IT- und Medienrecht

Rechtsweg für Entschädigungsanspruch eines Anliegers bei Straßenbauarbeiten

Aktenzeichen  M 2 K 18.1675

Datum:
13.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23381
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 40
GVG § 13, § 17a, § 17b
EnWG § 46 Abs. 1
BayStrWG Art. 17 Abs. 3, Art. 22 Abs. 2
BGB § 906 Abs. 2 S. 2
KStG § 4 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Für Entschädigungsansprüche wegen Beeinträchtigungen durch Straßenbauarbeiten zum Zwecke der Errichtung und des Betriebs von Fernwärme-/kälteleitungen im öffentlichen Straßengrund ist der Zivilrechtsweg eröffnet. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht München I verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Entschädigungsansprüche wegen Beeinträchtigungen durch Straßenbauarbeiten geltend. Sie betreibt das Restaurant „… + Bar“, das an der …straße, einer Ortsstraße in der Straßenbaulast der Beklagten, liegt. An der …straße wurden von der … GmbH in den Monaten ab Ende April 2017 Bauarbeiten am Fernkältenetz durchgeführt. Die Klägerin macht für diese Zeit Umsatzeinbußen geltend, deren Ersatz sie nach erfolglosem vorprozessualen Schriftverkehr mit ihrer Klage vom 9. April 2018 von der Beklagten begehrt.
Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 57.744,47 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Sie erachtet den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet und die Beklagte für passivlegitimiert. Den Anspruch leitet sie materiell-rechtlich aus Art. 17 Abs. 3 BayStrWG her.
Die Beklagte ist dem Klagebegehren entgegengetreten (Schriftsatz vom 12.6.2018). Sie bezweifelt sowohl ihre Passivlegitimation als auch die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2018 hat das Gericht die Beteiligten zur beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Landgericht München I angehört. Diese haben sich hierzu mit Schreiben vom 10. und 30. Juli 2018 geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist nicht eröffnet, da es sich vorliegend nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Vielmehr ist der ordentliche Rechtsweg gegeben (§ 13 GVG). Das Gericht spricht daher die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges aus und verweist den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht München I (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, § 17 Abs. 1 ZPO, Art. 4 Nr. 15, Art. 5 Abs. 2 Nr. 47 GerOrgG).
Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt sich um eine zivilrechtliche Streitsache, sodass nicht der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO, sondern der ordentliche Rechtsweg nach § 13 GVG eröffnet ist.
1. Auch wenn es sich bei Arbeiten an Versorgungsleitungen und ähnlichen Anlagen um hoheitliche Straßenbauarbeiten handeln kann (vgl. insbesondere VGH BW, U.v. 17.12.2003 – 5 S 1914.03 – juris Rn. 22 f. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH), ist dabei stets der jeweilige Einzelfall in den Blick zu nehmen und aufgrund der dort zu konstatierenden konkreten Gegebenheiten die Abgrenzung zwischen privatrechtlicher und hoheitlicher Tätigkeit des Straßenbaulastträgers zu treffen. Dies zu Grunde gelegt, erweisen sich die streitigen Straßenbauarbeiten vorliegend als allein nach Privatrecht zu beurteilende Tätigkeiten privater gemeindlicher Unternehmen am Energieversorgungsnetz und nicht als Straßenbauarbeiten der Beklagten.
