IT- und Medienrecht

Keine Unzumutbarkeit der Nacherfüllung im sog. “Abgasskandal”

Aktenzeichen  22 O 205/19

Datum:
6.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 51494
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1, § 166, § 278, § 323 Abs. 2 Nr. 3, § 326 Abs. 5, § 346 Abs. 1, § 433, § 434 Abs. 1 S. 1, S.2, S. 3, § 437 Ziff. 2
EG-FGV § 25 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Selbst wenn man es ausreichen lässt, dass die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung auch daraus resultieren kann, dass das Vertrauen des Käufers in den Hersteller des betreffenden Produkts nachhaltig gestört ist, ohne dass dem Verkäufer selbst ein Fehlverhalten anzulasten ist, begründet dies im vorliegenden Fall nicht die Unzumutbarkeit. Neben einer – unterstellten – Arglist und Täuschung der Öffentlichkeit durch die Porsche AG ist zu berücksichtigen, dass bereits zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bekannt war, dass die Entwicklung der vorgesehenen Nachbesserungsmaßnahmen unter öffentlicher Aufsicht des KBA – einer neutralen Behörde – erfolgte. Gerade die Prüfungen der vom Hersteller entwickelten Abhilfemaßnahmen durch das KBA und die nur sukzessive Freigabe nach Modellgruppen führten dazu, dass Fahrzeuge erst nach einigen Monaten nachgebessert werden konnten, bot aber gleichzeitig eine Gewähr dafür, dass es nicht erneut zu Täuschungen kommt. (Rn. 80) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO gelten nicht für den Fall, dass ein Fahrzeug schon vor Inverkehrbringen durch den Hersteller nicht der maßgeblichen Typgenehmigung entspricht. Aus der Entstehungsgeschichte folgt nämlich, dass diese Vorschrift ihrer Intention nach nur Änderungen von bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen erfassen sollte. Dieses Auslegungsergebnis wird durch die systematische Auslegung unterstützt, da § 19 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 7 StVZO ein – automatisches – Erlöschen der Typgenehmigung für den Fall vorsieht, dass an dem Fahrzeug Änderungen vorgenommen werden, durch die eine – einfache – Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Würde dies auch für Änderungen vor Inverkehrbringen des Fahrzeugs durch den Hersteller gelten, würde die zeitlich nachfolgend in Kraft getretene Vorschrift des § 25 Abs. 3 Nr. 2 EG-FGV, welche den Widerruf der Typgenehmigung erst dann ermöglicht, wenn von dem Fahrzeug ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit ausgeht und der Behörde zumal noch ein Ermessen einräumt, keinen Sinn machen. (Rn. 97) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage ist bereits unzulässig, die zulässige Klage gegen die Beklagte zu 1) ist unbegründet.
A.
Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage ist in der gewählten Form bereits insgesamt unzulässig.
I.
Es fehlt an einem hinreichend bestimmten Klageantrag.
Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Feststellungsantrag muss die Identität und damit den Umfang der Rechtskraftwirkung des begehrten Feststellungsanspruchs klar erkennen lassen. Dazu ist die genaue Bezeichnung des festzustellenden Rechtsverhältnisses, bei Schadensersatzanspruch bestimmte Bezeichnung des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses bzw. Umstandes nötig (Thomas/Putzo/Reichold, 39. Auflage 2018, § 253 Rn. 13).
Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Klägerin beantragt lediglich festzustellen, „dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Porsche Macan S Diesel, FIN WP1ZZZ… durch die Beklagte zu 2) resultieren“.
In diesem Antrag liegt keine eindeutige und genaue Bezeichnung des begehrten Feststellungsanspruchs. Die Formulierung „aus der Manipulation“ reicht hierfür nicht aus.
