IT- und Medienrecht

Offenlegung betriebsinterner Daten durch das InEK

Aktenzeichen  M 9 E 19.4746

Datum:
23.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17024
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 52 Nr. 5, § 67 Abs. 4 S. 4 u. 7, § 123, § 154 Abs. 1
BPflV § 4, § 9 Abs. 1 Nr. 9, § 11, § 18 Abs. 2
KHG § 18 Abs. 1 S. 2
VwVfG § 1 Abs. 4
ZPO § 920 Abs. 2
RDGEG § 3, § 5
GKG § 52 Abs. 2,§ 53 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Offenlegung betriebsinterner Daten auf der Grundlage der Psych-Krankenhausvergleichs-Vereinbarung.
Die Antragstellerin ist Rechtsträgerin des P1. P2. Klinik W. Die im Krankenhausplan des Freistaates Bayern vorgenommene Ausweisung von 177 Planbetten und 50 tagesklinischen Plätzen betrifft ausschließlich die Fachrichtung psychosomatische Medizin und Psychotherapie.
Der Antragsgegner ist eine privatrechtlich verfasste GmbH, deren Gesellschafter die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der GKV-Spitzenverband und der Verband der Privaten Krankenversicherungen. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) wurde 2001 gegründet zu dem Zweck, die Vertragspartner der Selbstverwaltung und die von ihnen gebildeten Gremien bei der Erfüllung verschiedener Aufgaben zu unterstützen, insbesondere Weiterentwicklung und Pflege des Vergütungssystems und Kalkulation von Entgelten. Im vorliegenden Fall stellt das InEK den örtlichen Vertragsparteien nach § 11 BPflV und in geringerem Umfang auch der Öffentlichkeit von ihm gesammelte Informationen in seinem Datenportal zur Verfügung. Es handelt sich um Informationen über die Krankenhäuser für den sogenannten leistungsbezogenen Vergleich nach § 4 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (BPflV) zur Unterstützung bei der Vereinbarung eines leistungsgerechten Gesamtbetrags, eines leistungsgerechten Basisentgeltwerts und sonstige leistungsgerechte, krankenhausindividuelle Entgelte, § 4 Abs. 1 Satz 1 BPflV.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine von ihr befürchtete Veröffentlichung krankenhausinterner Daten zur Erstellung des leistungsbezogenen Vergleichs nach § 4 BPflV durch das InEK. Nach § 4 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BPflV haben die Krankenhäuser die entsprechenden Daten an das InEK zu übermitteln. Dieses hat die Ergebnisse des leistungsbezogenen Vergleichs zu ermitteln und den Vertragsparteien nach § 11 BPflV sowie den Beteiligten nach § 18 Abs. 1 Satz 2 KHG zur Verfügung zu stellen. Nach der auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 9 BPflV geschlossenen Psych-Krankenhausvergleichs-Vereinbarung wurde auf der Grundlage eines Konzepts des Antragsgegners (InEK-Konzept vom 13.3.2019) eine Regelung über die Einzelheiten getroffen, Anlage I zu der Vereinbarung. Im Zusammenhang mit der Psych-Personalnachweis-Vereinbarung nach § 18 Abs. 2 BPflV, die unmittelbar nur für Krankenhäuser in den Fachgebieten Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie gilt und auf die § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BPflV verweist, führt das Konzept aus, dass für psychosomatische Einrichtungen die Personalausstattung separat analog Anlage 1 zur Umsetzung der Psych-Personalnachweis-Vereinbarung für die psychiatrische Einrichtung im InEK-Datenportal zu übermitteln ist. Die Offenlegung der entsprechend übermittelten Daten wird in §§ 3, 6 und 8 der Psych-Krankenhausvergleichs-Vereinbarung geregelt.
Die Antragstellerin ist eine psychosomatische Klinik, für die zum hier maßgeblichen Zeitraum der Datenübermittlung bis Ende 2010 die Psych-Personalnachweis-Vereinbarung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BPflV i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 1 bis 3 BPflV nicht direkt gilt.
Mit Schriftsatz vom 18.9.2019 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin gemäß § 123 VwGO:
Dem Antragsgegner wird vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache untersagt, Daten des Krankenhauses der Antragstellerin im Rahmen der Erstellung eines leistungsbezogenen Vergleichs nach § 4 BPflV für Krankenkassen, andere Krankenhäuser, Beteiligte nach § 18 Abs. 1 Satz 2 KHG oder für die Öffentlichkeit auf seiner Internetseite oder in anderer Weise zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.
Das Verwaltungsgericht sei örtlich zuständig. Für eine analoge Anwendung auf Psychosomatische Kliniken fehle in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BPflV i.V.m. § 18 Abs. 2 BPflV eine gesetzliche Grundlage. Damit liege ein unzulässiger Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG vor.
Der Antragsgegner beantragte,
1. Verweisung an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Köln.
2. Ablehnung des Antrags.