Art. 17 Abs. 3 BayStrWG ist für den geltend gemachten Anspruch nicht einschlägig, da es sich bei den streitbefangenen Baumaßnahmen nicht um hoheitlich durchgeführte Straßenarbeiten handelt. Zutreffend weist die Beklagte (vgl. Erwiderung vom 12.6.2018) unter Bezugnahme auf Art. 22 Abs. 2 BayStrWG darauf hin, dass die an der …straße – einer Ortsstraße nach Art. 46 Nr. 2 BayStrWG (vgl. Eintragungsverfügung vom 15.2.1962) – durchgeführten streitigen Bauarbeiten der … … GmbH am Fernkältenetz auf der Grundlage eines Wegenutzungsvertrags in Gestalt der sog. Konzessionsvereinbarung zwischen der Beklagten und der …-Versorgungs GmbH vom 22.12.2000/17.1.2001 i.V.m. der Vereinbarung der Beklagten, der … … GmbH und der …-Versorgungs GmbH vom gleichen Tag erfolgt sind. Danach steht vorliegend ein allein zivilrechtliches Nutzungsverhältnis an der Straße zwischen der Beklagten und den kommunalen Energieversorgungsunternehmen inmitten. Die Beklagte erfüllt damit selbst keine hoheitliche Aufgabe mit Wirkung gegenüber Dritten, hier der Klägerin als Straßenanliegerin. Vielmehr genügt sie zunächst lediglich ihrer gesetzlichen Pflicht, gerichtet auf Zurverfügungstellung ihrer öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Versorgungsleitungen im Gemeindegebiet an die o.g. (gemeindlichen) Unternehmen. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass es sich bei den Verträgen zwischen Fernwärme/-kälteversorgungsunternehmen und Kommunen um Gestattungsverträge – regelmäßig und trotz der vielfach, wie auch hier, vorzufindenden irreführenden Bezeichnung als Konzessionsverträge in Gestalt von Mietverträgen bzw. Verträgen sui generis – über die Nutzung des kommunalen Straßengrundes für die Verlegung von entsprechenden Leitungen handelt. Errichtung und Betrieb von Fernwärme-/kälteleitungen im öffentlichen Straßengrund erfolgen mithin ausschließlich auf privatrechtlicher Grundlage, die für entsprechende Verträge so auch in Art. 22 Abs. 2 BayStrWG vorgesehen ist, und bedürfen grundsätzlich keiner Genehmigung, geschweige denn einer Konzessionierung durch die öffentliche Hand (vgl. dazu insbesondere Körber, EWeRK 2016, 155 m.w.N.). Errichtung und Betrieb der entsprechenden Versorgungsnetze basieren somit allein auf zivilrechtlicher Grundlage in Gestalt vertraglicher Wegenutzungsrechte, die den in § 46 Abs. 1 Satz 1 EnWG für Strom- und Gasnetze im Rahmen der Energieletztversorgung normierten solchen eng verwandt und rechtlich vergleichbar sind. Danach besteht für die Beklagte als Kommune ein Kontrahierungszwang in entsprechender Anwendung von § 46 Abs. 1 Satz 1 EnWG, aufgrund dessen sie verpflichtet ist, die Wegenutzung durch das hier handelnde Versorgungsunternehmen zu ermöglichen (vgl. Körber, aaO S. 157).
Auch dass es sich bei der … … GmbH und der …-Versorgungs GmbH um städtische Energieversorgungsunternehmen in privater Rechtsform handelt (vgl. Art. 86 Nr. 3, Art. 92 GO), ändert nichts an der rechtlichen Einordnung der streitigen Baumaßnahmen als nicht hoheitlich. Zwar weist die Klägerin – zunächst zutreffend (vgl. Schriftsatz vom 30.7.2018) – auf die kommunale Aufgabenzuweisung im Rahmen der Daseinsvorsorge hin (vgl. hier Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 7, 57 Abs. 1 GO), die auch die Energieversorgung der Gemeindebürger erfassen kann. Somit kann es sich beim Fernwärme/-kältenetz der o.g. gemeindlichen Unternehmen durchaus um eine gemeindliche Einrichtung der Beklagten nach Art. 21 GO handeln; allerdings stellen dagegen die Straßen in der Baulast der Beklagten – nur darauf kommt es vorliegend an – gerade keine öffentlichen Einrichtungen i.S.v. Art. 21 GO dar. Ihr Benutzungsregime fußt vielmehr allein und abschließend auf den eigenständigen straßenrechtlichen Grundlagen der Art. 18 ff. BayStrWG (vgl. BayVGH, U.v. 22.11.2006 – 8 BV 05.1918 – juris Rn. 42). Wie vorstehend ausgeführt, sind Rechtsgrundlage der privatrechtlichen Sondernutzung in Gestalt der Vereinbarungen vom 22.12.2000/17.1.2001 Art. 22 Abs. 2 BayStrWG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 EnWG analog. Somit ist dann, wenn, wie hier, eine