In seiner Klagebegründung führt der Kläger mehrere Punkte an, in welchem die Beklagte zu 2) das streitgegenständliche Fahrzeug manipuliert und der Klägerin daher getäuscht haben soll. Der Kläger spricht in der Klageschrift (S. 17, 1. Absatz) noch von „mindestens drei Manipulationen“ und in der Replik vom 07.10.2019 sodann von „vier Abschalteinrichtungen“, die das KBA festgestellt habe und behauptet zudem, dass „noch weitere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut“ seien (S. 6 des Replikschriftsatzes vom 07.10.2019). Der Kläger räumt zudem ein, dass sich ein Großteil seiner Ausführungen in der Klageschrift auf die Manipulationen eines in seinem Fahrzeug überhaupt nicht verbauten Motors bezieht.
Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass der Kläger der Beklagten zu 2) zahlreiche falsche Angaben bzw. Manipulationen im Hinblick auf das streitgegenständliche Fahrzeug vorwirft und zudem zu weiteren Manipulationen vorträgt, die im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vorhanden sein sollen.
Insoweit ist jedoch die Angabe im Klageantrag „Manipulation des Fahrzeugs“ nicht hinreichend konkret. Es wird nicht deutlich, auf welche Manipulationen bzw. Falschangaben sich der klägerseits begehrte Schadensersatzanspruch, welcher mit vorliegender Klage festgestellt werden soll, genau bezieht. Da der Klageantrag jedoch derart weit und unbestimmt ist, vermag auch eine Auslegung durch zu Hilfenahme der Klagebegründung, die sich zudem nach dem eigenen Vortrag des Klägers auch mit nicht streitgegenständlichen Manipulationen befasst, nicht weiter zu helfen.
Zuletzt ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger in seinem Antrag von der Manipulation „durch die Beklagte zu 2)“ spricht, diese nach seinem Vortrag jedoch nicht Herstellerin des manipulierten Motors ist.
Die Unbestimmtheit des Klageantrags gemäß Ziffer 2 wurde von der Beklagten zu 2) in ihrem Schriftsatz vom 05.09.2019 (dort Seite 41) auch ausdrücklich gerügt.
II.
Mangels Hauptsacheanspruch steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 2) auch kein Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
B.
Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage ist zulässig, aber insgesamt unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Zahlung von … € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Pkw Porsche Cayenne (§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1, 818 Abs. 2 BGB; §§ 346 Abs. 1, 433, 434 Abs. 1 S. 1-3, 437 Ziff. 2, 326 Abs. 5, 323 Abs. 2 Ziff. 3 BGB.
Die Voraussetzungen dieser Normen – wonach im Falle rechtsgrundloser Leistung bzw. im Fall eines wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag die erbrachten Leistungen zurückzugewähren sind – liegen nicht vor.
Im Einzelnen:
I.
Dem Kläger steht kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB i.V.m. einer Anfechtung des geschlossenen Kaufvertrages im Schreiben vom 22.09.2017 (Anlage K 2) zu.
1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag vom 05.03.2018 steht als Rechtsgrund einem solchen Anspruch entgegen. Der Kaufvertrag über den Porsche Macan S ist nicht durch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen.
a) Mit Schreiben vom 24.05.2019 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) die Anfechtung des Kaufvertrags.
Es fehlt jedoch an den Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung nach § 123 BGB.
b) aa) Eine Täuschungshandlung der Beklagten zu 1) liegt unstreitig nicht vor. Eine solche Behauptung stellt auch der Kläger nicht auf (vgl. Seite 111 der Klageschrift: „Zuzugeben ist, dass die Beklagtenpartei zu 1) als Vertragspartner der Klagepartei nicht selbst getäuscht hat, (…)“)
bb) Selbst wenn man nun unterstellt, dass seitens der Beklagten zu 2) eine Täuschungshandlung gegeben ist, müsste sich die Beklagte zu 1) dies jedenfalls nicht entgegenhalten lassen. Die Beklagte zu 2) ist im Verhältnis zur Beklagten zu 1) Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB.
