“, „Mutzenbacher, Josephine: Die Geschichte einer wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt“ und „Das Rudolph-Gutachten: Gutachten über die Gaskammern von Auschwitz“ abrufbar seien. Die KJM habe im vorliegenden Fall die Einhaltung der Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags geprüft und einen Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 JMStV festgestellt. Werbung für indizierte Angebote seien nur unter den Bedingungen zulässig, die auch für die Verbreitung des Angebots selbst gelten. Angebote, die wegen ihres strafbaren Inhalts in die Listenteile B bzw. D aufgenommen worden seien, dürften nach § 4 Abs. 1 Nr. 11 JMStV überhaupt nicht beworben werden, für Angebote, die wegen Jugendgefährdung in die Listenteile A bzw. C aufgenommen worden seien, dürfe lediglich bei Telemedien nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 JMStV in geschlossenen Benutzergruppen geworben werden.
Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2017 abgewiesen. Der Bescheid sei weder formell noch materiell zu beanstanden. Die Klägerin sei Anbieterin von Telemedien, ein Verstoß gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sei hier zu bejahen. Es handele sich vorliegend um Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 JMStV, wobei sich die Klägerin nicht auf das „Suchmaschinen-Privileg“ berufen könne. Zudem stehe der Beanstandung nicht entgegen, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar wäre, die auf der Liste der jugendgefährdenden Medien aufgeführten Titel zu sperren. Rechtmäßig sei auch die Untersagung, indizierte Inhalte, die nach § 18 JSchG in Teil B der Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen seien, generell und indizierte Inhalte, die nach § 18 JSchG in Teil A der Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen seien, außerhalb einer geschlossenen Besuchergruppe für Erwachsene zu bewerben. Die angeordneten Maßnahmen seien nicht unverhältnismäßig.
Die Klägerin begehrt die Zulassung der Berufung und hat im Wesentlichen vorgetragen, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass sie sich die über die Homepage angebotenen Titel zu eigen gemacht habe. Sie stelle keine eigenen Informationen und Daten bereit, sondern greife nur auf Inhalte fremder Datenbanken mit Einwilligung der Betreiber dieser Datenbanken zu. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass die Untersagungsverfügung in der tenorierten Form zu weit gehe, da der Klägerin auferlegt werde, dass indizierte Titel nicht beworben werden dürften und somit Vorkehrungen zu treffen seien, dass keiner der indizierten Titel mehr über ihre Suchmaschine angezeigt werde. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne dies nicht bereits über eine bloße Sperrung der indizierten Titel erreicht werden. Die Zugriffsmöglichkeit der Nutzer auf bestimmte Inhalte könnten lediglich mehr oder minder stark erschwert, nicht aber vollständig unterbunden werden. So könne durch eine entsprechend kombinierte Namenseingabe die Sperrung eines indizierten Titels umgangen werden, ein manuelles Einpflegen aller möglichen Kombinationen sei der Klägerin unmöglich. Das vom Gericht mit der Untersagung verlangte Ergebnis könnte nur durch eine nachträgliche Filterung der Suchergebnisse erreicht werden, da damit die Übereinstimmung mit der Liste über einen eigens dafür programmierten automatisierten Algorithmus festgestellt würde. Damit würde sich jedoch die Anzeige der Suchergebnisse für den Endanwender in deutlich spürbarem Ausmaß verzögern und zu einem Verlust potentieller Kunden führen. Der technische und wirtschaftliche Aufwand für die Klägerin sei unzumutbar.
Die Beklagte tritt dem Zulassungsantrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Dabei ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten davon auszugehen, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung den gesamten streitgegenständlichen Bescheid vom 4. Oktober 2016 umfasst und nicht nur dessen Nummern 2 und 3. Denn die Klägerin führt im Zulassungsantrag eingangs aus, dass das Bayerische Verwaltungsgericht München den von ihr angefochtenen Bescheid vom 4. Oktober 2016 nicht aufgehoben habe und nennt ausdrücklich auch die in Nr. 1 erfolgte Feststellung und Missbilligung des Angebots der Klägerin. Auch das Verwaltungsgericht hat die getroffenen aufsichtlichen Maßnahmen einheitlich geprüft und insoweit nicht zwischen den einzelnen Nummern 1, 2 und 3 des Bescheids unterschieden. Hinsichtlich der Frage des Umfangs des Rechtsmittels ist weder zu prüfen noch entscheidend, inwieweit der Vortrag der Klägerin auch den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entspricht.