Straße für Zwecke der öffentlichen Versorgung von entsprechenden Unternehmen in Anspruch genommen wird, ohne dadurch den Gemeingebrauch auf längere Dauer zu beeinträchtigen, Rechtsgrundlage dafür allein der zwischen dem Versorgungsunternehmen und der Kommune geschlossene privatrechtliche Gestattungsvertrag; dies hat zur Folge, dass die im Rahmen des vorliegenden Vertragsverhältnisses zwischen den gemeindlichen Unternehmen und der Beklagten getroffenen Regelungen der Straßenbenutzung ausschließlich bürgerlich-rechtlichen Charakter aufweisen, auch wenn öffentlich-rechtliche Duldungspflichten und Aufgabenerfüllung im Rahmen der Daseinsvorsorge die Beklagte mittelbar entsprechend determinieren (vgl. Edhofer/Willmitzer, BayStrWG, 14. Aufl. 2013, Art. 22 Nr. 3.1 und 3.3). Bereits vor diesem spezifischen rechtlichen Hintergrund geht der Verweis der Klägerin auf die der Beklagten im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge zukommenden Aufgaben vorliegend ins Leere.
Zudem ist die Klage in dem vorliegend eingeschlagenen Rechtsweg auch deswegen nicht zulässig, weil sie richtigerweise nicht gegen die Beklagte, sondern gegen die … … GmbH als das die streitigen Bauarbeiten am Fernkältenetz ausführende gemeindliche Unternehmen und damit die hier allein mit Außenwirkung handelnde, privatrechtlich organisierte juristische Person zu richten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere B.v. 29.5.1990 – 7 B 30/90 – juris Rn. 5) unterfällt die Tätigkeit juristischer Personen des Privatrechts, auch wenn sie in den Dienst der Daseinsvorsorge des Staates und der Kommunen für seine/ihre Bürger gestellt sind, grundsätzlich dem Privatrecht und infolgedessen der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, es sei denn, die betreffende juristische Person wäre durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- oder Entscheidungsbefugnissen ausgestattet. Solches ist vorliegend allerdings weder mit Blick auf die … … GmbH noch die …-Versorgungs GmbH vorgetragen oder ersichtlich.
Schließlich weist die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 12. Juni 2018 zutreffend auch auf die mit dem bereits oben gefundenen Ergebnis korrespondierende steuerrechtliche Regelung in § 4 Abs. 3 KStG hin. Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören danach auch solche, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen. Vor dem Hintergrund des dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) innewohnenden Grundsatzes der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung bekräftigt auch diese ausdrückliche körperschaftssteuerrechtliche Wertung die Einordnung der streitigen Baumaßnahmen als gewerbliche Tätigkeit im Rahmen des privatrechtlichen Handelns der … … GmbH i.V.m. der …-Versorgungs GmbH.
Damit fehlt es vorliegend an einer schädigenden hoheitlichen Maßnahme der Beklagten gegenüber der Klägerin. Bei den streitigen Bauarbeiten handelt sich vielmehr um eine gewerbliche Tätigkeit der vorgenannten (kommunalen) Gesellschaft(en) im Rahmen der Energieversorgung, die sich (gerade auch) der Klägerin als Straßenanliegerin gegenüber als zivilrechtliches Tun eines privaten Dritten erweist. Damit ist als Anspruchsgrundlage gegebenenfalls § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, nicht aber Art. 17 Abs. 3 BayStrWG einschlägig.
2. Auf die Frage der Anwendbarkeit von § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO bei hoheitlich durchgeführten Straßenbauarbeiten kommt es vor dem Hintergrund des unter 1. Ausgeführten nicht mehr an (vgl. insbesondere auch VGH BW, aaO Rn. 17).
Nach alledem war die Unzulässigkeit des beschrittenen Verwaltungsrechtsweges auszusprechen und die Streitsache nach Anhörung der Beteiligten an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht München I zu verweisen (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG). Eine Kostenentscheidung ist vorliegend nicht veranlasst, da die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht nach § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wird.


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