(1) Dritter in diesem Sinne ist nur der am Geschäft Unbeteiligte (Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 123, Rnr. 13). Grundsätzlich kann derjenige nicht als unbeteiligter Dritter angesehen werden, dessen Verhalten dem des Erklärungsempfängers wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände billigerweise gleichzusetzen ist. Dritter ist mithin nicht, wer im Lager des Erklärungsempfängers steht und als dessen Vertrauensperson erscheint, sofern dies dem Erklärungsempfänger zurechenbar ist (vgl. Palandt, a.a.O., MüKo, BGB, 7. Auflage 2015, § 123 Rn. 64). Da der Ausschluss allein darauf abzielt, Härten zum Nachteil des Erklärungsempfängers zu vermeiden, ist die Vorschrift generell eng auszulegen, so dass im Zweifel von einer Anfechtbarkeit auszugehen ist (MüKo, BGB, a.a.O. – beck-online).
(2) Unter Anwendung dieser Grundsätze, auch unter Anschauung der Einzelfallentscheidungen in der Rechtsprechung (vgl. u.a. Palandt, BGB, a.a.O., Rnr. 14, MüKo, BGB, a.a.O., Rnr. 66) kommt eine Zurechnung des Handelns der Beklagten zu 2) auf die Beklagte zu 1) nicht in Betracht.
Die Beklagte zu 2) war weder bei den konkreten Vertragsverhandlungen, noch am Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages beteiligt und konnte darauf keinen Einfluss nehmen. Die Beklagte zu 1) handelte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, was sich letztlich auch aus der klägerseits vorgelegten Rechnung (Anlage K30) ergibt. Die beiden Beklagten sind rechtlich unabhängige juristische Personen. Die Beklagte zu 2) ist nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1) als Verkäufer, so dass auch die Grundsätze des § 278 BGB keine Zurechnung begründen können.
Selbst der von Klägerseite behauptete Umstand, dass die Beklagte zu 1) „Vertragshändlerin“ sei, begründet kein besonderes Vertrauens- und Näheverhältnis: Hersteller und Händler verfolgen nicht zwingend gleichgerichtete Wirtschaftsinteressen in Bezug auf das Verkaufsgeschäft mit dem Endkunden. Das Verhältnis der Beklagten zueinander ist nicht einem Handelsvertreterverhältnis gleichzusetzen, die Beklagte zu 1) steht vielmehr als selbstständige Händlerin auf einer anderen Wirtschaftsstufe (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation auch LG Bamberg, Urteil vom 22.07.2016, Az. 11 O 62/16). Die umfangreichen Ausführungen des Klägers hierzu vermögen eine abweichende Beurteilung des konkreten, streitgegenständlichen Verhältnisses der Beklagten zu 1) zur Beklagten zu 2) nicht zu rechtfertigen. Der Kläger zieht hier aus abstrakten Sachverhalten unzulässige und nach Ansicht des Gerichts unzutreffende Rückschlüsse auf die konkreten Gegebenheiten.
Die Beklagte zu 2) ist damit als Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB anzusehen.
II.
Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) ergibt sich ebenfalls nicht aus §§ 346 Abs. 1, 433, 434 Abs. 1 S. 1-3, 437 Ziff. 2, 326 Abs. 5, 323 Abs. 2 Ziff. 3 BGB.
Der seitens des Klägers neben der Anfechtung mit Schreiben vom 24.05.2019 (K31) erklärte Rücktritt ist unwirksam. Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts gemäß §§ 437 Nr. 2, Alt. 1, 323 BGB sind nicht erfüllt; es fehlt bereits an der Bestimmung einer angemessenen Frist zur Leistung oder Nacherfüllung.
1. Insoweit kann dahinstehen, ob die vom Kläger behaupteten Manipulationen am streitgegenständlichen Fahrzeug vorliegen, ob es sich dabei um illegale Abschalteinrichtungen handelt und diese eine Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs begründen, denn der Kläger hat unstreitig keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers war eine solche angemessene Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB jedoch erforderlich.
Eine Fristsetzung war weder nach § 326 Abs. 5 BGB, noch nach § 323 Abs. 2 Ziff. 3, 440 S. 1 Fall 3 BGB entbehrlich (vgl. hierzu insb. OLG München, Urteil vom 03.07.2017 – 21 U 4818/16 = zitiert nach juris).
a) Auf eine Fristsetzung konnte nicht gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen Vorliegens besonderer Umstände verzichtet werden.