I.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.
Diese sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548).
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich solche Zweifel nicht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der angegriffene Bescheid der Beklagten rechtmäßig ist.
1. Mit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, das Angebot der Klägerin stelle Werbung im Sinne des § 6 Abs. 1 JMStV dar, setzt sich die Klägerin bereits nicht in einer dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise auseinander. Die Klägerin trägt hierzu im Zulassungsverfahren lediglich vor, dass sie eine Metasuchmaschine betreibe, die ausschließlich ein Hilfsmittel für Nutzer darstelle, Anbieter der von ihnen gesuchten Bücher zu finden. Ein Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen könne in ihrem Angebot nicht gesehen werden, so dass § 6 Abs. 1 JMStV nicht anwendbar sei. Mit diesem Vorbringen wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag, ohne sich substantiell mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen. Sie setzt lediglich ihre eigene Einschätzung an die Stelle des dazu berufenen Verwaltungsgerichts. Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin auf ihre Ausführungen in den im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Schriftsätzen vom 31. Oktober 2016, 8. März, 12. und 22. Dezember 2017 verweist. Bloße Bezugnahmen auf erstinstanzliches Vorbringen genügen dem Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO regelmäßig nicht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 65).
2. Die Klägerin konnte die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, sie habe sich die Inhalte derjenigen Verkäufer, die indizierte Titel anböten, zu eigen gemacht, wodurch aufsichtliche Maßnahmen nicht aufgrund von §§ 7 ff. TMG ausgeschlossen seien, nicht ernstlich in Zweifel ziehen.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Angebote in gestalterischer Hinsicht aufbereitet würden und dem Layout der Klägerin angepasst seien, eine direkte – provisionsbegründende – Bestellmöglichkeit vorhanden sei, die Rubrik „Preistrend“ im Internet unter … auf ihrer eigenen Datenbank beruhe, sich auf den Webseiten der Klägerin nähere Angaben zum jeweiligen Werk befänden, wobei sie selbst dargelegt habe, dass über ein automatisiertes System die „vollständigsten“ und am häufigsten angeklickten Suchergebnisse genommen würden, um die „Details“ zu einem Titel zusammenzufassen; entsprechendes gelte für die zur Verfügung gestellte Rubrik „benachbarte Bücher“. Zudem sei in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen der Klägerin und den Bestellern angegeben, dass „trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle“ keine Haftung für den Inhalt externer Links noch für Inhalte Dritter, die auf ihren Seiten abgebildet würden, übernommen werde, womit die Klägerin gerade zum Ausdruck bringe, dass sie eine derartige inhaltliche Kontrolle durchführe.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, sie greife lediglich auf Inhalte fremder Datenbanken mit Einwilligung der Betreiber dieser Datenbanken zu und fasse über eine eigene Software diese Informationen automatisch zusammen, ohne dass eine inhaltliche Bearbeitung oder Veränderung der Daten erfolge, stellt sie die gegenteiligen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht substantiiert in Frage. Selbst ihren eigenen Vortrag, sie habe über ein automatisiertes System Details zu den jeweiligen Titeln zusammengefasst (vgl. Schriftsatz vom 12.12.2017, S.4), wiederholt sie ohne entsprechenden klärenden Hinweis lediglich, so dass – jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – von einem Zu-Eigenmachen der angebotenen Titel auszugehen ist. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die möglicherweise ohne Recherche und nur mittels Computersoftware erfolgte Zuordnung der Informationen nichts am Vorliegen des Zu-Eigenmachens ändert (vgl. OLG Hamburg, B.v.18.9.2014 – 7 W 88/14 – juris Rn. 1). Denn die Software als Hilfsmittel erleichtert die eigene Tätigkeit, führt aber gerade nicht zum Ausschluss der Verantwortlichkeit.
