IT- und Medienrecht

Rechtsanwaltskosten, Frist, Pkw, Herausgabe, Revision, Klage, Zinsen, Fristsetzung, Zulassung, Anforderungen, Zumutbarkeit, Voraussetzungen, Feststellung, Endurteil, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  17 U 3992/19

Datum:
29.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52685
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

10 O 3119/18 2019-07-05 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 05.07.2019, Az. 10 O 3119/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A
Die Parteien streiten um Rückabwicklungspflichten der Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs (Audi A4, 3,0 l, 200 kW, 6-Zylinder-Dieselmotor, EU 6-Motor) durch den Kläger bei der Beklagten am 08.08.2017.
Zunächst wird diesbezüglich auf die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts München II im Endurteil vom 05.07.2019 mit folgenden Ergänzungen und Abänderungen verwiesen:
Bei dem Fahrzeug handelt es sich nicht um ein solches mit dem EA 189-Motor, der gerichtsbekannt nach eigenem Vortrag der VW AG eine Abschalt-/Umschaltlogik in der Motorsteuerung zur Beeinflussung der Stickoxide im Abgas enthält.
Der Kläger hat vor Erhebung seiner Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1 BGB der Beklagten keine Frist nach § 323 Abs. 1, § 439 BGB gesetzt.
Mit amtlicher Auskunft vom 13.12.2019 (Bl. 133 d. A.) teilte das Kraftfahrtbundesamt dem Senat mit, dass das Fahrzeug des Klägers nach Kenntnisstand 13.12.2019 nicht von einem Rückruf aufgrund einer unzureichenden Abgasreinigung betroffen sei.
Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit seiner Berufung beantragt der Kläger jetzt:
1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München II, Aktenzeichen: 10 O 3119/18, wird die Beklagtenpartei verurteilt, an die Klagepartei € 41.607,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zugum-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw Audi A4, FIN …945.
2. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München II, Aktenzeichen: 10 O 3119/18, wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Pkw im Annahmeverzug befindet.
3. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München II, Aktenzeichen: 10 O 3119/18, wird die Beklagte verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.099,76 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Vortrags der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Mit Senatsbeschluss vom 11.05.2020 wurde dem Kläger Frist bis 18.05.2020 zur Erwiderung auf den neuen Sachvortrag im Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2020 gesetzt. Am 18.05.2020 ging ein Schriftsatz des Klägers beim Oberlandesgericht München ein, auf den verwiesen wird.
B
Die zulässige Berufung des Klägers (§§ 511, 517, 520 ZPO) hat keinen Erfolg (§ 346 Abs. 1, § 323 Abs. 1, § 323 Abs. 2 Nr. 1, § 323 Abs. 2 Nr. 3, § 437 Nr. 2, § 439 Abs. 1, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB in der vor dem 01.01.2018 geltenden Fassung: Art. 229 § 39 EGBGB; künftig insgesamt: BGB).
I.
Mangels Fristsetzung zur Mangelbeseitigung ist die Klage unbegründet (§ 323 Abs. 1 BGB):
1. An das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 281 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Dementsprechend kann in dem bloßen Bestreiten von Mängeln noch nicht ohne Weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung gesehen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner über das Bestreiten der Mängel hinaus bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehnt und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer (ordnungsgemäßen) Nacherfüllungsaufforderung werde umstimmen lassen (BGH, Urteil vom 01.07.2015, VIII ZR 226/14, WM 2015, 1591, 1594, Randziffer 33; s.a. Urteil vom 18.01.2017, VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666, 1668, Randziffern 31 und 33).
2. Das ist im vorliegenden Fall gegeben: Die Beklagte bestreitet lediglich das Vorliegen einer unzulässigen „Abschalteinrichtung“ für die Steuerung der Zusammensetzung der Motorabgase vergleichbar wie beim EA 189. Eine Nachbesserung/Nacherfüllung selbst verweigert sie nicht. Das Gericht geht davon aus, dass bei konträrer Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes die Beklagte sich einer Nacherfüllung nach § 439 BGB nicht verweigert hätte. Anderes ist zumindest nicht ersichtlich.