Solche besonderen Umstände werden zwar im Einzelfall – aber auch nur als Regelfall – dann gesehen, wenn der Käufer durch den Verkäufer arglistig getäuscht wurde (vgl. etwa Palandt – Grüneberg, BGB – Kommentar, 77. Aufl. 2018, § 323 Rn. 22). Indes ist der Kläger durch die Beklagte zu 1) selbst nicht getäuscht worden.
Ob der Kläger durch den Hersteller getäuscht wurde kann gleichzeitig dahinstehen, weil das Verhalten der Verantwortlichen der Porsche AG der Beklagten zu 1) nicht zugerechnet werden kann. Der Hersteller einer Kaufsache ist nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft – mithin kann ihm ein Verschulden des Herstellers nicht gemäß § 278 BGB zugerechnet werden (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2014, VIII ZR 46/13 = zitiert nach juris).
Gründe, hiervon in den sogenannten Abgasfällen abzuweichen, sind nicht erkennbar (OLG Hamm, Beschluss vom 5. Januar 2017, 28 U 201/16 = zitiert nach juris; OLG Celle, Beschluss vom 30. Juni 2016, 7 W 26/16, = zitiert nach juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 27. September 2017, 2 U 4/17, zitiert nach juris; OLG Nürnberg, a.a.O.). Insbesondere erfährt der Pflichtenkreis der Beklagten zu 1) gegenüber dem Kläger durch ihre etwaige Stellung als Vertragshändler der Porsche AG keine Änderung.
Aus einer Einbindung der Beklagten zu 1) in die Absatzorganisation des Herstellers könnte allenfalls geschlossen werden, die Beklagte zu 1) sei Erfüllungsgehilfin des Herstellers, nicht aber umgekehrt. Schließlich schließt die Beklagte zu 1) die Fahrzeugkaufverträge im eigenen Namen und trägt das damit verbundene wirtschaftliche Risiko. Die Porsche AG als Hersteller war unmittelbar weder am Vertragsabschluss noch an der Übergabe des Fahrzeugs beteiligt (OLG Koblenz, Urteil vom 28. September 2017, 1 U 302/17, zitiert nach juris).
Zudem beruht die Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit einer Fristsetzung gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf der Überlegung, dass eine arglistige Täuschung die für die Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage zerstört. Dieser ohnehin nur regelmäßig anzunehmende Gedanke aber greift vorliegend schon deshalb nicht, weil die Nachbesserung unter Aufsicht einer unabhängigen Behörde – dem KBA – erfolgt.
b) Eine Fristsetzung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil eine Nachbesserung dem Kläger gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB unzumutbar war.
Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung ist – im Gegensatz zu den besonderen Umständen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung von Sekundärrechten rechtfertigen (§§ 281 Abs. 2 Alt. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3) – allein aus der Perspektive des Käufers zu bestimmen. Maßgeblich ist der Erkenntnisstand des Käufers in demjenigen Zeitpunkt, in dem er sein Sekundärrecht geltend macht (BGH, Urteil vom 18. Januar 2017, VIII ZR 234/15, juris Rn 36).
Eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung ergibt sich dabei jedoch weder aus der Person des Verkäufers, noch aus der Zeitdauer der Nacherfüllung, der begründeten Befürchtung fortbestehender Mangelhaftigkeit trotz Nachbesserung und dem etwaigen Verbleiben eines merkantilen Minderwerts:
(1) Person des Verkäufers
Wie bereits ausgeführt, ist der Beklagten zu 1) eine etwaige Täuschung des Herstellers nicht zuzurechnen.
Hinzukommt, dass nicht jede arglistige Täuschung zu einem vollständigen Vertrauensverlust auf Käuferseite führt, der eine Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar macht (BGH, Urteil vom 9. Januar 2008, VIII ZR 210/06, juris Rn 18).