Nicht durchgreifend ist der Vortrag der Klägerin auch insoweit, als sie versucht, eine Vergleichbarkeit ihres Internetangebots mit der Suchmaschine „Google“ herzustellen. Ungeachtet dessen, dass eine Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung gemäß § 8 bis § 10 TMG auf reine Suchmaschinen ausgeschlossen sein dürfte (vgl. Hoffmann/Volkmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 8 TMG Rn. 24), entfällt eine Haftungsprivilegierung aber auch im Falle ihrer grundsätzlichen Geltung dann, wenn der dem Nutzer nach Eingabe eines Suchbegriffs angezeigte Hyperlink darauf beruht, dass der Suchmaschinenbetreiber mit dem Informationsanbieter, auf den er verweist, – wie hier – in vertraglicher Beziehung steht. Denn in diesem Fall handelt es sich bei dem Verweis nicht mehr um einen automatisierten Vorgang, sondern um eine spezielle Form der Werbung, bei dem die Übermittlung aufgrund einer willentlichen Vorauswahl erfolgt, die auf dem Werbevertrag mit dem Informationsanbieter beruht (vgl. Hoffmann/Volkmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, a.a.O.). Dafür spricht vorliegend auch, dass – anders als im Regelfall bei „Google“ -, der Bestellvorgang vom Nutzer direkt auf der Internetseite der Klägerin ausgelöst werden kann. Insoweit ist auch der Vortrag der Klägerin, sie erhalte bei erfolgter Bestellung lediglich eine Provision und gerade keine Kaufpreiszahlung, unbehelflich. Ebenso würde eine Privilegierung nach § 9 Satz 1 TMG vorliegend ausscheiden, da die Klägerin unbestritten Kenntnis von der Aufnahme der indizierten Printmedien in die öffentlich zugängliche Liste jugendgefährdender Medien hatte (vgl. § 9 Satz 1 Nr. 5 TMG).
Handelt es sich aber – wie vorliegend – um eigene Informationen des Anbieters, weil die Klägerin, entsprechend der nicht durchgreifend in Zweifel gezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die Informationen ihrer Vertragspartner aufbereitet, dem Nutzer zu den jeweiligen Angeboten Detailinformationen und die Ergebnisse auch optisch als eigene Inhalte zur Verfügung stellt, scheiden etwaige Privilegierungen von vornherein aus, so dass es hier – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht darauf ankommt, ob zwischen § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG und dessen Satz 2 in der maßgeblichen Fassung vom 26. Februar 2007 (§ 7 TMG a.F.) insofern ein Wertungswiderspruch gesehen werden könnte, als einerseits keine aktiven Überwachungspflichten des Diensteanbieters bestehen, andererseits Beseitigungsverpflichtungen unabhängig von der Bejahung einer Verantwortlichkeit bestehen sollen.
Verspätet ist der erstmalig mit Schriftsatz vom 28. August 2018 und damit außerhalb der Zweimonatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geäußerte Einwand der Klägerin, vorliegend sei § 7 TMG nicht in der zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, sondern in der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Fassung vom 28. September 2017 anzuwenden, so dass zugunsten der Klägerin die nun weitergehenden Privilegierungen der §§ 7 ff. TMG greifen würden. Diese Rüge ist daher unbeachtlich. Es bedarf somit keiner Entscheidung darüber, ob den Regelungen der §§ 7 ff. TMG weitergehende Haftungsprivilegien zu entnehmen sind und ob sich die Klägerin hierauf berufen könnte.
Im Wesentlichen wendet sich die Klägerin mit ihrer Kritik gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, zu seiner Überzeugung habe sich die Klägerin die Angebote der jeweiligen Verkäufer und damit auch etwaige Angebote indizierter Titel zu eigen gemacht. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen einer fehlerhaften Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts kann daher nur dann vorliegen, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Hierzu verhält sich die Zulassungsbegründung hinsichtlich der verwaltungsgerichtlichen Feststellungen des Zu-Eigen-Machens jedenfalls nicht durchgreifend. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (BayVGH, B.v. 3.3.2014 – 14 ZB 13.661 – juris Rn. 8 m.w.N.).
3. Ebenfalls nicht durchgreifend ist das klägerische Vorbringen, die streitgegenständliche Anordnung, indizierte Titel nicht zu bewerben, sei unverhältnismäßig, da der Klägerin die Umsetzung der Anordnung weder technisch noch wirtschaftlich zumutbar und letztlich wegen vielfältiger Umgehungsmöglichkeiten unmöglich sei. Mit ihren Ausführungen tritt die Klägerin den Feststellungen des Verwaltungsgerichts schon nicht substantiiert entgegen, sondern wiederholt weitgehend lediglich ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Soweit die Klägerin mit ihrem Verweis auf Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG im Schriftsatz vom 28. August 2018 erstmalig rügt, die streitgegenständliche Anordnung sei nicht hinreichend bestimmt und hätte bereits deshalb aufgehoben werden müssen, ist dieser Vortrag verspätet und damit unbeachtlich.