3. Die Voraussetzungen des § 326 Abs. 5 BGB sind hier nicht gegeben, da nicht ersichtlich ist, inwiefern der Beklagte eine etwaige Nacherfüllung unmöglich sein sollte (wenn auch unter Zuhilfenahme der Audi AG): Die vom Kläger hierfür herangezogene Rechtsprechung ist schon deshalb nicht relevant, weil sie, soweit ersichtlich, zum EA 189-Motor ergangen ist, wobei offen bleiben kann, ob der Senat bei einem EA 189 dieser Rechtsprechung folgen würde.
II.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, eine Fristsetzung zur Nacherfüllung sei nicht zumutbar gewesen (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB):
1. Der Kläger kann sich nicht auf Unzumutbarkeit der Setzung einer Nacherfüllungsfrist im Hinblick auf § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB berufen: Etwaig schuldhaftes Verhalten des Lieferanten, hier also der Audi AG, wird dem Verkäufer, hier also der Beklagten, nicht zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2017, VIII ZR 86/16, NJW 2018, 291, 293, Randziffer 24; Urteil vom 02.04.2014, VIII ZR 46/13, NJW 2014, 2183, 2185, Randziffer 31; Urteil vom 29.04.2015, VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244, 2244, Randziffer 13). Selbst wenn bei der Audi AG hinsichtlich des vom Kläger behaupteten Mangels arglistiges bzw. sittenwidriges Verhalten vorläge, müsste sich die Beklagte dieses nicht zurechnen lassen. Dass aber die Beklagte selbst arglistiges Verhalten träfe, behauptet der Kläger selbst nicht und ist auch nicht ersichtlich, zumal eine entsprechende Rückrufaktion durch das Kraftfahrtbundesamt verneint wird. Auch dass eine etwaige Nacherfüllung durch die Audi AG initiiert werden müsste, lässt diese für den Kläger nicht unzumutbar werden, da eine solche durch die Beklagte gegenüber dem Kläger zu verantworten wäre und nicht in erster Linie durch die Audi AG.
2. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erübrigte sich auch nicht wegen (angeblichen) merkantilen Minderwerts des Fahrzeugs verbunden mit der damit einhergehenden fehlenden Beseitigbarkeit des Mangels:
a) Eine Fristsetzung ist nach dem Urteil des BGH vom 08.12.1966 (VII ZR 144/64, WM 1967, 23, 24, Ziffer IV 2 b im Gegenschluss; merkantiler Minderwert zusätzlich gegeben: vgl. WM 1967, 23, 23, Ziffer III 2) grundsätzlich erforderlich. Allerdings muss beachtet werden, dass die Pflichtverletzung hinsichtlich eines Mangels nicht mehr unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB wäre, wenn der merkantile Minderwert 1% des Kaufpreises des Fahrzeugs überstiege (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12.03.2008, VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517, 1518f., Randziffer 22).
b) Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auf die Frage der Zumutbarkeit der Fristsetzung für den Kläger nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB anwendbar ist. Es könnte ja sein, dass die Beklagte den Motor des Fahrzeugs gegen ein einwandfreies, umkonstruiertes neues Antriebsaggregat auswechselt. Ob sich die Beklagte der Audi AG hierzu bedient oder nicht, ist nicht relevant. Einzig und allein die Beklagte müsste nämlich eine entsprechende Nacherfüllung verantworten.
c) Darüber hinaus hat der Kläger keine konkrete Größenordnung eines merkantilen Minderwerts angegeben, sodass völlig offen ist, ob, verbleibender merkantiler Minderwert unterstellt, dieser eine Größenordnung von 1% des Kaufpreises überhaupt überschreitet. Die Bezugnahme auf andere Gerichte ersetzt nicht eigenen Vortrag des Klägers hierzu.
III.
Eine Haftung der Beklagten nach § 263 Abs. 1 StGB; § 823 Abs. 2 BGB bzw. nach § 826 BGB kommt nicht in Betracht, da für vorsätzliches oder/und sittenwidriges Handeln der Beklagten nichts ersichtlich ist, zumal das Kraftfahrtbundesamt selbst schon das Vorliegen einer „Abschalteinrichtung“ nach derzeitigem Kenntnisstand verneint. Weiteres trägt der Kläger, soweit ersichtlich, hierzu auch nicht vor.
IV.
Ob also der Motor tatsächlich mangelhaft ist, ist entgegen dem Klägervortrag nicht entscheidungsrelevant.
C
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen und dieses Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 708 Nr. 10 analog, § 711 ZPO Die Zulassung der Revision kam mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht in Betracht, da, wie ausgeführt, nicht entscheidungserheblich ist, ob das Fahrzeug des Klägers tatsächlich mangelhaft ist.
Verkündet am 29.05.2020


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