Selbst wenn man es ausreichen lässt, dass die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung auch daraus resultieren kann, dass das Vertrauen des Käufers in den Hersteller des betreffenden Produkts nachhaltig gestört ist, ohne dass dem Verkäufer selbst ein Fehlverhalten anzulasten ist (so etwa Beck’scher Onlinekommentar zum BGB – Faust, § 440 Rn. 37a), begründet dies im vorliegenden Fall nicht die Unzumutbarkeit. Neben einer – unterstellten – Arglist und Täuschung der Öffentlichkeit durch die Porsche AG ist zu berücksichtigen, dass bereits zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bekannt war, dass die Entwicklung der vorgesehenen Nachbesserungsmaßnahmen unter öffentlicher Aufsicht des KBA – einer neutralen Behörde – erfolgte. Gerade die Prüfungen der vom Hersteller entwickelten Abhilfemaßnahmen durch das KBA und die nur sukzessive Freigabe nach Modellgruppen führten dazu, dass Fahrzeuge erst nach einigen Monaten nachgebessert werden konnten, bot aber gleichzeitig eine Gewähr dafür, dass es nicht erneut zu Täuschungen kommt.
(2) Zeitdauer der Nacherfüllung
Die bloße Tatsache, dass die Nacherfüllung Zeit benötigt, und der Käufer die Sache währenddessen nicht nutzen kann, führt ebenfalls nicht zur Unzumutbarkeit.
Denn aus dem Erfordernis der Nachfrist folgt gerade, dass der Käufer diese Zeit prinzipiell in Kauf nehmen muss (Beck’scher Onlinekommentar zum BGB – Faust, § 440 Rn. Rn. 40). Da dem Kläger sein Fahrzeug im vorliegenden Fall bis zur Zurverfügungstellung der Nachbesserungslösung unstreitig uneingeschränkt nutzen durfte und auch genutzt hat, ist ihm insoweit ohnehin kein konkreter Nachteil entstanden.
(3) begründete Befürchtung fortbestehender Mangelhaftigkeit
Soweit die Ansicht vertreten wird, auch die begründete Befürchtung, die Sache werde trotz Nacherfüllung nicht mangelfrei sein, könne die Unzumutbarkeit begründen (Palandt/Weidenkaff, BGB-Kommentar, 77. Aufl. 2018, § 440, Rn 8), steht dies in einem gewissen Widerspruch zu § 326 Abs. 5 BGB, der für einen sofortigen Rücktritt wegen der Unbehebbarkeit des Mangels den Nachweis der Unmöglichkeit der Nacherfüllung verlangt.
Nicht ausreichend ist deshalb der subjektive Verdacht eines trotz Nachbesserung verbleibenden Nachteils, der auf einem Misstrauen gegenüber dem Hersteller beruht. Es bedarf vielmehr konkreter Anhaltspunkte im Zeitpunkt des Rücktritts dafür, der Mangel selbst werde nicht beseitigt (Schubel, JuS 2002, 313, 317) oder die Beseitigung führe zu weiteren – neuen – Sachmängeln des Fahrzeugs. Pauschale Behauptungen genügen ebenso wenig wie der Hinweis auf Unwägbarkeiten oder nicht geklärte Langzeitfolgen.
Die Unzumutbarkeit im Sinne des § 440 S. 1 BGB kann auch nicht damit begründet werden, die Beklagte zu 2) habe keine verbindliche Zusage bzw. Garantieerklärung dahingehend abgegeben, das Update habe keine negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug (vgl. aber LG Krefeld, a.a.O., zitiert nach juris das in einer Garantieerklärung einen möglichen Gegenbeweis sieht). Eine Garantieerklärung mag aus Sicht der Kunden wünschenswert sein, eine rechtliche Verpflichtung dazu besteht jedoch im Rahmen des Gewährleistungsrechts nicht, insbesondere nicht für den vorliegend in Anspruch genommenen Verkäufer, der seinerseits nur Händler ist.
Die pauschale Behauptung des Klägers, … genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung eines begründeten Verdachts. Es fehlt schon konkreter Vortrag, welche Verbrauchs- bzw. Leistungswerte einzuhalten wären (vgl. auch OLG München, Urteil vom 3. Juli 2017, 21 U 4818/16, juris 25). Nicht jede Änderung dieser Parameter wäre zudem mit einem – neuen – Mangel des Fahrzeugs gleichzusetzen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 1. März 2018, 10 U 1561/17 = zitiert nach juris zu den Anforderungen an den Vortrag eines Mangels nach Aufspielen des Updates).