Ungeachtet dessen hat das Verwaltungsgericht festgestellt, es werde nicht die Installation einer Filtersoftware verlangt, sondern die Sperrung der indizierten Titel, wie sie die Klägerin in der Vergangenheit bereits (teilweise) durchgeführt habe. Der streitgegenständliche Bescheid sei als belastender Verwaltungsakt eng auszulegen, so dass er nicht dahingehend verstanden werden könne, dass die Klägerin jede erdenkliche bzw. mögliche Abweichung in der Schreibweise zu sperren habe. Es sei der Klägerin zumutbar, die 426 indizierten Titel (Stand 30.11.2017) anhand der im Regelfall vorhandenen weiteren Informationen (bspw. ISBN-Nummer, Verlag) einmal in das System händisch einzupflegen, so dass im Folgenden der Aufwand aufgrund regelmäßig nur geringfügiger Änderungen der Liste überschaubar sei. Umgehe ein Verkäufer durch Buchstabendreher, Abkürzungen, Ergänzungen etc. die Sperre, könne dies der Klägerin nicht zugerechnet werden. Die Klägerin habe nicht substantiiert geltend gemacht, dass die zur Umsetzung der streitgegenständlichen Verfügung erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Existenzgefährdung führten.
Zu diesen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat sich die Klägerin nicht substanziell verhalten. Mit ihrem Vortrag, sie sei willens und in der Lage, nach Anzeige eines Verstoßes das entsprechende Angebot eines indizierten Werks „von ihrer Internetplattform zu sperren und zu löschen“, könne aber keine Garantie übernehmen, dass indizierte Werke auf ihrer Plattform auch zukünftig nie angezeigt würden, geht sie gerade nicht auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts ein, Unmögliches könne von der Klägerin nicht verlangt werden. Die Beklagte habe in der Vergangenheit stets dargelegt, dass die Klägerin für veränderte Titel nicht zur Verantwortung gezogen werde. Zwar wendet die Klägerin im Zulassungsverfahren immer wieder ein, diese Ansicht des Verwaltungsgerichts beruhe auf einem unzureichenden bzw. fehlerhaften technischen Verständnis. Denn die nach ihrer Ansicht bestehenden umfangreichen Umgehungsmöglichkeiten machten es ihr unmöglich, die indizierten Titel vollständig aus ihrem Internetangebot zu entfernen, zumindest sei ihr dies nicht zumutbar. Konkrete Belege dafür, dass ihr die Umsetzung der Anordnung der Beklagten – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts – (wirtschaftlich) unzumutbar oder sogar (technisch) unmöglich ist, bleibt sie auch im Zulassungsverfahren schuldig. Im Zulassungsverfahren bestätigt sie im Gegenteil selbst, sie habe bereits die Daten der Listen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) in ihren Algorithmus integriert, so dass bei Eingabe der Angaben aus den Listen der BPjM keine Suche durchgeführt werde. Bei Eingabe konkreter, in den Listen der BPjM genannten Begriffskombinationen werde keine Suche ausgelöst. Vor diesem Hintergrund reicht es für eine substanzielle Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts erst recht nicht aus, immer wieder auf den Unterschied zwischen Sperrung und Filterung zu verweisen und einen – nicht näher verifizierten – Aufwand von 300 Arbeitsstunden sowie den Anschaffungspreis für einen Server zu benennen, der erforderlich wäre, um der Forderung der Beklagten nachzukommen. Unter Berücksichtigung der einschränkenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts, es dürften nur die ausdrücklich genannten Titel nicht aufrufbar sein, wird nicht deutlich, worin weitergehende, unzumutbare Verpflichtungen der Klägerin bestehen sollen. Ernstliche Zweifel, dass die Anordnung entgegen der Einschätzung durch das Verwaltungsgericht unzumutbar bzw. unangemessen wäre und daher unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) oder das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin eingreift, hat die Klägerin somit nicht aufgezeigt.
Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Aufwand für die – offensichtlich bereits in gewissem Umfang erfolgte – Sperrung von indizierten Titeln stehe ersichtlich nicht außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg, den Jugendschutz zu wahren, ist auch nicht aufgrund des Einwands der Klägerin ernstlich zweifelhaft, eine effektive Gefahrenabwehr sei nur durch Maßnahmen gegen die Onlinehändler gewährleistet. Denn eine Maßnahme der Gefahrenabwehr zur Erreichung eines legitimen Zwecks – hier zur Aufrechterhaltung des Jugendschutzes – ist bereits dann geeignet, wenn durch sie der gewünschte Erfolg gefördert, also die Gefahr gemindert wird. Voraussetzung der Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Maßnahme ist also nicht, dass die Gefahr durch sie vollständig beseitigt wird, ausreichend und erforderlich ist vielmehr, dass die angeordnete Maßnahme einen wirksamen Beitrag zur Gefahrenabwehr leisten kann; es muss sich um einen Schritt in die richtige Richtung handeln (vgl. OVG NW, B.v. 19.3.2003 – 8 B 2567/02 – juris Rn. 68 ff.). Unschädlich ist somit auch, dass einem technisch versierten Nutzer zahlreiche Wege offenstehen, um Sperrungsvarianten gezielt zu umgehen. Denn gleichwohl wird das Internet als Massenmedium in breitem Umfang von Personen genutzt, die sich mit technischen Details nicht auseinandersetzen und denen ein Zugang zu den in Rede stehenden Titeln erheblich erschwert oder ganz verhindert wird.
II.
Ungeachtet dessen, ob die Klägerin ihren Darlegungspflichten aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO im gebotenen Maß fristgemäß nachgekommen ist, weist die Rechtslage vorliegend keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei stets die Qualität, nicht die Quantität (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27). Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt (vgl. Happ, a.a.O., § 124 Rn. 33).
Der Senat vermag besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aus den unter Nr. 1 genannten Gründen nicht zu erkennen.
III.
Der mit dem Hinweis, das Verwaltungsgericht sei aufgrund einer unzureichenden Aufklärung und eines fehlerhaften Verständnisses über die Funktion einer Suchmaschine sowie den technischen Möglichkeiten von Sperrfunktionen zu einer rechtlich falschen Wertung gekommen, sinngemäß gerügte Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Die Aufklärungsrüge erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese Feststellungen nach der maßgeblichen Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätten führen können. Weiterhin muss grundsätzlich dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist. Hierfür ist ein Beweisantrag erforderlich, der förmlich in der mündlichen Verhandlung zu stellen ist (BVerwG, B.v. 25.6.2012 – 7 BN 6.11 – juris Rn. 7). Wer die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht erhebt, obwohl er – durch eine nach § 67 Abs. 1 VwGO postulationsfähige Person vertreten – in der Vorinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, muss, um den gerügten Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß zu bezeichnen, insbesondere substantiiert darlegen, warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 5.3.2010 – 5 B 7.10 – juris Rn. 9 m.w.N; BayVGH, B.v. 22.3.2010 – 14 ZB 08.1083 – juris Rn. 7).
Diesen Darlegungsanforderungen ist die Klägerin nicht nachgekommen. Ungeachtet dessen hat die vor dem Verwaltungsgericht anwaltlich vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO gestellt. Wenn sie im Zulassungsverfahren ausführt, sie habe „bereits in der Replik angeregt, dass ein Sachverständigengutachten eingeholt wird“, handelt es sich hierbei allenfalls um eine Beweisanregung, nicht aber um einen förmlichen Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO, der nur in der mündlichen Verhandlung hätte gestellt werden können. Substantiierte Darlegungen, warum sich dem Verwaltungsgericht ein entsprechender Sachverständigenbeweis hätte aufdrängen müssen, fehlen gänzlich. Im Übrigen bestand aus der Sicht des Verwaltungsgerichts kein Grund für eine weitere Aufklärung durch Sachverständigengutachten. Denn Anlass für gerichtliche Ermittlungen besteht immer nur dann, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen aus der Sicht des Gerichts unklar sind (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 86 Rn. 10). Der im Ermessen des Gerichts liegende Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung im Sinne des § 86 Abs. 1 VwGO bestimmt sich nach der materiell-rechtlichen Sicht des Tatsachengerichts, selbst wenn diese Rechtsauffassung rechtlichen Bedenken begegnen sollte (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 1.6.1979 – 6 B 33.79 – DÖV 1979, 793 m.w.N.; allgemein zu Verfahrensfehlern: Happ in Eyermann a.a.O. § 124 Rn. 48 m.w.N.). Aus der bereits aufgezeigten Sicht des Verwaltungsgerichts, die im Wesentlichen auf der Schlussfolgerung beruht, durch die bereits erfolgte Sperrung indizierter Titel sei belegt, dass es der Klägerin durchaus möglich und auch zumutbar sei, den Untersagungsverfügungen der Beklagten nachzukommen, bestand kein Anlass für eine weitere Sachaufklärung.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwert: § 47, § 52 Abs. 2 GKG.


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