Es fehle vorliegend ein Anordnungsgrund, da aktuell auch keine Datenübermittlung an das InEK erfolgt sei. Die Daten würden von der Antragstellerin jährlich in ihrem strukturierten Qualitätsbericht veröffentlicht. Frei und für jedermann einsehbar werde das Personal nach Zahl und Berufsgruppe aufgeschlüsselt. Die Auswertungsergebnisse des Krankenhausvergleichs stünden dagegen nur einem begrenzten Personenkreis zu Verfügung und würden nach § 6 Psych-Krankenhausvergleichs-Vereinbarung ohne konkreten Bezug zu einem bestimmten Krankenhaus veröffentlicht. Eine umfassende Offenlegung von Personaldaten erfolge nicht, sondern Einsicht habe nur ein begrenzter Personenkreis in einem geschützten Bereich. Die Veröffentlichung der Auswertungsergebnisse erfolge nur an Beteiligte des leistungsbezogenen Vergleiches. Es handle sich nicht um Betriebsgeheimnisse. All die Daten seien im Rahmen der Budgetverhandlungen nach § 18 KHG an den entsprechenden Personenkreis bereits übermittelt worden. Insgesamt fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 52 Nr. 5 VwGO sei das Verwaltungsgericht München örtlich unzuständig und der Sitz der Beklagten maßgeblich.
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2019, M 9 E 19.4714 hat das Bayerische Verwaltungsgericht München einem Antrag gemäß § 123 VwGO der Antragstellerin gegen die AOK, den Verband der Ersatzkassen und die BKK Arbeitsgemeinschaft Krankenhaus in Bayern GbR stattgegeben und den Antragsgegnern untersagt, ersatzweise Daten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BPflV an das InEK, den Antragsgegner in diesem Verfahren, zu übermitteln. Der Beschluss ist bestandskräftig. Eine Klage wurde nicht erhoben.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte
Bezug genommen sowie auf den Beschluss und die Akten im Verfahren M 9 E 19.4714.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht München ist nach § 52 Nr. 1 VwGO in jedem Fall örtlich zuständig. Zwar betrifft der Rechtsstreit die Zulässigkeit einer Datenoffenlegung durch eine GmbH mit Sitz in Köln. Eine zentrale dortige Zuständigkeit für eine Veröffentlichung der Daten liegt nicht vor, da hinsichtlich der Krankenhäuser eine Ortsgebundenheit besteht, § 52 Nr. 1 VwGO. Für die Ermittlung der Daten bestimmt § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 eine Einbeziehung der regionalen Besonderheiten des jeweiligen Krankenhauses. Daran knüpft die Offenlegung als einheitlicher Vorgang an.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Antragsgegner um eine GmbH des Privatrechts, die im Zusammenhang mit der Übermittlung und Veröffentlichung der Daten im Auftrag der Vereinbarungspartner ohne eigenständige Befugnisse tätig wird, § 18 i.V.m. § 4 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung -BPflV-). Danach ist die Offenlegung der Daten ein Realakt. Das InEK hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe eines IT- und Verwaltungsbüros ohne eigene Entscheidungsbefugnisse. Es handelt sich insoweit weder um einen Beliehenen noch um eine Einrichtung, die dem funktionalen Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG unterfällt. Auch in der aktuellen Fassung des KHG sowie der Bundespflegesatzverordnung ist der Antragsgegner nicht mit hoheitlichen, einem Privaten ansonsten nicht zustehenden Befugnissen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beliehen, soweit er die Ergebnisse des leistungsbezogenen Vergleichs verarbeitet und den Vertragsparteien sowie den Beteiligten nach § 18 Abs. 1 Satz 2 KHG zur Verfügung stellt.
Da der Antragsgegner lediglich mit der technischen und organisatorischen Abwicklung der Datenveröffentlichung und deren Erhebung und Auswertung befasst ist („Schreibstube“), ist ein Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Sicherungsanordnung statthaft; ein Fall des § 123 Abs. 5 VwGO liegt nicht vor.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund, d.h. die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung, als auch ein Anordnungsanspruch, d.h. ein materielles Recht, hinreichend glaubhaft gemacht werden, § 123 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
Vorliegend fehlt es an der Notwendigkeit, Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit einer vorläufigen gerichtlichen Regelung, da der Antragsgegner bis auf weiteres keine betriebsinternen Daten nach der Psych-Krankenhausvergleichs-Vereinbarung nach § 9 Abs. 1 Nr. 9 BPflV i.V.m. § 4 BPflV veröffentlichen kann. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 17. Dezember 2019 (M 9 E 19.4714) wurde den Vertragsparteien nach § 11 BPflV, in deren Auftrag der Antragsgegner tätig wird, die Ersatzlieferung der Daten nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Psych-Krankenhausvergleichs-Vereinbarung untersagt. Der Beschluss ist rechtskräftig und Klage dagegen wurde nicht erhoben.
Die Antragstellerin hat in diesem Verfahren erklärt, dass sie die Daten nicht selber übermitteln wird. Da das InEK keine Daten der Antragstellerin erhält, kann es auch keine veröffentlichen. Nach dieser Sachlage besteht keine Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung durch das Verwaltungsgericht.
Auf die Frage, ob der Antragstellerin ein Anordnungsanspruch zur Seite steht, kommt es vorliegend nicht mehr an. Ungeachtet dessen weist das Gericht darauf hin, dass aus den Gründen des Beschlusses vom 17. Dezember 2019 (M 9 E 19.4714) auch die Offenlegung der Daten, insbesondere der Personaldaten, rechtswidrig ist und mangels einer Rechtsgrundlage ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Auf die Gründe dieses den Beteiligten bekannten Beschlusses wird Bezug genommen.
Der Antrag war trotz eines bestehenden Anordnungsanspruchs wegen des Fehlens eines Anordnungsgrundes mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Streitwertkatalog.


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