(4) Verbleiben eines merkantilen Minderwertes
Die Unzumutbarkeit der Nachbesserung kann letztlich auch nicht mit der Behauptung, nach einer Nachbesserung verbleibe ein merkantiler Minderwert, begründet werden.
Insoweit fehlt es schon an einem über einen bloßen Verdacht hinausgehenden konkreten Vortrag.
c) Eine Fristsetzung war auch nicht gem. § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich, weil die Kaufsache mit einem unbehebbaren Mangel behaftet war:
Eine Fristsetzung ist danach entbehrlich und der Gläubiger/Käufer kann sofort zurücktreten, wenn eine Nacherfüllung, sei es in Form der Nachlieferung oder der Nachbesserung, wegen eines unbehebbaren Mangels nicht möglich ist (Palandt/Grüneberg, BGB-Kommentar, 77. Aufl. 2018, § 326, Rn 18; BGH, Versäumnisurteil vom 10. Oktober 2007, VIII ZR 330/06, zitiert nach juris). Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB liegt dabei vor, wenn die Leistung weder vom Schuldner noch von einem Dritten erbracht werden kann.
Darlegungs- und beweispflichtig hierfür ist dabei der Kläger als Käufer, da es sich um eine Voraussetzung des Rücktrittsrechts ohne Fristsetzung handelt (Münchener Kommentar zum BGB/Ernst, 7. Aufl., § 326 Rn. 130).
(1) Dass es im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung objektiv unmöglich war, den ursprünglich bestehenden Mangel nachzubessern hat der Kläger indes nicht hinreichend dargetan:
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger keine konkreten Anhaltspunkte für die Unmöglichkeit der Nachbesserung vorträgt:
Soweit der Kläger eine Nichteinhaltung der Emissionswerte (Stickoxid) nach Durchführung des Updates behauptet bzw. das Erreichen der gesetzlich vorgegebenen Stickoxidwerte mit Nichtwissen bestreitet, steht dem bereits entgegen, dass die Nachbesserung in Abstimmung mit dem KBA als zuständiger Behörde erfolgt. Diese hat der … AG gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV aufgegeben, dass die bereits im Umlauf befindlichen Fahrzeuge insgesamt in einen Zustand versetzt werden, der der Typgenehmigung – gerade in Bezug auf die Stickoxidwerte – entspricht. Die jetzt seitens der … AG in Angriff genommene Nachbesserung erfolgt in Abstimmung mit dem KBA. Daraus folgt wiederum, dass das KBA davon überzeugt ist, dass das Fahrzeug mit der Nachbesserung insgesamt der Typgenehmigung entspricht. Schon vor diesem Hintergrund hätte es auch unter Berücksichtigung der Darlegungslast zur objektiven Unmöglichkeit einer substantiierten Darlegung bedurft, warum dieser Parameter entgegen der Überzeugung der zuständigen Fachbehörde infolge der Nachbesserung gerade nicht eingehalten werden sollen. Soweit der Kläger eine negative Änderung … behauptet, fehlt es an substantiierem Sachvortrag zu Vergleichswerten sowie Absprachen sowie berechtigten Erwartungen bzgl. des Kraftstoffverbrauchs.
Soweit der Kläger weiter fürchtet, dass auch nach Durchführung des Updates die Gefahr der Entziehung der Zulassung/Typengenehmigung drohe, ist auch dies nicht hinreichend dargetan:
Eine Entziehung der Zulassung käme allenfalls dann in Betracht, wenn (kumulativ)
– die Nachbesserung nicht zu einer Konformität des Fahrzeugs mit den europarechtlichen Vorgaben führen würde,
– das KBA als zuständige Bundesbehörde daraufhin von dem ihr gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, eine Entziehung der Typgenehmigung in die Wege zu leiten und
– die zuständigen Landesbehörden nach wirksamer Entziehung der Typgenehmigung vor diesem Hintergrund von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würden, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 02.11.2010, 3 Bf 82/09, zit. nach juris Rn. 34).
Unternommen worden ist bis dato auch nicht einer dieser Schritte. Insbesondere ist die Typgenehmigung auch nicht gem. § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO automatisch erloschen. Die genannten Vorschriften gelten nämlich nicht für den hier vorliegenden Fall, dass ein Fahrzeug schon vor Inverkehrbringen durch den Hersteller nicht der maßgeblichen Typgenehmigung entspricht. Aus der Begründung zur damaligen Neufassung des § 19 Abs. 2 StVZO – vgl. BR-Drucksache 629/93, dort S. 15, 16 – folgt nämlich, dass diese Vorschrift ihrer Intention nach nur Änderungen von bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen erfassen sollte. Dieses an der Entstehungsgeschichte der Norm orientierte Auslegungsergebnis wird durch eine systematische Auslegung eindrucksvoll unterstützt: So sieht § 19 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 7 StVZO ein – automatisches – Erlöschen der Typgenehmigung für den Fall vor, dass an dem Fahrzeug Änderungen vorgenommen werden, durch die eine – einfache – Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Würde dies auch für Änderungen vor Inverkehrbringen des Fahrzeugs durch den Hersteller gelten, würde die zeitlich nachfolgend in Kraft getretene Vorschrift des § 25 Abs. 3 Nr. 2 EG-FGV, welche den Widerruf der Typgenehmigung erst dann ermöglicht, wenn von dem Fahrzeug ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit ausgeht und der Behörde zumal noch ein Ermessen einräumt, keinen Sinn machen.
Dass die Nachbesserung objektiv unmöglich sei, weil auch im Falle der Nachbesserung ein merkantiler Minderwert verbleibt, ist vom Kläger wiederum nicht hinreichend substantiiert dargetan.
Der angebotene Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens liefe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus. Dies deshalb, weil der Kraftfahrzeugmarkt schon grundsätzlich sehr transparent ist – vgl. die monatlichen sog. „Schwacke-Listen“ – und zudem gerade die Auswirkungen des verfahrensgegenständlichen sog. „Abgasskandals“ auf das Marktgeschehen Gegenstand regelmäßiger Marktbeobachtungen und Presseveröffentlichungen sind, so dass es der Klägerin ohne Weiteres möglich wäre, etwaige Wertverschiebungen, die gerade auf die verfahrensgegenständliche Softwareproblematik und nicht etwa darauf zurückzuführen sind, dass Dieselfahrzeuge aus anderen Gründen in der Gunst des Marktes nachgelassen haben, darzulegen, was indes nicht geschehen ist.
3. Auf die Frage der Verfristung des Rücktrittsrechts aufgrund der Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs kam es daher nicht entscheidungserheblich an.
III.
Weitere denkbare Ansprüche auf Schadensersatz gemäß §§ 437 Ziff. 3, 280, 281 Abs. 1 BGB oder aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo – jeweils gerichtet auf Rückabwicklung des Kaufvertrages als Naturalrestitution im Sinne von §§ 249 ff. BGB – bestehen aus den oben genannten Gründen bzw. wegen Vorrangs der Gewährleistungsrechte ebenfalls nicht.
IV.
Mangels Anspruchs auf Zahlung von … € Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkws gegenüber der Beklagten zu 1) scheiden auch die Nebenansprüche auf Feststellung des Annahmeverzugs und auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 48 GKG, § 3 ZPO.
Hierbei wurden der Klageantrag zu 1) mit … € und der Klageantrag zu 2) mit … € bewertet, weil davon ausgegangen wird, dass mit dem Feststellungsantrag im Klageantrag zu 2) weitergehende – über die Rückabwicklung des Kaufvertrages hinausgehende – Schäden geltend gemacht werden. Ein Ansatz von … € auch bzgl. des Klageantrags zu 2) war im Hinblick auf die dann bestehende wirtschaftliche Identität der Ansprüche nicht angezeigt.
Die Anträge zu 3) und 4) sind nicht streitwerterhöhend.


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